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Schließlich dann dazu der packende Gegensatz des wiederkehrenden Themas, das im fahlen Licht der Höhe entblößt ist. Nach der scharfen Dissonanz der vorletzten Takte löst sich die Musik auf, zerstreut sich in entgegengesetzte Richtungen, die rechte Hand ganz nach oben, die linke zu den zwei einsamen d, die den pizzicati eines Kontrabasses ähnlich sind. Welche wohltuende Frische geht von der ganz schlichten und klaren Melodie des Menuettos (Allegro) aus, einem der letzten wirklichen Menuette, die man in Beethovens Sonaten findet, eine Melodie, deren unerwartete Verwandtschaft mit einer Melodie aus einer komischen Oper Dalayracs unterstrichen wurde, nämlich „Veillons au salut de l’Empire“, eine Hymne, die Napoleon statt der Marseillaise durchsetzte. Das kurze, kräftige Trio ohne Wiederholungen stammt auch aus einem Motiv dieses Lieds und kultiviert den Gegensatz der Stimmhöhen durch Übergreifen der Hände, wie Beethoven es damals liebte. Czerny bezeugt, dass im Finale, Rondo (Allegro), ziemlich gut Beethovens Art zu improvisieren dargestellt werde, wobei ihm einige Einzelnoten genügten, um ein ganzes Stück dieser Art zu schaffen. Überraschend ist die gelöste Schlichtheit dieses Stücks voller Orgelpunkte und Verzögerungen, das jede allzu scharfe Aussage meidet. So hat im von Pausen unterbrochenen Refrainthema nur das zweite Motiv einen entschiedeneren Charakter. Das erste Couplet geht nur vorüber, und seine melodische Chromatik legt sich nicht fest. Das zweite, ausgeprägtere, kontrastiert durch seinen stärkeren Ausdruck und seine Modulationen zu den b-Tonarten. Nach dem dritten Couplet, einer echten Fortführung des Anfangsthemas, bringt die Coda zunächst eine kurze, rein harmonische Episode, danach verbindet sich das Motiv des Refrains mit chromatischen Läufen, die an das erste Couplet erinnern, danach der friedliche, im Pianissimo der tiefen Lage ersterbende Schluss. Die beiden frischen und idyllischen Sonaten des Opus 14 zählen zu den innerlichsten und bescheidensten ihres Autors. Man täte sehr Unrecht daran, diesen vergnügten und glücklichen Beethoven zu unterschätzen, der noch der Ästhetik Haydns und Mozarts nahesteht. Sie wurden 1796 entworfen – wobei die zweite etwas vor der ersten entstanden zu sein scheint – und spätestens 1799 fertiggestellt. Sie erschienen am Ende jenes Jahres mit einer Widmung an die Baronin von Braun. Beethoven hielt sie bei weitem nicht für nebensächlich. Zeitlich in der Nähe der Pathétique stehend sind die Stücke jedoch völlig andersartig. Als die lachende und unbekümmerte Schwester der Sonate in E-Dur beginnt die Sonate Nr. 9 E-Dur op. 14 Nr. 1, die ohne jegliche Dunkelheit ist, mit einer schlichten und


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