Sonderbund Best of Swiss Gastro 19/2014

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Journal nr. 2

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Bilder Filipa peixeiro

Das Wohnzimmer der Gassers erzählt von Zirkus und Reisen durch die ganze Welt.

Im Garten tankt Marion Gasser auf; wenn er am schönsten ist, ist sie auf Tournee.

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ie ist keine Frau, die lange überlegt und zaudert. Marion Gasser, Co-Direktorin von «Clowns & Kalorien», ist eine Macherin; spontan, effizient, zupackend und kreativ. Eine Frau, die sich überall irgendwie zurechtfindet und – legt man ihr Steine in den Weg – noch etwas Dekoratives daraus bastelt. Mit Humor – es darf gerne der schwarze englische sein –, Gottvertrauen und dem Wissen um die eigenen Fähigkeiten stürzt sie sich freudig ins Leben. Dabei folgt sie keinem Plan, sondern dem Lustprinzip. Was sie nicht selber beeinflussen kann, nimmt sie wie’s kommt und macht das Beste draus. Hauptsache sie hat ihre Familie, die zwei Sennenhunde Bachus und Schlampi sowie die Angestellten von «Clowns & Kalorien» um sich. Und ihren Glücksbringer, eine kleine hölzerne Wildsau. «Ein süsses, rosa Glückssäuli wäre mir zu langweilig und brav. Eine Wildsau passt viel besser zu mir. Die hat Pfupf im Füdli, ist stark und gewitzt», sagt Marion Gasser mit schalkhaftem Blitzen in den Augen. Die Co-Direktorin unterteilt ihren Alltag nicht in ein Berufs- und ein Privatleben, sondern sieht beides als Einheit. «Ich habe das grosse Glück, dass ich alles, was ich gerne mache, ausleben kann.» Sie denkt dabei nicht nur ans Umsetzen ihrer kreativen Einfälle, sondern auch an Aufgaben wie die Personalführung, das Organisieren des Programms oder das Unterhalten und Verwöhnen der Gäste. Marion Gasser ist eine leidenschaftliche und kreative Köchin, die sich den Beruf weitgehend selber beigebracht hat. «Wenn ich bei etwas unsicher war oder genau wissen wollte, wie man es macht, habe ich befreundete Spitzenköche gefragt und mir die Zubereitung erklären lassen.»

mit 16 Jahren gründet sie ihren eigenen Partyservice Ihre Vorliebe fürs Kochen lebte Marion Gasser schon als Teenager aus. Noch als Schulmädchen stellte sie ihren eigenen Partyservice auf die Beine. «Ich verdiente damit recht gut.» Trotzdem machte Marion Gasser, den Eltern zuliebe, eine Lehre. Eigentlich wollte sie Dekorateurin werden, erhielt aber keinen Ausbildungsplatz. Sie wurde Optikerin, «weil grad eine Lehrstelle frei war». Neben Berufslehre und Cateringservice machte die sportliche Frau eine Ausbildung als Tänzerin und gab Jazzballettkurse. Als sie 19 war, hörte sie, dass im Zirkus Royal eine Hilfe für die Mannschaftsküche gesucht wurde. Marion Gasser fuhr umgehend zum Zirkus, stand noch am gleichen Abend am Herd und blieb. «Anfangs war ich schockiert über den ruppigen Umgangston der Zirkusleute. Heute habe ich mich an den rauen, aber herzlichen Ton gewöhnt und schätze die direkte, ehrliche, unkomplizierte Art sogar sehr.» Als «Private» musste sie sich den Respekt der Artisten erst verdienen. Einen hatte die Küchenfee aus dem Mannschaftswagen aber sofort von sich überzeugt: Frithjof Gasser, den zweitältesten Sohn des Zirkusdirektors. Die «Private» und der Clown wurden ein Paar und sind es noch heute. Gemein-

In ihrem privaten Umfeld mag Marion Gasser es bodenständig und unkompliziert; aber nicht 08/15-mässig.

