Klima «Wir müssen die Bürger stärker mobilisieren, sonst erreichen wir nicht, was wir wollen:» Kumi Naidoo, seit Dezember 2009 Direktor von Greenpece International.
«Ich bin, weil Ihr seid»
So schützen Sie das Klima! Die Politiker brachten in Kopenhagen den Klimaschutz nicht voran. Umso wichtiger sind die Beiträge, die wir alle dazu leisten können.
Text Matthias Wyssmann Kumi Naidoo, der neue Direktor von Greenpeace International, über Leadership, Wandel und Greenpeace im Jahr eins nach Kopenhagen Vier Wochen nach seinem Amtsantritt stand Kumi Naidoo bereits einem historischen Ereignis gegenüber: dem Klimagipfel in Kopenhagen im letzten Dezember. «Der Ausgang der Konferenz war ein Desaster», sagt er. Aber der neue GreenpeaceChef findet auch positive Aspekte: «Zum ersten Mal wurde die Wissenschaft nicht angezweifelt. Und am Ende wurde das armselige Ergebnis nicht grüngewaschen.» Kopenhagen war auch Kumi Naidoos Stunde: Nie zuvor war die Umweltbewegung als schiere Masse von Aktivistinnen und Sympathisanten so sichtbar geworden. Als das Hoffnungsbarometer nach unten zeigte, stand Kumi Naidoo wie ein Fels in der Brandung – mit seiner ganzen charismatischen Überzeugungskraft. Die Umweltbewegung hatte einen neuen Leader. Kumi, 45, Südafrikaner, ein grosser, kräftiger Mann mit einer Stirn, wie man sie den härtesten Gegnern bietet, und einem Blick und einer Stimme, die zugleich sanft und entschlossen wirken, mag das Gerede vom charismatischen Leader nicht. «Ich bin, weil ihr seid», zitiert er gern ein afrikanisches
Sprichwort. Im Gespräch bringt er die Dinge meistens weg von seiner Person hin zum Kollektiv. Er stehe zur Verfügung für die Frontarbeit im Rampenlicht. Aber eigentlich wolle er für Greenpeace eine globale Leitung mit vielen inspirierenden Gesichtern aufbauen, welche die gesamte Vielfalt – eines seiner Lieblingsbegriffe – der Welt abbilden. Wenn man ihn nach den Wurzeln seines lebenslangen Engagements fragt, meint er: «Wir sollten uns das alle fragen. Viele Menschen sind sich der Probleme bewusst. Aber wann wird aus Bewusstsein Handlung? Wenn wir all die Antworten einfangen und zusammentragen könnten, all die Wege, die Menschen zurückgelegt haben, dann würde uns das erzählen, wie Wandel passiert.»
Wandel. Was bedeutet dieses Wort für dich? Selbst positiver Wandel ist schmerzhaft. Egal, wie schlecht es Menschen geht, die Angst, es könnte noch schlimmer werden, ist oft sehr stark. Ich selbst hatte das Privileg, Teil einer der bedeutsamsten Umwälzungen des 20. Jahrhunderts zu sein: des Endes der Apartheid in Südafrika. Der Wandel hat mich in Ekstase versetzt, aber auch verunsichert. Wandel ist kein Spaziergang im Park. Und er kommt nicht zum Stillstand. Er entwickelt seine eigene Dynamik. Wir leben in einer Welt, in der so viele Dinge sich verändern müssen.
ausweiten, auch in den Entwicklungsländern. Greenpeace hat schon in Koalitionen gearbeitet. Wir werden die Vielfalt intensivieren und mit anderen Bürgerbewegungen zusammenspannen, ob sie sich nun gegen Armut, für Menschenrechte oder als Gewerkschaften betätigen.
