Das Magazin des Deutschen Olympischen Sportbundes, Ausgabe 4/2012

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18 [ Flutlicht ] Faktor Sport det sich laut Gladwell im europäischen Fußball: Eine Stichprobe für die britische Premier League, wo der Stichtag am 1. September liegt, bestätigt die These, ebenfalls eine Analyse der tschechischen Jugendnationalmannschaft.

spieler dagegen ist in hohem Maß vom Zusammenspiel in seinem Team, von der Stärke des Gegners und vom Zufall abhängig, der auch mal einen schwachen Torschuss abgefälscht im Tor landen lässt.

Wenn diese davon abwichen, waren dafür der Zufall oder die Tagesform verantwortlich. Das Ergebnis: Bei gut 44 Prozent der Partien gewannen nicht die Mannschaften, von denen man es erwartet hatte.

Aber selbst wer Top-Sportler ist, muss akzeptieren, dass seine weitere Karriere nicht allein vom Training abhängt, sondern ebenso vom Zufall. Wenngleich große Unterschiede zwischen den Disziplinen existieren, vor allem zwischen Einzel- und Mannschaftssportarten: Ein Gewichtheber kann seine im Training erreichten Leistungen relativ sicher auch im Wettkampf abrufen. Ein Fußball-

Welche Rolle Glück und Pech spielen, geht aus der Studie „Der Faktor Zufall im Fußball“ des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts hervor. Grundlage waren die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga aus der Saison 2007/08. Dafür wurden Daten eines Wettanbieters herangezogen, mit der methodischen Annahme, dass die Wettquoten die zu erwartenden Ergebnisse ausdrücken.

Die Studienautoren Jörn Quitzau und Henning Vöpel weisen ausdrücklich darauf hin, dass Zufall im Sport durchaus wünschenswert ist, wenn sein Einfluss nicht allzu stark wird: „Für den Fan ist es wichtig, dass eine Balance besteht zwischen dem Ausmaß an Zufall, der Spannung bedeutet, und dem Grad an Ergebnisgerechtigkeit, der am Ende einen angemessenen Sieger garantiert.“ ]

„DER EINZELNE RAGT WENIGER HERAUS“ Der Kulturwissenschaftler Michael Gamper über Herkunft und Wandlung des scheinbar so vertrauten Begriffes „Erfolg“ und das Schweizer Verständnis, wie Sportstars aufzutreten haben. INTERVIEW: MARCUS MEYER

H

err Gamper, Erfolg ist zu einer Leitwährung im Sport geworden. Woher kommt der Begriff? Wortgeschichtlich betrachtet bedeu-

tet er zunächst nicht mehr, als dass ein Ereignis entsprechende Folgen erzeugt hat. Später hat er die Bedeutung angenommen, dass es eine gelungene Handlung mit positivem Ausgang sein muss, also die Ziele erreicht werden.

Das klingt nach einem unspektakulären Perspektivwechsel. Ja, aber es gibt einen zweiten Aspekt, nämlich die Frage, wer diese Ziele setzt. Ob sie fremdbestimmt oder ob es selbst gesetzte Ziele sind. Diese Unterscheidung ist für die Geschichte des Sports entscheidend. Wenn man auf die Entwicklung des Olympismus zurückschaut, gab es zunächst beide Aspekte parallel. Bei Coubertin etwa die eigene Nation, die sich durchsetzen kann gegenüber anderen, und zugleich das Moment, dass das Individuum sich selbst überwindet und darin seinen Erfolg sieht. Etwas sehr Persönliches also.

zierung dieser beiden Bereiche stattgefunden hat, zunächst in der Gesellschaft, später im Sport. Der persönliche Leistungsaspekt ist im Breitensport in den Mittelpunkt gerückt und drückt sich etwa im Boom der breitensportlichen Ausdauerwettbewerbe aus, im Marathonlaufen, in Triathlon-Wettbewerben oder in Jedermann-Fahrradrennen, wo der Erfolg darin besteht, dass jeder für sich selbst gesetzte Leistungsziele erreicht und den „inneren Schweinehund“ überwindet. Im Leistungssport hingegen sind die Ziele im Wesentlichen allgemeinverbindlich formuliert; es geht um Siege und Rekorde.

Mit welchen Folgen? Der Druck, die von außen gesetzten Ziele zu erreichen, ist im professionalisierten Leistungssport viel größer geworden. Zugleich sind die von Coubertin und im Olympismus genannten ethischen Ziele in den Hintergrund getreten. Wenn es im professionalisierten Sport um die Existenz geht, müssen die fremdgesetzten Ziele mit allen Mitteln erreicht werden, unter Umständen auch mit Doping.

Wann hat sich das Verständnis von Erfolg gewandelt? Ich würde

Wie erklären Sie sich die Verschiebung? Durch die gewachsene gesell-

sagen, dass seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine Ausdifferen-

schaftliche Relevanz des Sports, die auch zu Fremdbestimmung ge-


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