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STADTENTWICKLUNG

Kyoto – ein fremder Blick Kyoto bildet mit den Städten Osaka und Kobe die Metropolregion „Kansai“ mit mehr als 17 Millionen Menschen. Mehr als 1,4 Millionen von ihnen leben in Kyoto, der nach Bevölkerung siebtgrößten Stadt Japans.

Buenos Dias

Werner Pleschberger, Professor an der Universität für Bodenkultur Wien, Dep. WiSozWiss.

Kyoto war mehr als 1.000 Jahre kaiserliche Residenzstadt bis 1868. Weil die Alliierten gegen Kriegsende auf eine Bombardierung verzichteten, ist Kyoto eine der am besten erhaltenen japanischen Großstädte. Als temporärer Fremder nimmt man den Blick des Ethnologen an und beobachtet die Stadt mit seiner europäischen Erwartungshaltung. Der Blick ist produktiv und naturgemäß selektiv. Kleine Quartiere Auffällig ist das nach dem alten chinesischen Städtemuster angelegte Straßennetz, das breite Straßen mit großer Länge und gerader Linienführung markieren. Das „hochrangige“ Straßennetz nimmt den meisten Verkehr auf. Die breiten Straßen umrahmen soziale

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Quartiere und Nachbarschaften. Man überquert eine Hauptstraße und durchgeht individuell geprägte Nachbarschaften, eigenständige soziale Orte. In ihrem Verkehrsnetz dominieren viele schmale Straßenführungen mit zahlreichen Seitengassen, die sich in immer kleinere Wege verlieren und irgendwo wieder zusammenfinden. Kompakte Nachbarschaft Auffällig ist die bauliche Dichte im Raum. „Europäische Stadt“ ist nach dem Lehrbuch bauliche Verdichtung; neues Leitbild der Stadtplaner ist die kompakte Stadt. Sie ist „das“ Rezept gegen Suburbanisierung mit dem Fokus auf Innenstadt und Knotenpunkte als Alternative zur Zersiedelung. Hier findet sie sich „leitbildfrei“ und in extremer Aus-

prägung. Drei Hauptnutzungen sind prägend: kleine Geschäfte, Wohngebäude und Parkflächen. Wo Platz bleibt, finden sich kleine individuelle Nebennutzungen. Die Bebauung orientiert sich am Grundstück und an seinen Nutzungsmöglichkeiten. Eine Abstimmung zum Nachbarobjekt, selbst nach einfachsten Kriterien, ist nicht zu erkennen. Bauobjekte und ihre Merkmale, etwa Höhe, Bauart etc., stehen für sich und sind in extremster Nähe zueinander errichtet. Die privaten Interessen haben freien Spielraum für die maximale räumliche Bebauung eines Grundstückes. Der bekannte Leitbegriff des Stadtbildes scheint hier nicht anwendbar und anachronistisch. Offenere Bebauungen, also sogenannte „Modernisierungsschneisen“, sind noch seltene Ausnahmen.

ÖGZ 06/2011


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