Marshall Islands Odyssey

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Von ihrem Winterdomizil in Australien hatte Kristin es nicht weit in den Westpazifik

Die aufgeschlossene Inseljugend übt sich im Posen

sichtlich unbewohnte Atoll. Die Crew war fasziniert von der Umgebung. Gavin inspizierte das magische Trio aus Wind, Wellen und deren perfekter Ausrichtung zueinander. Der Wind ließ uns nicht im Stich. Er wehte uns ununterbrochen mit 25 bis 30 Knoten um die Ohren – den ganzen Tag ohne Pause und an zehn Tagen am Stück. Gavin bestätigte, dass es nunmehr seit einem ganzen Monat stürmte und dass sowohl Wetterkarten als auch die Locals für die nächsten Tage einen beispiellosen Windreigen in Aussicht stellten. Wir ankerten in unfassbar klarem Wasser und bekamen frischen Thunfisch aufgetischt. Die Regel, nicht mit vollem Magen ins Wasser zu gehen, vernachlässigten wir geflissentlich und starteten sofort nach dem Essen eine Kite-Session in den hohl brechenden Wellen. Vorher riefen wir Mauricio aber noch seine Kopfverletzung ins Gedächtnis, die er sich an einem tahitianischen Riff während seines letzten Odyssey-Trips zugezogen hatte. Ich ermutigte ihn, einen Helm zu tragen. Doch er lehnte in seiner brasilianisch-lockeren Art ab und sprang „oben ohne“ ins Wasser. Pete, Moe und Scott folgten ihm. Pete, Mauricio und Moe surften backside, nur Scott hatte den Vorteil, den Wellen frontside entgegen treten zu können. Bruce startete seinen Kite hinter der Discovery, in leichter Abdeckung durch die Insel und dadurch in etwas unbeständigen Winden. Er kämpfte sich bis zum Channel hoch und hatte das Recht der ersten Welle. In seiner Heimat Perth muss er sich als Regular Footer, also mit dem linken Fuß vorn, mit links laufenden Wellen herumschlagen, diese also backside surfen. Hier war er im Himmel – und das Grinsen auf seinem Gesicht verschwand ebenso wenig wie der Wind. Nach ihm kam Kristin, die zum ersten Mal seit Jahren wieder rechts laufende Wellen kitete, da sie im Winter ebenfalls in Australien lebt. Ihre Frontside Bottom Turns hatte sie schnell im Griff und die Wellenlippe zerlegte sie mit beeindruckenden Off-the-Lip-Combos. Einige jüngere Crew-Mitglieder hatten eine Flucht über die Reling oder Gewaltanwendung in Betracht gezogen, um der Plackerei zu entkommen. Noch ging der Plan des Kapitäns auf, und das Schiff könnte ohne besondere Vorkommnisse in den sicheren Hafen einlaufen. Der Crew wurde ein Blatt Papier und ein Stift ausgehändigt mit der Aufforderung, etwas darauf zu notieren. Einer nach dem anderen stopfte seine Nachricht in eine Magnum-Weinflasche, die versiegelt und außerhalb des Hafens von San Francisco über Bord geworfen wurde. Man erhoffte sich davon Ablenkung und geistige Abkühlung, es war der verzweifelte Versuch, Ruhe im Schiff herzustellen.

Große Wellen sind kein Problem für Pete Cabrinha – er steht im Guiness-Buch der Rekorde mit der größten je gesurften Welle

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Als die tropische Sonne im türkisfarbenen Ozean versank, warteten wir auf das Beiboot, das uns zur Discovery bringen sollte. Neun Leute plus Kites, Boards und Kameraausrüstung mussten zurück an Bord gebracht werden. Gemeinsam mit Pete Cabrinha beobachtete ich das Farbenschauspiel der untergehenden Sonne. Im Schatten eines exotischen Fruchtbaums nahm ich eine auffallend große Weinflasche im Sand wahr. Optimistisch wie ich bin, stand ich auf und inspizierte sie. Es waren Schriftzeichen zu erkennen.

Die „Discovery“ ist ein luxuriöser Katamaran von 17 Meter Länge


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