Kultura50+ Anketa Befragung

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Im Auftrag von:

Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“ (Partner) “Kultura 50+ Anketa“

in Zusammenarbeit mit


„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

Im Auftrag von Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen Referat IVB3 - Zielgruppenspezifische Kulturangelegenheiten Ulla Harting Fürstenwall 25 40219 Düsseldorf

Herausgegeben von Institut für Bildung und Kultur e.V. Flavia Nebauer Küppelstein 34 42857 Remscheid ibk@ibk-kultur.de www.ibk-kubia.de

In Zusammenarbeit mit Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen Geschäftsbereich Statistik Meral Cerci, Sabine Bungert Roßstr. 76 40476 Düsseldorf Meral.Cerci@it.nrw.de www.it.nrw.de

und dem Partner-Verlag Partner MedienHaus GmbH & Co.KG Dr. Michail Vaysband, Dr. Simon Moutchnik, Maxim Gozman Märkische Str. 115 44141 Dortmund integrationszentrum-partner@web.de www.partner-inform.de

© IBK 2009

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

INHALT 1. Hintergrund und Zielsetzung ............................................................................

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2. Untersuchungsdesign .......................................................................................

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3. Ergebnisse der Befragung ................................................................................

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3.1 Zentrale Ergebnisse im Überblick .......................................................

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3.2 Empfehlungen für die Kulturpraxis ......................................................

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3.3 Demografische Merkmale ...................................................................

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a) Alter und Geschlecht .................................................................

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b) Form der Einwanderung und Aufenthaltsdauer ........................

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c) Herkunftsland ............................................................................

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d) Wohnortgröße Herkunftsland ....................................................

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3.4 Soziale Einbindung .............................................................................

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a) Familienstand und Kinder .........................................................

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b) Mitgliedschaft in religiösen Gemeinden .....................................

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c) Mitgliedschaft in einem Verein/Verband ....................................

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3.5 Bildung .................................................................................................

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3.6 Berufstätigkeit .......................................................................................

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3.7 Deutschkenntnisse ...............................................................................

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3.8 Materielle Absicherung .........................................................................

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3.9 Gesundheit ...........................................................................................

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4. Kulturinteresse und Nutzung kultureller Angebote .............................................

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5. Hinderungsgründe für die Nutzung kultureller Angebote ...................................

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6. Informationswege ...............................................................................................

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7. Künstlerisch-kreative Aktivitäten .........................................................................

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8. Kritik, Anregungen, Kommentare der Befragten .................................................

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ANHANG: Hintergrundinformationen

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Literatur

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

1. Hintergrund und Zielsetzung Das Institut für Bildung und Kultur (IBK) befasst sich mit dem Thema demografischer Wandel aus kultureller Perspektive. Migration und Alterung der Bevölkerung - dies sind zwei zentrale Aspekte des demografischen Wandels, die die Gruppe der älteren MigrantInnen zunehmend in den Fokus von Politik und Forschung rücken lässt. Es besteht weitgehender Konsens, dass ihre Bedürfnisse stärker wahrgenommen und berücksichtigt 1 werden müssen. Nicht erst seit der Sinus-Studie weiß man, dass es sich bei den „älteren MigrantInnen“ nicht um eine homogene Bevölkerungsgruppe, sondern angesichts der Unterschiede hinsichtlich des kulturellen und religiösen Hintergrunds, des Bildungsstands, der Einkommenssituation, des Gesundheitszustands etc. um eine sehr heterogene handelt. Als ein Institut, das sich besonders für die Frage interessiert, wie kulturelle Teilhabe gefördert werden kann, plädiert es dafür, das Interesse für diese Bevölkerungsgruppe nicht nur auf die Diskussion um neue Anpassungsanforderungen im Kontext des Altenhilfesystems, wie etwa unter dem Stichwort interkulturelle Öffnung des Altenhilfesystems und kultursensible Altenhilfe, zu beschränken. Das IBK verknüpft nach Möglichkeit immer konkrete Kulturprojekte mit der Erforschung praxisrelevanter Fragestellungen. Diese Verschränkung von Theorie und Praxis kommt auch in dieser Befragung zum Tragen. Ausgangspunkt für die Befragung russischsprachiger Menschen der Generation 50+ waren die Erfahrungen im Gesangsprojekt „Polyphonie – Stimmen der kulturellen Vielfalt“, das das IBK gemeinsam mit dem GSP (gem. Gesellschaft für Soziale Projekte mbH) des Paritätischen in Wuppertal, dem niederländischen Euro+Songfestival und in Kooperation mit den Duisburger Philharmonikern seit 2007 durchführt. Polyphonie ist ein Projekt an der Schnittstelle von Kultur und Sozialem, das durch das Angebot musikpädagogischer Workshops und die Organisation von Konzerten an Orten der Hochkultur und unter Beteiligung von professionellen Musikern die kulturellen Leistungen älterer MigrantInnen ins Blickfeld rückt. Gleichzeitig ist ein Ziel des Projekts, mehr über die kulturellen Interessen von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte zu erfahren und diese Kenntnisse an Kulturpädagogen, Kulturplaner und – institutionen weiter zu geben. Das Augenmerk verstärkt auf die Zielgruppe der MigrantInnen – Jung und Alt - zu richten, gebietet sich allein aus wirtschaftlichen Gründen für die kulturellen Institutionen, wenn sie ihre Besucherzahlen halten wollen. Gleichzeitig lohnt es sich unter dem Gesichtspunkt der Integration, da der kulturelle Austausch und das gemeinsame Schaffen und Erleben von Kultur als einer der wirkungsvollsten Wege zur Verständigung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen angesehen werden kann. Nach wie vor jedoch sind die klassischen kulturellen Institutionen wie auch die kommunale Kulturplanung auf den wachsenden Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund unzureichend vorbereitet. Eine stärkere interkulturelle Orientierung ist dringend notwendig - eine bessere

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Sinus Sociovision hat für die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2007) ein Modell über acht unterschiedliche Migranten-Milieus entwickelt.

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Ausstattung mit Informationen, und zwar zu den einzelnen Migrantengruppen unter Berücksichtigung 2 der verschiedenen Milieus, tut deshalb Not. Warum eine Befragung von russischsprachigen Menschen der Generation 50+? In dem Projekt Polyphonie haben wir vor allem die Teilnehmer aus der ehemaligen Sowjetunion als sehr motiviert und kulturinteressiert erlebt. Sie finden relativ einfach Zugang zu Bildungs- und Kulturangeboten und sind dankbar für Möglichkeiten, mit wenig Geld ihr Bedürfnis nach eigener künstlerisch-kultureller Aktivität zu befriedigen. Sehr hilfreich für die Durchführung der Befragung war die Kooperation mit dem Partner-Verlag in Dortmund. Der Partner-Verlag gibt eine monatlich erscheinende Zeitschrift gleichen Namens heraus, die mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren bundesweit, vor allem aber für russischsprachige Menschen in Nordrhein-Westfalen, zu einem der wichtigsten Medien zählt. Die Zeitschrift enthält vor allem Artikel in den Themenbereichen Kultur, Politik, Recht, Gesellschaft und Arbeitsmarkt sowie eine Vielzahl von Programmankündigungen und Anzeigen. Als Experte für die Zielgruppe (Aussiedler aus der ehem. Sowjetunion sowie jüdische Kontingentflüchtlinge) hat der Verlag das IBK bei der Entwicklung des Fragebogens beraten, die Übersetzungsarbeit übernommen und schließlich bei der Auswertung der Antworten seine Expertise beigesteuert. Der Fragebogen wurde in der Februar-Ausgabe 2009 der Partner-Zeitschrift an 2.457 Abonnenten in NRW (Postleitzahlengebiet 40-47) versendet. In der Januar-Ausgabe wurde in einem einseitigen Artikel die Arbeit des IBK vorgestellt und auf die bevorstehende Befragung hingewiesen. Die Fragebögen erreichten die Abonnenten daher nicht unvorbereitet und nicht durch eine ihnen unbekannte Institution. Um die Abonnenten nicht abzuschrecken, wurde auf einen gut handhabbaren und in der Bearbeitung wenig zeitintensiven Fragebogen geachtet. Des Weiteren wurden als Anreiz 68 Freikarten renommierter Konzerthäuser verlost. Die Befragungsergebnisse sind vor diesem Hintergrund zu sehen: an ihr haben sich 270 Menschen (Rücklauf 11 %) beteiligt, denen ein tendenzielles Kulturinteresse unterstellt werden kann. Ziel der Befragung war es nicht, Daten zu sammeln, die für diese Bevölkerungsgruppe insgesamt repräsentativ ist. Vielmehr geht es darum, Informationen zu sammeln, die es leichter machen, sich ein Bild von der Zielgruppe zu machen - den potentiellen Nutzern kultureller (Bildungs-)Angebote. Und ein Ergebnis vorneweg: 95 % der Befragten geben an, dass sie kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen würden. Zudem diente die Befragung dazu, Kontakte zu kulturinteressierten Älteren zu finden (bei Beteiligung an der Verlosung wurde nach dem Interesse an weiteren Informationen und Aktivitäten gefragt). So wurde z. B. speziell für die Teilnehmer an der Befragung am 19.05.09 eine Führung durch das Wilhelm Lehmbruck Museum in Duisburg angeboten. Ein Teil der Befragten wurde dazu eingeladen, 21 Personen sind dieser Einladung gefolgt. Im Anschluss an die Führung wurden die Ergebnisse der 2

Unseres Wissens gibt es keine Studie, die sich eingehend mit der Gruppe der älteren MigrantInnen unter dem Gesichtspunkt „Kultur“ (z.B. Kulturinteressen, Kulturnutzung, kulturelle Partizipation etc.) beschäftigt. Im Rahmen des Alterssurveys wurden erstmals 2002 die in Deutschland lebenden 40- bis 85-Jährigen Nicht-Deutschen in eine umfassende Untersuchung der „zweiten Lebenshälfte“ einbezogen. Aufgrund der relativ kleinen Ausländerstichprobe ergab sich jedoch kein umfassendes und durchgängig scharfes Bild der älteren MigrantInnen. Die Expertise „Ältere Migranten in Deutschland“ vom Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (2005) ist sehr ausführlich, behandelt „Kultur im Alter“ aber nicht als Untersuchungsgegenstand. Das KulturBarometer 50+ des Zentrums für Kulturforschung lässt aufgrund der kleinen Stichprobe von Älteren nichtdeutscher Herkunft kaum verlässliche Aussagen zu.

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Befragung vorgestellt und diskutiert. Für die Museumspädagogen war diese Veranstaltung eine gute Möglichkeit, diese Zielgruppe näher kennen zu lernen, sowohl über die Ergebnisse der Befragung als auch im Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Die Befragung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich Statistik des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen.

