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»Irgendwann nehmen die Tränen Rache«

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und sichere Arbeitsbedingungen streikten.21 Bei diesen und anderen Anlässen kam es zumindest temporär zu einer Zusammenarbeit von libertär und internationalistisch orientierten Gruppierungen wie dem »Netzwerk für Politische und Soziale Rechte« und traditionellen linken Organisationen wie der kommunistischen PAME . Darüber hinaus gibt es jedoch kaum Anzeichen, dass sich die Kluft zwischen den linken und linksradikalen Strömungen überwinden ließe. Zwar haben die Aufstände von 2008 sowie die 2009 anhaltenden Kämpfe in Form von zahlreichen Generalstreiks und Großdemonstrationen maßgeblich dazu beigetragen, dass die konservative Nea Dimokratia die Macht verlor. Nach einem klaren Wahlsieg im Oktober 2009 regiert nun wieder die PASOK mit absoluter Mehrheit (160 von 300 Abgeordneten). Auch KKE und SYRIZA sind mit 21 bzw. 13 Sitzen im Parlament vertreten. Die Krise des politischen Systems hat sich jedoch infolge der unter Druck der EU und des IWF verabschiedeten drakonischen Kürzungspakete zur Abwendung des Staatsbankrotts erheblich verschärft. Während die Parlamentsfraktionen von KKE und SYRIZA weiterhin von einer effektiven Einflussnahme auf die Regierungspolitik ausgeschlossen sind, haben die Gewerkschaften zwar Generalstreiks mit breiter Beteiligung organisiert, dabei aber den Rahmen symbolischen Protests kaum überschritten. Immer mehr Menschen jedoch tendieren zu eigenständigem und selbstorganisiertem politischen Handeln. Inwieweit sich daraus ein verallgemeinerbares politisches Konzept entwickeln kann, hängt vom Einfluss der dissidenten Gruppen ab, die fast in allen politischen Organisationen vertreten sind, und von ihrer Fähigkeit, jenseits der bisherigen ideologischen Fixierungen nach neuen Wegen zu suchen und bestehende Gräben innerhalb der Linken zu überwinden. Die anarchistische Strömung stellt bislang den dynamischsten und militantesten Teil der antikapitalistischen Kräfte. Gleichzeitig macht sie sich durch diejenigen Gruppierungen an ihrem Rand, die Formen individueller Gewalt propagieren, angreifbar. Der »Kampf gegen den Terror« ist auch in Griechenland ein zentrales staatliches Instrument zur Delegitimierung jeglicher Systemopposition und zur Rechtfertigung von Formen extralegaler Gewaltausübung durch die Polizei. Angesichts des Übergewichts einer regierungskonformen Medienberichterstattung liegt das politische Deutungsmonopol eindeutig auf Seiten der Eliten. Da die Regierung Papandreou über die formale demokratische Legitimation verfügt und darüber hinaus die Rückendeckung der EU genießt, könnte nur eine kooperierende Linke die politischen und ökonomischen Machtpositionen der Eliten erschüttern. Eine Gegenöffentlichkeit, in der sich die verschiedenen linken Gruppierungen über gemeinsame und differierende Positionen verständigen, gibt es jedoch allenfalls in Ansätzen. Die Spaltung der Linken wird daher auf absehbare Zeit der größte Trumpf der regierenden PASOK bleiben.

21 Vgl. hierzu einen Bericht aus der Zeitschrift Wildcat, April 2010. DAS ARGUMENT 289/2010 ©


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