Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart - Ausgabe 4 - 2011

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kopFSalat Hendrik Otto

erstklässler mit zuckertüte

Ausflug mit den Eltern

Hochzeit mit susann

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GARÇON

Nein, im Adlon sei sie noch nie gewesen, sagt Regina Otto. Die Mutter des Zwei-Sterne-Kochs lebt allein in einem schmucken Häuschen mit Garten am Rand von Löberitz. Ottos Bruder studiert in Halle Agrarwissenschaften, sein Vater starb vor zwei Jahren. Regina Otto erinnert sich: “Mein Mann war es wohl, der Hendrik vorschlug, Koch zu werden, der Beruf war hier ziemlich selten.“ In der Gegend, in der Otto aufwuchs, gibt es ein Verb, das nicht im Duden steht. „Klägen“ sagt man dort, das „ä“ wird gedehnt, das „g“ wie „ch“ gesprochen: „klächen“. Das Wort entstand in den großen Chemiewerken von Leuna, Buna, Bitterfeld und Wolfen und ist das mitteldeutsche Synonym für „hart arbeiten“. Es klingt irgendwie derb, ein Wort ohne Reiz. Was sollte hier auch junge Leute reizen? Wer in dieser Gegend aufwuchs, landete meist in einem der grauen Moloche. Jeder Zweite lernte aus Mangel an Alternativen Chemiewerker, Maschinist oder Schlosser. Wäre also Hendrik Ottos Vater nicht gewesen, hätte der Junge aus dem anhaltinischen Löberitz wohl auch einen dieser Berufe ergriffen. Sein Vater weckte in dem 17-Jährigen jedoch den Traum von der großen weiten Welt — ferne Länder, fremde Völker, Abenteuer. Otto – Realschulabschluss 1,0 — bewarb sich für eine Kochlehre auf einem DDR-Handelsschiff. Dann fiel die Mauer. Der Berufswunsch blieb, die Marine kam ad acta. „Die ganze Klasse ist rüber gemacht“, erinnert sich Regina Otto. Ihr Sohn ging nach Baden-Württemberg. Der Ausbildung im Kurhotel Lauterbad in Freudenstadt folgten Stationen bei Albert Kellner in Brenner´s Park Hotel & Spa in Baden-Baden, bei Michael Hoffmann im Haerlin, dem Gourmetrestaurant des Hamburger Hotels Vier Jahreszeiten und schließlich bei Harald Wohlfahrt im Hotel Traube-Tonbach in Baiersbronn.

Otto lernte, was Kochkunst frei von Kompromissen bedeutet und erwarb einen sicheren Sinn für Konsistenz und Geschmack, Kontrast und Harmonie. Nach Wohlfahrt stand Ducasse in Paris zur Debatte. Hendrik Otto entschied sich jedoch für eine Küchenchefstelle im Hamburger Landhaus Flottbek. Im Jahr 2002 schließlich wurde er die Nummer Eins am Herd im Kölner La Vision, dem Feinschmecker-Restaurant der Designer-Herberge im Wasserturm. Bereits ein Jahr später gab es für seine — zugegebenermaßen noch stark wohlfahrtgeprägten Kreationen — den ersten Michelin-Stern. Der Gault Millau krittelte noch, „dass der bestens ausgebildete Otto auch zu den Übereifrigen gehört, die schon beim Amuse bouche dermaßen lospowern, dass sie unnötige Energien verbrennen, die ihnen später, wenn es aufs Ganze geht, vielleicht fehlen.“ Ein paar Jahre später folgte Otto dem Ruf nach Berlin, wurde als Küchenchef im Gourmet-Restaurant Vitrum des Ritz-Carlton Hotels Nachfolger von Thomas Kellermann und erkochte auch hier einen Michelin-Stern. Dann das abrupte Ende. Ritz-Carlton schloß das Edel-Restaurant. Im April 2010 wurde der junge Mann aus Sachsen-Anhalt Küchenchef im Restaurant Lorenz Adlon und folgte damit auf Karlheinz Hauser und Thomas Neeser. Sein Küchenmotto formulierte er so: „Europäisch inspiriert, spannend und ausdrucksstark kochen“. Den Worten folgten Taten. Otto begeisterte sowohl seine Gäste als auch die Inspektoren des Michelin. Die Folge war logisch — der zweite Stern. „In dem luxuriösen Restaurant bietet Otto klassische Küche mit eigener Handschrift. Beste Produkte werden mit großem Aufwand zu geschmacksintensiven Gerichten kombiniert.“ „Hendrik ist ehrgeizig, er setzt sich Ziele, das war schon immer so“, weiß seine Mutter auf die Frage nach der wichtigsten Charaktereigenschaft ihres Sohnes. „Schreiben Sie bitte, dass ich sehr, sehr stolz auf ihn bin.“


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