technica 10 - 2011

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technica 10.2011

Industrial Handling ●

AUTOMATIONS- UND ANTRIEBSTECHNIK

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Interview mit Frank-Peter Kirgis, Leiter Geschäftsbereich Robotics, ABB Schweiz AG

«Bei der Produktidee bereits an die Automatisierung denken» — technica: Herr Kirgis, eine übertriebene Automatisierung kann negative Auswirkungen haben für ein Unternehmen. Welches sind die grössten Stolpersteine, die man bei einer Planung beachten und umgehen muss, um nicht dem Over-Engineering zu verfallen? Frank-Peter Kirigis: Die bekanntesten Fälle für übertriebene Automatisierung sind die, die sich trotz «flexibler» Automation in die Unflexibilität manövrieren. Zu starre Prozesse, keine Puffer mehr, keine Möglichkeit für Anpassungen, keine Qualitätskontrollen an den notwendigen Stellen und so weiter. Speziell in der Robotik finden wir leider ab und zu Fälle, bei denen zu viel Komplexität in einzelne Systemteile gepackt wird. So zum Beispiel in den Robotergreifer, der dann so viele Sensoren und Aktoren beinhaltet, dass die Anzahl der Fehlerquellen einfach nicht mehr beherrschbar ist und die Anfälligkeit in der Produktion extrem zunimmt. Auch hier gilt: je einfacher, desto besser. — Ein Planungsspezialist kann solche Missgriffe, die ja auch finanzielle Verluste mit sich führen, verhindern. Wie aber umgehen Berater wie zum Beispiel von der ABB, dass sie zum Wohl der eigenen Firma noch einen Roboter mehr verkaufen oder eine etwas überdimensionierte und daher teurere Steuerung? Grundsätzlich geht es unseren Beratern darum, nachhaltig zu arbeiten. Eine schlechte Beratung oder Überdimensionierung führt früher oder später dazu, dass der Kunde das Vertrauen verliert und bei einem nächsten Projekt nicht mehr auf uns zukommt. Wir wollen langfristige Kundenbeziehungen und unsere Produkte während des gesamten Produktlebenszyklus betreuen. Die professionelle Beratung ist der Start dazu. Es ist schön, wenn man mehr Roboter verkaufen kann – das machen wir, wenn wir mehrfach mit

Frank-Peter Kirgis: «Es gibt kein perfektes Automatisierungskonzept, aber clevere und intelligente Lösungen.» (Bild: ABB Schweiz)

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den Kunden ins Geschäft kommen und die installierte Basis kontinuierlich ausbauen. Dabei spielt es auch keine Rolle, wo auf der Welt der Roboter am Ende installiert wird. — Merken Sie in raueren wirtschaftlichen Zeiten eher, dass die Frage nach einer Automatisierung zunimmt? Ja. Es ist zu beobachten, dass sich einige Firmen mehr und konkreter Gedanken zur Automatisierung machen. Allerdings wird die Rechnung sehr oft nicht ganzheitlich gemacht und viele Möglichkeiten werden begraben, bevor sie überhaupt richtig analysiert werden. Vielfach werden nur punktuell Einsparungsfaktoren betrachtet, die dann eine Amortisation in vernünftiger Zeit nicht ermöglichen. Wenn man alle Faktoren gründlich prüft und auch den gesamten Lebenszyklus der Anlage betrachtet, würde man mehr und sinnvoller investieren und am Ende noch mehr damit verdienen. Dabei spielen insbesondere Qualität, Produktivität und Lieferbereitschaft eine wichtige Rolle. — Es gibt zurzeit einige Produktionsfirmen, die vom Wegzug ins Ausland reden oder diesen Schritt bereits umgesetzt haben. Könnte ein perfektes Automatisierungskonzept den Wegzug solcher Firmen verhindern? Es stellt sich die Frage, ob es das perfekte Automatisierungskonzept gibt? Und das glaube ich nicht. Es gibt aber sehr clevere und intelligente Lösungen, die in vielen Fällen definitiv eine Abwanderung ins Ausland verhindern. Dazu gehört aber auch im einen oder anderen Fall, dass bereits beim Produkt, das hergestellt werden soll, über Automatisierung nachgedacht wird: das sogenannte «Designed for Manufacturing». Dabei wird darauf geachtet, dass das Produkt so hergestellt werden kann, dass es auch in einem Hochlohnland gewinnbringend in höchster Qualität produziert werden kann. Das bedingt aber, dass quasi schon bei der Produktidee die Automatisierung eine Rolle spielt. Firmen, die Produkte herstellen, die auch mit grössten Anstrengungen nur in Handarbeit gemacht werden können, werden immer eine extreme Herausforderung haben. Dort ist eher die Frage, ob man das «Price Premium» im Markt durchsetzen kann. Gelingt das nicht, dann ist die Abwanderung ein Ausweg. Ich bin überzeugt, dass Firmen wie z. B. Trisa sich über Abwanderung Gedanken machen oder gemacht haben. Trisa verfolgt aber eine sehr konsequente Automatisierungsstrategie und dies ist sicher einer der Gründe, warum man aus der Schweiz heraus in diesem Segment erfolgreich ist. (ea) ●


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