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Glücklich

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Schwabs Sagenwelt Sein Werk „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ ist zum viel gelesenen Klassiker geworden. Vor 160 Jahren starb der Stuttgarter Lehrer, Dichter, Publizist und Pfarrer Gustav Schwab. ter Hohe Straße galt als „literarisches Hauptquartier“ für süddeutsche Literaturfreunde. Der Hausherr selbst galt als wichtiger Teil der schwäbischen Dichterschule um Justinus Kerner und Ludwig Uhland – seine Gedichte wie zum Beispiel „Der Ritt über den Bodensee“ waren populär. In seinem Haus gingen bekannte Autoren aus dem ganzen deutschen Sprachraum ein und aus. Über Jahre hinweg war Schwab eine Schlüsselfigur der Literaturszene. Der mit ihm befreundete Verleger Johann Friedrich Cotta nannte ihn seine „Vorsehung“ in literarischen Angelegenheiten.

Rückzug aufs Land Gustav Schwab nach einer Lithographie von Christian Sigmund Pfann.

Odysseus tötet die Freier – Illustration in der Ausgabe von 1882.

Die Heldentaten des Herakles, die Sage vom Goldenen Vlies, die Abenteuer des Odysseus – wem Figuren und Geschichten der griechischen Götter- und Sagenwelt vertraut sind, verdankt das sehr wahrscheinlich einem Stuttgarter: Gustav Schwab hat mit seinem dreibändigen Werk „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ einen Klassiker geschaffen, der seit seiner Entstehung (1838 - 1840) bis heute kaum an Popularität verloren und unser Bild von der Antike entscheidend mitgeprägt hat. Unzählige Mythen, Heldensagen und Fragmente unterschiedlicher Herkunft erzählte er nach und verflocht sie zu einer zusammenhängenden und faszinierenden Sagenwelt.

Generationen hinweg geteilt hat: „Dann kam dieses Buch und ich habe nichts mehr anderes lesen wollen. Liebe, Inzest, Rache, Betrug, alles in XXL. Alles, was ein Teenager hören und lesen will. Aber der Lehrer Gustav Schwab erzählt das alles sehr dezent, sehr fein – mit einem so schönen Rhythmus. Ohne diese Geschichten wären wir arm.“

Liebe, Inzest und Rache in XXL In deutlichen Worten beschrieb Elke Heidenreich in ihrer Sendung Lesen! ihr Schwab-Leseerlebnis, das sie wahrscheinlich mit vielen Jugendlichen über

Dass es ihm so eindrücklich glückte, gerade junge Menschen mit seinem Werk anzusprechen, entsprang seinem guten Gespür für Menschen, didaktischem Geschick und profunder Lehrerfahrung. Nach dem Studium der Philosophie und Philologie in Tübingen arbeitete Gustav Schwab ab 1817 über 20 Jahre lang als Professor für „alte Literatur und Antiquitäten“ am Oberen Gymnasium – dem späteren Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Doch zu Lebzeiten hätte niemand vermutet, dass vor allem „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ seinen

Gemeinnütziges Bildungsjahr Das gemeinnützige Bildungsjahr bietet Jugendlichen in Stuttgart eine erste Orientierung nach dem Abitur und praktische Einblicke in die Berufswelt quer durch Politik, Verwaltung und Kultur.

Ruhm den nachfolgenden Generationen lebendig erhielt – denn es ragte aus der Fülle seiner Schriften und anderen Tätigkeiten kaum heraus.

Stuttgarts literarisches Hauptquartier Gustav Schwab tat seinem Namen alle Ehre und hielt die höchste schwäbische Tugend, den Fleiß, zeitlebens hoch und „schaffte“ – als Lehrer, Dichter, Publizist, Pfarrer, Journalist und Reiseschriftsteller. Sein Arbeitspensum war enorm: Er übersetzte römische und griechische Klassiker für den Metzler-Verlag, betreute den Literaturteil des Cotta’schen Morgenblattes und eine Weile lang zusammen mit Adelbert von Chamisso die süddeutsche Abteilung des Musenalmanachs – der bedeutendsten Literaturzeitschrift seiner Zeit – schrieb Balladen, eine Schillerbiographie, Reden und Reiseführer („Wanderungen durch Schwaben“). Das alles neben seiner Tätigkeit als Lehrer und später als Pfarrer. Daneben blieb ihm noch die Leidenschaft und die Muße, junge Dichter zu ermutigen, sich mit großem Enthusiasmus an aktuellen literarischen Diskussionen zu beteiligen, und Freundschaften zu pflegen. Sein Haus in der Stuttgar-

