Motion INNOVATION INTERVIEW IDEAS
02.2014 Das Kundenmagazin der UNITED GRINDING Group
Die Industriesegmente und ihre Entwicklung Ef zienz und intelligente Verschwendung Der Wissenstransfer zwischen den Generationen
EFFIZIENZ IM BLICK Im neuen Programm PuLs® steckt der Herzschlag der UNITED GRINDING Group. Es führt zu Antworten auf die tägliche Frage: Wie geht das besser und mit weniger Aufwand?
Daniel Fiedler in der Maschinenabnahme Abteilung: RDer Prozess muss im Sinne des Kunden stimmen.T
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VERSCHWENDUNG IM VISIER Der Wissenschaftler Michael Braungart emp ehlt der Industrie ein Produktionssystem der intelligenten Verschwendung, in dem jeder Abfall als neuer Rohstoff taugt. Das Gespräch mit dem CFO der UNITED GRINDING Group Heinz Poklekowski drehte sich schnell darum, wie weit sich dieses Cradle to Cradle®-Konzept auch auf einen Hersteller von Investitionsgütern wie Schleifmaschinen anwenden lässt INTERVIEW: MICHAEL HOPP FOTOGRAFIE: CHRISTIAN KERBER
Heinz Poklekowski (l.) und Michael Braungart beim Interview im 25hours Hotel Hafencity, Hamburg. Das Hotel setzt auch auf Wiederverwertung und verwendet Materialien aus Hafen und Schiffbau
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TWIR WOLLEN DAS KUNDENBEDÜRFNIS SO GENAU WIE MÖGLICH UMSETZEN. DABEI VERSUCHEN WIR, ALLES ZU VERMEIDEN, WAS DIESEM ZIEL NICHT DIENT.\ Heinz Poklekowski
IM GESPRÄCH PROF. DR. MICHAEL BRAUNGART Der Chemiker ist Gründer und wissenschaftlicher Geschäftsführer von EPEA, einem internationalen Umweltforschungs- und Beratungsinstitut mit Hauptsitz in Hamburg. Seine Bücher `Die nächste industrielle Revolution: Die Cradle to Cradle-Communitya und `Intelligente Verschwendung: The Upcyclea stießen weltweit auf großes Echo.
HEINZ POKLEKOWSKI Als neues Mitglied der Geschäftsführung der United Grinding Group AG verantwortet Heinz Poklekowski, 52, den kaufmännischen Bereich. Zuvor war Poklekowski Vorsitzender der Geschäftsführung für WALTER und EWAG in Tübingen. Dort hat er die Unternehmensphilosophie PuLs® maßgeblich mit eingeführt.
Im neuen Buch von Herrn Braungart und im PuLs®-Programm der UNITED GRINDING Group nimmt der Begriff Verschwendung eine zentrale Stellung ein. Was meinen Sie, Herr Braungart, wenn Sie eine intelligente Verschwendung propagieren? Michael Braungart: Das Konzept heißt Cradle to Cradle®. Nicht von der Wiege zur Bahre, sondern von der Wiege zur Wiege. Das bedeutet, dass man zwischen zwei Kreisläufen unterscheidet. Güter, die verschleißen, wie Schuhsohlen, Bremsbeläge oder Autoreifen, werden so gemacht, dass sie der Biosphäre dienen. Güter wie ein Fernseher oder eine Waschmaschine werden nicht verbraucht, sondern nur genutzt. Diese gehen in die Technosphäre; die anderen werden für die Biosphäre gemacht. Es gibt keinen Abfall mehr. Alles wird für die Biosphäre oder für die Technosphäre nützlich. Darum nicht
sparen, vermeiden, reduzieren, sondern intelligent verschwenden. Eine Kultur der Großzügigkeit. Ein Kirschbaum im Frühling vermeidet und reduziert nicht, sondern ist verschwenderisch. Was er aber tut, nutzt anderen Lebewesen. Da wollen wir hin. Welche Art der Verschwendung will die UNITED GRINDING Group durch das PuLs®-Programm vermeiden, Herr Poklekowski? Heinz Poklekowski: PuLs® ist weniger ein Programm als eine Unternehmensphilosophie, aber mit sehr konkreten Umsetzungsschritten hinterlegt. Wir wollen alle Tätigkeiten in unserer Wertschöpfungskette vermeiden, die den Kunden keinen Nutzen bringen. Und zwar in den gesamten Unternehmensabläufen. Nicht nur in der Produktion, sondern auch bei den verwaltenden Tätigkeiten. Für die Produktion heißt das,
