LAMBDA-Nachrichten 1.2011

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In Sachen HIV/AIDS war 2010 vor allem durch die 18. Internationale AIDS-Konferenz in Wien gekennzeichnet. Themen wie neue Therapiemöglichkeiten, das Leben mit dem Virus u. v. m. standen im Mittelpunkt des Interesses. Dadurch ergaben sich auch viele neue Denkansätze und Diskussionen für ForscherInnen, PräventionistInnen und Betroffene. Auch die Prävention der AIDS-Hilfe Wien (AHW) profitierte vom Austausch mit internationalen ExpertInnen, ÄrztInnen und HIV-AktivistInnen und arbeitet nun seit mehreren Monaten parallel an mehreren Projekten, um mit den neuesten internationalen Erkenntnissen noch effektivere HIV-Prävention zu betreiben. Hier ein kurzer Überblick: Unser größtes Projekt ist momentan die HIVVor-Ort Beratung und -Testung bei MSM (Männern, die Sex mit Männern haben). Mittels Fragebogen wurde erhoben, ob es in der Szene Bedarf an einem Testangebot auch außerhalb der AHW gibt. Das Ergebnis wies ein hohes Interesse an einer Beratung und Testung außerhalb der AHW aus. Auch praktische Beispiele aus Deutschland und der Schweiz zeigen, dass die mobile HIV-Beratung und -Testung im MSMBereich seit vielen Jahren erfolgreich ist, und zum Teil hat sie sich schon als fixer Bestandteil der schwulen Szene etabliert. Diese langjährigen Erfahrungen aus dem deutschsprachigen Raum helfen uns dabei, ein geeignetes Konzept für die Wiener MSM-Szene zu erarbeiten. Die Idee: Die geplante HIV-Vor-Ort Beratung und -Testung bietet eine niederschwellige, anonyme und kostenlose Möglichkeit außerhalb des AIDS-Hilfe-Hauses, um Gewissheit über den eigenen HIV-Status zu bekommen. Sollte das Testergebnis positiv ausfallen, kann zeitgerecht mit einer Therapie und mit einer Bewusstseinsbildung zur Verhinderung der Weitergabe des HIVirus begonnen werden. Durch einen rechtzeitigen Therapiebeginn können schwerwiegende, AIDS-definierende Erkrankungen vermieden werden. Bei frühem Therapiebeginn und noch intaktem Immunsystem können die Nebenwirkungen der HAART (hochaktiven antiretroviralen Therapie) gemildert werden. Das Therapieziel, nämlich die Viruslast unter die Nachweisbarkeitsgrenze zu drücken, verringert auch deutlich die Wahrscheinlichkeit der

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FOTOs: Aids-Hilfe Wien

HIV-Präventionsprojekte der AHW im neuen Jahr

Cruising-Packs in Kooperation mit vangardist.com Weitergabe des HI-Virus an Partner, wie sie z. B. bei „Sexunfällen“ (Kondomplatzer; abgerutschtes Kondom usw.) passieren kann. Die Senkung der Viruslast in Kombination mit der konsequenten Weiterverwendung des Kondoms (auch, um die Ansteckung mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu verhindern) kann zur Verringerung der jährlich ca. 500 HIVNeuinfektionen in Österreich führen. Interessierte können sich an bozkurt@aids.at wenden. Ein weiteres Projekt zur Verhinderung von HIVNeuinfektionen ist das Logenprojekt. Logensex, auch bekannt als Klappensex, meint sexuelle Handlungen zwischen Männern in öffentlichen Bedürfnisanstalten. Logensex gehört zur schwulen Subkultur und steht u. a. für schnellen, meist anonymen Sex mit einer hohen Fluktuation an Sexualpartnern. Die HIV-Prävention

in diesem Setting gestaltet sich sehr schwierig. Die MSM-Prävention der AHW führt seit mehr als einem Jahr Gespräche mit den für die Verwaltung von öffentlichen WCs zuständigen Stellen. Dass sexuelle Handlungen auf öffentlichen Pissoirs und in absperrbaren Kabinen stattfinden, ist zwar bekannt, jedoch werden HIV-Präventionsmaßnahmen, wie z. B. das Auflegen von Gratiskondomen und Minibroschüren, aus Gründen der zusätzlichen Verschmutzung der WC-Anlagen nicht erlaubt. Deshalb wollen wir nun einen anderen Weg gehen: Personen, die Sex auf öffentlichen Toiletten suchen, sollen darüber informiert werden, dass sie sich täglich drei Gratiskondome im Infoshop der AHW abholen können. Diese Aktion schlägt folgenden Ablauf vor: 1) Komm zum Infoshop der AHW ins AIDS-Hilfe-Haus und hole dir maximal drei Kondome pro Tag ab. 2) Suche das Pissoir deiner Wahl auf und finde einen Partner. 3) Ziehe das Kondom über den Penis für Safer-Sex-Spaß, damit du keine bösen Überraschungen erleben musst. 4) Knote das Kondom nach dem Sex zusammen und wirf es in den Mülleimer. Diesbezüglich erarbeiten wir gerade die geeigneten Mittel, um diese Message zu transportieren. Die Informationen werden mehrsprachig sein (neben Deutsch auch Türkisch, Serbisch und Rumänisch), da Bedürfnisanstalten auch von Männern mit Migrationshintergrund aufgesucht werden. Weiters werden uns heuer noch die verstärkte HIV-Prävention bei jungen MSM unter 25 Jahren, der Ausbau von Kooperationen mit Clubbingbetreibern bezüglich HIV- und Suchtprävention und das Aufpeppen der Szenetouren mit einem neuen Sujet für Kondomhüllen beschäftigen. Auch im Bereich der virtuellen Prävention tut sich einiges: Die AHW-Gayromeotruppe (bestehend aus fünf ehrenamtlichen Mitarbeitern der MSM-Prävention) feierte am 1. Februar 2011 ihr vierjähriges Bestehen. Die Resultate der EMIS-Studie, die im Herbst 2011 veröffentlicht und diskutiert werden, runden das Jahr 2011 ab, da auf Basis dieser Ergebnisse die weiteren Präventionsschritte für 2012 gesetzt werden.

HIV-Prävention in „Logen“

DOMINIK BOZKURT MSM-Prävention der AIDS-Hilfe Wien


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