2. Untersuchungsdesign Inhalte

Methode

Zielgruppe

Allgemeines Interesse an kulturellen Angeboten Nutzung kultureller Angebote in den letzten 6 Monaten; Veranstalter Interesse kulturelle Angebote häufiger zu nutzen Gründe warum Angebote seltener genutzt werden Informationswege für kulturelle Angebote künstlerisch-kreative Aktivitäten Gesamtzufriedenheit mit dem Kulturangebot in der Stadt

Schriftlicher Fragebogen in russischer Sprache Verschickung des Fragebogens mit der Februar-Ausgabe an die Abonnenten der Zeitschrift „Partner“ Befragungszeitraum: 01.02. bis 20.02.09

Russischsprachige Menschen 50 Jahre und älter 2.457 Abonnenten der Zeitschrift „Partner“ wohnhaft in NRW, Postleitzahlengebiet 40-47 Rücklauf: 270 / 11 %

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3. Ergebnisse der Befragung Im Folgenden werden die Ergebnisse der Befragung vorgestellt. Im Anhang werden zusätzliche Hintergrundinformationen gegeben, die die Zielgruppe der Befragung bzw. deren Lebensbedingungen näher beschreiben. Da sich überwiegend jüdische Zuwanderer (87 %) an der Befragung beteiligt haben, stehen sie im Fokus der Auswertung. Die Befragungsergebnisse werden vielfach denen des KulturBarometers 50+ gegenübergestellt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den russischsprachigen Älteren und den Gleichaltrigen aus der Gesamtbevölkerung identifizieren zu können. Das KulturBaromter 50+ ist eine repräsentative Umfrage zu zentralen Fragen der Akzeptanz und Nutzung kultureller (Bildungs-)Angebote bei der Generation 50+. Die Studie wurde vom Zentrum für Kulturforschung in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt und 2008 veröffentlicht.

3.1 Zentrale Ergebnisse im Überblick „Die in Deutschland altgewordenen türkischen, italienischen, portugiesischen Arbeitsmigranten lassen sich mit den älteren „Kontingentflüchtlingen“ kaum vergleichen. In der russischsprachigen jüdischen Bevölkerung sind in der Altersgruppe über 55 hinreichend berufserfahrene Wissenschaftler aller Disziplinen, Literaten, Filmemacher, Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Staatsanwälte, Musiker, Ökonomen beiderlei Geschlechts zu finden. Die post-Sowjetunion hat einen Teil ihrer Intelligentia an Deutschland verloren. Nein, kein Brain-Drain, denn niemand will sie haben, doch Zehntausende sind schon gekommen, weitere stehen in der Tür.“ Irene Runge

Hohe Bildung und Großstadterfahrung Vor allem jüdische Einwanderer (87 %) haben sich an der Befragung beteiligt (11 % Spätaussiedler, 2 % sonstiges). Die Befragten sind überdurchschnittlich hoch gebildet: 83 % der Befragten verfügt über einen Hochschulabschluss, 11 % hat eine Berufsschule besucht. Besondere Bedeutung erhält dieses Ergebnis vor dem Hintergrund, dass das Bildungsniveau maßgeblich Einfluss auf das Kulturinteresse hat. So spielt der Bildungsstand bei der Nutzung von kulturellen Angeboten eine größere Rolle als etwa das Einkommen oder Alter (vgl. Keuchel/Wiesand 2008, S. 18). 50 % der Befragten geben als Herkunftsland Ukraine, 30 % Russland an. 75 % kommen aus einer Großstadt mit 500.000 und mehr Einwohnern. Der Integrationsgrad ist in der Regel wesentlich bildungs- und herkunftsabhängig: Je höher das Bildungsniveau und je urbaner die Herkunftsregion, desto leichter und besser gelingt eine Integration in die Aufnahmegesellschaft, so ein Ergebnis der Sinus-Studie (Sinus Sociovision 2007). Auf die hier Befragten dürfte dieses Ergebnis nicht zutreffen. Schwierigkeiten bei der Integration ergeben sich u.a. durch die späte Einreise und die geringen Deutschkenntnisse.

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Geringe Deutschkenntnisse und geringe Aufenthaltsdauer Nur ein kleinerer Teil der Älteren spricht gut Deutsch (lediglich 17 % der Befragten schätzen ihre mündlichen Deutschkenntnisse als gut bzw. sehr gut ein). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 10 Jahre. Das bedeutet, dass viele der Befragten erst im fortgeschrittenen Alter ihr Heimatland verlassen. Dies bedeutet auch, dass sie mit den Anforderungen der neuen Umgebung, allen voran dem Spracherwerb, mit dem Verlust ihrer gesellschaftlichen Position und dem Verlust sozialer Beziehungen konfrontiert sind. Sie befinden sich in einer Orientierungsphase, für die sie viel Energie aufwenden müssen. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen, wenn man sich an die älteren russischsprachigen MigrantInnen als Kulturpublikum wendet. Geringe finanzielle Mittel Die älteren Generationen aus den GUS-Staaten sind im Vergleich zu deutschen Gleichaltrigen im besonderen Maße von Altersarmut betroffen: 83 % geben an, Sozialleistungen zu beziehen, davon 59 % Grundsicherung. Die Mehrzahl der hier Befragten stehen in keinem Arbeitsverhältnis. Im Unterschied zu den Spätaussiedlern haben jüdische Kontingentflüchtlinge keine Rentenansprüche. Sie haben vermutlich reichlich zeitliche Ressourcen, müssen aber nach Wegen suchen, ihr Bedürfnis nach Kultur trotz geringer finanzieller Mittel zu befriedigen. Hohes Kulturinteresse Der hohe Bildungsstand, das Aufwachsen in einer Großstadt mit großem Kulturangebot und die entsprechenden Vorerfahrungen führen zu einem hohen Kulturinteresse. 54 % geben an stark oder sehr stark an Kultur interessiert zu sein, 42 % mittelmäßig. Dieses Interesse spiegelt sich auch in den tatsächlichen Besuchen kultureller Angebote wider. 32 % der Befragten besuchten in den letzten 6 Monaten 3-5 mal kulturelle Angebote, 22 % sogar mehr als 5 mal. Immerhin 1-2 mal suchten 33 % der Befragten Kulturinstitutionen auf. 74 % sind selbst im künstlerisch-kreativen Bereich aktiv. Dies erhöht bekanntlich den Zugang zu rezeptiven Kulturangeboten in signifikanter Weise (Keuchel/Wiesand 2008, S.85). 94 % würden sich (auch) in Zukunft gerne künstlerisch-kreativ betätigen. Sparteninteresse und Veranstalter Besonders häufig werden Angebote im Bereich Bildende Kunst/Museum (genannt von 63 % der Befragten), Musik (58 %) sowie Theater/Oper (52 %) genutzt. Auch die Sparten Kino/Film (38 %) und Literatur (32 %) sind beliebt. Während im Kunst-/Museumsbereich vor allem Veranstaltungen deutscher Kulturhäuser besucht werden, treten in den Bereichen Theater, Musik und Film zunehmend russische oder jüdische Veranstalter in Erscheinung. Im Literaturbereich spielen deutsche Veranstalter nur eine marginale Rolle, die Nachfrage nach Veranstaltungen in dieser Sparte wird in erster Linie von den jüdischen Gemeinden und russischen Organisatoren bedient. Hinderungsgründe 95 % der Befragten würden kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen. Als Gründe für die Nichtteilnahme an Kulturveranstaltungen wurden insbesondere die hohen Preise für Eintritte (88 % der Nennungen) und Fahrkarten (55 %), die weiten Wege (75 %) und mangelhaften Deutschkenntnisse (56 %) genannt.

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Andererseits kann man konstatieren, dass sich viele trotz geringer Deutschkenntnisse, gesundheitlicher Einschränkungen (53 % beschreiben ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig, 27 % als weniger gut) und fortgeschrittenem Alter nicht von der Nutzung kultureller Angebote abhalten lassen. Aus den Kommentaren der Befragten geht hervor, dass längere Anfahrtswege für eine gute Veranstaltung gerne in Kauf genommen werden. All dies spricht für eine überdurchschnittlich hohe Motivation, an Kultur und Bildung teilzuhaben. Informationswege Die Mehrzahl der Befragten bedient sich sowohl deutscher als auch russischsprachiger Medien, um sich über das Kulturangebot zu informieren – wobei die Bedeutung russischsprachiger Medien, allen voran Zeitungen und Zeitschriften, für die älteren Altersgruppen zunimmt. Auch die Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Prospekte und sonstigen Programmankündigungen der Veranstalter spielen als Informationsquelle eine wichtige Rolle.

3.2 Empfehlungen für die Kulturpraxis Die Studie macht deutlich, dass ältere MigrantInnen auch in Bezug auf ihre Kulturinteressen keine einheitliche Gruppe darstellen und Kulturinstitutionen sie nur mit einem differenzierten Angebot erreichen können. Im Folgenden werden aus den Befragungsergebnissen einige Schlussfolgerungen und Empfehlungen abgeleitet, die für die Planung von Angeboten und die gezielte Ansprache der russischsprachigen Generation 50+ hilfreich sein können. Eine neue „Zielgruppe“ wartet darauf, entdeckt zu werden Ein kompetenter Umgang mit neuen Zielgruppen erfordert immer zeitliche, personelle und materielle Ressourcen. Bei der russischsprachigen Generation 50+ dürfte der Einsatz schnell Früchte tragen. Mit Schwellenängsten ist aufgrund des Bildungsniveaus und der Vorerfahrungen mit Kulturinstitutionen kaum zu rechnen. 95 % der Befragten geben an, dass sie kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen würden. Es darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die kulturinteressierten Älteren von selbst in die Kulturhäuser finden. Für die meisten ist die deutsche Kulturlandschaft Neuland, mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und maßgeschneiderten Angeboten werden sie aber sicher schnell Zugang finden. Neue Strategien der Öffentlichkeitsarbeit Obwohl das Interesse an kultureller Partizipation bei der russischsprachigen Generation 50+ groß ist, sind viele nicht mit der kulturellen Infrastruktur vertraut, ihnen fehlt die Erfahrung, wie sie sich über das Kulturangebot informieren können bzw. ist die Nutzung deutschsprachiger Medien aufgrund des Sprachstands erschwert. Es geht daher darum, ihnen bei der Erschließung der Kulturlandschaft behilflich zu sein, z.B. durch Anzeigen oder Beiträge in muttersprachlichen Medien, Einladungen zum Tag der offenen Tür, Übersetzung und evtl. zielgenaue Verbreitung von Informationsbroschüren, Programmheften, Flyern oder die direkte Ansprache über Multiplikatoren. Dies macht eine Recherche der für die Zielgruppe relevanten Medien, Institutionen, Vereine und sonstigen Anlaufstellen notwendig. Allianzen mit Akteuren aus dem Sozial-/Migrationsbereich sind immer ein Gewinn.

