Wir sind Humboldt

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AUGUST-BOECKHANTIKEZENTRUM

stätten die Akustik bei den Ansprachen zu verbessern. Gleichzeitig entdeckten wir weitere Fragen zur konkreten Situation der politischen Ansprachen, denen wir jetzt nachgehen wollen. Welche Arbeitsschritte sind notwendig, um ein digitales Modell des Forum Romanum zu erschaffen, und was sind dabei die größten Herausforderungen?

Am Anfang steht immer die sorgfältige Analyse der archäologischen Befunde: Was ist von den Gebäuden am Forum noch erhalten, was wissen wir von ihnen aus den antiken Texten und wie können wir sie wissenschaftlich korrekt rekonstruieren? Dabei sind vor allem diejenigen Bauten des Forums eine Herausforderung, von denen an der Ausgrabungsstätte kaum etwas oder gar nichts erhalten ist: Hier müssen wir mit Vergleichen arbeiten und plausible Hypothesen entwickeln. Wichtig ist uns immer, diese verschiedenen Stufen in der Wissensdichte transparent zu machen, damit jeder kritisch überprüfen kann, auf welcher Grundlage wir wie und warum rekonstruieren. Wer kann das Modell nutzen?

Jeder, der daran interessiert ist, soll unser Modell nutzen können. Auf der Website unseres Projekts (www.digitales-forumromanum.de) kann man Bilder und Videos von unserem digitalen Forum ansehen und weiter nutzen – und auch weitergehende Informationen zum Forum finden. Darüber hinaus bekommen wir viele Anfragen für Publikationen – bis hin zu Latein-Schulbüchern oder Comics –, die einzelne Abbildungen reproduzieren wollen. Welche neuen Erkenntnisse konnten Sie durch die Rekonstruktion bereits erlangen?

Vor allem konnten wir die Geschichte des antiken Forums in seinen steten Veränderungen besser verstehen und historisch erklären. Auch bei Fragen nach der Rekons-

truktion einzelner Bauten haben sich neue und spannende Ergebnisse gezeigt. Und schließlich können wir mit unserem digitalen Modell eindrücklich zeigen, wie wichtig es ist, auch die pragmatische Nutzung des Platzes stärker zu berücksichtigen, wenn wir historisch erklären wollen, warum der Platz in einer bestimmten Weise gestaltet war und warum er immer wieder verändert wurde.

Das August-Boeckh-Antikezentrum initiiert und koordiniert interdisziplinäre Aktivitäten und Projekte in Forschung und Lehre in den klassischen Altertumswissenschaften und benachbarten Disziplinen innerhalb der Humboldt-Universität. Benannt wurde es nach August Boeckh (1785–1867), einem der ersten und bedeutenden Altertumswissenschaftler an der damaligen Berliner Universität. Das Antikezentrum stellt den Dialog zwischen Antike und Moderne in der Universitätsöffentlichkeit her – mit Diskussionsforen, Workshops zu Fragen der Digitalisierung in den Altertumswissenschaften, internationalen Kooperationen und in der Arbeit mit Schüler*innen sowie dem selbstorganisierten Studierendenkolleg.

BERLINER ANTIKE-KOLLEG

Wie gehen die Arbeiten in den kommenden Jahren weiter?

Derzeit rekonstruieren wir die frühen Phasen des Forums, die uns noch fehlen. Auch haben wir begonnen, eine neue, kolorierte Version unseres Modells zu erstellen. Schließlich wollen wir das Modell in eine Virtual-Reality-Anwendung übertragen, die das antike Forum ganz anders erlebbar macht und mit der sich vor allem die Fragen nach der pragmatischen Nutzung des Platzes besser erforschen lassen. Gleichzeitig nutzen wir die bisherigen Erfahrungen für neue Projekte: Mit unseren Studierenden arbeiten wir aktuell an einem neuen 3-D/VR-Modell zur Athener Agora, das ähnlich wie das digitale Forum Romanum Verwendung finden soll.

PROF. DR. SUSANNE MUTH Professorin für Klassische Archäologie und Nachwirkungen der Antike | Institut für Archäologie | Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE: Stadträume (öffentliche Räume und Wohnkultur), Bilderwelten der griechisch-römischen Antike und Spätantike

Internationale Spitzenforschung auf dem Gebiet der Geistes- und Kulturwissenschaften, fächerübergreifende Kooperationen und junge Nachwuchswissenschaftler*innen aus aller Welt: Dafür steht das Berliner Antike-Kolleg (BAK). Es wurde von sechs großen Berliner Institutionen, darunter auch die Humboldt-Universität, gegründet. Es steht allen in Berlin arbeitenden Wissenschaftler*innen für Forschungsprojekte zu relevanten Themen zur Verfügung. Die Promotionsprogramme der BERLIN GRADUATE SCHOOL OF ANCIENT STUDIES bieten alle Spe-

zialisierungen in altertumswissenschaftlichen wie auch in geo- und anderen naturwissenschaftlichen Fächern. Das BAK bietet darüber hinaus ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm für Fachleute sowie für die breitere Öffentlichkeit. Die Partner*innen des Kollegs haben außerdem das EINSTEIN CENTER CHRONOI ins Leben gerufen, das sich mit Zeit und verwandten Themen beschäftigt. Chronoi wird durch die Einstein Stiftung Berlin gefördert. Humboldt-Universität zu Berlin

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