Gendia Ausgabe 2'13 = August 2013

Page 5

seine Bewegung zusehen und Elektronen kreisen zu lassen. Die Möglichkeit dazu bot eine Idee, die Max Planck zur Jahrhundertwende eingeführt hatte und die heute als Quantensprung Gefahr läuft, von Menschen zerredet zu werden, die sich nicht ausreichend um die Worte kümmern, die sie verwenden. Planck wollte erklären, wie sich die Farbe von Gegenständen (das Licht, das sie aussenden) ändert, wenn sie erwärmt werden und etwa erst rot und dann gelb leuchten. Er bemerkte im Laufe seiner Arbeiten, dass die Physik die dazugehörigen Vorgänge erklären kann, wenn sie der strahlenden Materie erlaubt, ihre Lichtenergie in diskreten Päckchen abzugeben. Planck nannte sie Quanten der Wirkung, und mehr passierte vorläufig nicht. Kaum jemand interessierte sich für diese Sprünge, bis Bohr 1913 merkte, dass er damit sein Atom stabilisieren konnte. Er wies den Elektronen erst auf die herkömmliche Weise Bahnen um einen Kern zu und verlangte dann, dass sich ihre Energie nur durch einen Quantensprung ändern könne. Es ist so, als ob die Elektronen erst ein Hindernis überwinden müssten, um ihre Position im Atom zu ändern, und solange ihnen dazu die Energie fehlte, konnten sie sich auf ihrer Bahn halten. Das Atom blieb dank des nötigen Quantensprungs stabil, und Bohrs mutiger Ansatz feierte Triumphe, auch wenn ihn niemand so recht verstand. Also – in einem Atom können Elektronen mit Quantensprüngen von einer Umlaufbahn auf die nächste gelangen und dabei Energie abgeben, die als Licht frei kommt. Für

alle Liebhaber des Quantensprungs ist dabei zu beachten, dass dieser Hüpfer das Kleinste ist, das die Natur anbietet, und an seinem Ende passiert nichts weiter und alle Dynamik kommt zum Erliegen. So gesehen sollten Unternehmen es möglichst meiden, Quantensprünge zu machen. Sie sind besser beraten, auf traditionellen Wegen Fortschritte zu erzielen und sich weiter zu entwickeln.

Was für eine Bahn? Als Bohr sein Modell vorstellte, konnte er mit seiner Hilfe sowohl erläutern, warum Atome stabil sind, als auch, wie sie es schafften, das Licht auszusenden, das sich genau messen und berechnen ließ. Ihn überkam das Gefühl, mit diesem Ansatz vielleicht den gesamten Aufbau der Materie verstehen und die Ordnung des periodischen Systems der Elemente vom Wasserstoff bis zum Uran rekonstruieren zu können, und damit beschäftigte er sich in den kommenden Jahren. In ih-

rem Verlauf wurde aber nicht klarer, wie ein Atom auszusehen hatte, sondern eher unklarer, vor allem dann, wenn magnetische Felder ins Spiel kamen und dem Licht neue Farben verliehen, das von den Atomen abgegeben wurde. Etwa ein Dutzend Jahre nach Bohrs Triumph von 1913 erkannten jüngere Physiker mit seiner Hilfe, dass das Problem des Modells in seiner Anschaulichkeit lag, und der Gedanke kam auf, dass die Bahn eines Elektrons vielleicht nur existiert, wenn Menschen sie beschreiben. Als die Versuche Erfolg brachten, das Atom ausschließlich mit Hilfe von beobachtbaren Größen zu beschreiben – gemeint ist etwa die Frequenz des Lichtes, das sie aussenden – und ohne die unsichtbaren Bahnen auszukommen, entstand die bis heute gültige Wissenschaft der Quantenmechanik, die ein Bild von dem Atom mit sich bringt, das nahezu nichts mehr mit dem Atommodell von Bohr gemein hat. In der aktuellen Physik sind Atome überhaupt keine Dinge mehr, die sich zeichnen und zeigen lassen wie Objekte des Alltags. Atome sind vielmehr Gegebenheiten, deren Aussehen erst von Menschen geschaffen wird, und Bohr war der erste, der sich voller Mut an diesen kreativen Akt gewagt hatte. Er konnte dabei nicht ahnen, was seine Schüler zuletzt bemerkten, dass Atome nämlich überhaupt keine Form haben, die sich festhalten lässt. Atome existieren nur als Bewegung. Vielleicht wirken sie deshalb für viele Menschen unheimlich. Schließlich leben wir in einer Welt, die aus ihnen besteht.

Fotos: © shutterstock

Geburtstag des Atommodells von Niels Bohr

5


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.