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Anspruchsvolle Angebote Die russischsprachige Generation 50+ , insbesondere die jüdischen Kontingentflüchtlinge, verfügen meist über ein hohes Bildungsniveau und große Kulturaffinität. Sie erwarten qualitätsvolle und hochkulturelle Angebote, keine Folkloreveranstaltungen. Brücken durch Vermittlung bauen Die durchschnittlich geringen Sprachkenntnisse können eine große Barriere für die Kulturnutzung sein. Bei kulturellen Vermittlungsangeboten besteht die Herausforderung darin, anspruchsvolle Inhalte leicht verständlich zu vermitteln und die TeilnehmerInnen trotz Sprachproblemen zu aktiver Beteiligung zu ermuntern. Der Einsatz von Dolmetschern oder von russischsprachigen Kulturvermittlern wäre ideal, mit muttersprachlichen Vermittlungsangeboten rennt man offene Türen ein. Russischsprachigen Künstlern mehr Raum im deutschen Kulturleben bieten Generell wünschen sich die Älteren, dass die Kultur des Herkunftslandes auch im hiesigen Kulturprogramm ihren Niederschlag findet und mehr Angebote in russischer Sprache, vor allem im Theater-, Literatur- und Filmbereich stattfinden, z. B. durch Gastspiele von russischsprachigen Künstlern. Großen Anklang würden aber auch Veranstaltungen finden, bei denen der deutschrussische Austausch im Mittelpunkt steht. Moderate Preisgestaltung Die Einkommenssituation macht für viele die Nutzung des „normalen“ Kulturangebots schwierig bis unmöglich. Wo Ermäßigungen für SeniorInnen oder Sozialhilfeempfänger möglich sind, müssen diese gut kommuniziert werden – dies gilt auch für kostenlose Veranstaltungen. Kulturteilhabe durch Ehrenamt Ehrenamtliche Tätigkeit könnte eine Möglichkeit sein, einkommensschwache ältere Zuwanderer (mit ausreichenden Deutschkenntnissen) am Kulturleben stärker teilhaben zu lassen. Entsprechende Vorhaben erfordern allerdings intensive Informationsarbeit, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das „Konzept“ Bürgerschaftliches Engagement als eine aktive Form der Beteiligung unter Menschen aus den GUS-Staaten bekannt ist. Selbstorganisierte Kultur- und Bildungsangebote unterstützen Die Befragung zeigt, dass die russischsprachigen Älteren über große Erfahrungsschätze und Wissensressourcen verfügen. Sie wären dankbar für jede Möglichkeit, diese einzubringen. Sie könnten Initiatoren von Angeboten für ihre Landsleute sein oder für Angebote, die den Austausch mit Deutschen zum Ziel haben. Einige eignen sich vielleicht als Kulturvermittler. Dies erfordert Schulung, sowohl der ehrenamtlich Aktiven als auch der hauptamtlichen Mitarbeiter. Die Investition lohnt sich: Die Älteren sind gute Multiplikatoren und werden neue Besucher ins Haus locken!

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3.3 Demografische Merkmale a) Alter und Geschlecht Der Großteil der Befragten (73 %) ist zwischen 56 und 75 Jahre alt. 17 % sind zwischen 50 und 55 Jahre alt und immerhin 10 % der Befragten geben an, über 76 Jahre alt zu sein.

Abb. 1: Alter

76 - 85 Jahre 50 - 55 Jahre

10

17

66 - 75 Jahre

38

56 - 65 Jahre

35

in %, N = 270 Frage: Bitte geben Sie Ihr Alter an. 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J., 76 – 85 J., über 85 J.

Es haben sich deutlich mehr Frauen (62 %) als Männer (38 %) an der Befragung beteiligt. Nur zum Teil kann diese Ungleichverteilung auf einen allgemeinen Frauenüberhang innerhalb der 3 Gruppe der aus den GUS-Staaten Zugewanderten zurückgeführt werden und darauf, dass Frauen, jüngere wie auch ältere, sich tendenziell stärker für das Kulturleben vor Ort interessieren (Keuchel/Wiesand 2008, S. 18).

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Faktisch wird heute der Begriff GUS oft nur noch umgangssprachlich benutzt, um die ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion (ohne die baltischen Staaten Litauen, Lettland, Estland) zu bezeichnen. Der Zuwanderungsstatistik NRW 2006 ist zu entnehmen, dass es – hier bezogen auf die Gruppe der aus der russischen Föderation (Russland) Zugewanderten - einen Frauenüberhang gibt. Von den insgesamt 41.385 Personen sind 16.900 männlich (41 %) und 24.485 weiblich (59 %), bei der Altersgruppe 60 Jahre und älter sind 45 % Männer, 55 % Frauen.

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b) Form der Einwanderung und Aufenthaltsdauer Vor allem Abonnenten, die als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland eingereist sind, haben sich an der Befragung beteiligt (87 %). Lediglich 11 % sind Spätaussiedler, 2 % gaben „Sonstiges“ an. Eine aktuelle Leserstatistik der Zeitschrift „Partner“ liegt dem Verlag nicht vor, es wird jedoch geschätzt, dass ca. 70 % der Leser jüdische Zuwanderer und 30 % Spätaussiedler sind. Ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 10 Jahre. Das bedeutet, dass viele der Befragten erst im fortgeschrittenen Alter ihr Heimatland verlassen haben.

Abb. 2: Aufenthaltsdauer

16 bis 20 Jahre

1 bis 5 Jahre

12

11

6 bis 10 Jahre 11 bis 15 Jahre 35 42

in %, N = 270 Frage: Seit wie vielen Jahren wohnen Sie in Deutschland?

Mehr zu diesem Thema im Anhang „Hintergrundinformationen“, S. 43

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c) Herkunftsland 50 % der Befragten kommt aus der Ukraine, 30 % aus Russland. Auch laut Zuwanderungsstatistik NRW aus dem Jahr 2006 ist die Ukraine, was die jüdische Zuwanderung angeht, das wichtigste Herkunftsland.

Abb. 3: Herkunftsland

50

Ukraine

30

Russland Kasachstan

6

Baltische Staaten (Estland, Lettland)

4

Moldawien

4

ehemalige Sowjetunion

2

Kirgisien, Turkmenistan, Usbekistan

2

Weißrussland

2

in %, N = 270 Frage: Welches ist Ihr Herkunftsland?

d) Wohnortgröße Herkunftsland Bei dem Gros der Befragten handelt es sich um Großstadtmenschen: 59 % haben den größten Teil ihres Lebens in einer Stadt mit über 1 Mio. Einwohnern gewohnt, 16 % in einer Stadt mit 500.000 bis 4 1 Mio. Einwohnern (siehe Abb. 4). Es ist daher davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Befragten in ihrer Stadt eine gute kulturelle Infrastruktur vorgefunden haben, die sie wahrscheinlich - aufgrund ihrer Bildungskarriere – auch zu nutzen wussten.

4

Ein Blick auf die Städtelandschaft in der Ukraine und Russland, wo 80 % der Befragten zu Hause waren, erklärt diese hohe Quote von Großstadtmenschen. Als Großstadt gelten gemäß der Definition der Internationalen Statistikkonferenz von 1887 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Um ein Vielfaches größer sind in der Ukraine die fünf Millionenstädte Kiew, Donezk, Charkiw, Dnipropetrowsk und Odessa. In Russland gibt es sogar zehn Millionenstädte, darunter Sankt Petersburg mit 4,6 Mio. und Moskau mit 10 Mio. Einwohnern.

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Abb. 4: Wohnortgröße in Herkunftsland Stadt / Dorf mit unter 100.000 Einwohnern

Stadt mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern

Stadt mit über 1 Mio. Einwohnern

4 21

59 Stadt mit 500.000 bis 1 Mio. Einwohnern

16

in %, N = 270 Frage: Die Stadt, in der Sie den größten Teil Ihres Lebens außerhalb Deutschlands gelebt haben, ist eine ...

3.4 Soziale Einbindung Im Folgenden sind die Ergebnisse hinsichtlich Familienstand und Kindern sowie hinsichtlich einer Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinde oder in einem Verein/Verband zusammengefasst. Die Antworten können Hinweis auf die soziale Einbindung der Befragten geben. Relevant ist dies vor dem Hintergrund, dass Personen, die sozial eingebunden sind, also Partner, Familie und Freunde haben, in stärkerem Maße am Kulturleben teilhaben als Personen, die eher isoliert leben. Auch Netzwerke können eine gute Basis für kulturelle Partizipation sein (vgl. auch Keuchel/Wiesand 2008, S. 24f.). Eine Korrelationsanalyse wurde in dieser Befragung allerdings nicht durchgeführt, um den tatsächlichen Einfluss dieser Variablen auf die Kulturnutzung zu überprüfen. Aus der Frage nach den Hinderungsgründen für die Nutzung von Kulturangeboten (siehe Kap. 5) wird jedoch deutlich, dass viele keine Begleitung finden und deshalb zu Hause bleiben.

a) Familienstand und Kinder Eine Migration von Familienverbänden über alle Altersstufen ist typisch für die jüdischen Zuwanderer 5 ebenso wie für die Spätaussiedler (Haug 2007, S. 16).

5

Die Auswanderung wird für alle Angehörigen der erweiterten Familie beantragt und erfolgt in der Regel gemeinsam. Bereits emigrierte Verwandte werden bei der Wohnortzuweisung berücksichtigt. Die Folge ist eine häufig gute Einbettung in lokale Verwandschaftsnetzwerke.

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Der folgenden Grafik kann entnommen werden, dass 70 % der Befragten verheiratet oder in einer Partnerschaft leben. Des Weiteren haben 89 % der Befragten Kinder, 75 % von ihnen gaben an, dass ihr Kind bzw. ihre Kinder an ihrem jetzigen Wohnort oder im Umkreis von 30 km wohnen.

Abb. 5: Familienstand

mit Partner lebend ledig

verheiratet

geschieden/ getrennt lebend

4 4 14

verwitwet

12 66

in %, N = 270 Frage: Welchen Familienstand haben Sie?

Betrachtet man die Gesamtbevölkerung Deutschlands nach Altersgruppen und Familienstand, so kann eine etwas bessere Einbindung der hier Befragten in familiäre Strukturen festgestellt werden. Die Quote der Verheirateten, die 50 Jahre und älter sind, beträgt in der Gesamtbevölkerung 65 %. Ledig, verwitwet oder geschieden sind demnach 35 % der Generation 50+ (im Vergleich: 30 % der russischsprachigen Generation 50+). Eigene Kinder haben 74 % der Generation 50+ (im Vergleich: 89 % der 6 russischsprachigen Generation 50+).

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Die Zahlen zum Familienstand wurden am 31.12.2006 vom Statistischen Bundesamt erhoben. Die Kinderanzahl nach Altersgruppen wurde nicht erhoben. Das KulturBaromter 50+ hat jedoch bei ihrer Stichprobe die hier zitierte Zahl von 74 % ermittelt.

