Kommunal 9/2018

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MEINUNG

KOMMENTAR HANS BRAUN ÜBER „AMERIKANISCHE“ ZUSTÄNDE

Und dann ist wieder die Transparenz gefordert. Gestützt auf die diversen Auskunftspflichtgesetze der Länder wurde von der quo vadis veritas GmbH – einer Rechercheplattform – an alle Gemeinden das Auskunftsbegehren gestellt, die in bestimmten Jahren ausbezahlten Kultur- und Sportförderungen personenbezogen zu übermitteln. Zu welchem Zweck, war aus der Anfrage vielleicht erschließbar, aber nicht ersichtlich. Also hier greift kein Datenschutz, hier geht es um Transparenz. Dem Auskunftsbegehren ist natürlich zu entsprechen. Zwar sehen die einzelnen Landesgesetze Ausnahmen vor – wie unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand – aber das kann wohl kein wirklicher Grund für eine Verweigerung der Auskunft sein. Soviel Zeit muss schon sein, um den Informationsbedarf von Journalisten oder sogenannter „social watchdogs“ zu stillen. Stellt doch auch der EGMR klar, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung unter bestimmten Voraussetzungen auch den freien Zugang zu Informationen umfasst. Zu guter Letzt stellt sich noch die Gebührenfrage. Unterliegen allgemeine Anfragen von Bürgern einer Gebühr, ist für journalistische Anfragen eine Gebührenbefreiung vorgesehen. Zwar müsse der journalistische Zweck – öffentliches Interesse - aus der Anfrage erkennbar und nicht bloß erschließbar sein, um die Gebührenbefreiung in Anspruch nehmen zu können, aber diese Formvorschriften werden in Zukunft sicher beherzigt werden. So gesehen sollte sich der Gesetzgeber zwischen Transparenz und Datenschutz entscheiden. Den Behörden und im speziellen den Gemeinden jeweils die Entscheidungslast aufzuerlegen, was nun dem Datenschutz und was dem Gebot der öffentlichen Transparenz unterliegt, erzeugt nur Verunsicherung, viel Verwaltungsaufwand und kostet Zeit und Geld. Beides ist bei den Gemeinden nicht vorhanden.

HOFRAT DR. WALTER LEISS ist Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes

Schuld haben immer „die anderen“

V

or etlichen Jahren habe ich in einem Versicherungsbericht gelesen, dass in den USA die Hersteller von Wohnmobilen in die Bedienungshandbücher einen Passus eingefügt haben, wonach es dem Fahrer verboten ist, während des Fahrens „aufzustehen und nach hinten zu gehen und sich einen Kaffee zu holen“. Grund war ein Unfall, der auf diese Art passiert ist, und die Klage, die der Fahrer anschließend gegen den Hersteller angestrengt hat. Es habe ihm niemand gesagt oder ihn darauf hingewiesen, dass das gefährlich oder verboten sei! So der Kläger. Damals habe ich gedacht „Typisch Amerikaner!“ und war froh, dass das bei uns nicht passieren kann. Heute muss ich eingestehen, dass ich mich getäuscht habe. Wanderer, die mit frei laufenden Hunden zwischen Kühen mit Kälbern gehen und sich wundern, wenn sie attackiert werden. 100-Kilo-Männer, die sich auf dünne Holzgeländerstangen einer Brücke über eine Klamm setzen und nach Schmerzensgeld schreien, wenn sie abstürzen. Eltern, die klagen, wenn ihre Kinder im Kindergarten „die Welt erkunden“ und sich wehtun ..., diese Liste könnte noch länger weitergehen. Und es wäre eine Liste, wo kein einziges Mal Böswilligkeit oder Absicht oder Freunderlwirtschaft vorkommt Dinge, wo eine Klage durchaus gerechtfertigt wäre! Böse formuliert: Mangels eines gesunden Menschenverstandes, der die Schuld auch bei sich sucht, wird sofort nach einem anderen Schuldigen gesucht. Und wer wäre in solchen Fällen leichter zu finden als ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin, auf deren Gemeindegebiet etwas passiert? Gerade „im Gelände“ sollte sich jederman ins Stammbuch schreiben: „Die Natur ist kein Fun-Park!“ Nicht einmal die in Österreich. Aber die Hoffnung, dass sich diese Erkenntnis wieder mehr durchsetzt und die Menschen auf ihren Hausverstand zugreifen, kann ich vermutlich ins Reich der Phantasie abschieben. Statt dessen scheint zu gelten: „Schuld haben immer die anderen!“

hans.braun @ kommunal.at Mag. Hans Braun ist Chefredakteur von KOMMUNAL.

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