Zeitgenossen - Bd. I: Gemmas Verwandlung - Leseprobe

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PROLOG Eigentlich war ich nicht zeitgemäß, ein wandelnder Anachronismus sozusagen. Doch da ich inzwischen über 400 Jahre alt war, hatte ich schon viele Zeiten erlebt, in die ich im eigentlichen Sinne nicht passte. Dabei sah ich für mein hohes Alter noch recht frisch aus, wie eine attraktive 25jährige. Das mag daran liegen, dass ich gerade mal Mitte 20 war, als ich erschaffen wurde. Über das, was ich war (oder besser: was wir waren, denn inzwischen gab es etliche von uns), wurden irgendwann Bücher herausgebracht, später sogar Filme und Fernsehserien. Die frühen Werke schilderten uns als triebhafte und blutrünstige Bestien, die späteren Werke waren differenzierter, beschrieben uns als fühlende Wesen und räumten mit Mythen wie der Lichtempfindlichkeit und dem Schlafen in Särgen auf. Ein Funken Wahrheit war in allen diesen Texten zu finden. Ein paar von uns waren blutrünstige Bestien, viele aber auch fühlende und mitfühlende Wesen. Einige waren beides. Die Widersprüchlichkeit unserer menschlichen Natur blieb uns auch nach unserer Verwandlung erhalten.

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