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b) Mitgliedschaft in religiösen Gemeinden Da religiöse Gemeinden zum einen als Kulturanbieter eine Rolle spielen können, zum anderen auch sozialer Treffpunkt sind, an dem man Gleichgesinnte für gemeinsame Aktivitäten finden kann, wurde nach einer Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinde gefragt. Weniger als die Hälfte der Befragten (41 %) sind aktives Mitglied einer religiösen Gemeinde. Da sich in erster Linie jüdische Zuwanderer an der Befragung beteiligt haben, ist nicht verwunderlich, dass es sich vor allem um Gemeinden jüdisch-orthodoxer und jüdisch-liberaler Glaubensausrichtung handelt.

Abb. 6: Aktiv in religiöser Gemeinde

Aktives Mitglied einer religiösen Gemeinde?

Wenn ja, welche religiöse Gemeinde? jüdisch-orthodox

nein

ja

41

43 33

jüdisch-liberal russisch-orthodox

59 evangelisch

11

7

4

katholisch

andere

2

in %, N = 270 Frage: Sind Sie aktives Mitglied in einer religiösen Gemeinde? Falls ja: russisch-orthodox, jüdisch-orthodox, jüdisch-liberal, katholisch, evangelisch, muslimisch oder andere

Mehr zu diesem Thema im Anhang „Hintergrundinformationen“, S. 41

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c) Mitgliedschaft in einem Verein/Verband Nur ein geringerer Teil der Befragten (18 %) gibt an, Vereins-/Verbandsmitglied zu sein. Ob von dieser Zahl auch auf eine relativ geringe Bedeutung von z. B. Kulturvereinen in den Communities geschlossen werden kann, ist fraglich. Ein interessantes Ergebnis ist hier, dass es sich bei mehr als der Hälfte der Vereine (54 %) um deutsche Organisationen handelt. 46 % derjenigen, die Vereinsmitglieder sind, haben einen russischsprachigen Verein/Verband gewählt.

Abb. 7: Mitgliedschaft in Verein / Verband

Mitglied eines Vereins / Verbands?

Wenn ja, welcher Art?

russischsprachiger Verein / Verband nein ja

18 46

54

82

deutscher Verein / Verband in %, N = 270 Frage: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder Verband?

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3.5 Bildung „Nennen wir es den „Noach-Komplex im Exil“: Noach ist der Emigrant, der seine Familie gerettet hat, doch in der neuen Heimat wird er allmählich zum Gespött seines Sohnes Cham. Der Emigrant, gerade noch Arzt oder Ingenieur, ist plötzlich unwissender als sein Enkel, der ein Schulkind ist. Noach ist sprachlich entblößt. Der Flüchtling war Lehrer mit fehlerfreier Grammatik, und die Sprache war Ausdruck seines geistigen Lebens und zeugte von seiner Bildung. Jetzt ist sie ihm genommen. Für seine Kinder ist er der, der die Grammatik verschandelt.“ Elena Burlina

Die Befragten weisen einen sehr hohen Bildungsstand auf: 83 % haben einen Hochschulabschluss, 11 % sind Absolventen einer Berufsschule. Hierzu muss man wissen, dass es in der ehemaligen Sowjetunion nur die zentralistische Einheitsschule gab, die 11 Schuljahre umfasste. Eine normale Bildungskarriere sah dann die Aufnahme eines 5-jährigen Diplomstudiengangs vor. Wenn nicht in Vollzeit an einer Hochschule, so wurde ein Abschluss im Rahmen eines Abend- oder Fernstudiums erworben.

Abb. 8: Bildungsstand

Sonstiges Mittelschule Akademischer Grad Hochschule

6

Berufsschule

24

11

77

in %, N = 270 Frage: Was ist Ihre höchste Schul-Ausbildung? Grundschule, Mittelschule, Berufsschule, Hochschule, Akademischer Grad, Sonstiges

Die Ergebnisse decken sich mit denen anderer Studien, derer zufolge jüdische Zuwanderer ein relativ hohes Bildungs- und Qualifikationsniveau aufweisen (Haug 2007, Gruber/Rüßler 2002, Otto Benecke Stiftung 2005). Auffallend hoch ist das Bildungsniveau insbesondere, wenn man es mit dem der gleichaltrigen Deutschen und anderen ausländischen Bezugsgruppen vergleicht. So hat das KulturBaromter 50+ ermittelt, dass 65 % der Generation 50+ eine niedrige, 22 % eine mittlere und 12 % eine hohe Schulbildung haben und somit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung über eine verhältnismäßig niedrige Schulbildung verfügen (Keuchel/Wiesand 2008, S. 16).

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Das Bildungsniveau der Älteren aus den GUS-Staaten hebt sich noch deutlicher ab, wenn man Gleichaltrige ausländischer Herkunft als Bezugsgruppe nimmt. Insbesondere bei den Arbeitsmigranten der ersten Generation ist das Bildungsniveau niedrig. Dies hängt sowohl mit dem geringeren Ausbildungsniveau in den Anwerbeländern der Arbeitsmigranten zusammen, aus denen die Mehrzahl der Ausländer in Deutschland stammen, als auch damit, dass sie für unqualifizierte Tätigkeiten angeworben wurden, für die eine Berufsausbildung nicht vorausgesetzt wurde (Haug 2007, S. 22).

3.6 Berufstätigkeit 7

Der hohe Bildungsstand spiegelt sich im beruflichen Status im Herkunftsland wider.

Abb. 9: Berufliche Stellung in Herkunftsland

Angestellter / Beamter

50

Angestellter / Beamter in leitender Funktion

37

Inhaber / Leiter eines Unternehmens

7

Rentner

7

Arbeiter

2

Arbeiter in leitender Funktion

2

Hausfrau / Hausmann

1

keine

1

in %, N = 270 Frage: Welche der folgenden Tätigkeiten/Berufsaktivitäten haben Sie in Ihrem Herkunftsland ausgeübt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Es wurde bei der Partner-Befragung nicht die aktuelle berufliche Stellung in Deutschland abgefragt, sondern lediglich danach gefragt, ob sie derzeit berufstätig sind und wenn ja, in welchem Umfang. Aus anderen Studien ist bekannt, dass jüdische Zuwanderer relativ häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Probleme bei der Arbeitsmarktintegration, die bei den Menschen über 50 Jahren besonders gravierend sind, hängen unter anderem mit mangelnden Deutschkenntnissen, der Nicht7

Eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführte Analyse der ausgeübten Berufe vor der Einreise nach Deutschland ergibt, dass ein hoher Prozentsatz der jüdischen Zuwanderer, nämlich 32 %, als Wissenschaftler gearbeitet haben. 20 % haben als Techniker, 10 % als Bürokräfte oder kaufmännische Angestellte, 10 % als Verkäufer oder in Dienstleistungsberufen und 13 % im Handwerk gearbeitet. Die Daten beziehen sich auf Neuzuwanderer, die 2005 nach Bayern eingereist sind (Haug 2007, S. 24).

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Anerkennung von mitgebrachten Berufsqualifikationen und dem Fehlen beruflicher Weiterqualifikation zusammen (Gruber/Rüßler 2002). So ist es nicht weiter verwunderlich, dass lediglich 25 % der Befragten die Frage, ob sie derzeit beruflich aktiv sind, mit „Ja“ beantwortet haben. Zur Erinnerung: 17 % der Befragten sind zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 50 und 55 Jahre alt, 35 % zwischen 56 und 65 Jahren, und somit fast 52 % - zumindest nach der offiziellen Definition – im erwerbsfähigen Alter.

Abb. 10: Form der Berufstätigkeit aktuell ja angestellt in Vollzeitbeschäftigung

29

angestellt in Teilzeitbeschäftigung

28

Minijob / Beschäftigung auf 400 €-Basis

19

selbstständig

9

Arbeitsamt-Maßnahme

9

Gelegenheitsjobs

nein Rentner

53

arbeitslos

Hausfrau/-mann

Sonstiges

24

13

11

6

in %, N = 270 Fortsetzung Frage: Sind Sie derzeit beruflich aktiv? (25 % ja, 75 % nein) Falls derzeit beruflich aktiv ... (Mehrfachnennungen sind möglich), falls derzeit nicht aktiv ...

20


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3.7 Deutschkenntnisse Die Befragten wurden nach einer Selbsteinschätzung ihrer Deutschkenntnisse gebeten. Es wurde zwischen mündlichen und schriftlichen Deutschkenntnissen unterschieden, da vielleicht Deutsch im Unterricht oder im Selbststudium gelernt wurde, aber die Gelegenheiten für eine mündliche Anwendung fehlen.

Abb. 11: Deutschkenntnisse (Selbsteinschätzung)

schriftliche Deutschkenntnisse

überhaupt nicht gut

mündliche Deutschkenntnisse

sehr gut

überhaupt nicht gut

sehr gut

gut

gut

9 2 14 weniger gut

11 2 15 weniger gut

35

36 36

40 mittelmäßig

mittelmäßig

in %, N = 270 Frage: Wie würden Sie selbst Ihre (schriftlichen/mündlichen) Deutschkenntnisse einschätzen?

Die Antworten bestätigten die Vorannahme, dass Deutschkenntnisse häufig in nur begrenztem Maße vorhanden sind. Inwieweit bei der Bewertung der Antworten berücksichtigt werden sollte, dass es sich hier möglicherweise um selbstkritische Akademiker mit hohen Ansprüchen an die eigene Leistung handelt, sei dahin gestellt. Fest steht, dass es eine Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Bildungsstand und dem Niveau der Deutschkenntnisse gibt. Es können mehrere Gründe hierfür angeführt werden: bis 2005 war es möglich, auch ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen einzureisen. Viele sind erst seit relativ kurzer Zeit in Deutschland, aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters besucht nur ein Teil einen 8 Sprachkurs. Die Mehrzahl ist nicht in ein berufliches Umfeld eingebunden, das ein Lernen der 8

Seit Januar 2005 haben Neuzuwanderer, Spätaussiedler und Ausländer, die trotz längeren Aufenthaltes in Deutschland nicht ausreichend Deutsch sprechen, Anspruch auf 600 Stunden Deutschunterricht. Vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) finanzierte Integrationskurse, die auf die Bedürfnisse älterer Lerner zugeschnitten sind, gibt es sehr selten. Viele der Älteren fühlen sich nicht in der Lage, in einem mehrmals die Woche stattfindenden Kurs mit den anderen Mitschülern mitzuhalten. Fernbleiben vom Kurs kann Sanktionen nach sich ziehen, so dass viele auf ihren Anspruch auf bezahlten Deutschunterricht verzichten. Da sie dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht mehr zur Verfügung stehen, können sie zu einem Kursbesuch nicht verpflichtet werden. Vor 2005 wurde Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen, sofern sie im erwerbsfähigen Alter waren, ein 6-monatiger Sprachkurs finanziert.

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deutschen Sprache befördert, auch macht das Vorhandensein großer russischsprachiger Communities mit entsprechender Infrastruktur – zumindest in den größeren Städten - das Erlernen der deutschen Sprache nicht zu einer vordringlichen Aufgabe.

