Louisa Marie Summer: A Series of Life

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Louisa Marie Summer A Series of Life


A SERIES OF LIFE Louisa Marie Summer (geb. 1983) studierte Fotodesign in ihrer Heimat-

Louisa Marie Summer erkundet die Grenzen zwischen künstlerischer und

stadt München und absolvierte ihren Master of Fine Arts in Photography

dokumentarischer Fotografie, zwischen Porträt- und Landschaftsaufnahmen

an der Rhode Island School of Design, Providence, RI, USA. Nach vielen

immer wieder von Neuem. Dabei ist es ihr wichtig, dass die Fotos auch

Jahren in New York lebt sie nun in Berlin. Louisa Marie Summer erhielt

eine sozialkritische Ebene adressieren, die gleichwertig neben ästhetischen

zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Ihr Werk wurde in Einzelaus-

Gesichtspunkten steht. Geprägt von einer möglichst distanzlosen Annähe-

stellungen u.a. in Ankara (Goethe-Institut), Kent, CT (Ober Gallery),

rung an die dargestellten Personen und der sie umgebenden Umwelt und/

München (Galerie Edition Camos), Talinn (Photography Museum) und in

oder Natur veranschaulichen die Fotografien von Louisa Marie Summer fast

Viernheim (Kunstverein) sowie in Gruppenausstellungen u.a. in Norwegen

szenisch erfahrbare Situationen – über den Bildausschnitt hinaus. Mit spür-

(Sunnhordland Museum, Halsnøy), Südkorea (Sejong Museum of Art,

barer Leichtigkeit erzählen die Aufnahmen aus dem Leben der Abgebildeten,

Gongju) und USA (VII Gallery New York und Photographic Resource Center

zeigen Menschen voller Hoffnung oder gezeichnet vom Verlust der Utopien.

Boston) gezeigt. In den USA entstand ihre vielbeachtete Fotoserie

Zugleich stellen die Arbeiten die Frage, was es bedeutet, das ‚Jetzt‘ in der

Jennifer’s Family. Über zwei Jahre dokumentierte sie das Leben un-

Fotografie zu denken. Ermöglicht das fotografische Abbild eine Erfahrung

terhalb der Armutsgrenze von Jennifer, einer jungen Frau mit puerto-

von Gegenwärtigkeit? Kann die Zeitlichkeit eines Lebenslaufs, einer kom-

ricanischen Wurzeln, und ihrer Familie, die in zweiter Generation in South

plexen Situation oder Erfahrung auf die Präsenz einer Fotografie reduziert

Providence, Rhode Island, lebt. Im Verlauf der Zeit wurde die Fotografin

werden? Fotografie ist eine Kunstform, die an die Konzepte von Zeitlichkeit

in die Familie integriert und konnte vielschichtige intime Portraits der

und Vergänglichkeit gebunden ist.

Familienmitglieder schaffen. Die Fotoserie wurde international mehrfach ausgestellt und bei Schilt Publishing (Niederlande) 2012 in Buchform und

Dies zeigt auch zum Beispiel der französische Künstler Christian Boltanski,

auf u.a. sueddeutsche.de publiziert. Louisa Marie Summer ist an zahlrei-

der mit Fotos als Fundstücken arbeitet. In seinem Oeuvre ist das Erinnern

chen weltweiten Projekten des Goethe-Instituts beteiligt und arbeitet u.a.

eng mit dem Vergessen verbunden; beides zusammen organisiert in wech-

für die New York Times und das Wallstreet Journal.

selnden Rhythmen sein Schaffen; noch viel mehr: Das zeitweilige Verschwin-


den von Ereignissen, Menschen, Erinnerungen ist eine Voraussetzung dafür.

ohne Beachtung der Kamera nur ‚da‘ sind. Einerseits zeigen die Porträts

Alexander Kluge, beide zur zweiten Generation der Frankfurter Schule ge-

Der dem Werk inhärente Memoria-Begriff ist kein direkter Zugriff auf Wissen,

und festgehaltenen Situationen eine gewisse Lebensfreude, andererseits

hörend, in ihrem Buch mit dem programmatischen Titel Geschichte und Eigen-

sondern gleicht der Figur einer Wiederholung oder Wiedererkennung. Dabei

tragen sie häufig auch einen Schatten oder ein Geheimnis in sich – oder wie

sinn (1981). In der Fotoserie über die katarischen Frauen wird die ‚große‘

ist ein gewisser zeitlicher Abstand unabdingbar. Boltanski benutzt den Be-

Leonard Cohen es ausdrückte: „There’s a crack in everything / That’s how the

Ereignisgeschichte ‚Orient’ mit der ‚kleinen‘ Erlebnisgeschichte des Individuums

griff „universal memory“. Dies bedeutet, dass Erinnern und Vergessen sich

light gets in.“ In diesem Zusammenhang kann man auch an Susan Sontags

verbunden. Im Zentrum steht dabei die Emanzipation, das heißt, das Ausbrechen

nicht in diametraler Opposition gegenüberstehen: Er ver-misst den Raum

Buch On Photography denken, in dem sie 1973 schreibt: „all photographs are

aus repressiven, von oben nach unten gesteuerten Lebensverhältnissen.