die macherin vor, hinter und auf der bühne Marion Gasser ist bei «Clowns & Kalorien» für die Kalorien zuständig – und für Büro, Kostüme, dekoration, personal, Gästebetreuung ... sam haben sie Höhen und Tiefen durchlebt. So studierten sie, quasi als Therapie nach dem plötzlichen Kindstod ihres zweiten Babys, eine Clown-Ballett-Nummer ein, die heute als Klassiker gilt. Das Paar verliess den Zirkus Royal und machte sich mit seiner «Schwanensee»Nummer selbständig. «Wir hatten sehr grossen Erfolg und reisten zwölf Jahre durch die ganze Welt.» Irgendwann verlor dieses Leben seinen Reiz. «Frithjof träumte davon, eine Show nur mit Clownnummern zu machen. Wir kauften ein Zelt und gingen mit ‹Clowns & Clowns› auf Tournee», erzählt Marion Gasser. Ein Programm, das ausschliesslich aus Clownnummern bestand, war dem Publikum zu einseitig. Um das Geschäft und die daranhängenden Arbeitsplätze zu retten, entschloss sich das Paar, neben «Clowns» auch «Kalorien» anzubieten. «Marketingleute warnten uns, unser Verzehrtheater ‹Clowns & Kalorien› zu nennen, weil Kalorien negativ besetzt sei. Ich hingegen finde, wenn man etwas isst, soll es gut schmecken

und ruhig etwas mehr Kalorien haben dürfen», bricht Marion Gasser eine Lanze für den Einsatz von Butter und Rahm. Trotz des Namens schlug das Konzept – artistische Showeinlagen, Clownerien, pompös-glamouröses Interieur und kulinarische Leckerbissen, extravagant dekoriert – voll ein. Anfangs bereitete Marion Gasser die Menüs, damals waren es Dreigänger heute sind es viergängige Speisefolgen, in der Küche eines Wohnwagens zu. Den Abwasch erledigte sie nach der Vorstellung von Hand. – Heute, 15 Jahre später, hat sie einen Küchenwagen, einen separaten Geschirrwagen sowie zwei Küchenhilfen. Gleich geblieben ist, dass sie sich beim Timing fürs Anrichten nach dem Stand der Dinge auf der Bühne richtet. In Ausnahmefällen, wenn sie in der Küche etwas mehr Zeit braucht, dehnen auch mal die Artisten ihren Showact um ein paar Minuten aus. Da die Artisten in den Service eingebunden sind, arbeiten Küche und Künstler eh Hand in Hand.

Zufriedene, satte Gäste sind Marion Gasser wichtig. «Meine Vorspeisen und Desserts bestehen immer aus vier bis fünf unterschiedlichen Speisen. Ich möchte, dass alle Gäste, auch solche mit speziellen Ernährungsweisen und -bedürfnissen, jeden Gang geniessen können.» Aus diesem Gedanken heraus geht die kochende Co-Direktorin gerne auf Sonderwünsche ein, selbst wenn sie etwas schräg sind. So hat sie für einen Gast, der eine Blumenkohldiät machte, einen passenden Viergänger kreiert. «Das war eine tolle Herausforderung, die ich bis und mit Dessert bewältigen konnte.» Marion Gasser freut sich, wenn sie den Gästen besondere Erlebnisse schenken kann, wobei auch die Gäste oft für spezielle Momente sorgen. Wie jener Stammgast, der seine Freunde zu «Clowns & Kalorien» einlud, richtig schön mit ihnen feierte und viel lachte. «Bei der persönlichen Verabschiedung sagte er mir, dass er zum letzten Mal bei uns war. Dies sei seine Lebensabschiedsfeier gewesen. Er sei unheilbar krank und habe am nächsten Morgen den Termin für den begleiteten Freitod bei Exit. Dass er seinen letzten Abend bei uns verbrachte, hat mich tief berührt und bewegt mich noch heute.» Heitere und besinnliche Episoden könnte die Co-Direktorin noch stundenlang erzählen. «Bei uns ist eben kein Tag wie der andere.» Ans Aufhören denkt Marion Gasser daher noch lange nicht, aber ans Umsatteln. «Bis in fünf Jahren möchte ich meinen Traum vom eigenen Mississippi-Showboat auf einem Schweizer Gewässer realisiert haben. Das Konzept dafür riccarda Frei steht bereits.» In der Serie «Frauenpower – Powerfrauen» werden Frauen vorgestellt, die mit Passion und Professionalität, mit Charme und Kreativität für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes sorgen und ihn massgebend prägen.

Fakten und zahlen Adresse Clowns & Kalorien Marion und Frithjof Gasser www.clowns.ch Tel. 079 671 50 73 15-Jahr-Jubiläum Tourneedaten 2014/15 Neuhausen: 18. Juli bis 17. Aug. Eschen: 22. Aug. bis 14. Sept. Chur: 18. Sept. bis 26. Okt. Winterthur: 1. Nov. bis 1. Feb. Gastronomie × beheizbares Zelt mit 120 Sitzplätzen Preise Show inklusive Dinner × Sommermenü 130 Franken × Wintermenü 140 Franken


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