3.8 Materielle Absicherung Die älteren Generationen aus den GUS-Staaten sind im Vergleich zu deutschen Gleichaltrigen in besonderem Maße von Altersarmut betroffen: 83 % geben an, Sozialleistungen zu beziehen, davon 59 % Grundsicherung. Laut Statistischem Bundesamt bezogen Ende 2006 2,3 % der bundesdeutschen Bevölkerung im Alter ab 65 Jahren Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Abb. 12: Sozialleistungen Beziehen Sie Sozialleistungen?

Art der Sozialleistungen

59

Grundsicherung ja

nein

ALG2

36

17 Sozialhilfe

3

ALG1

1

andere

1

83

in %, N = 270 Frage: Beziehen Sie derzeit Sozialleistungen? Falls Ja: ALG I, ALG II, Grundsicherung, Sozialhilfe, andere

Mehr zu diesem Thema im Anhang „Hintergrundinformationen“, S. 43

22


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3.9 Gesundheit Etwa die Hälfte der Befragten (53 %) beschreiben ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig. Nur eine Person fühlt sich sehr gesund, 16 % sprechen von einem guten Gesundheitszustand. 31 % schätzen ihre Gesundheit als weniger gut oder überhaupt nicht gut ein.

Abb. 13: Gesundheitszustand überhaupt nicht gut gut

4

weniger gut

16

27 mittelmäßig

53

in %, N = 270 Frage: Wie würden Sie selbst Ihren aktuellen Gesundheitszustand beschreiben?

Die Befragten schätzen somit ihren Gesundheitszustand deutlich schlechter ein als die Befragten des KulturBarometer 50+ (Keuchel/Wiesand 2008, S.17). Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass die soziodemographische Zusammensetzung der Stichprobe des KulturBarometers 50+ etwas, aber nicht übermäßig, von der Vergleichsgruppe der Partner-Befragung abweicht. Die Alterszusammensetzung dürfte sich annähern, jedoch wurden im KulturBarometer 50+ 46 % Männer und 54 % Frauen befragt.

Abb. 14: Aktueller Gesundheitszustand (Einschätzung) KulturBarometer 50+ im Vergleich zur Partner-Befragung Aktueller Gesundheitszustand Ausgezeichnet Ganz gut Mittelmäßig Nicht so gut Gar nicht gut insgesamt

KulturBarometer 50+ 11 % 38 % 28 % 16 % 6% (2.000) 100 %

PartnerBefragung 0,4 % 16 % 53 % 27 % 4% (270) 100 % 23


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4. Kulturinteresse und Nutzung kultureller Angebote Was viele der Zuwanderer aus den GUS-Staaten brauchen, ist, so Elena Burlina, Vitamin ‚K’: „Das ‚K’ steht für Kultur, dieses Lebenselexier für Emigranten, die Russisch sprechen. Für sie ist die Kultur eines der wichtigsten Mittel zur Selbstidentifizierung. Unter ihnen sind viele gebildete Menschen, Intellektuelle und Experten. Sie brauchen mehr als Brot und ein Dach über dem Kopf, sie brauchen Vitamin ‚K’ – die kulturelle Integration.“

Das Kulturinteresse der Befragten ist erstaunlich hoch. 54 % geben an, sich stark bis sehr stark für Kultur zu interessieren.

Abb. 15: Kulturinteresse

weniger stark

überhaupt nicht sehr stark

31

mittelmäßig

15

stark

42 39

in %, N = 270 Frage: Wie stark interessieren Sie sich für kulturelle Angebote (z.B. Theater, Museen, Konzerte, Literaturabende, Tanz, Kultur-Festivals etc.)?

Wie hoch dieses Interesse ist, wird vor allem im Vergleich zu den Ergebnissen des KulturBarometer 50+ deutlich. Hier geben 30 % der Generation 50+ an, sehr stark bzw. stark am Kulturgeschehen interessiert zu sein, 39 % einigermaßen und 31 % wenig bzw. überhaupt nicht. Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man nur die Antworten der Personen mit höherem Berufsstatus (Leitende Angestellte und Beamte; Inhaber, Leiter von Unternehmen; Freiberufliche Selbstständige; andere Angestellte und Beamte) für einen Vergleich heranzieht: 49 % interessieren sich sehr stark bzw. stark (Partner-Befragung: 54 %), 34 % interessieren sich mittelmäßig (Partner-Befragung: 42 %), 12 % wenig bzw. überhaupt nicht (Partner-Befragung: 4 %). Das hohe Kulturinteresse äußert sich auch in der tatsächlichen Kulturnutzung: 32 % der Befragten besuchten in den letzten 6 Monaten 3-5 mal kulturelle Angebote, 22 % sogar mehr als 5 mal. Immerhin 1-2 mal suchten 33 % der Befragten Kulturinstitutionen auf. 24


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Abb. 16: Kulturnutzung

gar nicht mehr als 5 mal 13

22

1-2 mal 33 32

etwa 3-5 mal

in %, N = 270 Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht?

Bei der Auswertung der Antworten ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Personen, die sich an der Befragung beteiligt haben, nicht – wie es beim KulturBarometer 50+ der Fall ist – um einen repräsentativen Querschnitt der Generation 50+ handelt. Es kann vielmehr angenommen werden, dass sich viele an der Befragung aufgrund ihres Interesses für Kultur und aufgrund ihres Wunsches, dass sich die Bedingungen für eine kulturelle Teilhabe verbessern, beteiligt haben.

Besonders beliebt sind Angebote im Bereich Bildende Kunst/Museum (genannt von 63 % der Befragten), Musik (58 %) sowie Theater/Oper (52 %). Literatur steht mit 32 % an fünfter Stelle. Dass die (eigentätige) Beschäftigung mit Literatur einen hohen Stellenwert hat, tritt auch bei der Frage nach den eigenen künstlerisch-kulturellen Aktivitäten zu Tage (siehe Kap. 7). Hier nimmt „Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.“ einen Spitzenplatz ein. Gäbe es noch mehr Angebote in diesem Bereich, vor allem auch in russischer Sprache, so würden diese mit Sicherheit gerne angenommen.

25


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Abb. 17: Besuchte kulturelle Angebote/Veranstaltungen Bildende Kunst / Museum

63 58

Musik

52

Theater / Oper

38

Kino / Film

32

Literatur Tanz

16

Andere

17

in %, N = 270 Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Den Kommentaren zur Antwortkategorie „Andere“ ist zu entnehmen, dass auch organisierte Ausflüge auf großes Interesse stoßen. Diese Ausflüge führen u. a. zu Sehenswürdigkeiten und in Museen benachbarter Städte. Genannt wurden auch Vorlesungen zu z. B. kulturhistorischen Themen. Da aufgrund der durchschnittlich eher geringen Deutschkenntnisse davon auszugehen ist, dass sehr gerne Angebote in russischer Sprache genutzt werden, wurde nach den Veranstaltern gefragt.

Abb. 18: Sparten und Veranstalter (1/3) Bildende Kunst / Museum

47

Deutscher Veranstalter

15

Russischer Veranstalter

9

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Sonstige

1

5

Theater / Oper

Deutscher Veranstalter

36

21

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

12

Organisation der Spätaussiedler

Sonstige

2

in %, N = 270 Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen und von wem wurden sie angeboten? (Mehrfachnennungen sind möglich)

26


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Abb. 19: Sparten und Veranstalter (2/3) Musik

Kino / Film

34

Deutscher Veranstalter

24

Jüdische Gemeinde

Deutscher Veranstalter

Russischer Veranstalter

11

Jüdische Gemeinde

11

20

Russischer Veranstalter

Organisation der Spätaussiedler

Organisation der Spätaussiedler

1

Sonstige

19

Sonstige

3

3

in %, N = 270 Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen und von wem wurden sie angeboten? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 20: Sparten und Veranstalter (3/3) Literatur

Jüdische Gemeinde

18

Russischer Veranstalter

Deutscher Veranstalter

14

4

Organisation der Spätaussiedler

Sonstige

3

Tanz

Jüdische Gemeinde

7

Deutscher Veranstalter

6

Russischer Veranstalter

5

Organisation der Spätaussiedler

1

Sonstige

1

in %, N = 270 Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen und von wem wurden sie angeboten? (Mehrfachnennungen sind möglich)

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5. Hinderungsgründe für die Nutzung kultureller Angebote 95 % der Befragten geben an, dass sie kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen würden. Als Gründe für die Nichtteilnahme an Kulturveranstaltungen wurden insbesondere die hohen Preise für Eintritte (88 % der Nennungen) und Fahrkarten (55 %), die weiten Wege (75 %) und mangelhafte Deutschkenntnisse (56 %) genannt.

Abb. 21: Hinderungsgründe für Nutzung kultureller Angebote Die Eintrittspreise sind zu hoch

88

Die Verkehrsanbindung ist ungünstig/die Wege sind zu weit

75

Meine Deutschkenntnisse sind nicht gut genug

56

Die Fahrkarten, um zur Veranstaltung zu kommen, sind zu teuer

55

Es gibt zu wenig Informationen

50

Die Kulturangebote sprechen eher deutsches Publikum an

41

Ich gehe ungern allein zu einer Veranstaltung

41

Der abendliche Nachhauseweg ist unsicher

38

Ich bin gesundheitlich eingeschränkt

34 33

Die Veranstaltungstermine bzw. Öffnungszeiten sind ungünstig Die Kulturangebote sprechen eher jüngere Menschen an

26 25

Ich habe keine Zeit 13

Es ist sehr aufwendig, Eintrittskarten zu kaufen andere Gründe

7

Top-Two Nennungen - trifft voll und ganz zu - trifft eher zu

in %, N = 270 Frage: Welche Gründe spielen bei Ihnen eine Rolle, weswegen Sie kulturelle Angebote nicht häufiger nutzen, obwohl Sie sich dafür interessieren?

Beim Vergleich zwischen den Ergebnissen des KulturBarometers 50+ und der Partner-Befragung finden sich sowohl interessante Parallelen als auch Abweichungen (siehe Abb. 22). So stehen bei allen der Generation 50+ als Hinderungsgrund die hohen Eintrittspreise an erster Stelle. Wobei dieser Aspekt natürlich angesichts der hohen Quote an Sozialhilfebeziehern bei den russischsprachigen Älteren besondere Relevanz erhält. Für alle Älteren sind die weiten Wege, verbunden eventuell mit späten Veranstaltungszeiten, ein Grund zu Hause zu bleiben. Bei den hier Befragten muss mit bedacht werden – dies wird in den Kommentaren deutlich - , dass sie zwar häufig bereit wären, längere Wege auf sich zu nehmen, um z.B. das Gastspiel eines russischen Theaterensembles in einer anderen Stadt im Ruhrgebiet zu besuchen, sich dies aber aufgrund der noch zusätzlich anfallenden Fahrtkosten nicht leisten können. Ein wichtiger Hinderungsgrund ist für viele auch das Fehlen von Informationen zum aktuellen Kulturprogramm. Nicht nur das „Auf-dem-Laufenden-Sein“ kann ein Problem sein, viele müssen sich auch erst noch die Kulturlandschaft erschließen.

