FRIZZ Das Magazin Frankfurt Mai 2019

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ne Lizenz. Das massenweise Verbreiten von eigenen urheberrechtlich geschützten Werken ist heute kein Privileg Einzelner mehr, sondern jedem möglich. Außerdem können Uploadfilter unsere Meinungsfreiheit einschränken, denn keine Technik ist heute und in absehbarer Zeit so gut, als dass sie die oftmals feinen Linien des Urheberrechts erkennen könnte. Wir haben bei den Protesten bereits gesehen, dass der YouTuber Herr Newstime ein Video mit seiner Berichterstattung von einer Demo hochladen wollte und das Filtersystem von YouTube, ContentID, das heute schon Urheberinnen und Urhebern zur Durchsetzung ihrer Rechte verhilft, erkannte im Hintergrund urheberrechtlich geschützte Musik und unterband die Veröffentlichung. Dabei war die Hintergrundmusik nur Beiwerk und damit war das Video rechtlich einwandfrei. Profitieren werden die großen Verlage – wenn vermutlich nicht durch Artikel 11, wenn Google aufgrund dieses Artikels sein Angebot „Google News“ einstellt, dann durch Artikel 12. Durch Artikel 13 werden Unternehmen wie Facebook und Google profitieren, denn nur sie sind finanziell in der Lage, die Reform umzusetzen und Filtersysteme bereitzustellen. Das längst nicht perfekte System von Google kostete 100 Millionen Dollar – ein kleines Unternehmen, das älter als drei Jahre ist (jüngere sind von der Pflicht ausgenommen) und auf seiner digitalen Plattform die Möglichkeit für Uploads anbietet, z.B. ein Profilfoto, und damit unter die volle Regelung der Richtlinie fällt, wird kaum die finanziellen Ressourcen haben, um so ein System zu entwickeln. Die einzige Chance wird sein, die Software bei Google und Co. einzukaufen. Kreative, Start-ups und auch der innovative Mittelstand bleiben daher durch die Reform auf der Strecke. Deutschland verspricht, keine Uploadfilter einzusetzen. Ist dies glaubhaft und welche Verfahren müssten alternativ zum Einsatz kommen, um Urheberrechtsverletzungen aufzuspüren? Die CDU möchte, das wird auch in der abgegebenen Protokollerklärung deutlich, keine Uploadfilter in Deutschland. Irritierend ist daran nicht nur, dass man also doch von der Notwendigkeit solcher auch nach der Urheberrechtsreform ausgeht, auch wenn Axel Voss immer betonte, dass man sie nicht bräuchte. Zum anderen ist diese Erklärung komplett konträr zum eigentlichen Ziel dieser Reform: einen einheitlichen, europäischen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Selbst wenn der Alleingang Deutschlands möglich wäre – sehr viele Rechtswissenschaftler zweifeln daran – und man hier mit Pauschallizenzen arbeitet (die vorgeschlagene Alternative der CDU), deren mögliche Umsetzung auch nur für Audio und Video durchdacht ist, also eben nicht für alle möglichen urheberrechtlich geschützten Werke, gibt es hier keine Lösung für den Rest Europas. Die Große Koalition hat einer Reform zugestimmt, die sie selber in Teilen nicht umsetzen will, weil sie sie schlecht findet und vergisst dabei, dass die ganze Europäische

Union von den Problemen aus Artikel 13, jetzt 17, betroffen ist. Dass man laut Protokollerklärung (Punkt 12) bereit ist, eine mögliche Einschränkung der Meinungsfreiheit für diese Reform in Kauf zu nehmen, um sie dann in langwierigen Prozessen wiederherzustellen, sollte uns nicht nur in Anbetracht der Gültigkeit dieser Reform in Ländern wie Ungarn und Polen erschrecken. Das Urheberrecht nun auch im World Wide Web zu stärken ist doch eine gute wie unabdingbare Angelegenheit? Ja, Urheberrechte sind wichtig und gelten natürlich auch schon heute im Internet. Und natürlich müssen Urheberrechte auch dort durchgesetzt werden. Doch wie schon

fentlich strafrechtliche Konsequenzen haben. In einem demokratischen Diskurs ist es aber ebenfalls ein Unding, dass Demonstrierende von der Europäischen Kommission als Mob bezeichnet werden, ihnen unterstellt wird, dass ein Teil der knapp 200.000 Demonstrierenden bezahlt gewesen wäre oder sie von Konzernen manipuliert wären. Die Vorwürfe gingen sogar so weit, dass selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sich genötigt sah, in einer Pressemitteilung den Unterstellungen der Initiative Urheberrecht, er hätte den Richtlinienentwurf nicht gelesen, scharf zurückwies. Ebenso wurden Einwände des Direktors des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb, Prof. Dr. Reto Hilty, abgetan, oder die Kritik des UN-Sonderbeauftragten für Meinungsfreiheit, David Kaye. Die Fronten sind so unversöhnlich, weil es hier um sehr viel Geld geht. Den Verlegern sind sehr, sehr viele Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft an digitale Plattformen verloren gegangen.

