Diskurs 10 - Demokratie

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Themenschwerpunkt „Demokratie: wissen, erfahren, erleben.“


Autorinnen / Autoren Univ. Prof. Dr. Anton Pelinka, 1975 - 2006 Professor für Politikwissenschaft, Uni Innsbruck, seit 2006 Professor of Nationalism Studies and Political Science, Central European University, Budapest Seite 04-06

Mag.a Maria Lettner, Referentin für Jugendpolitik im Büro der Bundesjugendvertretung (BJV) Seite 14-15

Mag.a Julia Moosmann, aha – Tipps & Infos für junge Leute, Leiterin des Projektes „Jugend & Politik“ Seite 10-11

Igor Mitschka, Schüler und Schulsprecher einer AHS in Wien; Obmann des überparteilichen SchülerInnenvereins „Coole Schule“, www.cooleschule.at Seite 22-23

Impressum Medieninhaber, Herausgeber: koje - Koordinationsbüro für Offene Jugendarbeit und Entwicklung, Bregenz und aha - Tipps & Infos für junge Leute, Dornbirn | Redaktionsleitung: Sabine Liebentritt Redaktionsteam: Margit Diem, Michael Rauch redaktion@jugend-diskurs.at | Lektorat: Margit Diem | Gestaltung & Illustrationen: chilidesign.at | Druck: Hugo Mayer GmbH, Dornbirn Finanzierung: Land Vorarlberg - Jugend Diskurs kostenlos bestellen: abo@jugend-diskurs.at

Im Diskurs haben Menschen als AutorInnen Gelegenheit, ihre Interpretationen von Zahlen und Fakten sowie persönliche Meinungen und Haltungen als redaktionellen Beitrag darzustellen. Hinweis: Allgemeine männliche Bezeichnungen im Diskurs inkludieren die weibliche Form.


Die ersten Worte Demokratie ist nicht Demokratie ist nicht Demokratie

04-06

jung sein ...

07-09

Ich bin wählerisch!

10-13

„Was geht mich die EU an“

14-15

Interviews mit jungen Menschen „Jugend & Politik“ – ein Angebot für Jugendliche, insbesondere für JungwählerInnen 16-Jährige stimmen erstmals auf EU-Ebene mit. Das geht auch die Jugendarbeit an.

Inhalt Kommentare

16-17

Diskurs stellt Fragen zur Diskussion

18-19

Demokratie unter Ausschluss der Jugend

20-21

Schule und Demokratie

22-23

Demokratie, Politik und Jugendarbeit

24-26

von Thomas Matt und Florian Arlt Statements von Dr.in Beate Grossegger und Heinz Wagner

Kinderrechte in Europa

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Politik für und mit jungen Menschen

Von der Hausbesetzung zum autonomen Kulturzentrum

Stationen eines aktiven Sich-Einmischens

28-29

Aus der Jugendarbeit

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Wissenswertes im www – eine Linksammlung

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Jugendprojektwettbewerb 2009

Jugendliche sind mündige, ernst zu nehmende, aktive und willkommene Mitwirkende in unserem gesellschaftlichen und politischen System – auch Demokratie genannt. Spätestens seit der Wahlaltersenkung haben junge Menschen als Zielgruppe für politische Partizipation an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewonnen. Sie sind potentielle WählerInnen, sie sind AdressatInnen von Botschaften, sie sind NutzerInnen von Angeboten, sie sind HoffnungsträgerInnen für „Jetzt-wird-allesanders–DenkerInnen“, sie sind Mahnmal für all das, was schiefgehen könnte. Sie sind reif genug und sie sind zu unreif. Sie wählen richtig und sie wählen falsch. Oder noch besser: sie wählen gar nicht und bestätigen dadurch die süffisante Zufriedenheit aller „Ich hab‘s ja immer schon gesagt“-DenkerInnen. Dass es zwischen diesen ganzen Blickwinkeln auch den jungen Menschen an sich gibt, wird in dieser Ausgabe des Diskurs sichtbar. Viel Spaß beim Erkennen, Nachdenken und Ernst-nehmen. Mag.a Sabine Liebentritt für das Redaktionsteam Das ist die letzte Ausgabe von Sabine Liebentritt als Redaktionsleiterin vom Diskurs.


Demokratie ist nicht Demokratie ist nicht Merle Bruhns/youthmedia.eu

Demokratie


05 … Wenn nur die Politik nicht wär’

Fragen wir doch junge Menschen in Österreich oder sonst wo in Europa: Demokratie ist mehr denn je die Vorstellung von all dem, wie alles sein sollte. Demokratie ist gerecht und garantiert die Freiheit. Demokratie würde alle, und speziell uns selbst glücklich machen – wenn, ja wenn nur die Demokratie, die wir haben, auch die Demokratie wäre, die wir uns wünschen; und von der wir meinen, dass sie die wahre, die richtige Demokratie ist. Wer hat schon etwas gegen die Demokratie. Nur: Irgendwie ist sie nie da, wenn wir näher dorthin schauen, wo sie – angeblich – zuhause ist: im Europäischen Parlament etwa, oder im Gemeinderat. In der Landesregierung etwa, oder in den Parteien. Demokratie, das ist wie der Friede: Man wünscht sie sich herbei, aber man glaubt nicht so recht, dass sie existiert; jedenfalls nicht überall; und, was die Demokratie betrifft, jedenfalls nicht bei uns. Was ist es nur, was die Demokratie zu einer so flüchtigen Schönheit macht? Das grundsätzlich Positive an der Demokratie ist ja offensichtlich leicht zu vermitteln: Meinungsfreiheit und freie Wahlen, Kritisieren Dürfen und „die da oben“ für korrupt und unfähig Erklären: Wer will schon diese Freiheit gegen ein Regime eintauschen, in dem Opposition verboten und mit Gefängnis bestraft wird. Doch wenn wir an das denken, was tagtäglich uns als Politik in der Demokratie entgegentritt – in unserer Demokratie, dann fallen uns rasch Worte ein wie „Kuhhandel“ und „Machtpolitik“ und „Sesselkleberei“. Das Alltagsgeschäft der Politik in der Gemeinde und im Land, im Bund und in der EU – das sehen wir eher als eine Abweichung von der Lehre des Wahren und Guten und Schönen; von dem, was wir mit Demokratie gleichsetzen.