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Eine interessante Abweichung: Während 55 % der Befragten des KulturBarometer 50+ der Meinung sind, dass es „Interessantes nur für Jüngere“ gibt, geben bei den russischsprachigen Befragten nur 26 % dies als Hinderungsgrund an. Aus den Kommentaren der Befragten geht zudem hervor, dass es nicht genügend Angebote in russischer Sprache gibt bzw. dass die angebotenen Veranstaltungen häufig als nicht qualitätsvoll erlebt werden. Aus vereinzelten Kommentaren kann auch herausgelesen werden, dass das fehlende Verständnis für moderne Kunst, modernes Theater etc. den Besuch entsprechender Veranstaltungen schwierig macht.

Abb. 22: Hinderungsgründe für Nutzung kultureller Angebote Kulturbarometer 50+ im Vergleich zu Partner-Befragung

Hinderungsgründe Eintrittspreise zu hoch Interessantes nur für Jüngere Die Wege sind zu weit Keine Einführung für Nichtkenner Keine Kenntnis von Kultur Zu wenig Orientierungshilfen Veranstaltungsinfos fehlen Desinteresse im Bekanntenkreis Gesundheitlich eingeschränkt Verkehrsanbindung ungünstig Angebote nicht seniorenfreundlich Nachhauseweg abends unsicher (Öffnungs-)Zeiten ungünstig Ticketkauf zu zeitaufwendig Finde keine Begleitung

Kulturbarometer 50+ Trifft „allgemein“ oder „punktuell“ zu 73 % 55 % 51 % 47 % 46 % 45 % 44 % 44 % 42 % 41 % 38 % 38 % 34 % 32 % 30 %

Partner-Befragung (Ranking) 88 % (1) 26 % (11) 75 % (2) ------50 % (5) --34 % (9) 9 75 % (2) --38 % (8) 33 % (10) 13 % (13) 41 % (7)

Ein naheliegender Hinderungsgrund, der für 56 % der hier Befragten eine Rolle spielt, sind die fehlenden Deutschkenntnisse. Viele sehen sich nicht in der Lage das „deutsche“ Angebot zu nutzen, zumindest nicht in dem für sie wünschenswerten Maße. Dadurch gewinnen die Angebote in russischer Sprache an Bedeutung. Wie das Niveau der Deutschkenntnisse mit der Kulturnutzung korreliert zeigt die folgende Abbildung. Gute Deutschkenntnisse erhöhen die Kulturpartizipation, fehlende Deutschkenntnisse verhindern sie andererseits nicht.

9

„Die Verkehrsanbindung ist ungünstig“ und „die Wege sind zu weit“ wurde in einer Frage zusammengefasst.

29


„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

Abb. 23: Häufigkeit kultureller Besuche / mündliche Deutschkenntnisse

gute mündliche Deutschkenntnisse

28

mittelmäßige mündliche Deutschkenntnisse

44

26

weniger gute mündliche Deutschkenntnisse

32

16

überhaupt nicht gute mündliche Deutschkenntnisse

19

23

34

32

8

32

20

39

19

mehr als 5 mal besucht

5

etwa 3-5 mal besucht

23

gar nicht besucht

1-2 mal besucht

in %, N = 270 Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht? Wie würden Sie selbst Ihre mündlichen Deutschkenntnisse einschätzen? (sehr gut, gut, mittelmäßig, überhaupt nicht gut)

Des weiteren wurde das Alter mit der Häufigkeit kultureller Besuche korreliert. Das KulturBarometer 50+ hat einen deutlichen Bruch zwischen Aktivitäten der 50- bis 59-Jährigen und der älteren Bevölkerung ab etwa 60 Jahre sowie verstärkt ab ca. 70 Jahren konstatiert (Keuchel/Wiesand 2008, S. 43). Von einer auffallenden Diskrepanz hinsichtlich des Ausmaßes der kulturellen Partizipation innerhalb der hier befragten Generation 50+ kann hingegen nicht gesprochen werden.

Abb. 24: Häufigkeit kultureller Besuche nach Alter

50 bis 55 Jahre

21

26

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

33

20

13

29

31

39

mehr als 5 mal besucht

etwa 3-5 mal besucht

44

30

2

15

33

16

31

17

1-2 mal besucht

gar nicht besucht

in %, N = 270 Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht? Bitte geben Sie Ihr Alter an. 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

30


„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

Auch ein mittelmäßiger oder eher schlechter Gesundheitszustand hält die Älteren nicht vom mehr oder weniger regelmäßigen Besuch kultureller Angebote ab.

Abb. 25: Häufigkeit kultureller Besuche / Gesundheitszustand

guter Gesundheitszustand

31

mittelmäßiger Gesundheitszustand

21

weniger guter Gesundheitszustand

20

mehr als 5 mal besucht

43

19

31

26

38

32

etwa 3-5 mal besucht

7

10

22

1-2 mal besucht

gar nicht besucht

in %, N = 270 Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht? Wie würden Sie selbst Ihren aktuellen Gesundheitszustand beschreiben? (sehr gut, gut, mittelmäßig, überhaupt nicht gut)

31


„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

6. Informationswege Sowohl deutsche als auch russischsprachige Medien spielen bei der Frage, wie sich die Befragten über das kulturelle Angebot in ihrer Stadt informieren, eine Rolle. Antwortkategorien waren: Zeitung/Zeitschrift, Radio, Fernsehen und Internet. 59 % der Befragten geben an, deutsche Medien als Informationsquellen zu nutzen, für 41 % spielen diese keine Rolle. Bezogen auf russische Medien gilt dies nur für 10 % der Befragten – sie bedienen sich keiner russischsprachigen Medien, um sich über das Kulturangebot zu informieren. Bemerkenswert ist, dass sich ein großer Teil der Befragten ganz offensichtlich sowohl deutscher als auch russischsprachiger Medien bedient.

Abb. 26: Mediennutzung

deutsche Medien

russische Medien

nein nein

10 41 59 90 ja

ja

in %, N = 270 Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Zeitung und Zeitschriften spielen als Informationsmedium eine herausragende Rolle. Es ist davon auszugehen, dass die Deutschkenntnisse über die Lesegewohnheiten entscheiden. Es gibt in NRW ein gutes Angebot an Zeitungen und Kulturzeitschriften in russischer Sprache. Auch die, die gut Deutsch können, lesen ab und zu russischsprachige Zeitungen, um sich über das russische Leben in Deutschland zu informieren.

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Abb. 27: Informationswege / Kulturangebot Zeitung/Zeitschrift

Fernsehen

89

russisch deutsch

52 28

russisch deutsch russisch deutsch

Internet

russisch deutsch

Radio

21 12 16 3 11

Prospekte, Spielpläne, Plakate der Kultureinrichtungen und Veranstalter

54 46

Mund-zu-Mund-Propaganda gar nicht

2

in %, N = 270 Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Während die jüngeren Altersgruppen (50 bis 55 Jahre) sowohl deutsche als auch russischsprachige Zeitungen bzw. Zeitschriften lesen, nimmt die Bedeutung russischsprachiger Medien für die älteren Altersgruppen zu.

Abb. 28: Informationswege / Kulturangebot russisch- und deutschsprachige Zeitschrift/Zeitung – nach Alter

50 bis 55 Jahre

russischsprachig deutschsprachig

56 bis 65 Jahre

russischsprachig deutschsprachig

66 bis 75 Jahre

russischsprachig deutschsprachig

76 bis 85 Jahre

russischsprachig deutschsprachig

86

14

71

29

97

3

63

37

88

12

41

59

80 32

genannt

20 68

nicht genannt

in %, N = 270 Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

33


„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

10

Die Nutzung von Computer und Internet ist, wie nicht anders zu erwarten, altersabhängig. Die 50bis 55-Jährigen haben durch ihre Berufstätigkeit einen besseren Zugang zu neuen Medien und bedienen sich des Internets als Informationsquelle. Die Einkommenssituation dürfte für die Nutzung von Computer und Internet bei den Befragten auch eine Rolle spielen, so dass sich nur ein Teil der Haushalte, vermutlich insbesondere die mit älteren Kindern, einen Computer leisten wollen und können.

Abb. 29: Informationswege / Kulturangebot russisch- und deutschsprachiges Internet – nach Alter

50 bis 55 Jahre

russischsprachig deutschsprachig

56 bis 65 Jahre

russischsprachig deutschsprachig

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

32

68 41

59 89

11 16

russischsprachig deutschsprachig

6

russischsprachig deutschsprachig

4

84 94

10

90 96 100

genannt

nicht genannt

in %, N = 270 Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Neben den klassischen Medien spielen auch die Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Prospekte und sonstigen Programmankündigungen der Veranstalter eine wichtige Rolle.

10

Laut KulturBarometer 50+ nutzen nur 35 % der Generation 50+ das Internet. Während noch 65 % der 50- bis 59-Jährigen zu den Internetnutzern gehören, sind dies in der Altersgruppe 60-69 J. nur noch 32 %, in der Altersgruppe 70-79 J. 12 % und bei den über 80-Jährigen 6 % (Keuchel/Wiesand 2008, S. 36).

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

Abb. 30: Informationswege / Kulturangebot Mund-zu-Mund-Propaganda – nach Alter

50 bis 55 Jahre

73

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

27

56

44

50

50

48

52

genannt

nicht genannt

in %, N = 270 Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 31: Informationswege / Kulturangebot Prospekte, Pläne der Veranstalter – nach Alter

50 bis 55 Jahre

46

56 bis 65 Jahre

54

53

47

66 bis 75 Jahre

45

55

76 bis 85 Jahre

44

56

genannt

nicht genannt

in %, N = 270 Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

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7. Künstlerisch-kreative Aktivitäten Auch bei diesem Fragenkomplex ist bei der Bewertung der Antworten in besonderer Weise zu berücksichtigen, dass die Antworten von Abonnenten der „Partner“-Zeitschrift stammen. „Kultur“ ist zwar in der Zeitschrift eines unter mehreren Themen, aber doch, auch aufgrund der vielen Programmankündigungen, ein Thema mit besonderem Stellenwert. Nichtsdestotrotz ist das Ergebnis der Partner-Befragung bemerkenswert: 74 % sind im künstlerischkreativen Bereich aktiv. Selbst wenn man vorsichtiger rechnen möchte und „Fotografie, Video“ ausklammert, hat man es mit einer erstaunlichen Zahl an kulturell Aktiven zu tun.

Abb. 32: Künstlerisch-kreative Aktivitäten - aktuell

Aktiv / nicht aktiv?

Art der kulturellen Aktivitäten 41

Fotografie, Video

nicht aktiv

aktiv

26

Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.

