Karlsruher Freiheitsthesen

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Karlsruher Freiheitsthesen

(61) (61) Vertragsfreiheit statt staatlicher Bevormundung Das Ideal eigenverantwortlichen Freiheitsgebrauches verwirklicht sich im Privatrecht: Dort, wo die Bürger ihre Angelegenheiten auf Augenhöhe selbst regeln, herrschen Freiheit und Verantwortung. Das setzt Vertragsfreiheit und den Vorrang der privatautonomen Übereinkunft vor staatlicher Bevormundung voraus. Sie sind daher wichtige Leitmotive unserer Rechtspolitik. Vertragsfreiheit sichert zudem das Innovationspotential unserer Rechtsordnung: Nur wenn Bürger und Unternehmen selbst frei sind, maßgeschneiderte Lösungen für ihre Bedürfnisse rechtssicher vereinbaren zu können, kann das Privatrecht die rasanten Innovationen und die Vielfalt in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft schnell genug nachvollziehen und darauf innovativ reagieren. Wo Bürger oder Unternehmen sich nicht auf Augenhöhe begegnen, muss das Recht den Schwachen vor Machtmissbrauch des Starken schützen. In Anbetracht der Bedeutung der Vertragsfreiheit und aus Respekt vor dem selbstbewussten Bürger darf die Politik die Rollen ungleich Starker und Schwacher aber nicht vorschnell festlegen. Wir setzen immer zuerst auf den eigenverantwortlichen Bürger, der seine eigenen Interessen am besten wahrnimmt und durchsetzt. Nur wo dies typischerweise nicht gelingt, ist der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Wir wenden uns dagegen, das Privatrecht dafür zu missbrauchen, die Gesellschaft nach paternalistischem Muster zu erziehen. Das Privatrecht soll den Bürgern praktische Instrumente zur selbständigen Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten an die Hand geben. Es soll kein Mittel zur „Besserung“ von Bürgern und Gesellschaft nach politischer Vorgabe sein. Maßnahmen wie Zwangsquoten im Gesellschaftsrecht sind mit unserer Vorstellung von Privatrecht nicht vereinbar.

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