Dass Politikerinnen und Politiker uns „aufs Maul schauen“, nur damit sie unsere Stimmen gewinnen, gefällt uns meistens gar nicht. Dass nach der Wahl Kompromisse geschlossen werden, die nicht dem entsprechen, was uns vor der Wahl in Aussicht gestellt wurde, das wird rasch mit dem Wort „Lüge“ abgestempelt. Dass die Menschen, die uns regieren, die – mit Berufung auf uns – Gesetze beschließen, immer wieder bei irgendwelchem Fehlerverhalten ertappt werden, das bestärkt uns in der Meinung, Politik sei eben doch etwas Schmutziges. Und daher neigen wir dazu, uns von dieser Politik zu verabschieden. Die Wahlbeteiligung sinkt, die Mitglieder laufen den Parteien und Gewerkschaften scharenweise davon. Ja, wenn die Demokratie funktionieren würde, da wäre doch alles ganz anders: Da gäbe es eine Begeisterung, die Parteien könnten sich des Mitgliederansturms nicht erwehren, und die Wahllokale müssten länger offen halten. Die Politik liefert uns jede Menge Gründe, uns nicht um sie kümmern zu müssen. Gründe – oder sind es nicht eher Vorwände, nicht nur zu oft Ausreden? Politik ist nicht schmutziger als andere Aktivitäten auch. Im Geschäftsleben und im Sport – wie steht es denn da mit der Wahrheit? Messen wir die Politik nicht mit anderen, strengeren Maßstäben als alle anderen Lebensbereiche? Da wir uns – im Regelfall – nicht von den Mühen der Arbeit in Schule und Universität, im Beruf und anderswo freimachen können, sind wir nur zu oft froh, dass wir an der Politik so viele

Pia-Theresa Luecker/youthmedia.

Demokratie an sich ist ja schön …


Realismus und Idealismus Was braucht es, um aus dieser Spirale auszubrechen; um die positive Einstellung zur Demokratie in eine Bereitschaft zur politischen Beteiligung zu verwandeln? Es braucht sicherlich einmal die Zerstörung des naiven Verständnisses von Demokratie und Politik. Demokratie, das ist nicht Herrschaftsfreiheit. Demokratie, das ist die Spiegelung dessen, was in der Gesellschaft existiert – also auch dessen, was uns bewegt oder was uns kalt lässt; auch dessen, was uns stört und was uns ärgert. Wenn die Mindestregeln der Demokratie gewährleistet sind – freie Wahlen und die Garantie der individuellen Grundrechte, dann haben wir die Politik, die das Resultat unseres Tuns oder Nicht-Tuns ist; dann

Viorel Dudau/youthphotos.eu

Gründe finden, um uns von den Mühen der Politik freizumachen: von der Mühe, sich zu informieren; von der Mühe, eine eigene Meinung zu bilden und diese auch zu vertreten. Sich von der Arbeit zu verabschieden – dafür wird man im Regelfall bestraft. Sich von der Politik zu verabschieden, das hingegen ist ohne Risiko. Kurzfristig zumindest. Denn langfristig nimmt man sich die – zugegeben: auf den ersten Blick jedenfalls nur kleine – Chance, mitreden zu können: bei der Gestaltung der Schule, bei der Ausstattung der Universität, beim Schutz der Umwelt, beim Einsatz für die Ärmsten dieser Welt, ja, und auch bei der Organisation des öffentlichen Nahverkehrs. Sich dafür zu interessieren, sich in diese Belange einzumischen – das ist mühsam. Bequem hingegen ist es, mit dem Hinweis auf die vielen Flecken, die wir ohne Schwierigkeiten auf der Weste aller Politikerinnen und Politiker finden, sich von der Politik fernzuhalten; und die Demokratie für etwas sehr Schönes zu halten – ja, wenn da nur nicht die Politik wäre.

stimmt der Satz, dass in der Demokratie „das Volk“ die Regierung hat, die es verdient. Also: Demokratie begreifen als ein System der Ordnung von Macht neben anderen Systemen. Demokratie schätzen, weil sie von allen bekannten Ordnungssystemen das mit den geringsten Übeln ist. Demokratie sehen als eine Verregelung des Wettbewerbes von Interessen, die ohne Demokratie noch viel brutaler aufeinander prallen würden. Demokratie akzeptieren als etwas, was nicht perfekt ist – und das sich eben deshalb von allen anderen Herrschaftssystemen abhebt, weil die Demokratie nicht einen Perfektionsanspruch stellt. Dazu gehört auch, hinnehmen lernen, dass zu den Grundtugenden der Demokratie das Verlieren gehört. Wenn ich mich nicht durchsetze; wenn ich froh sein muss, gerade noch durch einen Kompromiss ein wenig von meinem Programm gerettet zu haben – dann spricht das überhaupt nicht gegen die Demokratie. Für die Demokratie spricht, dass die Wahlsieger von gestern und die Regierungen von heute schon morgen von den Verlierern, von der Opposition, abgelöst werden können. Das verlangt von uns die Mühe, sich mit der Wirklichkeit der Politik zu befassen – nicht, um die Zustände, wie sie sind, einfach zu akzeptieren; sondern um durch die Erfahrung mit der Wirklichkeit überhaupt erst die Voraussetzung schaffen zu können, diese auch zu verändern. Der Idealist in der Demokratie ist zunächst einmal Realist. Univ. Prof. Dr. Anton Pelinka


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shutterstock

jung sein ... Interviews mit jungen Menschen

Daniel Huber, 20 Jahre, Student Demokratie ist das kleinste Übel. Es ist zwar die beste Staatsform, doch ich habe nicht das Gefühl, dass ich viel bewirken kann. Ich gehe immer wählen, doch im Endeffekt kommt es doch bloß zu Streitereien zwischen überbezahlten Besserwissern. Doch andererseits muss man sich nicht über die politische Situation beklagen, denn in Österreich hat fast jeder die Chance, etwas aus sich zu machen. Ich bin durch Indien gereist und habe erlebt, wie diese Menschen in ihrem Dilemma feststecken. Trotz allen „politischen Schwierigkeiten“, über die sich das Österreichische Volk beklagt, sollten wir doch froh sein, dass wir in einem Land wie diesem leben dürfen!


Cavus Ugur, 19 Jahre, Schüler Demokratie bedeutet für mich, dass jede Person das gleiche Recht hat. Jeder kann wählen gehen, denn es geht um die Zukunft von Österreich! Mein Herkunftsland ist die Türkei und ich habe die Österreichische Staatsbürgerschaft. Bisher war ich noch nie wählen, aber bei den nächsten Wahlen werde ich hingehen. Meiner Meinung nach gehen die meisten Ausländer mit Österreichischer Staatsbürgerschaft nicht wählen, weil sie zu wenig über die Parteien wissen. Auch beschäftigen sie sich zu wenig mit der Politik! Ich fühle mich sehr verletzt, wenn ich die Werbeplakate der FPÖ sehe, am liebsten würde ich sie gleich runterreißen! Im Jahre 1970 brauchte man uns fürs Arbeiten und jetzt wollen sie uns einfach loswerden! Ich bin gut in Österreich integriert, doch einige meiner Freunde haben es schwer in Vorarlberg.