24

Singen (alleine, im Chor, in Musikgruppen)

22

Tanzen

21 18

Malerei, Bildende Kunst

74

Musikinstrument spielen Handarbeit, Gestalten

12 10

Theater spielen

8

andere künstlerisch -kreative Tätigkeit

7

in %, N = 270 Frage: Wir interessieren uns im Folgenden für Ihre künstlerisch-kreativen Aktivitäten, unabhängig davon, ob Sie diese regelmäßig oder nur ab und zu ausüben. Welche künstlerischkreativen Aktivitäten üben Sie heute (aktuell) aus? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Die Ergebnisse des KulturBarometer 50+ zum Vergleich: 22 % der Generation 50+ gehen aktuell einem künstlerischen Hobby nach. Am häufigsten geben die Befragten als Hobby „Basteln, Gestalten“ an (9 % der Nennungen), es folgen mit jeweils 6 % „Musikinstrument spielen“, „Singen“ und „Fotografieren“. Weniger häufig wählt die Generation 50+ „Malerei, Bildende Kunst“ als Betätigungsfeld (5 %), das „Schreiben von Geschichten, etc.“ und „Tanzen“ (jeweils 3 %) und das „Theater spielen“ (2 %). Die Erfahrung lautet: wer in Kindheit und Jugend ein Hobby im künstlerisch-kulturellen Bereich verfolgt, wird auch eher im (Erwachsenen-)Alter eine Aktivität in diesem Bereich fortführen oder wieder aufgreifen. Umgekehrt tun sich Menschen schwer, wenn sie erst im fortgeschrittenen Alter ein solches Hobby beginnen wollen. Bei den hier Befragten kann man von einer gewissen Kontinuität sprechen, was die kulturelle Aktivität früher, aktuell und auch mit Blick auf zukünftige Pläne angeht. 36


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Abb. 33: Künstlerisch-kreative Aktivitäten - früher

Aktiv / nicht aktiv?

nicht aktiv

Art der kulturellen Aktivitäten Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.

27

Musikinstrument spielen

27

aktiv

25

Fotografie, Video

26

Singen (alleine, im Chor, in Musikgruppen)

22

Handarbeit, Gestalten

21

74

19

Tanzen

16

Malerei, Bildende Kunst

14

Theater spielen andere künstlerisch -kreative Tätigkeit

in %, N = 270

6

Frage: Wir interessieren uns im Folgenden für Ihre künstlerisch-kreativen Aktivitäten, unabhängig davon, ob Sie diese regelmäßig oder nur ab und zu ausüben. Welche haben Sie früher ausgeübt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 34: Künstlerisch-kreative Aktivitäten – Wunsch für Zukunft Wunsch?

Art der kulturellen Aktivitäten Tanzen

nein

34

Fotografie, Video

28

Malerei, Bildende Kunst ja

6

94

25

Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.

23

Handarbeit, Gestalten

15

Theater spielen

13

Musikinstrument spielen

13

Singen (alleine, im Chor, in Musikgruppen) andere künstlerisch -kreative Tätigkeit

11 9

in %, N = 270 Frage: Wir interessieren uns im Folgenden für Ihre künstlerisch-kreativen Aktivitäten, unabhängig davon, ob Sie diese regelmäßig oder nur ab und zu ausüben. Würden Sie sich in der Zukunft gerne künstlerisch-kreativ betätigen (Wunsch für Zukunft)? (Mehrfachnennungen sind möglich)

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8. Kritik, Anregungen, Kommentare der Befragten Auf die Frage, wie zufrieden sie insgesamt mit dem kulturellen Angebot ihrer Stadt sind, haben 33 % der Befragten mit „zufrieden“/“sehr zufrieden“ geantwortet. 34 % geben an, sie seien „teils/teils“ zufrieden, 26 % sind unzufrieden oder sehr unzufrieden mit der aktuellen Situation. Die offenen Fragen wurden von vielen Befragten für eigene Kommentare und Verbesserungsvorschläge genutzt. Diese machen deutlich, wie wichtig ihnen das Thema ist. Sie wünschen sich mehr Möglichkeiten und bessere Bedingungen, um am kulturellen Leben teilhaben zu können. Es wurden hauptsächlich folgende Probleme genannt (die Zitate sind Übersetzungen aus dem Russischen): 1. Die Eintrittskarten und/oder die Fahrt zum Veranstaltungsort sind zu teuer. „Unsere Sozialhilfe ist viel zu klein, deshalb können wir nicht so oft ins Theater gehen, aber ich versuche kostenlose Veranstaltungen, z. B. in der Tonhalle, in Museen, Kirchen und Musikhochschulen zu finden. Ich besuche sie auch mit großem Vergnügen und informiere meine Bekannte. Ich bin dankbar, dass es so etwas gibt.“ Die Fahrtkosten sind vor allem dann relevant, wenn Befragte unzufrieden mit dem Angebot in ihrer Stadt sind und daher das Angebot anderer Städte in NRW nutzen möchten. Für viele scheint – als (ehemalige) Großstädter – die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kein Problem zu sein, sie nehmen für eine gute Veranstaltung längere Anfahrtswege gerne auf sich. „Es wäre schön, wenn die Eintrittskarte auch als Fahrkarte gilt, egal in welcher Zone man fährt.“ Es wird erläutert, dass der Sozialpass zwar am Wohnort, nicht aber in benachbarten Städten gilt. „Es wäre schön, das Angebot für Aufführungen und Konzerte, für die man Eintrittskarten mit Rabatt (z.B. mit dem Sozialpass oder für Menschen ab 60 Jahren) kaufen kann, zu erweitern.“

2. Das Angebot ist nicht zufriedenstellend – vor allem in Bezug auf Veranstaltungen mit russischsprachigen Künstlern. „Die Stadt ist klein und hat kein spannendes Kulturleben.“ Da die Sprachkenntnisse für den Besuch deutscher Theateraufführungen als nicht gut genug eingeschätzt wird, wünscht man sich mehr Möglichkeiten, Aufführungen in russischer Sprache besuchen zu können. Hier werden jedoch das Qualitätsniveau und die Rahmenbedingungen bemängelt. „Ich wünsche mir mehr Gastspiele russischer Kulturschaffender. Wenn es Angebote gibt, dann finden diese häufig in nicht adäquaten Räumlichkeiten statt.“ „Ich wünsche mir mehr deutsch-russische Abende, die man der deutschen Kultur, Literatur und Poesie widmen könnte.“ 38


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3. Es gibt zu wenig Informationen über das Kulturangebot. Vor allem für diejenigen, die sich für russischsprachige Angebote interessieren bzw. sich über russischsprachige Medien über das Kulturangebot informieren, scheint die Versorgung mit aktuellen Informationen ein Problem zu sein. „Man hat in Essen einmal russische Filme im Kino gezeigt, ich habe davon aber erst danach aus der Zeitung erfahren. Es gab vorher keine Information in den Medien, und das ist nicht zum ersten Mal so passiert.“ „Ich wünsche mir mehr Werbung von Kulturveranstaltungen in religiösen Gemeinden (jüdischen und russischen) und in sozialen Einrichtungen (besonders wo auch Russen tätig sind), da diese für ältere Menschen nichts kosten.“ „Ich besuche einen Deutschkurs und es wäre schön, wenn sie da Werbung für Kulturveranstaltungen machen würden und uns dahin einladen würden.“ „Man hätte gern mehr Informationen in russischen Zeitungen, aber nicht nur über russische, sondern auch deutsche Veranstaltungen. Es wäre schön, wenn man Karten über den Partner-Verlag kaufen könnte, weil ich selbst nicht so gut Deutsch spreche.“ „Gut wäre ein Email-Newsletter mit Informationen über Kulturveranstaltungen in NRW – auf Russisch.“

Einige Vorschläge bzw. Erwartungen gehen weiter, sie zielen auf eine Veränderung der kulturellen Infrastruktur ab: „Man muss Bedingungen für die Gründung russischer Zentren schaffen, wo man das kulturelle Leben entwickeln kann, unabhängig von der Größe der Stadt.“ „Ein Informations- und Kulturzentrum für Russischsprachige gründen, wo es zahlreiche verschiedene Studios für Malen, Tanzen und Kunstgewerbe geben würde, außerdem eine Bibliothek mit Computerklassen“ „Eine Kulturabteilung beim Rathaus oder bei den Sozialämtern ist nötig. Die kreativen Russischsprachigen, die auch Deutschkenntnisse haben, würden sich da mit der Organisation von Ausstellungen, Kulturtreffen und mit der Suche und Anwerbung kreativer Menschen beschäftigen.“

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ANHANG: Hintergrundinformationen Zielgruppe: Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer in Deutschland Seit dem Beginn der Perestroika 1986 zogen erste größere Gruppen von Bürgern der Sowjetunion nach Deutschland. Dabei wird zwischen deutschen Aussiedlern (seit dem 1. Januar 1993 Spätaussiedler) auf der einen Seite und jüdischen Kontingentflüchtlingen auf der anderen Seite unterschieden. Spätaussiedler: Die ausgesiedelten Russlanddeutschen und ihre nicht-deutschen Familienangehörigen werden als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes behandelt. Sie haben daher unmittelbar nach der Einreise einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit 2001 müssen infolge einer Reform des Vertriebenenrechts Ausreisewillige, die als Spätaussiedler anerkannt werden wollen, ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen können. Die Einreise-Anträge von Deutschstämmigen werden inzwischen in der deutschen Botschaft des Ausreiselandes gestellt. Die Bearbeitungszeit kann dabei bis zu einigen Jahren betragen. Angesichts der eher schlechten bis gar nicht vorhandenen Deutschkenntnisse werden nur noch wenige als Spätaussiedler anerkannt. Nordrhein-Westfalen nahm und nimmt viele AussiedlerInnen bzw. SpätaussiedlerInnen auf. Von 1989 bis 2005 zogen laut Zuwanderungsstatistik NRW 2006 642.058 Personen zu, vorwiegend aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Aussiedlerzuwanderung ist seit langem stark rückläufig. 2005 wanderten nur noch 7.845 zu, 2004 waren es 13.008 und 2003 waren es 16.130. Jüdische Kontingentflüchtlinge: Seit 1991 haben jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit, als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen. Kontingentflüchtlinge sind im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge. Ihnen wird eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis gewährt. Auf eine zahlenmäßige Kontingentierung wurde verzichtet. Eine wesentliche Rolle bei der großzügigen Ausgestaltung dieser Zuzugsregelung, deren wesentlicher Kern übrigens ein Erbe aus DDR-Zeiten ist, spielte der Wunsch, den jüdischen Gemeinden in Deutschland - im Bewusstsein historischer Verantwortung - neue Mitglieder zuzuführen und somit deren Lebensfähigkeit zu erhalten. Mit dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 entfiel das Kontingentflüchtlingsgesetz (HumHAG) als Rechtsgrundlage. Seitdem müssen jüdische Zuwanderer ihre Einreise und Aufnahme in Deutschland auf der Rechtsgrundlage des Aufenthaltsgesetzes beantragen. Bis neue Regelungen gefunden wurden und in Kraft treten konnten, vergingen 18 Monate. Nach monatelangen Verhandlungen des Zentralrats der Juden und der Union Progressiver Juden mit den Innenministern der Ländern wurden zunächst Übergangsregelungen beschlossen. Wer seinen Aufnahmeantrag vor dem 1. Januar 2005 gestellt hatte, brauchte in Härtefällen (etwa bei der Familienzusammenführung) weder Sprachkenntnisse nachzuweisen, noch musste er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten können.

