RC Premium 1/2015

Page 24

können. Diese Motivation hat mich während der gesamten Zeit bei der Nationalmannschaft begleitet, und sie war auch der Grund, warum ich das Angebot damals mit großer Überzeugung angenommen habe. Und dann, acht Jahre später, sind Sie Weltmeister. Ist das die Erfüllung des Lebensglücks? FLICK: Um Himmels Willen! Großes Fußballerglück und ein Höhepunkt in meinem Sportlerleben – das sicherlich. Aber mein Lebensglück hängt davon nicht ab. Wenn es um Lebensglück geht, finde ich die Quellen dafür in meinem privaten Umfeld. So wie auch nach der WM in Brasilien. Nach den Monaten der Vorbereitung und den Wochen der Abwesenheit war für mich der Moment, als meine Enkeltochter auf mich zukam und sich mir in die Arme warf, das Glück schlechthin. Wieder zu Hause zu sein bei meiner Familie, meine Liebsten um mich zu haben, das ist die wahre Erfüllung. Der WM-Titel ist groß, über das Private geht er nicht.

24 RC Premium 1/2015

Wie ordnen Sie den Erfolg in Brasilien in Ihrer beruflichen Laufbahn ein? FLICK: Als große Erfüllung und Bestätigung. Der Titel war für mich der bestmögliche Abschluss einer phantastischen Zeit. Das Finale gegen Argentinien war ja mein letztes Spiel als Assistenztrainer vor dem Wechsel ins Amt des DFB-Sportdirektors. Wobei ich den Einschnitt als nicht so gravierend empfinde, schließlich arbeite ich auch in meiner neuen Funktion für die Nationalmannschaft. Aber klar: Für mich gibt nun neue Ziele. Das Amt des Sportdirektors auszufüllen ist eine spannende Herausforderung. Sie sprechen vom bestmöglichen Abschluss. Nehmen Sie uns doch noch einmal mit nach Rio. Wie haben Sie das Finale erlebt? FLICK: Es war das wohl intensivste Fußballspiel, das ich je erlebt habe. Das Tor von Mario war einer der emotionalsten Augenblicke, den man sich vorstellen kann – unbeschreiblich. Und das meine ich wörtlich. Man kann das nicht beschreiben. Ich stand am Spielfeldrand,

plötzlich laufen die Spieler von der Bank los, an mir vorbei auf das Spielfeld, 75.000 Menschen produzieren einen fast unerträglichen Lärm. Du fühlst dich wie im Tunnel, die Zeit steht. Gleichzeitig wissen die Trainer: wir haben noch sieben Minuten zu spielen. Und im Fußball kann alles passieren – insbesondere wenn ein Spieler wie Lionel Messi in der 122. Spielminute nah an der Strafraumgrenze noch mal zum Freistoß antritt. Alles war wie im Film, irgendwie unwirklich. Das Glücksgefühl, als dann endlich Schluss war, empfand ich daher in erster Linie als große Erleichterung. Und dann kamen ja wirklich alle aufs Feld. Ich erinnere mich an berührende Bilder mit den Familien der Spieler, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnten. Dann diese Siegerehrung, die Pokalübergabe und das Feuerwerk. Angela Merkel und Joachim Gauck überbrachten Glückwünsche in der Kabine. Am darauffolgenden Dienstag dann die Heimkehr als Weltmeister, der Empfang in Berlin vor dem Brandenburger Tor – ein „Schweben im Glück“?


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.