Buus/Greenpeace
Wir müssen gescheiter werden und verstehen, wie der Wandel funktioniert. Wie passiert Wandel? Das ist die grösste Frage unserer Zeit. Und wie wird sich – nach Kopenhagen – Greenpeace wandeln? Trotz der Niederlage hat Kopenhagen gezeigt, dass wir die Politik verändern können, wenn wir in grosser Zahl Druck ausüben. Dieser Druck auf die Industrie und die Regierungen darf nicht nachlassen. Deshalb glaube ich, dass Greenpeace noch integrativer werden muss. Wir müssen unsere Mitgliederbasis über den ganzen Globus
Handelt Greenpeace mit den Leuten oder für die Leute? Ist es eine Bewegung oder eine Agentur? Beides. Aber die Organisation ist sehr komplex geworden. Die Einzelteile leisten gute Arbeit. Aber wir müssen – und das sage nicht erst ich, darauf arbeitet Greenpeace schon länger hin – die Bürger stärker mobilisieren, sonst erreichen wir nicht, was wir wollen. Der Greenpeace-Grundwert «The Power of Acting Together» wird also wichtiger? Absolut. Grosse Zahlen geben zwar keine Sicherheit. Aber sie vermitteln das Gefühl von Solidarität und Stärke, wenn wir so viele Menschen mobilisieren können, wie wir das rund um Kopenhagen geschafft haben. Soll Greenpeace auf kraftvollere Methoden zurückgreifen, wie zum Beispiel Hungerstreiks? Ich weiss, in gewissen Kulturen erscheint das politische Fasten unglaublich radikal. Aber in Indien findet zu jeder Zeit irgendwo ein Hungerstreik statt. Ich würde keine Form von Protestak-
tion ausschliessen, solange sie gewaltfrei ist. Und wir müssen den Gebrauch von friedlichen Formen des zivilen Ungehorsams intensivieren. Schliesslich kämpft die Erde um ihr Leben. Warst du je versucht, Gewalt anzuwenden? Als ich ein Teenager war, beerdigten wir jedes Wochenende Freunde und Mitstreiter. Das Regime war so unfassbar brutal. Massaker an zwanzig, dreissig Menschen waren häufig. Und ich war Teil einer Bewegung, die auch einen bewaffneten Flügel hatte. Aber ich habe der Versuchung nicht nachgegeben, und rückblickend muss ich sagen: So, wie wir den Kampf führen, so legen wir die Grundlagen für die zukünftige Zivilgesellschaft. Gandhi hat sich in Südafrika politisch die Sporen abverdient. Ja, er hat mich damals sehr beeinflusst, als in mir ein innerlicher Kampf wütete. Seine Philosophie des passiven Widerstands nannte er Satyagraha: die Macht der Seele, der Wahrheit und der Kraft. Matthias Wyssmann leitet den Bereich Kommunikationsorganisation von Greenpeace Schweiz. WWW Das ganze Interview/Porträt und mehr zu Kumi Naidoo auf www.greenpeace.ch/kumi
Jede Schweizerin, jeder Schweizer verbraucht im Durchschnitt 6 bis 7 Tonnen CO2 pro Jahr, plus zusätzliche im Ausland verursachte Emissionen von rund 5 Tonnen. Das Budget der 2000-Watt-Gesellschaft – der Verbrauch von 2000 Watt pro Person ist das, was sich die Menschheit langfristig leisten kann – entspricht 1 Tonne CO2. Ihren Verbrauch können Sie auf www.footprint.ch ausrechnen. Tipp 1: Abonnieren Sie Ökostrom «naturmade» bei Ihrem Stromanbieter. Diese einfache Massnahme bringt enorm viel für Klima und Umwelt. Und die Nachfrage bestimmt den Markt. Je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen verlangt wird, desto mehr wird dort investiert (www.naturmade.ch). Tipp 2: Reduzieren Sie den Fleischanteil Ihrer Ernährung. Wenn Sie sich fleischreduziert ernähren oder Vegetarier werden, ersparen Sie dem Weltklima rund 0,4 Tonnen CO2 im Jahr. Und wenn Sie Fleisch essen, gönnen Sie sich Schweizer Bio-Fleisch vom Hof. Tipp 3: Schonen Sie die Urwälder. Kaufen Sie einheimisches FSC-Holz, verwenden Sie Recyclingpapier und vermeiden Sie Produkte, die Palmöl oder Soja enthalten. Denn für Sojaund Palmölplantagen werden riesige Flächen Urwald abgeholzt. Insgesamt ist die Abholzung der Urwälder für rund 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Tipp 4: Verzichten Sie auf unnötige Flüge. Ein einziger Hin- und Rückflug von Zürich nach New York, rund 13 000 Flugkilometer, verursacht knapp 2,6 Tonnen CO2 pro Person. Tipp 5: Fahren Sie Velo, Bus oder Bahn und gehen Sie zu Fuss. Wenn Sie pro Tag 20 Kilometer mit einem Mittelklassewagen (Verbrauch 8 Liter auf 100 Kilometer) zurücklegen, setzen Sie aufs Jahr gerechnet rund 2 Tonnen CO2 frei. Wenn Sie doch einmal ein Auto brauchen, nutzen Sie CarsharingAngebote wie das von Mobility.
Åslund/Greenpeace
Getreu dem Greenpeace-Grundwert «The Power of Acting Together» – die Macht des gemeinsamen Handelns – die Menschen für den Schutz der Umwelt mobilisieren: 10
greenpeace 2/10
Hilton/Greenpeace
Dies ist ein wichtiges Ziel für den neuen Greenpeace-Direktor Kumi Naidoo. Kopenhagen hat zwar keine Ergebnisse auf offizieller Ebene gebracht, aber die Grösse einer Umwelt
Greenpeace/Balzani
bewegung gezeigt, die immer wieder mit phantasievollen und intelligenten Aktionen auf sich und auf die Umweltprobleme aufmerksam macht.
Greenpeace/Villafranca
Åslund/Greenpeace
WWW Weitere Klimatipps finden Sie unter: www.greenpeace.ch/was-kann-ich-tun greenpeace 2/10
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