Christine Saueregger, 18, Schülerin Demokratie – dieser Begriff wird im Fremdwörterlexikon folgendermaßen erklärt: „Volksherrschaft, Staatsform, bei der ein Staat nach dem Willen des Volkes regiert wird“. Doch dieses große Wort sollte laut Politikern noch mehr umfassen: Wahlrecht, freier Bildungszugang, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau etc. Obwohl Männer und Frauen oftmals dieselbe Ausbildung haben, ist es immer noch so, dass Frauen im Durchschnitt 17 % weniger verdienen als Männer. Ich denke, es gibt noch viele solcher Beispiele, wo man auch in einem so weit entwickelten Land wie Österreich auf Ungereimtheiten stößt. Meiner Meinung nach müssen erst diese Missstände korrigiert werden, bevor man davon sprechen kann, dass wir in einer richtigen Demokratie leben.


09 Michaela Bily, 20 Jahre, Soziales Jahr Es ist ein guter Ansatz, dass in Österreich jede Person eine Stimme hat, welche ich persönlich auch nütze. Es kann jedoch nicht sein, wie viel Österreicher trotzdem an der Armutsgrenze leben. Es erschreckt mich sehr, dass 460.000 Menschen (6 %) in Österreich von Armut betroffen sind, Frauen stärker als Männer und sogar ¼ davon Kinder! Obwohl wir alle einen Einfluss darauf haben, was in der Politik passiert, verstehe ich nicht, wie es sein kann, dass die Reichen

immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Wie es auch im Sozialbericht steht, ist es Fakt, dass 54 % des gesamten Geldvermögens in den Händen der Reichsten 10 % liegt. Ich wirke im Projekt „Politik on Tour“ vom Culture Factor Y mit und erfahre leider ständig, dass Jugendliche wenig Interesse an Politik zeigen.

Jan Lassen Youthmedia.eu

Johannes Bildstein, 18 Jahre, Schüler Die Voraussetzung für Demokratie ist, dass jeder Rechte hat und seine Meinungen frei vertreten kann. Der Zugang zu Wissen sollte so frei wie möglich sein. An Bildung sollte nicht gespart werden, Bildung gehört gefördert. Mit Demokratie verbinde ich, dass auf die Wünsche der Bevölkerung eingegangen wird und die Regierung die nötige Arbeit dazu macht.

Sprich Verwalten, Konzepte er- und ausarbeiten, Wünsche auf Machbarkeit und Sinnhaftigkeit überprüfen und eventuell Alternativen finden …

Julian Margreitter, 18 Jahre, Schüler Demokratie bedeutet auf Griechisch so viel wie „Volksherrschaft“. Für uns ist Demokratie normal, gehört zum Leben. Wenn wir in Österreich schauen, finden wir überall irgendwelche Formen von Demokratie. Von Demokratie in der Schule (Klassensprecher) bis hin zur Demokratie für ganz Österreich (Nationalrat). Demokratie bedeutet nicht nur frei wählen zu können, sondern auch seine Meinung frei kundzutun. Dinge, die in diktatorisch regierten Staaten nicht möglich sind. Allerdings können wir nirgends eine perfekte Demokratie finden, denn

Meinungen sind verschieden. Doch die Demokratie ist sicherlich das beste Mittel, eine Diskussion oder einen Konflikt lösen zu können. Für mich bedeutet Demokratie, durch meine Stimme passiv und durch meine Aktionen aktiv etwas bewegen zu können.


aha

Jugend & Politik – ein Angebot für Jugendliche, insbesondere für JungwählerInnen

Das Wahljahr 2009 ist besonders für 16-Jährige interessant. Nach den Nationalratswahlen im Herbst vergangenen Jahres sind sie bei der kommenden EU-Wahl im Juni 2009 und auch bei der Vorarlberger Landtagswahl im September 2009 wieder wahlberechtigt. Durch das neue Wahlrecht sind junge Menschen früher denn je aufgerufen, sich politisch zu interessieren, zu informieren und sich aktiv eine Meinung zu bilden. Dieser Herausforderung fühlen sich jedoch längst nicht alle gewachsen.

Bitte mehr Politische Bildung! Dies war für das aha einer der Anlässe, sein Angebot zu erweitern. „Mit der Wahlaltersenkung haben Jugendliche neue Möglichkeiten, sich als BürgerInnen einzubringen, sie werden

damit aber auch vor neue Herausforderungen gestellt“, so Monika Paterno, Geschäftsleiterin vom aha. Das Jugendinformationszentrum hat deshalb im Auftrag des Landes Vorarlberg gemeinsam mit Jugendlichen und Einrichtungen aus der Jugendarbeit ein neues Angebot im außerschulischen Bereich geschaffen. Damit soll Jugendlichen und vor allem ErstwählerInnen objektive Unterstützung angeboten werden. Mit dem Angebot „Jugend & Politik“ hat das aha auf einen Bedarf reagiert, der in Workshops und Diskussionsrunden mit Jugendlichen festgestellt worden ist. Anna Bachmann, 17 Jahre aus Dornbirn: „Politik ist für mich auf jeden Fall ein Thema. Doch manchmal ist es schwer, auf dem Laufenden zu bleiben. Ich hoffe auf ein besseres Aufklärungssystem für Jugendliche.“

Das Angebot So wurde etwa im aha für bevorstehende Wahlen ein „WahlBegleitservice“ eingerichtet, bei dem sich Jugendliche zu Politik im Allgemeinen und über die einzelnen Parteiprogramme informieren können. In einer Workshopreihe von Jänner bis März 2009 wurde versucht, die Ideen der Jugendlichen aus den Kreativworkshops umzusetzen. Auftakt machte der Workshop „Jugend & Gesetz“. Bei den Jugendlichen sollten dabei die Fähigkeiten, die


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für die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung – und somit für eine aktive Teilnahme an der Demokratie notwendig sind – gefördert werden. Gleichzeitig wurde Jugendlichen Einblick in ein politisches Thema verschafft, das sie direkt betrifft: den Jugendschutz. Nach einem theoretischen Teil, der sich mit der Informationssuche, Informationsaufbereitung und der Informationsbewertung befasste, hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, mit einem Fachmann aus der Praxis – einem Polizeibeamten – ganz konkrete Fragen aus ihrem Alltag zu diskutieren. Im Februar 2009 wurden unter dem Motto „Verbal statt brutal“ in einem zweitägigen Hip-Hop-Workshop zunächst verschiedene Musiktexte und die darin enthaltenen Botschaften analysiert. Anschließend erarbeiteten die Jugendlichen zusammen mit Profis aus der Hip-Hop Szene einen eigenen multikulturellen Song, der sowohl türkische als auch deutsche Elemente enthält und vor einem begeisterten Publikum präsentiert wurde.