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Mit Beschlüssen der Innenministerkonferenz im Juni und November 2005 wurde das Aufnahmeverfahren für jüdische Zuwanderer neu ausgerichtet (erst am 1. Juli 2006 treten die neuen Regelungen in Kraft). Antragsteller müssen neben bisherigen Kriterien auch folgende erfüllen: - Deutschkenntnisse nachweisen, die mindestens der Niveaustufe A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERR) entsprechen. Diese Verpflichtung besteht auch für die mitreisenden Familienangehörigen (ab 14 Jahren); - dauerhaft selbst für ihren Lebensunterhalt in Deutschland sorgen können; - den Nachweis zur Aufnahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet erbringen. Bei Opfern nationalsozialistischer Verfolgung wird auf die Integrationsprognose und den Nachweis der Deutschkenntnisse verzichtet. Das Gleiche gilt für Härtefälle.

11

Nordrhein-Westfalen nimmt dem Königsteiner Schlüssel gemäß die meisten jüdischen Zuwanderer auf, es folgt an zweiter Stelle Bayern, an dritter Baden-Württemberg. Abb. 35: Eingereiste jüdische Zuwanderer 1993-2006 1993-2003 absolut Deutschland insg.

2004

in %

absolut

2005 in %

absolut

2006 in %

absolut

in %

179.934

100,0

11.208

100,0

5.968

100,0

1.079

100,0

Nordrhein-Westfalen

44.452

24,7

3.259

29,1

1.545

25,9

227

21,0

Bayern

27.848

15,5

1.702

15,2

1.165

19,5

69

6,4

Baden-Württemberg

14.378

8,0

859

7,7

766

12,8

493

45,7

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Warum nach Deutschland? Als Gründe, die sowjetische Juden zum Auswandern veranlasst (hat), nennt Kessler: „Nationalitätenkonflikte, Umweltkatastrophen, Perspektivlosigkeit für die nachwachsende Generation, fehlende soziale Absicherung der Älteren, berufliche Beschränkungen oder die instabile wirtschaftliche und politische Lage, und auf der anderen Seite hohe Erwartungen an Deutschland und die Zuversicht auf eine sichere Zukunft. Der bleibende Zustrom ist daneben der Sogwirkung durch bereits migrierte Angehörige und Freunde bzw. dem Wunsch, in ihrer Nähe zu leben, zu verdanken.“ Deutschland ist zu einem attraktiven Auswanderungsland geworden: „Da die USA, das Traumland sowjetischer Juden, die Einwanderung stark beschränkt hat und Israel von vielen als politisch/ wirtschaftlich zu unsicher oder als zu fremd/orientalisch angesehen wird, bleibt Deutschland in der Wahrnehmung (bzw. Erwartung) der Zuwanderer die günstigste Alternative: reich, weltoffen, europäisch, ähnlich“ (Kessler 2001).

11

Der sog. Königsteiner Schlüssel ist ein Finanzierungsschlüssel, mit dem „Lasten“ auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden. Er berechnet sich aus dem Steueraufkommen und der Bevölkerungszahl eines Bundeslandes.

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Hintergrundinformationen: Aufenthalt / Aufenthaltsdauer Jüdische Zuwanderer und Spätaussiedler unterscheiden sich aufgrund der historisch-ethnischen Dimension von allen anderen Zuwanderergruppen. Sie sind auch die einzigen beiden Gruppen, denen aufgrund ethnischer Abstammung auf Anhieb eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gewährt wird. Sie verlassen deshalb auch in der Regel ihre Heimat, um sich auf Dauer in Deutschland nieder zu lassen (Haug 2007, S. 16). Aus Studien über türkische und italienische Migranten ist bekannt, dass im Alter häufig eine Pendelmigration zwischen dem Wohnort in Deutschland und einem Zweitsitz im Herkunftsland gelebt wird. Die durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der insgesamt 10,4 Millionen Zugewanderten in Deutschland beträgt 18,8 Jahre. Diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit leben seit 20,1 Jahren in Deutschland, diejenigen mit ausländischer Staatsanghörigkeit leben mit 17,6 Jahren etwas unter dem Durchschnitt hier (Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2006, Wiesbaden 2008). Ein genauerer Blick auf die Zuwanderungsstatistik NRW 2006 zeigt, dass es unter den verschiedenen Migrantengruppen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer große Unterschiede gibt. In der nachfolgenden Tabelle werden Zuwanderer aus Russland denen aus Italien und der Türkei, den klassischen Anwerbeländern, gegenüber gestellt. Arbeitskräfte wurden ab 1955 aus Italien bzw. 1961 aus der Türkei angeworben, so dass eine Aufenthaltsdauer von 20 und mehr Jahren völlig normal ist.

Abb. 36: Ausländerinnen und Ausländer am 31.12.2005 nach Aufenthaltsdauer, Staatsangehörigkeit und Altersgruppen

Aufenthaltsdauer von ... bis unter ... Jahren

0–6 6 – 10 10 – 20 20 und mehr zusammen Aufenthaltsdauer von ... bis unter ... Jahren

0–6 6 – 10 10 – 20 20 und mehr zusammen

Ausländische Bevölkerung am 31.12.2005 25 bis unter 65 Jahren davon aus insgesamt Russische Türkei Italien Föderation 219.724 16.139 25.849 4.150 130.116 7.346 24.548 4.620 285.856 3.080 72.783 12.761 524.907 69 221.469 65.381 1.160.603 26.634 344.649 86.912 Ausländische Bevölkerung am 31.12.2005 65 Jahre und älter davon aus insgesamt Russische Türkei Italien Förderation 7.157 1.427 402 225 6.655 1.475 263 148 12.620 761 1.999 353 102.447 16 34.924 10.923 128.879 3.679 37.588 11.649

Quelle: Zuwanderungsstatisik NRW 2006

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Hintergrundinformationen: jüdische Religion / jüdische Gemeinden Für die Aufnahme als jüdischer Kontingentflüchtling spielt die jüdische Volkzugehörigkeit bzw. Nationalität, nicht aber das Bekenntnis zur jüdischen Religion eine Rolle. Familienangehörige nichtjüdischer Abstammung können mit einreisen. Häufig fühlen sich jüdische Zuwanderer nicht der jüdischen Religion verbunden, sie waren in über 70 Jahren Sowjetmacht größtenteils vom Judentum abgeschnitten. Auch wenn sich aufgrund dieser Entfremdung zum jüdischen Glauben die Integration in das jüdische Gemeindeleben mitunter schwierig gestaltet, haben viele jüdischen Gemeinden durch den Zustrom neuer Mitglieder eine willkommene Renaissance erlebt. Gemäß Mitgliederstatistik (2004) der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland ist die Altersstruktur in den jüdischen Gemeinden in Deutschland von den höheren Altersgruppen dominiert, der Frauenanteil ist überdurchschnittlich hoch. 36 % der Gemeindemitglieder sind über 60 Jahre alt.

Hintergrundinformationen: Materielle Absicherung / Grundsicherung Die hohe Quote an Beziehern von Grundsicherung ist dadurch zu erklären, dass jüdische Zuwanderer nur dann einen Anspruch auf Rente haben, wenn sie in Deutschland erwerbstätig waren und Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Als Zuwanderer im Rentenalter können sie keine Rente erhalten. Nach Vollendung des 65. Lebensjahrs steht jüdischen Zuwanderern daher laut Sozialgesetzbuch (SGB XII) eine Grundsicherung zu. Die Grundsicherung ist eine bedarfsabhängige Sozialhilfeleistung, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt von Menschen absichert, die wegen Alters oder auf Grund voller Erwerbsminderung endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Spätaussiedler hingegen erhalten ihre Rente grundsätzlich nach den gleichen Regeln wie andere Deutsche, wenn auch bei Einreise ab 1996 nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze. Die Rentenansprüche regelt seit Jahrzehnten das Fremdrentengesetz. Es sorgt dafür, dass auch Rentenbeiträge, die im Herkunftsland der deutschstämmigen Zuwanderer gezahlt wurden, für die Rente in Deutschland angerechnet werden. Zu den versicherungsrelevanten Zeiten gehören neben versicherten Beschäftigungszeiten auch Kindererziehungszeiten sowie Zeiten des Grundwehr- oder Zivildienstes.

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Literatur Burlina, Elena (2001): Vitamin „K“ für Kultur. http://www.berlin-judentum.de/kultur/russische-juden.htm (Stand: 09.07.09) de Groote, Kim/Nebauer, Flavia (2008): Kulturelle Bildung im Alter. Eine Bestandsaufnahme kultureller Bildungsangebote für Ältere in Deutschland. München Gruber, Sabine/Rüßler, Harald (2002): Hochqualifiziert und arbeitslos. Jüdische Kontingentflüchtlinge in Nordrhein-Westfalen. Wiesbaden Haug, Sonja unter Mitarbeit von Wolf, Michael (2007): Soziodemographische Merkmale, Berufsstruktur und Verwandtschaftsnetzwerke jüdischer Zuwanderer, Working Paper, Nr. 8. Nürnberg http://www.bamf.de/cln_092/SharedDocs/Anlagen/DE/Migration/Publikationen/Forschung/WorkingPap ers/wp8-merkmale-juedische-zuwanderer,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/wp8-merkmalejuedische-zuwanderer.pdf (Stand: 09.07.09) Kessler, Judith (1995): Jüdische Migration aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1990. http://www.berlin-judentum.de/gemeinde/migration-4.htm (Stand: 09.07.09) Keuchel, Susanne/Wiesand, Andreas Johannes (2008): Das KulturBarometer 50+. „Zwischen Bach und Blues ...“. Bonn Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MGFFI) (Hrsg.) (2007): Zuwanderungsstatistik Nordrhein-Westfalen. Zahlenspiegel Ausgabe 2006. Düsseldorf Otto Benecke Stiftung (2005): Qualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer erfolgreich integrieren. Das Akademikerprogramm der Otto Benecke Stiftung e.V. Bonn Runge, Irene (2001): Klippen des höheren Alters. Zur Situation älterer Zuwanderer aus den ehemaligen GUS-Staaten. http://www.berlin-judentum.de/gemeinde/zuwanderer.htm Sinus Sociovision (Hrsg.) (2007): Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Heidelberg

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