zwischen diesen Polen, die Verschränkungen und Überlappungen. „Bei die-

memento mori.“ Eine Person zu fotografieren bedeutet häufig, diese in ihrer

Dies ist ein nicht-linear verlaufender, andauernder Prozess. Die Aufnahmen

ser Ausleuchtung zeigt sich ein differenziertes Spektrum mit Abstufungen,

Verletzlichkeit und Sterblichkeit zu präsentieren. Das fotografische Einfrieren

geben einen Hinweis darauf, wie die Fortschreibung dieser Aufbruchs-Momente

Schattierungen und schleichenden Übergängen zwischen dem Vordergrund

eines spezifischen Moments vermittelt in hohem Maße das Verrinnen der Zeit.

in Richtung Zukunft verlaufen könnte. Von Aufbrüchen als Suche nach Identität

des Bewussten und dem Hintergrund des Nicht-Bewussten und Unbewuss-

Die Aufnahmen holen etwas in die Gegenwart hinein oder lassen sich auf

ist auch die neue Serie Frauenbilder gekennzeichnet, die unterschiedliche

ten“ (Aleida Assmann). Eine ähnliche Erfahrung macht der Betrachter der

etwas ein, was vorübergehend oder längere Zeit nicht Gegenstand der Auf-

Konzepte des Weiblichen im gegenwärtigen Ankara (Türkei) beschreibt und

Fotografien von Louisa Marie Summer: Das dargestellte Sujet transportiert

merksamkeit, des Wissens oder des aktiven Bewusstseins war.

damit eine optische Fortsetzung von Behind the Veil ist. Zugleich ergänzt

auch Fragmente des Nicht-Bewussten und Unbewussten an die Oberfläche. Damit wird ein Archive of Life erschaffen.

wie kontrastiert werden diese Frauenbilder von Aufnahmen (männlicher) Das Dazwischen von Beachtung und Nicht-Beachtung der Kamera ist auch ein

Gastarbeiter in Doha (Katar), die in der reichen Wüstenstadt, sozial ausge-

wesentliches Strukturelement der in Katar entstandenen Serie Behind the

grenzt und in Msheireb, der Altstadt Dohas verbannt, ein Leben am Rand der

Die Serie Halsnøy Island entstand auf der gleichnamigen Insel im Südwes-

Veil. Bei dem fotografischen Blick hinter den Schleier werden einige vermeint-

Gesellschaft führen.

ten Norwegens. In dieser Naturidylle leben die Menschen scheinbar in Einklang

liche Gewissheiten in Frage gestellt. Diese Infragestellungen sind ein Projekt

mit ihrer Umgebung und üben archaische Tätigkeiten als Fischer, Bauer oder

unserer Kultur; sie sollen vorübergehende Eindrücke in dauerhafte Erkenntnis

Schiffbauer aus. Die Familien existieren oft seit Generationen auf der Insel

verwandeln. „Die Voraussetzungen für solche Transsubstantiationen scheinen

und das Gefühl der Gemeinschaft ist sehr ausgeprägt. Zahlreiche Geschich-

trotz wachsender Speicherkapazität immer mehr zu schwinden“ (Aleida

ten, Mythen und Geheimnisse umgeben diesen Ort, an dem Zeit stillzuste-

Assmann). Im Zentrum von Behind the Veil steht – wie häufig bei Louisa Marie

hen scheint. Die Porträts der Inselbewohner und die Aufnahmen ihres Alltags

Summer – der Mensch (in diesem Fall vor allem die Frau). „Ein Mensch hat eine

spiegeln diesen Zustand wider – ob sie gerade für die Kamera posieren oder

Geschichte, d.h. er kollidiert mit der Geschichte“, schreiben Oskar Negt und

Andreas Backoefer

Fischverkäufer aus der Serie Halsnøy Island, Norwegen 2016, Archival Inkjet Print, 75 x 50 cm


Halsnøy Island

Blick aus dem Wohnzimmer I Nach der Jagd I Im Halsnøy Kloster Norwegen 2016, Archival Inkjet Print, 75 x 50 cm


Halsnøy Island

Frau des Werftbesitzers I Phantasiewelt Norwegen 2016, Archival Inkjet Print, 75 x 50 cm