Ich trage eine Bäggy Auf dem Kopf ne Cappi Nennt mich Omer the legendary Ich steh auf Hip Hop Rap will ich hörn Ich bin selbst Rapper Checkt diese Verse Wir gehören zusammen Wir sind eine Scene Wir lösen mit Rap unsere Probleme Rap wofür ich lebe Für den ich alles gebe Weil ich Wert auf connections lege

Hier steht‘s schwarz auf weiß Bei diesem Workshop lernten die Jugendlichen zu bewerten, was in der Zeitung steht. Thomas Matt, ein erfahrener Journalist, zeigte den TeilnehmerInnen, was Texte und Bilder aussagen. Neben einem Blick in den Redaktionsalltag schauten sich die Jugendlichen Zeitungen aus aller Welt an und wurden selbst zum Redakteur/zu Redakteurin. Den Abschluss der Workshopreihe bildete „Mach dir ein Bild“. “Sag’s nicht durch die Blume, sondern durchs Plakat“ war das Motto bei diesem Workshop. Plakate spielen in der Politik – nicht nur in Wahlzeiten – eine große Rolle. Die Idee für den Workshop: Jugendliche bekommen die Möglichkeit, einmal selbst und eigenverantwortlich ihr Anliegen in einem Plakat umzusetzen. Werbeprofis zeigten den Jugendlichen,

wie ein professionelles Plakat gestaltet wird und wie sie ihre Wünsche und Bedürfnisse öffentlich machen können. Im Mai und Juni stehen zwei große Veranstaltungen an: Im FrageRaum Politik bekommen Jugendliche am 29. Mai 2009 in Bregenz und am 26. Juni 2009 in Feldkirch die Möglichkeit, heimische SpitzenpolitikerInnen hautnah und ganz persönlich kennenzulernen. Nach einem kurzen Einstieg ins Thema werden die Jugendlichen in vier Gruppen aufgeteilt. Gemeinsam mit ExpertInnen werden verschiedene Themen besprochen und Fragen an die PolitikerInnen ausgearbeitet. Im Anschluss besucht je ein/eine PolitikerIn die FrageRäume und stellt sich den Fragen der Jugendlichen. Da jeder/ jede PolitikerIn jeden FrageRaum hintereinander besucht, haben die Jugendlichen so die Möglichkeit, sich ein Bild von der Position der Partei und von der Person der Politikerin/des Politikers zu machen. Zum Abschluss wird es bei den „GegenFragen“ zu einem ganz speziellen Austausch kommen: Für jede an eine Politikerin/einen Politiker persönlich gestellte Frage kann der/die Politikerin im Gegenzug auch eine Frage an die/den Jugendliche/n stellen. Auch beim FrageRaum Politik hat die Jugendbeteiligung einen großen Stellenwert: Neben den jugendlichen ModeratorInnen kommt auch das aha-Redaktionsteam zum Einsatz: Die „professionelle“ Presse und FotografInnen sind im FrageRaum nicht zugelassen. Vielmehr berichten die jugendlichen Redakteurinnen von dem Event, die in einem speziellen Workshop Tipps und Infos von einer freien Journalistin bekommen haben. Und auch das Filmteam hat einen Auftritt: Zusammen mit einem Profi produzieren sechs Mädchen einen Film, der sich mit den Themen „Wählen ab 16“ und der Einstellung von Jugendlichen rund um das Thema Politik befasst. Gefilmt wird/wurde an jugendrelevanten Orten wie der Dornbirner Frühjahrsmesse oder in den Innenstädten Bregenz, Feldkirch und Bludenz. Der Film hat seine Premiere auf den beiden Events. Mag.a Julia Moosmann


Filzmaier, P. (2007): „Jugend und politische Bildung. Einstellungen und Erwartungen von 14bis 24-Jährigen“. Donau-Universität Krems.

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„Jugend & Politik“:

Projekte jetzt einreichen

Informationskompetenz und Politische Bildung in der außerschulischen Jugendarbeit den, für das Jahr 2009 verschiedene Angebote zur Stärkung der Informationskompetenz im Bereich der Politischen Bildung in der außerschulischen Jugendarbeit zu fördern. Ziel ist es, die Distanz Jugendlicher zur Politik abzubauen und sie zu einer aktiven Meinungsbildung zu motivieren. Für außerschulische Projekte im Bereich der Politischen Bildung kann eine Förderung von max. € 5.000,- beantragt werden.

Noch zwei Einreichfristen: 20. Mai und 15. November! Projektgelder beantragen können Organisationen, Einzelpersonen und öffentliche Einrichtungen. Für Projekte, die noch im Jahr 2009 starten, stehen zwei Einreichfristen (20. Mai und 15. November) zur Verfügung. Die Kriterien und der Leitfaden zur Projekteinreichung sowie das Antragsformular können unter www.invo.at abgerufen werden. Weitere Informationen sind auch unter office@invo.at erhältlich. Vom Angebot profitieren sollen Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren, insbesondere Jugendliche mit Migrationsgeschichte und Jugendliche oder Jugendgruppen, die sich in ihrem Alltag unter benachteiligenden Rahmenbedingungen zurechtfinden müssen. Besonders angesprochen werden Jugendliche, von aha

Jugendliche wünschen sich eine „objektive“ und „neutrale“ Unterstützung, wenn es darum geht, sich eine eigene und damit selbstbestimmte politische Meinung zu bilden. Zu diesen Ergebnissen kommen mehrere Studien sowie Erhebungen unter Jugendlichen in Vorarlberg.1 Die Vorarlberger Landesregierung hat im Rahmen eines Pilotprojektes entschie-

denen angenommen wird, dass sie der Politik gegenüber ein eher distanziertes Verhältnis haben.

Tipps für die Umsetzung invo – service für kinder- und jugendbeteiligung ist Einreichstelle für die Projekte. Martina Eisendle, Leiterin von invo: „MultiplikatorInnen werden von invo zudem durch Methoden, Good Practice und Tipps zur Umsetzung von Projekten unterstützt.“ Projektanträge einreichen können Organisationen, Einzelpersonen und öffentliche Einrichtungen, welche die im Kriterienkatalog verankerte Überparteilichkeit und politische Objektivität gewährleisten können.