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wir stellen nur das her, was wir wirklich benötigen. Was da auch hineinspielt, sind die Optimierungen von Prozessen, kein Suchen von Teilen, möglichst geringe Aufmaße auf den einzelnen Komponenten zu haben. Es geht nicht nur ums Vermeiden beispielsweise von Energieeinsatz, sondern es beginnt bereits im kreativen Prozess bei der Konzeption der Maschine. Herr Braungart, wie könnte Ihr Cradle to Cradle®-Prinzip auf die Maschinenbauindustrie angewendet werden? Michael Braungart: Meine Hypothese ist: Warum überhaupt eine Maschine verkaufen, warum nicht die Nutzung dieser Maschine verkaufen? Wenn jemand eine Waschmaschine kauft, will er im Grunde keine Waschmaschine, sondern saubere Wäsche. Warum erwirbt der Kunde also nicht die Nutzungsrechte für eine bestimmte Zeit? Dann weiß er, was er für welchen Zeitraum bekommt. Wenn er das länger nutzen will, schließt er einen Anschlussvertrag ab. Wir haben zum Beispiel mit Philips einen Fernseher entwickelt, der sich alleine durch die Energieeinsparung nanziert. In einem solchen intelligenten System kann ich als Produzent die besten Materialien einsetzen und nicht die billigsten. Wenn sie das Produkt aber verkaufen, sind sie immer in der Versuchung, bei jedem Werkteil das kostengünstigere anzubieten.
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Maschine endet nicht nach zehn oder zwölf Jahren. Wir betreuen Maschinen, die 30, 40 oder 50 Jahre alt sind. Wenn Sie einen Fernseher nehmen, betragen die Herstellungskosten in der Regel zehn bis 15 Prozent des Verkaufspreises. Wenn Sie ein Investitionsgut wie unsere Maschinen nehmen, liegen die Herstellungskosten ein Vielfaches über denen eines Konsumgüterherstellers. Da haben Sie einen viel höheren Bedarf an Vornanzierung, wenn Sie nachher so ein Produkt verleasen wollen.
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Herr Poklekowski, können Sie sich vorstellen Cradle to Cradle® anzuwenden? Heinz Poklekowski: Wir haben sicherlich noch keinen Status erreicht, wie er in Cradle to Cradle® beschrieben wird. Wir gehen noch an die klassischen, schlanken Abläufe heran. Mit PuLs® wollen wir zunächst unsere Mitarbeiter in die Lage versetzen, Verschwendung zu erkennen und zu vermeiden. Der wichtigste Faktor in diesem Programm sind unsere Mitarbeiter, denen
TZUERST MUSS MAN FRAGEN, WAS DER KUNDE WIRKLICH BRAUCHT, WENN ER DIE MASCHINE KAUFT. SONST OPTIMIERT MAN NUR DAS BESTEHENDE.\ Michael Braungart
Heinz Poklekowski: Mit dem Kostenargument kommen Sie im Investitionsgütergeschäft nicht weiter b im Gegenteil. Sie müssen versuchen, die richtige Komponente für den Einsatz zu suchen. Wenn Sie zum Beispiel eine Antriebseinheit für eine Achse nehmen, dürfen Sie nicht die billigste verwenden, sondern müssen die beste wählen. Zum einen, weil sie die geringste Fehleranfälligkeit hat. Zum anderen müssen wir als Hersteller gewährleisten, dass der Kunde noch in zehn oder 15 Jahren ein Ersatzteil bekommt. Der Lebenszyklus einer solchen
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Heinz Poklekowski: Das funktioniert bei Schleifmaschinen nicht. Da steckt viel Know-how in einer komplexen Maschine. Es wird nicht ohne Weiteres kopierbar sein. Herr Braungart, Sie sagen, es gebe keine Abfälle, nur Nährstoffe. Kann dieser Grundsatz auch für ein Unternehmen der Maschinenbauindustrie gelten? Michael Braungart: Man muss Systeme aufeinander abstimmen, sonst würde es immer zum Downcycling b sprich zur Wiederverwertung in einem minderen Zustand b kommen. Die Späne, die etwa bei einer Produktion als Abfälle entstehen, sind im Verhältnis minderwertig. Auch das recycelte Material ist minderwertig. Wenn man das bereits in der Planung am Anfang berücksichtigt b in ihrer Logik das `second lifea, ein Design-forReincarnation b kann man Abfall ausschließen. Das heißt Produkte zu entwerfen, die für die nächste Nutzung geplant sind.
