Greatest #14

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Stadtleben | das leben der anderen

Das Leben der Anderen

Bestatter Ralph-Peter Schaaf

Sein Tag beginnt, wenn nichts dazwischen kommt, mit einem Kaffee. Ralph-Peter Schaaf spricht leise und ruhig, seine Stimme könnte auch einem Geschichtenerzähler oder Hörbuchsprecher gehören, er wählt die Worte mit Bedacht. „Ich muss sehr viel und sehr genau zuhören“, sagt Schaaf, der eben dafür auch große Ohren hat. Wenn keine Angehörigen in seinem Büro sitzen, hat er mit Bürokratischem zu tun, mit den Dingen, die ein Bestatter macht und die man oft nicht mitbekommt: Verstorbene bei Behörden abmelden, Organisation mit Friedhöfen, Formularen hinterherlaufen, solche Sachen. Er hat auch Aufgaben, die man in das Spektrum eines klassischen Event-Managers stecken würde. Denn Menschen haben Sonderwünsche: „Das reicht von einer stillen Urnenbeisetzung ohne Gäste im Morgengrauen bis hin zu einer riesigen Trauerfeier mit anschließender Beerdigung. Manchmal bestelle ich auch Limousinen, wenn meine Auftraggeber das wünschen“, so Schaaf. Das seien die Aufgaben, die könne man lernen, darin bekomme man Routine. Aber dann gibt es da eben noch die Dinge, die jedes Mal besondere Empathie von ihm verlangen. „Natürlich habe ich eine professionelle Schutzmauer, aber natürlich brechen da auch immer wieder Menschen durch“, sagt Schaaf und meint damit, dass auch er manchmal bei einer Bestattung in der Ecke steht und feuchte Augen bekommt. Dass er wissen muss, wann es angemessen ist, jemanden zu berühren oder wann er Menschen allein mit Worten aufzufangen hat. Wann er wie helfen und unterstützen kann, das muss er spüren, das ist sein Beruf. Er müsse mitdenken für jene, die gerade nicht so klar denken können, sagt er. Dabei muss er mit Trauer umgehen können, manchmal auch mit verschiedenen Aggressionsgefühlen, die der Situation entgegengebracht werden. Einfühlungsvermögen für Menschen und Freude daran seien eben wichtig, Empathie ließe sich nicht erlernen, die müsse man mitbringen. Taschentücher für seine Auftraggeber hat er immer dabei. Kontakt zu seinen Auftraggebern hält er oft noch monatelang. „Angehörige bauen schnell eine intensive Beziehung zum Bestatter auf, sie sehen ihn als denjenigen, der ihre Liebsten vermutlich zum letzten Mal gesehen, berührt und auch begleitet hat.

Das verbindet“, weiß Schaaf. Aber irgendwann müsse man loslassen, das könne man nicht ewig mitnehmen, das schaffe man nicht. Seit elf Jahren übt Ralph-Peter Schaaf seinen Beruf nun schon aus. Eigentlich wollte er vor allem Trauerreden schreiben, mit Sprache umgehen; das macht er gern. Dass er dann den Beruf des Bestatters ergriffen hat, geschah eher durch Zufall, da für alleinige Redner kaum ein Markt da war. „Ich habe erst ein Praktikum gemacht, dann eine Ausbildung bei der IHK und habe für mich festgestellt, dass ich mit dem Thema, dem Umgang mit Verstorbenen, den Angehörigen, gut zurechtkomme und dass es eine besondere Aufgabe ist, Menschen in einer solchen Ausnahmesituation begleiten zu dürfen. Man bekommt soviel von den Leuten zurück“, erklärt Schaaf, der auch schon eine Partnerin an Krebs verloren hat. Seine eigene Bestattung hat er bereits organisiert. Er wolle ins Meer, an die Ostsee, da komme er her, dahin wolle er zurück. Er hat die Dinge geregelt, damit sich seine zwei Söhne nicht kümmern müssen. „Wenn sie mich dann besuchen kommen wollen, sollen sie drei kleine Flaschen Schnaps in die Jackentasche stecken und auf ein Schiff gehen. Dann stoßen wir an.“ Schaaf lächelt. Überall an seinem Arbeitsplatz bei Grieneisen Bestattungen hängen großformatige Bilder von der Küste, vom Meer. Schaafs Tag endet immer anders, aber oft mit klassischer Musik und einem Glas Wein oder einer guten Tasse Tee. Dann lässt er den Tag Revue passieren. Alles erzählen, alle Gefühle des Tages könne man nicht mitteilen, das meiste mache man mit sich selbst aus. Lisa Rank

„Das Leben der Anderen“ erscheint in Kooperation mit „Mit Vergnügen“, dort könnt ihr noch mehr Fotos sehen: mitvergnuegen.com


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