Nähere Informationen: invo – service für kinder- und jugendbeteiligung Poststraße 1, 6850 Dornbirn www.invo.at


13 Eine Schnittstelle zwischen Jugendlichen und Jugendpolitik:

Der neue

Wahljahr 2009 – im Juni findet die EU-Wahl und im September die Vorarlberger Landtagswahl statt. Wie auf den vorherigen Seiten deutlich wird, passiert in Vorarlberg gerade viel zum Thema „Jugend & Politik“, Wählen ab 16. Warum unterstützt das Land solche Projekte? Was ist der Grund für das Engagement des Landes? Engagierte BürgerInnen sind Menschen, denen ihr sozialer Nahraum wichtig ist und die sich für die Gemeinschaft einsetzen. Mitbestimmung/Partizipation ist im Jugendgesetz verankert und somit ein Auftrag für das Jugendreferat. Auch in der UN-Kinderrechtskonvention wird dem Thema Beteiligung ein hoher Stellenwert eingeräumt – wir in Vorarlberg bekennen uns dazu nicht erst durch die Verankerung in der Landesverfassung – deshalb bemühen wir uns um die Wahrung dieser Rechte in so vielen Projekten/Aktivitäten/Aktionen wie möglich. Wenn Sie 16 Jahr alt wären, (warum) würden Sie wählen? Ja – weil mir Mitbestimmung wichtig ist auf allen Ebenen. Demokratie muss täglich geübt werden – sie ist keine fixe Einrichtung; viele Menschen vor mir haben sich darum bemüht, dass wir in einer Demokratie leben können. Wenn es um mein Umfeld geht, möchte ich zumindest gehört werden – wer schweigt stimmt zu!

Lex Masberg/youthmedia.eu

Landesjugendreferent

Was brauchen Ihrer Meinung nach junge Menschen in Vorarlberg, um sich zum Thema „Wählen“ sicher und kompetent zu fühlen und es als „IHR“ Thema wahrzunehmen? Junge Menschen müssen sich ernst genommen fühlen – auf allen Ebenen und in jedem Alter. Wo sehen Sie die Herausforderungen im Bereich „Jugend“ in den nächsten Jahren in Vorarlberg? Wo werden Sie Schwerpunkte setzen? Zuerst werde ich den erfolgreichen Weg meines Vorgängers Roland Marent weitergehen. Ein Schwerpunkt wird sein, den Übergang Schule/ Beruf-Ausbildung für junge Menschen so gut es geht mit zu gestalten und das Thema Gesundheit (körperliche und mentale Umbrüche) im Sinne der WHO-Kriterien (physische

und seelische Gesundheit) im Auge zu behalten. Weiters soll das Thema KinderJugendbeteiligung auf allen Ebenen forciert werden.

Zur Person Name: Thomas Müller Alter: 46 Jahre Familienstand: verheiratet, 2 Kinder Werdegang: Matura HTLRankweil, Berufseinstieg, später Studium politische Bildung/Politikwissenschaft, Aufbau aha – Tipps & Infos für junge Leute, Initiative „Kinder in die Mitte“-Miteinander der Generationen, seit 1.1.2009 Jugend- und Familienreferat


Bundesjugendvertretung

„Was geht mich die EU an“ 16-Jährige stimmen erstmals auf EU-Ebene mit. Das geht auch die Jugendarbeit an. Um eines gleich vorweg zu sagen: wir, die Bundesjugendvertretung (BJV), waren von Anfang an für die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre und haben in einer eigenen Kampagne auf diese Forderung aufmerksam gemacht. Die österreichische Bundesregierung hat die Wahlaltersenkung 2007 schließlich beschlossen und sie ist seither für alle Wahlen in Österreich und daher auch erstmals für die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament wirksam.

Was bedeutet das in der Praxis? Die klassischen Gegenargumente, wie etwa junge Menschen interessierten sich nicht für Politik und seien sogar selbst gegen die Wahlaltersenkung, haben uns nie beeindruckt – ganz im Gegenteil: sowohl Studien1 als auch unsere konkreten Erfahrungen in der Jugendarbeit zeigen, dass sich Jugendliche sehr wohl für Politik interessieren und motiviert sind, sich politisch zu beteiligen, wenn ihnen entsprechende Möglichkeiten geboten werden.

Politische Bildung in Schule und Jugendarbeit Eine der zentralen Forderungen der BJV zur Wahlaltersenkung war immer auch, dass das Angebot an politischer Bildung ausgebaut werden muss (bspw. durch die Schaffung eines eigenen Unterrichtsfaches ab der 5. Schulstufe) und dass politische Bildung vor allem auch im nicht-formalen Bildungsbereich und damit in der Jugendarbeit einer besseren (finanziellen) Förderung bedarf. Diesen Forderungen wurde aus unserer Sicht bislang nicht Rechnung getragen. Was aber unterscheidet politische Bildung in der Jugendarbeit von einem eigenen Schulfach „Politische Bildung“? Wenn


Vgl. Filzmaier, Peter: Kurzbericht zur Pilotstudie „Jugend und Politische Bildung. Einstellungen und Erwartungen von 14- bis 24-Jährigen“, April 2007; Kozeluh, Ulrike: „Wählen heißt erwachsen werden!“ Analyse des Wahlverhaltens 16- bis 18-jähriger Jugendlicher bei den Wiener Landtagswahlen 2008, Dezember 2005. 1

politische Bildung tatsächlich zu politischer Beteiligung bewegen soll, dann muss sie mehr sein, als reine Wissensvermittlung, soviel steht fest. Wesentlich ist neben dem Erwerb von sozialer Kompetenz vor allem auch die Meinungsund Partizipationsförderung. Gerade in diesen beiden Bereichen liegen die Chancen und Herausforderungen in der Jugendarbeit. Das Prinzip der Freiwilligkeit und die Methoden der Jugendarbeit ermöglichen jedenfalls einen selbstbestimmten und partizipativen Zugang zu Politik, der in der Form im schulischen Kontext sicherlich nicht gegeben ist.

Wählen mit 16 in ganz Europa?

youthphotos.eu

Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem die BürgerInnen bereits ab dem 16. Lebensjahr wählen dürfen. Dementsprechend groß

ist das Interesse anderer europäischer Jugendvertretungen an der Lobbying-Arbeit der BJV zu diesem Thema. Auch der Dachverband der europäischen Jugendvertretungen, das European Youth Forum (YFJ), in dem die BJV Mitglied ist, fordert seit einiger Zeit die europaweite Senkung des Wahlalters. In seiner aktuellen Kampagne im Rahmen der EP-Wahl 2009 fordert das European Youth Forum sowohl vom Europäischen Parlament als auch von der Europäischen Kommission Verbesserungen in unterschiedlichen jugendrelevanten Bereichen. Die genauen Forderungen dieser „Youthagenda“ sind unter www.youthagenda.eu zu finden.