Das Gespräch zwischen Heinz Poklekowski und Michael Braungart moderierte Motion-Chefredakteur Michael Hopp (v.l.). Beide Teilnehmer sprechen von Verschwendung T aber meinen sie auch dasselbe damit?
TIM EINZELNEN PROJEKT KÖNNEN WIR SEHEN, OB WIR NICHT NUR VON VERMEIDUNG, SONDERN VON VERSCHWENDUNG IM POSITIVEN SINN REDEN KÖNNEN.b Heinz Poklekowski
wir diese Unternehmensphilosophie in Form eines umfassendes Ausbildungsprogramms vermitteln wollen. Der Maßstab dieses Programms indes ist der Nutzen, den unsere Kunden damit generieren. Sehen Sie, am Anfang unserer Maschinenentwicklung steht ein Kundenbedürfnis und aus diesem leiten wir ab, wie unsere Produktlösung aussieht. Das Kundenbedürfnis lautet aber nicht einfach nur Schleifen. Es hängt von der ganzen Produktgruppe ab, die der Kunde in seinem Unternehmen herstellt. Als Produzent der Schleifmaschine kenne ich das konkrete Produkt des Kunden nur bis zu einem bestimmten Punkt. Es sind eben keine Waschmaschinen, die wir verkaufen. Außerdem bleiben unsere Maschinen durchaus in dem, was Sie, Herr Braungart, Technosphäre nennen. Wir sprechen dabei vom Second-Life-Cycle. Zehn, 15 oder 20 Jahre alte Maschinen werden generalüberholt und dann in Länder gebracht, die noch einen geringeren Entwicklungsstand haben. Michael Braungart: Laufen Sie dann nicht Gefahr, ein Produkt zu verkaufen, das am nächsten Tag irgendwo auf der Welt auseinandergenommen und nachgebaut wird?
Heinz Poklekowski: Die Abfälle, die unsere Maschinen verursachen, werden umfassend recycled. Der Schleifstaub wird wie eine Art Schlamm in einem Absetzbecken mit einem Vlies gesammelt und an einen Recycler gegeben, der ihn entsprechend weiterverarbeitet. Der Kühlschmierstoff, der beim Schleifen anfällt, wird nach einer bestimmten Dauer, wenn er nicht mehr leistungsfähig ist, an den Hersteller zurückgegeben und in den Recyclingprozess gebracht. Sie sagten vorhin, Sie kennen die Kundenbedürfnisse, Herr Poklekowski. Lassen sich daraus konkrete Produktinnovationen ableiten? Heinz Poklekowski: Auf jeden Fall. Lasereinsatz ist ein gutes Beispiel. Das ist genau so entstanden. Kunden haben gesagt, dass sie ihre Werkstücke nicht nur mit Schleifen bearbeiten können. Werkstoffe sind zu hart geworden. Könnt ihr uns eine Lasermaschine entwickeln? Michael Braungart: Genau, echte kreative Prozesse brauchen Vertrauen und Großzügigkeit und nicht zuerst die Ef zienzsteigerung. Wenn ich etwas Neues machen will, muss ich den gesamten Prozess anschauen, um sagen zu können, wie die Zukunft des Schleifens aussieht. Jeder Prozessschritt birgt Chancen. KONTAKT heinz.poklekowski@grinding.ch
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