At Home Abroad

Freizeit I Altstadt I Morgenroutine Doha, Katar 2017, Archival Inkjet Print, 60 x 40 cm


behind the veil

Junge MĂźtter I Frauenbereich I Auf dem Weg zum Feiern Doha, Katar 2017, Archival Inkjet Print, 60 x 40 cm


behind the veil

Familie I KĂźnstlerin Doha, Katar 2017, Archival Inkjet Print, 60 x 40 cm


frauenbilder

In der U-Bahn I Mutter & Tochter I Blick in den Spiegel Ankara, TĂźrkei 2018, Archival Inkjet Print, 60 x 40 cm


Einzelausstellungen 2019 Galerie des Vereins für schöne Künste, Andana, Türkei Frauenbilder 2018 Goethe-Institut Galerie, Ankara, Türkei Frauenbilder

Ferding’s, München, Deutschland Black and Color

2017 Kreenholm Fabrik, Narva, Estland Grenzgänge 2016 Fotomuseum Tallinn, Estland Grenzgänge

Ober Gallery, Kent, CT, USA What Remains of The Future – Siberia

Erasmi & Stein, München, Deutschland What Remains of The Future – Siberia

Kunstverein Viernheim, Deutschland Jennifer’s Family

Galerie Edition Camos, München, Deutschland Brazil – up close 2015 Kunstverein Bobingen, Deutschland Certain Places 2013 -2015 Ausschuss der Regionen, Brüssel, Belgien Centro Riojano in Madrid, Spanien La Casa de la Imagen, Logroño, La Rioja, Spanien A Tale of Two Villages

2013 CNA - Centre National de l’Audiovisuel, Dudelange, Luxembourg Jennifer’s Family und Respect Goes a Long Way 2012 Imago Fotokunst, Berlin, Deutschland Jennifer’s Family

Ober Gallery, Kent, CT, USA Jennifer’s Family

Bar Antiquariat, München, Deutschland Dress Up

Ausgewählte Gruppenausstellungen 2017 Kunsthalle Tallinn, Estland Global Control and Censorship – Border Flights

Sunnhordland Museum, Halsnøy, Norwegen Faces of Halsnøy Island

Sejong Kunstmuseum, Gongju, Südkorea Gwanghwamun International Art Festival

2016- 2017 THE FENCE, Brooklyn (NY), Boston (MA), Atlanta (GA), Houston (TX), Santa Fe (NM) and Denver (CO), USA Along Federal Highway ‘Amur’ Through the Russian Far East

2014 Phenox-Hallen Hamburg-Harburg, Deutschland P/ART producers artfair 2013 Alexander Garden und Russian Museum, St Petersburg, Russland The Russian Moment – 20 World’s Leading Photographers’ Expedition

The Granary, Sharon, CT, USA The Distaff Side

2011 The Active Space, Brooklyn, NY, USA All Your Art Are Belong to Us

Centre Culturel de Rencontre Abbaye de Neumünster Luxembourg A different Luxembourg

Spéos Gallery, Paris, Frankreich VII Galerie, New York, NY, USA Lens Culture International Exposure Awards

EXPOSURE: The 14th Annual PRC Juried Exhibition

Sol Koffler Galerie, Providence, RI, USA Facing Expectations

Nash Gallery, Minneapolis, MN, USA North American Graduate Art Survey

2008 Haus der Gegenwart, Süddeutsche Zeitung, München, Deutschland Beam me up

Landeshauptstadt München Kommunalreferat, München, Deutschland European in Munich

Ausgewählte öffentliche und private Sammlungen Melva Bucksbaum und Raymond Learsy Sammlung, Sharon, CT, USA

2010 Sejong Culture Center, Seoul, Südkorea Gwanghwamoon International Art Festival 2010

CNA – Centre National de l’Audiovisuel, Fotografie Archiv, Dudelange, Luxemburg

Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, PA, USA

RISD Archiv, Spezialsammlung, Providence, RI, USA

Harvard Art Museums, Sammlungen, Cambridge, MA, USA

Gallery Kayafas, Boston, MA, USA Danziger Projects, New York, NY, USA RISD 2010 Photography MFA Graduate Show

2015-2016 Historisches Zentrum Wilson, NC, USA Eyes on Main Street

2009 Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst, München, Deutschland Heimat auf Zeit: Fotografien aus den Rummelsberger Anstalten

2015 Space Debris Art, Istanbul, Türkei Water Memory

U1: Werftbesitzer I U2: Abendstimmung I U3: Am Meer aus der Serie Halsnøy Island Norwegen 2016, Archival Inkjet Print, 120 x 80 cm, 75 x 50 cm

Photographic Resource Center, Boston, MA, USA

Fachhochschule München, Fachbereich Design, München, Deutscland


info@kunst-galerie-fuerth.de www.kunst-galerie-fuerth.de

Louisa Marie Summer – A Series of Life vom 9.3. bis zum 21.4.2019 in der kunst galerie fürth

Mit großzügiger Unterstützung durch:

förderkreis der kunst galerie fürth


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