Jugendkampagne zur Europawahl Die österreichische Bundesjugendvertretung versucht in ihren Kampagnen immer wieder aufzuzeigen, welche Relevanz ein Großteil der politischen Entscheidungen für das Leben junger Menschen hat. „Nicht wählen zu gehen bedeutet, andere für dich und damit über dich entscheiden zu lassen“, lautet dabei unsere zentrale Botschaft. Die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament haben unter anderem das Problem, dass die Wahlberechtigten Schwierigkeiten damit haben, die Politik der EU konkret auf ihr Lebensumfeld umlegen zu können. Dabei werden aber gerade für die Zukunft junger Menschen entscheidende Weichen auf EU-Ebene gestellt. Die BJV möchte daher in einer eigenen Jugendkampagne zur Europawahl die Erst- und JungwählerInnen ansprechen und sie über die Wahlen und jugendrelevante Themenbereiche informieren. Dabei soll auch gezeigt werden, wie EU-Themen die jungen Menschen in ihrem alltäglichen Leben betreffen. Die BJV-Kampagne zur EP-Wahl 2009 wird im Besonderen folgende Politikfelder thematisieren und jugendgerecht aufbereiten: Arbeitsmarkt (Stichwort: Flexicurity), Mobilität (Erasmus, Jugend in Aktion), Kinderund Jugendrechte (Grund-

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rechtscharta: Recht auf altersgerechte Partizipation), Chancengleichheit (Antidiskriminierungsrichtlinien), Daten/Konsumentenschutz (bspw. Roaminggebühren, Gewährleistung und Rückgaberecht). Wie schon bei vergangenen Wahl-Motivationskampagnen erfolgreich vorgezeigt (Stichwort: „vote4future“), versucht die BJV auch diesmal bei den jungen Menschen vor allem durch einen jugendlich gestalteten Internetauftritt und den spielerischen Zugang zu Information zu punkten. Ganz besonders wichtig ist uns, dass sich Jugendliche aktiv an der Kampagne beteiligen und ihre Ideen einbringen können. Die neue Kampagne zur EPWahl 2009 ist derzeit in Vorbereitung und wird ab Ende April über die Website der BJV www.jugendvertretung.at zu finden sein. Mag.a Maria Lettner

Die Bundesjugendvertretung (BJV) ist die gesetzliche Interessenvertretung der jungen Menschen in Österreich. 43 österreichische Kinder- und Jugendorganisationen, die unterschiedlichste Ziele und weltanschauliche Hintergründe haben, sind in ihr vertreten.


Mit Wahlrecht überfordert Sie sind auf den ersten Blick kaum anders als Erwachsene: Wenige Jugendliche interessieren sich wirklich für Politik. Viele schwimmen im Kielwasser der Eltern. Ein paar lehnen „den ganzen Kram“ kategorisch ab. Jene 18-Jährige, die scherzhalber die Farbe ihres Stimmzettels wählte, steht nicht allein da. Auch ihre Überforderung teilen Erstwähler mit älteren Semestern. Freilich tragen sie die stärker zur Schau, weil ihre Scheu, Fragen zu stellen, noch kein erwachsenes Maß erreicht hat. Was Jungwähler wirklich unterscheidet, ist ihre große Distanz zum politischen Geschehen. Sie erleben Politik abstrakt. Sie hat vorderhand nichts mit ihnen zu tun. Politik spricht nicht ihre Sprache. Sie schafft und löst fremde Probleme. So sehen sich Jugendliche plötzlich aufgefordert, mit ihrer Stimme in ein scheinbar abgeschlossenes fernes System einzugreifen ohne echte Aussicht auf Erfolg. „Stimm mit!“, rufen Politiker händeringend. „Wofür denn?“, blaffen die Jungen zurück. Die Antwort fällt nicht so leicht. Denn zusätzlich erschwert den Einstieg in die Demokratie noch das Raunzen der Alten. Man schimpft ja so gern. Das entlastet scheinabr. Aber es zeichnet auch ein Sittenbild. So wird Politik verschrieen: „Lauter Gauner!“ Und das prägt unterschwellig ungemein. Dabei müssten wir Erstwählern Rüstzeug mitgeben statt plakative Sprüche. Denn wer in jungen Jahren verdrossen wird, kann der Demokratie leicht ganz abhanden kommen. Thomas Matt Redakteur bei den Vorarlberger Nachrichten


17 Zwischen Markt und Wirklichkeit

Kommentare

Der Wahlaltersenkung folgte zunächst eine allgemeine Skepsis in der Erwachsenwelt, ob und wie Jugendliche überhaupt den Umfang von demokratischen Regelwerken erfassen würden und sie neben Donald Duck auch reale Parteien wählen (können). Wie es sich herausstellte, war die Skepsis unnötig, Jugendliche erfassen demokratische Systeme genau in dem Umfang, wie es auch Erwachsene tun. Der Aufschrei aus der GutbürgerInnenwelt ließ nicht lange auf sich warten: Jugendliche haben bei den Wahlen eine ausgeprägte Affinität zu eher rechtsstehenden Parteien an den Tag gelegt. Stimmt, muss vorerst einmal zu Kenntnis genommen werden! Sind es die simplen Konzepte der eher rechtsstehenden Parteien, die bei den Jugendlichen eine Zustimmung erfahren, oder geht die Parteipolitik und das praktizierte demokratische System per se an den Lebenswerten von Jugendlichen vorbei? Es handelt sich sicher um eine Melange aus vielen Indikatoren. Demokratie-Erfahrungen zulassen, ohne dass Bemühungen unter dem Schlagwort „Beteiligung“ darauf hinauslaufen, Jugendliche „regierbar“ zu machen, findet man selten, doch genau darum muss es eigentlich gehen: die strukturelle Verankerung von Recht auf Beteiligung zu schaffen, die Zugänglichkeit zu dieser zu gewährleisten, Partizipationsmodelle für offene Handlungsfelder zu klären, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, transparent zu sein und die Prozesse zu dokumentieren und den Prozess einer Evaluierung zu unterziehen. Demokratiebewusstsein kann sich nur in lebensweltorientierten, für alle Beteiligten zugänglichen, ehrlichen und freiwilligen Formen lebendig manifestieren. Eine Jugendarbeit ohne ehrliche Partizipation der Zielgruppen ist zu einer neoliberalen Marktanalyse verkommen: „Was wollt ihr? Wir spielen ... vielleicht!“. Florian Arlt Steirischer Dachverband der Offenen Jugendarbeit


Diskurs stellt Fragen zur Diskussion

Statements von Fachpersonen zu ausgewählten Fragestellungen Hier ist auch Ihr Standpunkt gefragt: Welche Position und Haltung haben Sie bei diesen Fragen? Teilen Sie Diskurs Ihre persönliche Sichtweise mit unter redaktion@jugend-diskurs.at

1. Demokratie als gesellschaftliches Prinzip: Wann sind Menschen reif für Demokratie bzw. wann ist man zu jung, um ernst genommen zu werden? Wann dient das Reden über Demokratie doch nur als Methode, um die Illusion scheinbarer Möglichkeiten der Einflussnahme zu erzeugen? 1. Ich denke es macht Sinn, demokratische Beteiligung nicht

