RC Premium 3/2019

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KOMMENTAR Achtsamkeit als mentale Stärke von Peter Fauser, Diplom-Psychologe

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n entsprechenden Veröffentlichungen (Fachpublikationen, Medien) finden sich zahlreiche Vorstellungen, was mentale Stärke auszeichnet. Diese Modelle beschreiben Aspekte einer optimalen psychischen Verfassung, um Herausforderungen, sei es zum Beispiel im Sport oder im Beruf, erfolgreich zu meistern. Unter dem Begriff Mentaltraining werden dann Handlungsempfehlungen für die Förderung und Weiterentwicklung dieser mentalen Stärke formuliert. Kostproben: „Mentale Stärke (engl. mental toughness) ist das Ergebnis von persönlichen Überzeugungen, Einstellungen und Denkprozessen, die dazu führen, dass sich Personen a) herausfordernde Ziele setzen und an diesen auch unter Schwierigkeiten festhalten, b) Misserfolge besser wegstecken, c) eine höhere Motivation aufweisen, sich d) weniger ablenken lassen und e) insgesamt mehr Anstrengung und Ausdauer zur Erreichung ihrer Ziele aufbringen.“ (Quelle: https://bit.ly/2SJRKoW)

Es geht also um spezifische persönliche Überzeugungen, Einstellungen und Denkprozesse. Welche sind das? Peter Clough und Keith Earle beschreiben in ihrem Modell (2012) vier Komponenten: • Confidence: Mental starke Personen sind von ihren Fähigkeiten überzeugt (haben also Vertrauen und Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten, Psychologen verwenden hier den Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung). • Challenge: Mental starke Personen suchen die Herausforderung. • Control: Mental starke Personen halten die Dinge für kontrollierbar (also die Überzeugung, dass man selbst eine Situation maßgeblich beeinflussen kann). • Commitment: Mental starke Personen halten an ihren Zielen fest. • Achtsamkeit als mentale Fähigkeit eröffnet für diese Modelle neue Perspektiven, die diese sinnvoll ergänzen und bereichern können. Was ist Achtsamkeit? Achtsamkeit als eine besondere Qualität unserer Aufmerksamkeit beinhaltet folgende Aspekte: 1. Achtsamkeit ist gegenwartszentrierte, nichturteilende Aufmerksamkeit. 2. Achtsamkeit ist Aufmerksamkeit, die sich ihrer selbst bewusst ist (Aufmerksamkeit für die Aufmerksamkeit). Wenn wir unser Denken beobachten, können wir bemerken, dass wir oft unwillkürlich in die Vergangenheit oder Zukunft abdriften. Unwillkürlich meint, dass dies einfach so passieren kann, ohne dass wir das ausdrücklich beabsichtigen. Wir

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beschäftigen uns mit vergangenen Situationen und Ereignissen oder blicken optimistisch oder pessimistisch, hoffnungsoder sorgenvoll auf den nächsten Tag. Diese innere Zeitreisen beinhalten nicht nur die Situationen und Ereignisse als solche, sondern auch unsere Urteile, Interpretationen und gefühlsmäßigen Bewertungen, die mit den Ereignissen und uns als Akteur darin verknüpft sind. Mir geht unvermittelt die Besprechung in der Firma von letzter Woche durch den Kopf: Ich wollte die Kollegen von meinen Vorschlägen überzeugen, was mir nicht gelungen ist. Ich gerate in die Defensive. Für mich ein weiteres Beispiel meiner mangelnden Durchsetzungsfähigkeit. Frust und Gefühle von Unzulänglichkeit machen sich breit, auch im Darübernachdenken jetzt … Problematisch daran ist zweierlei: Erstens, dass es automatisch passiert und zweitens, dass wir uns darin verlieren. Das bedeutet, dass in diesem Augenblick das Erleben von uns selbst ganz von diesen unwillkürlichen inneren Aufmerksamkeits-Drifts geprägt ist. Wir verfangen und verheddern uns darin, das heißt, unser momentanes Selbstempfinden wird vollständig von diesen inneren Bildern (vergangenheits- oder zukunftsgerichteten Inszenierungen) absorbiert. Eben weil diese Bilder immer auch Urteile und Bewertungen über uns selbst beinhalten, bedeutet dies auch, dass wir unser Selbstbild in diesem Augenblick auf diese inneren Selbstinszenierungen verengen und reduzieren. Selbstbild und der Inhalt unserer vergangenheits-/zukunftsorientierten Aufmerksamkeits-Drifts fallen in diesem Augenblick zusammen. Wir sind dann in diesem Moment, um im obigen Beispiel zu bleiben, derjenige, der sich unzulänglich fühlt, weil er sich nicht durchsetzen kann. Wir verlieren uns, indem wir kognitiv und emotional das Unterscheidungsvermögen zwischen uns und diesen inneren Bildern verlieren. „Was ist gerade anwesend? Wo ist meine Aufmerksamkeit jetzt? Was geht mir gerade durch den Kopf / beschäftigt mich gerade? Welche Gefühle und Stimmungen werden dabei wach? Wie spüre ich gerade meinen Körper?“ Diese Fragen sind so formuliert, dass sie uns dazu einladen, mit unserer Aufmerksamkeit wieder in den gegenwärtigen Moment zurückzukommen, sich also wieder im Hier und Jetzt zu verankern. Sie unterstützen uns, innezuhalten und aus einer übergeordneten Warte das automatische Driften unserer Aufmerksamkeit schneller zu bemerken. Erst dann haben wir überhaupt die Wahlfreiheit, ob wir uns mit den Themen, die aus unseren Aufmerksamkeits-Drifts resultieren, beschäftigen wollen oder nicht.


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