friedrich - Zeitschrift für BerlinBrandenburg

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Foto André Stiebitz

Potsdam LEbenswelt

L eben im LTURERBE WELT LTKULT

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Wer wohnt eigentlich im Potsdamer Weltkulturerbe, seitdem Monarchen und Prinzen ausgezogen sind? Und wie lebt es sich tatsächlich in den schönen Gärten zwischen all den Schlössern und Touristen?

#11 Die Meierei

Braukunst im Neuen Garten D

Beide hatten den Richtigen gesucht für die ausgebrannte Meierei-Ruine in bester Lage. Der Brauer will denkmalgerecht wieder aufbauen, die Stiftung einen gastronomischen Nutzer. Solkowskis dritte Brauerei soll auch die letzte sein, frei von Investoren oder anderen Partnern, so dass er und seine Frau alle Entscheidungen selbst treffen können. Die Meierei wird ein Familienbetrieb, »und es ist sehr wahrscheinlich, dass unser Sohn Maik die Meierei irgendwann übernehmen wird«, sagt der Vater.

Foto Claudia Jonov

Foto Claudia Jonov

ie Umgebung seines Hauses nennt Braumeister Jürgen Solkowski einmalig. »Das sind alles Naturschutzgebiete. Das war nie bebaut und wird nie bebaut werden«, sagt er mit Blick auf den Königswald am anderen Ufer des Jungfernsees. Dass sein Betrieb mitten im Weltkulturerbe liegt, werde ihm zwar nicht jeden Tag bewusst, »aber den Gästen ist das sehr wichtig«. »Den ersten Blickkontakt zur Meierei hatte ich 1999«, sagt Solkowski. Es folgten drei Jahre Planung und ein kurzes Jahr Bauzeit, bevor der Braumeister sich 2003 seinen Traum erfüllte: eine von der Familie geführte Gasthausbrauerei samt kleiner Betriebswohnung im Obergeschoss. Der heute 65 Jahre alte gebürtige Berliner hat sein Leben lang darauf hingearbeitet.

Solkowski hat in den Siebzigern Lebensmitteltechnologie studiert und war anschließend weltweit aktiv, hat Brauereien modernisiert, umgebaut und neu geplant. Den ersten Schritt zu seinem Traum ging er 1987: »Da habe ich die erste Berliner Gasthausbrauerei eröffnet«, das ›Luisenbräu‹ in Charlottenburg. Heute gibt es deutschlandweit mehr als 450 solcher Betriebe, seiner hat die Nummer acht in der laufenden Liste. 1994 wagt er sich an den Umbau eines denkmalgeschützten Gebäudes und macht aus der Heeresdampfbäckerei in Spandau, damals eine Autowerkstatt, ein Gasthaus. Mit diesen Erfahrungen und angespartem Kapital trifft er 1999 auf die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG).

Seine Sudbehälter stehen heute unter einem rekonstruierten Ziegelgewölbe, die Fußbodenbeläge und Fenster gleichen der originalen Ausstattung und selbst die alte Dienstwohnung des Meiers wird von ihm und seiner Frau während der Saison genutzt. Nur die Kompromisse zwischen Denkmal- und Arbeitsschutz waren schwierig. Die historische Steinwendeltreppe zur Wohnung mit ihren 19 Zentimeter hohen Stufen ist dem Ehepaar vorbehalten. Die bis zu 35 Angestellten dürfen sie nicht betreten. Nach über einem Jahrzehnt kann Jürgen Solkowski von sich behaupten, dass sein Plan aufgegangen ist. In russischen und dänischen Reise- und Brauereiführern wird sein Haus als Geheimtipp geführt. Das ›Meierei-Hell‹, ein untergäriges Vollbier, das »malzig, süffig, würzig angelegt ist – das Gegenteil eines Pils-Biers«, ist besonders beliebt. Gut 1000 Hektoliter von diesem Verkaufsschlager und einigen Spezialbieren werden jährlich gebraut. Doch die Kapazität

reicht für mehr. Erstmals werden in dieser Saison auch im Winter vier Sude pro Woche gebraut, jeder einzelne etwa 1000 Liter stark. »Ich experimentiere mit Craftbieren aus amerikanischem Hopfen, die bald auch in Flaschen zur Verfügung stehen sollen«, verrät Solkowski. Seit Oktober wird eine Abfüllanlage getestet. Über mehrere Monate analysiert er nun Haltbarkeit und Flaschengärung. Wenn er zufrieden ist, könnte bereits ab März die Vielfalt der Brauereiprodukte deutlich zunehmen. Eine Erweiterung der Sitzplätze auf der Terrasse sieht er dagegen nicht vor. Hundert Jahre zuvor reichten die Bierttische immerhin fast bis zur Grotte im Neuen Garten. Das sei weder in seinem Sinne, noch in dem der SPSG. Schließlich sind es die gärtnerische Umgebung und die unbebaute Natur, die seinen Traum so einmalig machen. [RE]

Fakten, Fakten, Fakten, Fakte Fakten Fakten, n Die Meierei wurde 1792 von Carl Gotthard Langhans errichtet, der auch das Brandenburger Tor in Berlin gebaut hat. Sie diente zur Produktion von Butter und Käse von den im Neuen Garten weidenden Kühen. Im 19. Jahrhundert wurde das Haus mehrfach erweitert. Seit 1861 ist es zugleich das Pumphaus für das Wasserbassin im Pfingstberg-Belvedere. Schon damals nutzte der Meier das Gebäude als Gasthaus. In den 1920ern wurde der Betrieb auf mehr als 1500 Plätze ausgeweitet. Nachdem die Meierei den 2. Weltkrieg überstanden hatte, brannte sie 1946 nach der Besetzung durch die Rote Armee fast vollständig aus. Die Ruine befand sich schließlich im Grenzgebiet der Berliner Mauer und entging nur knapp dem Abriss. Seit 2003 wird das Gebäude wieder als Gasthaus und Brauerei genutzt.


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