Doch mitten aus diesem geschäftigen Leben steigt er mit 45 Jahren aus. Er dreht dem Literaturbetrieb und der großen Stadt den Rücken und lässt sich als Pfarrer in Gomaringen nieder. Seine Motive hierfür sind nur zu vermuten – sein Glaube spielte sicher eine Rolle und vielleicht der Wunsch nach Ruhe. Nach vier Jahren zieht es ihn aber zurück nach Stuttgart, wo er seine Schaffenskraft als Pfarrer der Leonhardskirche und hoher Beamter im Schuldienst

Einband der Ausgabe von 1882. einsetzt. Hier stirbt Gustav Schwab 58-jährig am 4. November 1850 an einem Herzschlag. Seine Stimme ist aber nicht verhallt: „Da betrat Prometheus die Erde, ein Sprößling des alten Göttergeschlechtes, das Zeus entthront hatte, ein Sohn des erdgebornen Uranossohnes Iapetos, kluger Erfindung voll (…)“. (AS)

Wissenswertes zu Gustav Schwab • Gustav Benjamin Schwab wurde am 19. Juni 1792 als Sohn des Geheimen Hofrats Johann Christoph Schwab und der Kaufmannstochter Friederike Rapp in Stuttgart geboren. Sein Onkel ist der Bildhauer Johann Heinrich Dannecker. • Gymnasiumsbesuch in Stuttgart, Studium der Philosophie und Philologie in Tübingen. • 1817-1837 Lehrer am Oberen Gymnasium (Eberhard-Gymnasium). • 1817 Heirat mit Sophie Gmelin, Tochter eines Juraprofessors aus Tübingen. Aus der Ehe gingen drei Söhne und zwei Töchter hervor. • 1837-1841 Pfarrer in Gomaringen – hier schreibt er seinen Klassiker „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“. • 1841-1845 Stadtpfarrer an der Leonhardskirche. 1845 Oberkonsistorialrat, d. h. Leiter der höheren Schulen in Württemberg. • 1850 auf dem Hoppenlaufriedhof beigesetzt. • Der Schwabtunnel, der erste innerstädtische Tunnel Europas (1896), ist nach Gustav Schwab benannt, ebenso die Schwabstraße im Stuttgarter Westen. • Der Schwäbische Heimatbund stiftete 2009 den Gustav-Schwab-Preis für junge Wissenschaftler. Anzeige

Bild: Fotolia

Wer kennt es nicht? Das Abitur in der Tasche, aber noch keine Ahnung wie es weitergehen soll. Wer in Stuttgart zwischen Schule, Uni und Berufsleben hängt und nicht weiß, wohin die Reise gehen soll, der hat durch das gemeinnützige Bildungsjahr die Möglichkeit, erste berufspraktische Erfahrungen zu sammeln. Ob Kunstmuseum, Altes Schauspielhaus, Bezirksämter, Volkshochschule, Musikschulen, Kulturamt oder Stadtbücherei – rund 30 Einsatzstellen in ganz unterschiedlichen Bereichen stehen in Stuttgart zur Verfügung.

Engagement für die Gemeinschaft Das gemeinnützige Bildungsjahr bietet die Chance, sich vielfältig gesellschaftlich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Zugleich hilft das Angebot Jugendlichen, die eigenen Stärken zu finden und die soziale Kompetenz zu erweitern. Abitur, selbstständiges Ar-

beiten und Teamfähigkeit werden für die Teilnahme am gemeinnützigen Bildungsjahr vorausgesetzt. Richtig ist hier vor allem, wer Freude an der Mitgestaltung des kulturellen und sozialen Lebens in Stuttgart hat. Die Teilnehmer bekommen die Möglichkeit, durch eigene Initiative selbstständig und eigenverantwortlich an Projekten zu arbeiten.

Seminare im kommunalund europapolitischen Bereich Was die jungen Menschen während des Praktikums geboten bekommen, kann sich sehen lassen: Die Stadt organisiert ein umfangreiches Fortbildungs- und Seminarangebot von insgesamt über 30 Tagen Dauer – darunter zum Beispiel eine Reise zum EU-Parlament nach Straßburg. Dazu gibt es ein monatliches Taschengeld von 200 Euro. Junge Menschen aus Stuttgart, die sich engagieren wollen, bewerben sich bis 7. Februar 2011 beim Kulturamt der Stadt Stuttgart. (SH)

30. Oktober 2010


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