Seniorenzeitung Köpenick #3, 2013

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Es klappert! Auf einer philosophischen Ebene kann man sich die Frage stellen, wieso eigentlich alle möglichen analogen Dinge von digitalen Nachfolgern abgelöst werden, deren Hauptgestaltungsmerkmal dann darin besteht, die Ästhetik der analogen Vorläufer nachzuahmen: Wetterkarten und Uhren im Fernsehen sind ein Beispiel dafür, die Rundfunk-App des Mobiltelefons ein anderes, und es gibt noch viele weitere. Stets wird die Erscheinungsform des technischen Vorläufers mit erheblichem Aufwand digital nachgeformt. Die Antwort ist einfach: Man macht es, weil diese Dinge liebgewonnen sind und weil ihre Ausstrahlung

KÖPENICKER SENIORENZEITUNG 3-2013

stabentasten melodisch unterbrechen. Der zweite Vorteil der Simulatoren gegenüber richtigen Schreibmaschinen liegt darin, dass man den Klang abschalten kann, wenn man etwa fernsprechen möchte oder eine Zeit lang Ruhe haben will. Drittens läßt sich die Lautstärke regeln: Jeder kann die Hintergrundgeräusche an seine persönlichen Vorlieben anpassen. Schon bei geringer Lautstärke vermitteln die Klänge dem Schreibenden, dass sein Tastenanschlag etwas bewirkt. Das diesbezügliche Vakuum des stummen Rechners wurde beim Abschied von der Schreibmaschine sehr beklagt. Beim Abfassen längerer Texte haben sich die vertrauten Klangkulissen als angenehm erwiesen. Es kann für den Schreibenden Sinnvoll sein, jeden Tastendruck durch ein leises Geräusch beantwortet zu bekommen. Man merkt wieder, dass der Text irgendwo ankommt und weiterverarbeitet wird. Durch die akustische Rückmeldung kann man auch mit den Ohren kontrollieren, ob etwa ein Buchstabe nicht richtig angeschlagen wurde. Nur nebenbei: Mit Hilfe der künstlichen Geräusche kann man seiner Umgebung endlich wieder einen akustischen Eindruck davon vermitteln, dass man gerade am Arbeiten ist. Und Büros können nun wieder nach Geschäftigkeit klingen. Die aktuellen Simulatoren sind: • Talking Keys • Keyboard Sounder • Funny Typing • Tiper • Acekeyboard • Sound Pilot • Qwertick. Diese Programme la ssen sich auf www.softseek.com mit dem Suchwort Typewriter leicht finden.

Beständigkeit verkörpert. So neuerungsversessen, wie man meinen will, ist der Mensch doch gar nicht. Er möchte, dass die Dinge so bleiben, wie er sie kennt. Und deshalb ist es einfach angenehm, beim Schreiben am Rechner den Klang einer Schreibmaschine zu hören. Drei Vorteile bringt Einzelbuchstaben diese synthetische Klangwelt mit sich: Erstens lassen sich die Klangdateien beliebig ändern, so dass man ohne weiteres „elektrische" oder „mechanische" Geräusche erzeugen kann. Das mögen Spielereien sein, eröffnet jedoch auch die Möglichkeit, Töne zu entfernen, mit denen man sich nicht anfreunden kann. Besonders f ür die Leertaste, für „Enter", für die Rücksteil- und für die Umschalttaste sind gefällige Klänge gefragt, die den Rhythmus der Buch-

Gerd Jandke

Ewige Stadt? Der römische Gott Jupiter soll der Stadt die Ewigkeit versprochen haben. So beschreibt es der römische Historiker Virgil (70-19 v. Chr.) in der Anäis, einem Buch zur Vorgeschichte und Bedeutung Roms. Das Buch gilt als Nationalepos, verständlich, denn der Gott verspricht den Römern, dass es ihre Kunst sei, die Welt zu regieren, Völkern Friedensgesetze zu geben, Besiegte zu schonen und Stolze zu beugen. Auch später bezeichneten andere Autoren wie der Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus (ca. 30 bis 391 n. Chr.) in seiner Lebensanalogie die Ewigkeit der Stadt. Sie habe bei ihrer Gründung den Bund für Frieden geschlossen und Rom werde es geben solange Menschen leben. Vor allem aber wird Rom wohl wegen seiner großen Rolle in der Antike als ewige Stadt bezeichnet. Quelle: Freie Presse/git

Kapriolen schlagen? Kapriolen schlagen – was bedeutet das? Das Wort caper bedeutet im Lateinischen Bock. Davon abgeleitet bezeichneten sich italienische Tänzer und Artisten bereits im 16. Jahrhundert als capro, ihre kunstvollen Sprünge als caprioli. Ähnliche Künstler fanden so für ihre Sprünge das Wort Kapriolen. Heute bezeichnet man eher Flausen oder Launen mit diesem Wort. git

Sütterlin siegte (siehe links) Inzwischen haben Leser bemerkt, wie notwendig es ist, dass die Groß- und Urgroßeltern wichtige Familiendokumente, Tagebücher oder alte Briefe aus dem Sütterlin übersetzen, damit sie nicht verloren gehen, weil die Enkel sie nicht mehr lesen können. Wer war eigentlich Sütterlin und wie kam es zu seiner Schrift? Um 1880 und später schrieb man in Deutschland neben der lateinischen eine Schrift, die sich Kurrent nannte. Lange Buchstaben kennzeichneten sie und sehr schräg wurde sie geschrieben. Das führte bei den Schülern zu schlechter Körperhaltung und Kurzsichtigkeit, Ärzte und Lehrer warnten. So wurde der Ruf nach einer neuen Schriftform immer lauter. Sie sollte einfach und gerade sein. Mehr als ein Dutzend Reformer traten auf den Plan, Sütterlin setzte sich durch. Der Grafiker Ludwig Sütterlin starb 1917, aber er erlebte noch, wie seine Schrift in den Schulen probeweise eingeführte wurde. Es klingt grotesk: Als Hitler halb Europa erobert hatte und Weltherrschaftspläne hegte, war plötzlich die deutsche Sütterlinschrift im Wege. Latein wurde als „Deutsche Normalschrift“ eingeführt.


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