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KUNST Ausstellungen

: Kunstwerke Text: Sabine Komm

Memopolis

Zufall ist Konzept

Sobald die Besucher ihren Personalausweis oder Pass einscannen, leuchtet auf einer gigantischen Leinwand auf, was in Internet und Datenbanken an persönlichen Informationen gespeichert ist: Adresse, Alter, Arbeitgeber, sogar das mögliche Todesdatum. Zu erleben ist dieses verstörende Szenario in „Memopolis“, das heißt in der ersten großen Einzelausstellung des estnischen Medienkünstlers und Programmierers Timo Toots im Ausland.

„Niemand … sollte sich diese eindrucksvolle Ausstellung entgehen lassen“, hieß es 1974 in den „Bremer Nachrichten“. Gemeint war die Graevenitz-Präsentation in der Kunsthalle Bremerhaven. Knapp 40 Jahre später werden hier erneut Werke dieses Künstlers gezeigt, der sich so systematisch mit Zufall, Licht und Bewegung auseinandergesetzt hat.

„Gerhard von Graevenitz: Kinetische Objekte und Grafiken“ zeigt eine Serie von Im Edith-Russ-Haus in Oldenburg konSiebdrucken sowie bewegte Kunstwerke. frontiert uns der 31-Jährige auf zwei EbeSeit den 60er Jahren hatte dieser analytinen mit all den Datenspuren, die wir im sche Denker kinetische Objekte gebaut, deNetz bereits hinterlassen haben. Die Räu- ren einfache geometrische Elemente sich me hat der Künstler aus Tallin in einen mit Hilfe von Motoren langsam bewegen. Ort digitaler Kontrolle verwandelt, wo die Wann sich die Strukturen verändern, lässt Grenzen zwischen Realität und Fiktion sich schwer vorhersagten. Der Zufall ist verschwimmen. In abgedunkelten Räumen Konzept. werden Überwachungsszenarien durchgespielt. 1962 hat der Künstler erstmals die technischen Möglichkeiten der ComputergraHerzstück der Inszenierung ist die interak- fik genutzt und Serien von Druckgrafiken tive Installation „MemopoI-2“, die an eine mit geometrisch geordneten Rasterstrukgewaltige Maschine erinnert. Hier lässt turen hergestellt. Im selben Jahr ist er einer Toots, der sich von dem Stummfilm „Meder Begründer der Gruppe „Nouvelle Tentropolis“ und George Orwells dunkler Zu- dance“, die das Ziel hat, die Betrachter einkunftsvision „1984“ inspirieren ließ, die zubeziehen und die Kunst zu entmystifizieBesucher auf ihr virtuelles Gegenüber tref- ren. Auch den Künstlern der Düsseldorfer fen. Eine Begegnung, die irritiert. ZERO-Gruppe von Graevenitz, der vor 30 Bis 24. Februar. Edith-Russ-Haus OldenJahren bei einem Flugzeugabsturz in der burg. Schweiz ums Leben gekommen ist, nahe. Bis 24. Februar. Kunsthalle Bremerhaven.


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