›› Uploadfilter können unsere Meinungsfreiheit einschränken. ‹‹ gesagt, sind wir heute alle Urheberinnen und Urheber. Wir müssen also das Urheberrecht im Digitalen ganz neu und anders denken. Die Richtlinie wurde zu einer Zeit begonnen, als Plattformen noch nicht so intensiv genutzt wurden wie heute, teilweise noch gar nicht existent waren. Welche Auswirkungen erwarten Sie für Social Media-User, aktive wie passive? Gibt es konkrete Beispiele? Das genannte Beispiel von Herrn Newstime wäre eins. Aktive Nutzerinnen und Nutzer werden wohl sehr häufig mit Fehlermeldungen konfrontiert werden, Schlichtungsstellen anrufen müssen oder Inhalte gar nicht mehr hochladen können bzw. es generell lassen, weil sie zu oft Fehlermeldungen erhalten haben. Das bedeutet auch für passive Nutzerinnen und Nutzer, dass deutlich weniger Inhalte im Netz zu finden sein werden. Damit tritt auch eine Verarmung von Meinungen und Perspektiven ein. Wie könnte man das Urheberrecht online schützen, ohne das Internet dabei zu beschädigen? Wir haben aktuell schon das „Notice and take down“-Verfahren in der Europäischen Union, das nicht nur beim Urheberrecht gut funktioniert. Das bedeutet, dass Plattformen rechtswidrige Inhalte von ihren Plattformen löschen müssen, sobald sie von der Rechtswidrigkeit in Kenntnis gesetzt wurden. Handeln sie nicht, haften sie für Rechtsverstöße. Außerdem sollten wir über ein „Fair Use“-Prinzip nach amerikanischem Vorbild nachdenken. Die europaweiten Demos waren begleitet von harschen Worten, die Demonstrierenden wurden als von Google bezahlter Mob bezeichnet. Es gab Morddrohungen ... Warum sind die Fronten so hart und unversöhnlich? Dass die Fronten so hart und das Klima so vergiftet ist, schockiert mich selbst. Und um es klarzustellen: Morddrohungen und Beleidigungen gehen niemals, sind nicht zu tolerieren und werden hoffrizz-frankfurt.de

Es klingt nach einem Generationenkonflikt, jung gegen alt …. Man kann es als einen Generationenkonflikt sehen, wenn man sich alleine darauf fokussiert, dass viele junge Menschen eben mit anderen Medien und anderem Medienkonsum aufgewachsen sind als viele über Vierzigjährige. Dass der Punkt „Generation“ aber nur einer von vielen ist, zeigt sich vor allem daran, dass auch viele Ältere mit viel Expertise sich gegen die Reform gewandt haben. Die bereits Genannten stehen nicht alleine da. Auch die Digitalpolitikerinnen und -politiker aller(!) Parteien, der Bundesverband deutsche Startups, Bitkom, Jugendpresse, Wikimedia und die Verbraucherzentrale Bundesverband, um nur einige zu nennen, haben mehrfach öffentlich ihre Kritik geäußert. Am 26. Mai sind EU-Wahlen. Werden Sie wählen? Auf jeden Fall und das auch völlig unabhängig von der Urheberrechtsreform. Wir brauchen ein starkes und freies Europa, das für die Zukunft gewappnet ist – gerade auch im Digitalen, aber mit dem Aufkommen von Nationalismus und Rechtspopulismus gibt es noch mehr Gründe, um am 26. Mai an die Wahlurne zu gehen. Artikel 11/jetzt 15 sieht vor, dass Presseverlage das Exklusivrecht erhalten, ihre urheberrechtlich geschützten Textausschnitte und damit verknüpfte Links zu veröffentlichen. Alle anderen müssen dann mit ihnen eine Lizenz aushandeln. Artikel 12/jetzt 16 sieht vor, dass der Verlag eines Urhebers, sollte dieser ihm ein Recht übertragen haben, Anspruch auf einen Teil der Vergütung für die Nutzung des Werkes hat. Artikel 13/jetzt 17 des neuen Urheberrechts sieht vor, dass Plattformbetreiber wie Youtube, Facebook, etc. zukünftig für den Content, den ihre Nutzer veröffentlichen verantwortlich gemacht werden und haftbar sind.

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