Manufaktur gegen Schmiede Zwei Kochmesser – eines mit dem Label des Kochs Andreas Caminada, eines vom Dorfschmied Thomas Lampert aus Lavin. Eines aus einer Manufaktur, das andere aus der Unterengadiner Werkstatt. Eine Designkritik und ein Praxistest.
Text: Köbi Gantenbein Foto: Thomas Rousset
Z
wei neuere Beiträge zur Designgeschichte
tet ». Die Messerfabrik Güde aus Solingen – sie wirbt
Graubündens sind bemerkenswert: Der Koch
mit dem Begriff «Handwerk» – stellt das Messer aus
Andreas Caminada bewirtet im Domleschg auf
einem Stück Solinger Stahl her. Zu Hunderten läuft
seinem Schloss Schauenstein Gäste, die von weit her
es durch die ausgeklügelte Produktion. Glänzend
anreisen, um eine Mahlzeit zu zelebrieren. Sie kön-
poliertes Metall, die Klinge weitet sich auf zum
nen nach dem Schmaus nicht nur erlesene Lebens-
Schaft. Auf den Erl – das ist die Erweiterung der
mittel und schwarze Kochblusen, sondern auch
Klinge im Schaft – werden mit einem Acrylkleber
Messer kaufen. Hoffend wohl, dies helfe ihnen,
zwei Schalen aus schwarz eingefärbtem Eschenholz
ebenso zu kochen, wie Caminada es kann. Thomas
geklebt – ‹ spülmaschinenfest ›, wobei jeder Koch
Lampert, der Schmied von Guarda, stellt Treppen,
weiss: Ein solches Messer gehört nie in die Maschine.
Geländer und andere Bauteile aus Metall her – und
Wo der Griff in die Klinge übergeht, steht auf dessen
er schmiedet Messer. Eine ganze Messerfamilie hat
Rücken des Kochs Zeichen ‹ AC ›.
er in den Vitrinen seines Wohnhauses in Giarsun im
Thomas Lamperts Messer ruht in grauem Karton auf
Unterengadin versorgt. Lampert und Caminada ha-
einem Bett aus Heu. Die Klinge glänzt nur an der
ben beide den König des Messers in ihrem Angebot:
Wate – wie Köche die Schneide nennen –, sie bleibt
das Kochmesser. Was kann das eine, was das andere
eine roh belassene Form, zwei plastisch markante
nicht kann ?
Fichtenschalen umklammern den Schaft, vier Nie-
Die Augenprüfung
Dieser Text erschien zuerst in Hochparterre, Zeitschrift für Architektur und Design. April-Ausgabe 2016.
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ten verbinden das Holz mit dem Metall. Die Form einer Hand hat den hölzernen Griff bestimmt. Man
Andreas Caminadas Messer ruht in einem Bett aus
sieht das Messer und hört die Esse fauchen und den
schwarzem Schaumstoff in lindengrüner Schachtel.
Hammer schlagen – eine Melancholie, die der Hand-
Der Koch hat zusammen mit dem Werkstoffingeni-
werker ebenso geschickt inszeniert wie der Marke-
eur und Messerhändler Michael Bach « Produkt und
tingapparat hinter Koch Caminada mit seiner
Produktumfeld konzipiert, entwickelt und gestal-
durchwegs eleganten Welt.
piz 51 : Sommer | Stà 2016