F o t o s : R o o l P a a p / F l i c k r , J a n i n e W e d e l , Ap a / Dp a / R o l f V e n n e n b e r n d
Ö k o n o m i e F A L T E R
mit öffentlichen Institutionen. Das PPP ist eine Idee öffentlicher Verwaltung, die in den späten 90er-Jahren unter dem Modebegriff des „New Public Management“ fashionable wurde. In vielen Bereichen sind solche Lösungen heute gang und gäbe, auch weil diese Konstruktionen es Staaten erlauben, öffentliche Investitionen auszulagern und damit aus den Staatsschulden rauszurechnen. Das liest sich buchhalterisch schön, wird aber in der Praxis oft erheblich teurer. Etwa im Straßenbau. Wenn der Staat einen Kredit zu praktisch null Zinsen aufnimmt und selbst eine Straße baut, die eine Milliarde Euro kostet, steigen die Staatsschulden um eine Milliarde. Konstruiert er aber ein PPP-Konsortium, das dieselbe Straße baut, sind das keine staatlichen Schulden. Allerdings steigen die Kosten: Die Investoren wollen, anders als der Staat, oft haarsträubende Renditen von sieben bis neun Prozent, und außerdem sind die Kreditkosten für Private immer höher. Das heißt: Zwar kann die Regierung eine schönere Schuldenstatistik nach Brüssel melden, aber die Straße kommt den Steuerzahler erheblich teurer. Eine andere Geschichte ist die vollkommene
Privatisierung staatlicher Unternehmen. Wolfgang Schüssel ist bis dato ein phrasensicherer Fürsprecher von Privatisierungen, auch wenn sich heute noch die Gerichte mit den „Erfolgen“ seiner Ära herumschlagen müssen. So schrieb Schüssel vor zwei Jahren in der NZZ: „Privatisierungen bringen bekanntlich mehrere Vorteile.“ Das Wörtchen „bekanntlich“ klingt in diesem Satz besonders charmant, weil es einerseits so tut, als wäre dies eine allseits anerkannte Tatsache. Andererseits lässt sich leicht behaupten, dass irgendetwas bekannt sei. „Bekanntlich“ bin ich ja
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Bildrätsel: Zerbrach die Brücke an staatlichem Fett oder an privatem Schlankheitswahn?
auch der coolste Mensch zwischen Simmering und Nebraska. Worin liegen nun laut Schüssel die „bekannten“ Vorteile von Privatisierungen? Erstens bringen sie dem Staat Geld, zweitens liegen manche öffentlichen Unternehmen „weit unter der Produktivität vergleichbarer Wettbewerber. Zudem beschränkt der restriktive Budgetkurs Investitionen und Finanzierung der Staatsbetriebe.“ Zustimmend zitiert Schüssel den Voest-CEO Wolfgang Eder, der die Vollprivatisierung des Stahlbetriebs den „glücklichsten Tag meines Lebens“ nannte. Nun wäre ich versucht, mir Gedanken darüber
Politologin Janine R. Wedel: Eine neue Form der Korruption mit der Verschiebung von Staat zu privat
Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel: „Bekanntlich“ bringt Privatisierung Vorteile
zu machen, was für ein unglückliches Leben jemand führen muss, für den der simple Eigentümerwechsel eines Unternehmens zum glücklichsten Tag des Lebens wird, will mich damit aber nicht länger aufhalten. Die interessantere Frage ist, ob die räuberischen Privatisierungen der Ära Schüssel nur mit der besonderen Korruptionsanfälligkeit seines Kabinetts zusammenhingen oder ob diese Form des Glücksrittertums nicht der eigentliche Zweck von Privatisierungen ist. Denn die Privatisierung öffentlicher Aufgaben bringt primär einmal einer Gruppe an Menschen sehr viel Geld: Investoren, Consultern, Anwaltskanzleien, Matchmakern, die die Deals einfädeln, und den Freunderln, denen die Vermögenswerte zugeschanzt werden. Privatisierung ist fast immer Korruption, nur ist sie meist legal. Der ehemalige deutsche Gesundheitsminister Philipp Rösler holte einen Spitzenmanager des Verbandes Privater Krankenversicherungen als Leiter der Grundsatzabteilung in sein Ministerium. Das deutsche Wirtschaftsministerium ließ das Bankenrettungsgesetz von einer Anwaltskanzlei schreiben, die primär für Banken arbeitet.
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Große Anwaltskanzleien wickeln Privatisierungen ab, Consultingfirmen beraten Regierungen und stellen sogar zeitlich befristete Beschäftigte für öffentliche Bürokratien, Lobbyisten sitzen in Aufsichtsräten. Das heißt: Der Staat wird von privaten Konzerninteressen gekapert. Die amerikanische Wissenschaftlerin Janine R. Wedel hat für ihr Buch „Shadow Elite“ ursprünglich die korrupten Privatisierungen in Osteuropa nach 1989 recherchiert. Im Zuge der Recherche fand sie heraus, dass die damals entwickelten Praktiken später auch im Rest der Welt Nachahmung gefunden haben. „Die Korruption hat ihr Gesicht verändert“, sagt sie jetzt. „Es ist eine neue Form der Machtorganisation entstanden und damit auch eine neue Form von Korruption. Es gibt eine neue Gruppe von Akteuren, die ich die ,Schatten-Elite‘ nenne. Die ,Mover und Shaker‘, die beispielsweise ein Consulting-Unternehmen haben, oder mit einem Think-Tank verbunden sind, die sich einen Namen als TV-Experten machen und Posten als Regierungsberater bekommen und die sogar für begrenzte Zeit Regierungsposten annehmen. Aber sie haben eigentlich keine Loyalität zu den Institutionen, für die sie zeitweise arbeiten, sondern nur ihren Netzwerken gegenüber.“ Diese Korruption wird aber nur durch das Outsourcing von Regierungsaufgaben an Private und durch die Privatisierung von staatlichen Leistungen ermöglicht. „Nicht die ökonomische ,Allmacht des Staates‘ ist die Quelle heutiger Korruption, sondern die Verschiebung der Macht vom Öffentlichen zum Privaten.“ Oder simpel gesagt: Nicht die Tatsache, dass der österreichische Staat Bundeswohnungen besitzt, öffnete der Korruption Tür und Tor – die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft korrupten Machenschaften begannen erst, als er sie privatisierte. F
10.01.2017 13:28:18 Uhr