» Wir wollen unseren identitären Politikstil überwinden «

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Aber was bedeutet dieser Wechsel hin zur Gesellschaft und raus aus der Szene praktisch?

für Probleme anderer sensibilisiert und hätten die Möglichkeit, unsere Inhalte daran abzugleichen. Andererseits könnten wir unsere Inhalte den anderen zugänglich machen und werden mit unserer Erfahrung und unseren Strukturen aus den Problemen eine kollektive Widerständigkeit entwickeln. Wir kennen uns aus mit politischen Auseinandersetzungen und bemühen uns, unsere inhaltlichen Kompetenzen stetig zu vertiefen. Wir sind gut vernetzt, verfügen damit über verschiedene Kontakte und können beispielsweise dabei helfen, kollektive Selbstsorge zu organisieren. Damit können wir durchaus einiges anbieten. Mit einer solchen Anbindung wäre es möglich, so denken wir, zukünftig noch viel mehr Zwangsräumungen zu verhindern sowie gegen hohe Mieten, das Jobcenter oder aber auch gegen staatliche Repression und Diskriminierung zu kämpfen. Dies ist ein kleiner Beitrag zu kollektivem, widerständigem Leben im städtischen Raum.

Mark: Wie gesagt muss unsere eigene Organisierung ständig auf den Prüfstand gestellt werden und hieraus neue Praxen entwickelt werden. Eine dieser neuen Praxen wäre für uns angesichts der Probleme, vor denen in einer Stadt wie Frankfurt nahezu alle stehen, die Frage nach (bezahlbarem) Wohnraum und dem Leben in einer Großstadt. So haben wir uns darauf geeinigt, einen Ort fernab der Szenecodes entstehen zu lassen, in dem es möglich ist, sich zu organisieren und auszutauschen. Wir wollen also dieses Jahr (2017) ein Zentrum in Frankfurt errichten, welches als Raum der politischen und nachbarschaftlichen Vernetzung und Organisation dient. Hier wollen wir Angebote für die politische Theorie und Praxis innerhalb der Stadtbevölkerung für alle, die es wollen, zugänglich machen. Wir erhoffen uns dadurch, transparent und ansprechbar zu werden. Wir meinen, dass eine solche Form der Politik und lokalen Arbeit in großen Teilen der (Post)Autonomen Linken verloren gegangen ist. Zumindest in Frankfurt entscheidet viel zu oft die Jugendzeit oder der Freundeskreis, ob Menschen Kontakt zur radikalen Linken bekommen oder nicht. Wenn wir also Orte und Angebote schaffen, welche an den konkreten Problemen von Menschen (im städtischen Raum) orientiert sind, und es ermöglichen, kollektive Antworten zu finden, werden wir mehr Leute erreichen können. Kurz gesagt ist das Gebot der Stunde, öffentlichkeitswirksame Politik mit niedrigschwelligen Möglichkeiten zur Teilhabe zu entwickeln, um eines Tages wirklich vom praktischen und vor allem kollektiven Suchprozess reden zu können.

Das heißt also, die Formel eurer praktischen Arbeit ist nun Offenheit und Transparenz? Lisa: Das klingt einfach, ja. Und klar ist uns auch, dass wir als linksradikale Gruppe quasi viele ‚natürliche Feinde’ haben. Diese bilden dann auch wieder die Grenzen unserer Offenheit. Es sei nun nochmal deutlich gesagt: Wir werden weiterhin konsequent und mit allen Möglichkeiten, die wir haben, gegen Rassist*innen, Antisemit*innen, Nazis und alle anderen Reaktionären vorgehen. Auch der Staat und seine Handlanger sind für uns klare Gegner einer jeden emanzipatorischen Bewegung. Konkret bedeutet diese Formel, dass wir unsere Theorie und Praxis zukünftig am aktuellen Konfliktgeschehen und den Adressat*innen ausrichten und angleichen wollen. Beispielweise werden wir in unserem eben genannten Zentrum

Lisa: Dabei geht es uns um ein wechselseitiges Verhältnis: Einerseits würden wir 11


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