ATLAS 03 Deutsch

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die Sache selbst. Und das ist im Rad­ selbst war in den 1990ern noch jung sport definitiv der Fall, für mich als und naiv. Wir ha­ben ­damals gedacht, Spezialist für Bahnradsport übrigens das sei eben hartes Training und viel umso mehr, da es ja noch mal eine Arbeit und so. Bis wir uns eingestehen Rand­disziplin in einer Randsportart ist. mussten, dass in den oberen Bereichen sehr viele Leistungen nicht sauber Aber die jungen Fahrer im Team werzustande gekommen sind, das ist ja den sich doch bestimmt über­legen, nun kein Geheimnis mehr. Für den auch einmal für so ein großes Team ganzen Radsport war das alles andere fahren zu wollen, wo sich noch Geld als förderlich. Aber bei den Summen, verdienen lässt. die es bei der Tour de France zu verdie­ Natürlich ist das möglich, zu einer nen gibt, kann man sich natürlich nur Leidenschaft gehören ja auch hochge­ bedingt wundern, wenn Leute probie­ steckte Ziele und Träume. Aber ich sage ren zu betrügen. In unserem Bereich jedem jungen Fahrer, dass die Wahr­ geht es ­da­gegen um kaum mehr als um scheinlichkeit dafür so gering ist, dass ei­ne Aufwandsentschädigung, da ist eine Banklehre sicherer wäre. Vor 20 der Anreiz, seinen Körper zu schädi­ oder 30 Jah­ren hat das anders ausge­ gen und andere zu betrügen, deutlich sehen, da gab es im Radsport noch viel kleiner. Sicherlich gibt’s da auch ir­ mehr Jobs. gendwelche ganz Schlau­en, aber es ist In der Ära Lance Armstrong stieg die halt ein Unterschied, ob ich einfach Durchschnittsgeschwindigkeit bei nur einen Blumenstrauß gewinnen der Tour de France Jahr für Jahr. Hätte oder einen Millionenvertrag ergattern man nicht schon längst auf den Gewill. Lance Armstrong wurde jeden­ danken kommen können, dass da falls nicht von Leidenschaft getrieben, ­etwas nicht richtig ist? sondern von Geldgier und von Beses­ Die Durchschnittsgeschwindigkeit senheit. erhöht sich, weil sich das Material ständig ver­bessert, nur daran hätte man es also nicht erkennen können. Ich

»Natürlich will ich gewinnen.« Wo liegt denn der Unterschied zwischen Leidenschaft und Besessen-

heit? Natürlich will auch ich gewinnen,

sonst würde ich keinen Leistungssport be­trei­ben. Die Frage ist aber, wie ver­halte ich mich, wenn ich nicht ge­ winne? Ich probiere zu gewinnen, mit allen Mög­lichkeiten, die ich habe und die legal sind, und wenn ich nicht gewinne, dann ­akzeptiere ich das. Ich ärgere mich na­türlich ein, zwei Tage, aber dann setze ich mir ein neues Ziel. Von Besessenen wie Lance Armstrong und auch von anderen Spitzen­sport­


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