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E. Möller · Über große Dächer – „Die fünfte Ansicht“

pel baut daher auf dem Prinzip regelmäßiger Polyeder auf. Sie wird bis heute als Museum genutzt. Sehr viel beschwingter wiederum war die Form des Deutschen Pavillons von Frei Otto, Rolf Gutbrod und Fritz Leonhardt auf derselben Weltausstellung. Dessen Dach­ tragwerk nahmen sich die Architekten der Münchner Olympiadächer (1969–1972) im Büro Behnisch und Part­ ner zum Vorbild. Mit einem 34 500 m2 großen, leichten Stahl-Seilnetz überspannten sie die Haupttribüne des Sta­ dions, unterstützt von Frei Otto und den Ingenieuren im Büro Leonhardt und Andrä um den jungen Projektleiter Jörg Schlaich. Anhand der Londoner Waterloo Station (1991–1993), der Zentralen Glashalle der neuen Messe Leipzig (1993– 1996, Bild 5), der Reichstagskuppel in Berlin (1997–1999, Bild 6), dem Terminal 3 des Stuttgarter Flughafens (2000– 2004), dem New Bangkok International Airport (2001– 2006) und dem Cinema Center in Busan (2006–2012) prä­ sentiert die Ausstellung weitere große Dachkonstruktio­ nen aus Stahl.

Bild 7.  Multihalle Mannheim (1975), Mutschler und Langner, Frei Otto, Buro Happold (Foto: Eberhard Möller) Fig. 7.  Mannheim Multihalle (1975), Mutschler und Langner, Frei Otto, Buro Happold

2.5 Membrandächer Der Einsatz textiler, zugbeanspruchter Membranen zur Eindeckung von Tragwerken führt zu weiteren Einsparun­ gen beim Eigengewicht der Bauten. An Projekten wie den Zeltdächern des Hajj Terminals in Jeddah (1981–1982), den Tribünendächern des Moses Mabhida Stadium im süd­ afrikanischen Durban (2006–2009) und den Großschir­ men für die Moschee des Propheten in Medina (2011) wird diese Leichtbauweise eindrucksvoll demonstriert. Frei Otto trug mit seinen Forschungen und Entwicklungen wesent­ lich dazu bei, Membranbauten auf jenes neue architekto­ nische wie konstruktive Niveau zu heben, das diese Bau­ ten repräsentieren.

2.6  Moderne Holzkonstruktionen Große Dächer, die einen der ältesten Baustoffe der Menschheit nutzen, runden die Ausstellung ab. Kaum ein anderes Material hat solch zukunftsfähige Potentiale wie das Holz, das selbstständig nachwächst und dabei CO2 bindet, das sowohl leicht zu transportieren als auch zu be­ arbeiten, das so kostengünstig wie leistungsfähig ist. Lediglich ein doppeltes Lattengitter aus je 5 × 5 cm dicken Hölzern benötigte Frei Otto, um 1975 eine Mehr­ zweckhalle auf der Bundesgartenschau in Mannheim zu überdachen. Die Spannweite der Multihalle (1973–1975, Bild 7) beträgt dabei bis zu 60 m, weit mehr also als beim Pantheon in Rom, und das mit einem Bruchteil an Mate­ rialaufwand. Leider ist dieses Monument des Leichtbaus aktuell vom Abriss bedroht. Neben einer Fortbildungsakademie auf dem Gelände der Zeche Mont Cenis in Herne (1997–1999) beeindru­ cken zwei Holzbauprojekte unseres digitalen Zeitalters. In der andalusischen Hauptstadt Sevilla überragt eine Holz­ skulptur des Berliner Architekten Jürgen Mayer H. und der Ingenieure von Arup seit 2011 die historische Altstadt. Der begehbare Sonnenschirm über dem ehemaligen Mercado Central lockt mit seiner Länge von 150 m, seiner Breite von 75 m und seiner Höhe von bis zu 28 m Menschen aus allen Teilen der Welt nach Sevilla. Verleimte, beschichtete

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Bild 8.  Metropol Parasol, Sevilla (2011), J. Mayer H. ­Architects, ARUP, Modell (Foto: Eberhard Möller) Fig. 8.  Metropol Parasol, Seville (2011), J. Mayer H. ­Architects, ARUP, model

Furnierholzschichtplatten im Raster von 1,5 m × 1,5 m bil­ den das markante Traggerüst des Metropol Parasol (2004– 2011, Bilder 8 und 9). Ein vergleichsweise kleines Projekt ist schließlich die Autobahnkirche Siegerland von schneider + schumacher sowie B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH (2009–2013, Bild 10). In grellem Weiß erstrahlt die zackige Form in hügeliger Landschaft, dem Logo des Verkehrs­ schildes nachempfunden. Ganz anders erleben die Besu­ cher dann den Innenraum. Gelbliche Oberlichter tauchen die Holzrippen des digital geplanten und zugeschnittenen, höhlenartigen Innenraums in warmes Licht.

3  Die Ausstellung Die gut 30 spannenden Projekte der Ausstellung „Die fünfte Ansicht – von Gewölben, Schalen, Kuppeln, Dä­ chern und ihren Ingenieuren“ vermitteln einen umfassen­


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