Dr.in Beate Grossegger Kommunikationswissenschafterin - seit 1996 in der Jugend(kultur)forschung tätig. Seit 2001 Leiterin der Forschungsabteilung des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien www.jugendkultur.at

nur bezogen auf das politische System zu verstehen, sondern einen zweiten Bereich ins Auge zu fassen: nämlich Beteiligung im Sinne von Mitgestalten der Lebensräume und Soziokulturen, die die Menschen beheimaten. Dafür ist man meines Erachtens nie zu jung. Im Nahraum gibt es immer etwas, was für den persönlichen Alltag Bedeutung hat und was man gemeinsam mit anderen und unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven gestalten kann. Lebensraumbezogene, soziokulturelle Beteilung bietet vielfältige Experimentierfelder, wo sehr junge Menschen bereits lernen können, was es heißt, mit seinen Anliegen ernst genommen oder – im Gegensatz dazu – ignoriert zu werden. Und sie lernen dort auch, andere ernst zu nehmen und ihnen gegenüber respektvoll zu agieren, selbst wenn sie die eingebrachten Ideen nicht unhinterfragt akzeptieren.

1. Schon Projekte in Kindergärten und Volksschulen – oder der

Heinz Wagner Journalist Verantwortlich für die Kinder- und Jugendseiten im Kurier, dem Kinderkurier (Kiku) http://kurier.at/nachrichten/kiku/

Umgang in manchen Familien – zeigen, dass (aller-)jüngste Kinder reif für Mitbestimmung sind. Erwachsene müssen sich nur darauf einlassen und entsprechend altersadäquat solche Angebote machen. Es geht nicht um Kopien großer Vorgänge, wie Wahl von SprecherInnen (allein), sondern Partizipation in alltäglichen Dingen. Grundvoraussetzung: Kinder ernst nehmen und als Menschen nicht zweiter, dritter Klasse oder als „halbe Portionen“ betrachten. Wenn es allerdings nur um scheinbare Entscheidungen geht und Kinder/Jugendliche ihre wirklichen Bedürfnisse betreffend nix zu melden haben, wird höchstwahrscheinlich langfristig der gegenteilige Effekt erzielt.


19 2. Was ist notwendig – welche Veränderungen, welche Maßnahmen, welche Erfahrungen – um ein Demokratieverständnis und insbesondere ein Demokratieerleben für jungen Menschen in Österreich zu ermöglichen?

3. Wann sind Grenzen von Demokratie erreicht und wie äußert sich das bzw. wie viel Demokratie erträgt ein System, um noch im Gleichgewicht zu bleiben?

2. Ich bin mir nicht sicher, ob es zutrifft, dass Jugendliche kein

3. Wenn wir über eine ausbalancierte, lebendige Demokratie sprechen und das Ziel haben, Jugendliche stärker mit einzubeziehen, müssen wir sehen, wie Jugendliche in ihrem persönlichen Alltag mit dem Thema Demokratie und Beteiligung umgehen. In der Jugendkulturforschung beobachten wir, dass Jugendliche, die in offiziellen Kategorien rechts einzuordnen wären, „Sit-ins“ in der Garage ihres Bürgermeisters planen, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich einen Jugendtreff wünschen, die Politik diesen Wunsch aber ignoriert. Linke Jugendliche beschränken sich indessen vielfach darauf, gemeinsam mit Gleichgesinnten darüber zu philosophieren, was in Politik und Gesellschaft derzeit denn nicht alles schief läuft. Sie artikulieren Wut, aber Lösungsansätze bringen sie nicht: nicht einmal für die Themen, die sie im persönlichen Lebensraum beschäftigen. Bei dieser Widersprüchlichkeit sollte man ansetzen – in der Beteiligungsdebatte, aber auch in der Jugendforschung.

2. Schwimmen lässt sich im Trockenen nicht wirklich erlernen. Und so kann Demokratiefähigkeit nicht abstrakt theoretisch erworben werden, sondern nur, wenn sie auch in der Praxis gelebt wird. Wo Kinder und Jugendliche - beispielsweise in der Schule, die einen Großteil ihres Lebens bestimmt/einnimmt - nix mitzureden haben, werden sie auch in einem noch so gut unterrichteten Fach Politische Bildung wenig mitnehmen können. Natürlich macht es auch Sinn, alle Institutionen und Instrumente kennen zu lernen, die zur Verfügung stehen, um der eigenen Meinung Ausdruck verleihen bzw. auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss nehmen zu können. Und da ist die Teilnahme an Wahlen nur eines, seit kurzem können Menschen ab 16 auch mit 500 Unterschriften eine Petition direkt ins Parlament einbringen. Viel wichtiger sind aber oft informelle Einflussnahmen durch Aktionen, so gelang es in Micheldorf und Kirchdorf an der Krems Jugendlichen einen Skaterpark (wieder) zu erkämpfen.

3. Grenzen der Demokratie sind meines Erachtens dort er-

Demokratieverständnis haben. Im Vergleich zu ihrer Elterngeneration sind sie großteils politisch viel besser informiert. Da sie in einer Demokratie aufwachsen und sich dessen bewusst sind, erleben sie die Demokratie natürlich auch. Allerdings ist das ein Demokratieerleben, das nicht nur positive Eindrücke hinterlässt. Studien zeigen, dass Jugendliche heute begeisterte, aber zugleich auch extrem passive Demokraten und Demokratinnen sind. Kein Wunder, denn Jugendliche sehen nicht, was ihnen die Politik im persönlichen Alltagsvollzug bringt. Das, was sie sehen, ist, dass sondiert, verhandelt und gestritten wird. Lösungsansätze für die Fragen, die sie wirklich beschäftigen – angefangen beim Bildungssystem, über den Arbeitsmarkt bis hin zum heißen Thema „Migration“ – kommen aber nicht auf den Tisch. Solange das so ist, halte ich es für müßig, über eine Optimierung des Demokratieerlebens Jugendlicher zu reden.

reicht, wo zuvor die Bevölkerung verhetzt/aufgehusst wurde und dann unter dem Schlagwort des sogenannten „gesunden Volksempfindens“ unmenschliche Maßnahmen durchgezogen werden sollen. Minderheitenrechte sollten auch nicht von einer Mehrheit abgeschafft werden können. Grundsätzlich glaube ich jedoch, dass die meisten Systeme mehr Demokratie vertragen als gemeinhin angenommen wird. Es kommt nur auf die ständige Einbeziehung möglichst vieler Menschen an, sowie darauf, dass möglichst viele möglichst früh gelernt haben zu partizipieren.


