FREILICH Ausgabe 08

Page 98

K U LT U R

D I E S C H WA R Z E FA H N E Der geschichtskundige Leser kennt die schwarze Fahne als auratisches Zeichen für Widerstand jeder Art – dem einen oder anderen wird auch das mitreißende Lied „Wer trägt die schwarze Fahne dort?“ aus der Feder des wegweisenden bundesrepublikanischen Jungrechten Henning Eichberg im Ohr klingen. Der gleichnamige Podcast ist seit Oktober 2019 auf Sendung; ca. alle zehn Tage erscheint eine neue Episode. Die drei Moderatoren legen besonderen Wert auf Authentizität und eine Durchmischung politischer Inhalte mit aktuellen popkulturellen Themen. Zusätzlich wird dem rechten Nachwuchs eine relevante Diskussionsplattform geboten: Zu Gast waren bereits einige Medienaktivisten, der Salzburger Jungjournalist Roman Möseneder sowie Patrick Pana, Landessprecher der AfD-Jugendorganisation in Hessen. Website: schwarzefahne.libsyn.com

R E C H T S AU S L E G E R Die „Rechtsausleger“ aus dem Raum Frankfurt/ Main mit ihrem Slogan „Rechts vor Links“ haben zum Jahresende 2019 den Betrieb aufgenommen und veröffentlichen seither im Wochentakt neues Material. Ihr selbst gestecktes Ziel ist es, jeweils aktuelle Nachrichten aus einer jungen Sicht von rechts her zu beleuchten, ohne in das allzu häufige Gemecker und Wehklagen bemooster Häupter abzugleiten: „Kein Blatt vor den Mund nehmen, die Dinge klar benennen, aber vor allem auch sich über die Absurdität lustig machen, die unser Land heimsucht.“ Dieser Ansatz hat interessante Tiefenanalysen nach dem Vorbild des rechten US-Podcasts „Fash the Nation“ hervorgebracht: Schon zu Jahresbeginn 2020 widmeten sich die „Rechtsausleger“ ausführlich den Vorwürfen von Betrug und Untreue gegen die Arbeiterwohlfahrt (AWO) sowie deren Verfilzungen mit der hessischen Landespolitik. Website: rechtsausleger.podbean.com

98

Marshall McLuhan 1964 in „Understanding Media“ entworfenen Einteilung in „heiße“ und „kalte“ Medien, so sind (politische wie unpolitische) YouTube-Videos genuin „heiße“ Medien. Sie reizen den Zuschauer mit einer hohen Informationsdichte und zielen gleichzeitig auf den Aufbau einer Sympathiebeziehung zwischen Konsumenten und Produzenten ab – der „YouTuber“ wird für seine Aufnahme sich selbst und seine Umgebung herrichten, sachliche Inhalte durch Klamauk aufzulockern versuchen etc. Hinzu treten gegebenenfalls noch Aspekte der Nachbearbeitung, eingespielte Grafi ken, Musik usw.; all diese Garnierungen lenken jedoch unterm Strich alle Beteiligten vom Informationsgehalt der Sendung ab und tragen dazu bei, dass der Abgebildete anstelle seiner Botschaft in den Fokus des Interesses rückt. In unserer konsumistisch-narzisstischen Kultur des Spätkapitalismus ein Nebeneffekt, der den in der Regel durchaus eitlen Selbstvermarktern vor der Webcam durchaus willkommen ist. Der Podcast hingegen stellt im Vergleich dazu ein „kaltes“ Medium dar. Dem Hörer können besprochene Begebenheiten, Anspielungen und dergleichen nicht weitschweifig erklärt werden; er muss sich über ein ihm zuvor unbekanntes Thema selbstständig informieren, weshalb umsichtige Podcast-Produzenten ihm in der Regel digitale „Notizen“ mit Verweisen und Anmerkungen zur jeweiligen Sendung an die Hand geben werden. Ebenso trifft die Unterscheidung zu, die Stuart McGurk zu seiner „Entlastung“ vorgebracht hat: Während ein YouTube-Angebot, je professioneller aufgemacht es ist, den Betrachter zu umso mehr Konzentration und ständigem Hinsehen zwingt, um im rasanten audiovisuellen Informationsfluss nichts zu verpassen, lässt der Tonmitschnitt alle Sinnesorgane bis auf das Ohr frei für andere Tätigkeiten. Je nach Anspruch der jeweiligen Inhalte ist es ohne Weiteres möglich, am Straßenverkehr teilzunehmen, eine Laufrunde zu absolvieren oder einen Zeitschriftenartikel zu schreiben, während man gleichzeitig einen Podcast anhört – von „klassischen“ Berieselungsanlässen wie Pendelfahrten oder dem Bedürfnis nach einer GuteNacht-Geschichte ganz zu schweigen. Insgesamt gibt es sowohl theoretische wie praktische gute Gründe, dem Podcast den Vorzug zu geben. (Dass viele Podcasts zusätzlich als Tonspuren mit einem beigegebenen Standbild bei YouTube veröffentlicht werden, stellt einen lediglich in der überragenden Popularität dieser Plattform begründeten Sachzwang dar.) Für den politischen Abweichler wird er insbesondere durch seine geringen Voraussetzungen interessant: Eine einmal heruntergeladene Episode kann beliebig oft angehört werden, auch ohne aktive

Es wäre für uns „Rechtsabweichler“ mehr als nachlässig, Podcasts nicht für uns einzuspannen.

R ILI


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.