Filmpodium Zurich Programmheft 1. Jan. – 15. Feb. 2017 // programme issue Jan - Feb 2017

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Stummfilmfestival 2017: Frühe Tonfilme.

THE JAZZ SINGER USA 1927 Auch wenn es vorher schon Versuche gab, den Schallplattenton mit der Filmvorführung zu synchronisieren, gilt The Jazz Singer gemeinhin als jener Titel, mit dem der gesprochene und gesungene Ton in die Filmgeschichte Einzug hielt und die Ablösung des Stummfilms begann. Es ist die Geschichte eines Vater-Sohn-Konflikts und Kultur-Clashs: Aus einer jüdischen Kantorsfamilie bricht der Sohn aus und macht als Sänger im Unterhaltungstheater Karriere. «The Jazz Singer mit dem bekannten VarietéStar Al Jolson war eigentlich ein Stummfilm mit einigen vertonten Einschüben. Diese hybride Form, in der zwei technologische Epochen auf­ einandertreffen, passt gut zu dem melodrama­ tischen Thema des Films. Ein Generationen­konflikt findet seinen Ausdruck in dem Aufeinanderprallen zweier musikalischer Traditionen, die sich gegenseitig ausschliessen: religiöse Lieder und profaner Jazz.» (Karel Dibbets) «Der kommerzielle Erfolg war hauptsächlich auf den Hauptdarsteller zurückzuführen, den beliebten weissen Bühnenschauspieler Al Jolson, der für seine sogenannten Blackface-‹NegerImitationen› berühmt war. (…) Jolsons BlackfaceFigur taucht in Schlüsselszenen der Filmhandlung auf, hat aber eher die Funktion eines Clowns im Zirkus als die einer Negerkarikatur im Sinn der traditionellen Minstrel.» (Jim Pines; beide Z ­ itate in: Geoffrey Nowell-Smith (Hg.): Geschichte des internationalen Films, Stuttgart/Weimar 1998)

von diesen Filmen beeindruckt: «Chang brachte mich auf die Idee, auf dieselbe Weise einen Film über Indianer zu drehen. Es war nur zu offensichtlich, dass die Indianer durch die Krankheiten des weissen Mannes so schnell wegstarben, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten, wenn die Geschichte ihres endlosen Überlebenskampfs gegen das Verhungern jemals auf Film festgehalten werden sollte.» Der Film wurde stumm gedreht im Rahmen einer längeren Expedition des New Yorker Museum of Natural History in der Temagami Forest Reserve im Norden Ontarios. Als die Filmemacher zurückkehrten, hatte der Tonfilm seinen Siegeszug angetreten. Man stellte dem Film rasch noch eine gesprochene Einleitungssequenz voran und versah ihn mit einigen Geräuscheffekten, doch auch als teilweiser Tonfilm kam er zu spät und floppte. «Es ist schwer zu sagen, ob The Silent Enemy sein Ziel der ethnografischen Genauigkeit erfüllt, aber es ist einfach zu sehen, dass er sein cineastisches Ziel erreicht, ein schöner und aufregender Film zu sein. (…) Wir sollten es vermeiden, auf den Film als authentisches anthropologisches Dokument zu reagieren. Trotzdem sollten wir ihn als ausserordentlich beeindruckenden und aufregenden Film sehen. Die Filmemacher, die Besetzung und die Crew waren unmissverständlich in ihrer Absicht und ihrem Engagement, das Erbe edler untergehender Völker zu ehren und die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern.» (Benjamin Schrom, Katalog San Francisco Silent Film Festival 2008) 83 Min / tinted / DCP / Stummfilm mit einer Tonsequenz und Musik, engl. + frz. Zw’titel // REGIE H. P. Carver // DREHBUCH

96 Min / sw / Digital HD / E/e // REGIE Alan Crosland // DREH-

Richard Carver, nach einer Story von W. Douglas Burden //

BUCH Alfred A. Cohn, Jack Jarmuth, nach einem Theater-

KAMERA Marcel Le Picard // MUSIK Siegfried Friedrich (2012)

stück von Samson Raphaelson // KAMERA Hal Mohr // MU-

// MIT Chief Yellow Robe (Chetoga, Stammesführer), Chief

SIK Louis Silvers // SCHNITT Harold McCord // MIT Al Jolson

Buffalo Child Long Lance (Baluk, mächtiger Jäger), Paul Be-

(Jakie Rabinowitz/Jack Robin), May McAvoy (Mary Dale), War-

noit Akawanush (Dagwan, Medizinmann), Molly Nelson Spot-

ner Oland (Cantor Rabinowitz), Eugenie Besserer (Sara Rabi-

ted Elk (Neewa, Chetogas Tochter), George McDougall

nowitz), Bobby Gordon (Jakie im Alter von dreizehn Jahren),

(Cheeka, Chetogas Sohn).

Otto Lederer (Moishe Yudelson), Cantor Josef Rosenblatt (er selber), Richard Tucker (Harry Lee), Nat Carr (Levi), Wil-

MO, 6. FEB. | 18.15 UHR

liam Demarest (Buster Billings), Anders Randolf (Dillings).

mit einer Einführung von Liz Sutter; zweite Vorstellung s. Programmübersicht.

THE SILENT ENEMY USA 1930 Wie Robert Flahertys Nanook of the North und ­Moana, wie Grass und Chang von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack gehört The Silent Enemy zu jenem Filmgenre, das man damals «ethnographic» nannte: pseudo-dokumentarische Inszenierungen an authentischen Schauplätzen mit (mehr oder weniger) echten Laiendarstellern aus «fremden» Völkern. H. P. Carver war

Filmauswahl und Kurztexte, wenn nicht anders vermerkt: Martin Girod (meg).

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