Irina Giebeler/youthmedia.eu

Demokratie

unter Ausschluss der Jugend

In den europäischen Staaten sind heute demokratische Rechte weitgehend eine Normalität. Die politische Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl von Volksvertreterinnen und Volksvertretern oder die Abstimmung zu wichtigen Themen erlauben der Politik, breit abgestützte Entscheide zu fällen und eine volksnahe Entwicklung des Staates voran zu treiben. Trotz dem unterschiedlichen Demokratieverständnis in den verschiedenen Ländern, ist ihnen eines gemeinsam. Es fehlt die Stimme der Jugend.

Demos ist das Volk. Und zum Volk gehören alle Bürgerinnen und Bürger ab 0 Jahren. Aus verschiedenen Gründen kann das Volk je nach Land aber erst mit 16 oder 18 Jahren aktiv seine politischen Rechte ausüben. Mit der Demokratie möchte man aber das Volk nach einem gewissen Betroffenheitsprinzip in Entscheidungsprozesse mit einbeziehen. Jede und jeder hat eine Stimme und die Mehrheit bestimmt letztendlich den Weg. Das ist gut so. Nur wie steht es bei Bildungsreformen, der Gestaltung von Freizeitanlagen oder Verordnungen zum Kinder- und Jugendschutz? Die wirklich Betroffenen müssen hier still sitzen und den Mund halten, obwohl sie sprechen und gehen gelernt haben.

Zu jung, um ein/e Demokrat/in zu sein? Es gibt verschiedene Bestrebungen auf der Ebene der politischen Mitwirkung, auch Kinder und Jugendliche mit Rechten auszustatten. So versucht man in Deutschland und auch in der


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Dass in vielen Themengebieten Kinder und Jugendliche fit sind und mithelfen können, gute und nachhaltige Entscheidungen zu treffen, zeigen die verschiedenen Kinderparlamente und Jugendräte. Das Argument, dass junge Mitbürgerinnen und Mitbürger keine politischen Rechte benötigen, weil sie sie sowieso nicht wahrnehmen oder weil sie die Botschaften nicht verstehen, ist ebenfalls interessant. So könnte man beispielsweise Abstimmungsquoten einführen. Wenn diese von gewissen Jahrgängen nicht erfüllt werden, scheiden sie aus der Demokratie aus. Dass Nichtwählen und Nichtabstimmen ist aber grundsätzlich auch ein demokratisches Recht. Zudem bezweifle ich, dass die Erwachsenen die politischen Botschaften generell verstehen und sich jederzeit ein Bild machen können, welche Auswirkungen ein JA oder ein NEIN tatsächlich hat. Ich als Schweizer darf sehr oft abstimmen. Und das über zum Teil hoch komplexe Themen. Ist es nun gut, dass wir nicht bei der EU dabei sind? Oder ist das langfristig ein Problem?

Alternative Dialog Klar ist, dass die Demokratie ein hervorragendes Modell ist, um das Volk an der Politik teilhaben zu lassen. Klar ist auch, dass Kinder und Jugendliche nicht so schnell ein Teil des Systems werden. Also bleibt der Jugend nur eine Option, die Demonstration! Oder doch noch eine zweite? Partizipation? Man weiss, dass es volkswirtschaftlich und gesellschaftlich sehr klug ist, Kinder und Jugendliche

Angelika Thiel/youthmedia.eu

Schweiz, das Thema Stimmrechtalter 0 auf die politische Agenda zu bringen. Das sind wichtige Prozesse und diese lösen interessante Diskussionen aus. Als Killerargumente werden vor allem zwei Gründe zur Verweigerung der demokratischen Rechte an Jugendliche und Kinder ins Feld geführt. Sie sind noch nicht mündig und sie gehen sowieso nicht an die Urne. Aha! Was heisst politisch mündig? Wer definiert das? Es ist eigentlich davon auszugehen, dass ein Kind mündig genug ist, zu beurteilen, wie ein Spielplatz ausgestattet sein muss. Und Jugendliche sind bezüglich der Ausgestaltung von Reglementen, die sie betreffen, oft sehr vernünftig und viel restriktiver als die Erwachsenenwelt.

dort mitwirken zu lassen, wo sie direkt betroffen sind. Am besten im intergenerationellen Dialog. Sie werden so Teil der Lösung, die Identifikation mit der Lösung ist hoch und somit ist automatisch eine gewisse Nachhaltigkeit gewährleistet. Gleichzeitig können junge Menschen bei solch angelegten Partizipationsmodellen von den Erfahrungen von Erwachsenen profitieren und erhalten eine Stimme gegenüber anderen Generationen. Wenn die Partizipation, die Mitwirkung der jungen Generationen quasi als Erweiterung der Demokratie auf kommunaler Ebene, in der Jugendarbeit und in Schulen etabliert und institutionalisiert wird, kann auf einfachste Weise die Stimme der jungen Generationen eingefangen und kinder- und jugendgerechte Lösungen umgesetzt werden. Was es braucht? Vertrauen, das ist alles. Markus Gander, Geschäftsführer Infoklick.ch, Kinder- und Jugendförderung Schweiz


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Schule und Demokratie „Schuldemokratie leben“ – Das forderten 150 SchülerInnen beim zweiten österreichischen Kinderkongress 2005 in Wien. „Schule und Demokratie“ ist mir aus verschiedenen Blickwinkeln sehr wichtig: 1) Aus der Perspektive des Schülers: Als Schüler ist es für mich von großer Bedeutung, dass ich im Unterricht das lerne, was mich interessiert, und die Unterrichtsmethode auf meine Begabungen ausgerichtet ist. 2) Aus der Perspektive des Obmanns des SchülerInnenvereins „Coole Schule“: Als SchülerInnenvertreter finde ich es entscheidend, dass wir SchülerInnen gerne in die Schule gehen und unsere Meinungen zählen. 3) Aus der Perspektive des Staatsbürgers: Menschen, die in Systeme eingebunden sind, sollten diese mitbestimmen können – genau das sollte auch für SchülerInnen in der Schule gelten.

Gegenwärtige Situation der Schuldemokratie in Österreich Die Stufen der Partizipation 5 Selbstverwaltung 4 Mit-Beteiligung

echte Formen/ Stufen der Partizipation

3 Mit-Entscheidung 2 Mit-Sprache 1 Information

Voraussetzung der Partizipation; unechte Formen/ Stufen der Partizipation

Quelle: www.funtasy-projects.ch

In Österreich wird je nach Schulform eine andere der fünf Partizipationsstufen erreicht. In der Volksschule etwa beschränkt sich die Partizipation in den besten Fällen auf die erste Ebene (Information). In der Hauptschule und der AHS-Unterstufe wird die zweite Stufe (Mitsprache) erreicht: Die SchülerInnen wählen KlassensprecherInnen, diese wiederum wählen einen Vertreter/eine Vertreterin, der oder die in den entsprechenden Schulgremien (Schulforum in der HS, Schulgemeinschaftsausschuss in der AHS) zwar teilnehmen, jedoch nicht mitstimmen darf. Die dritte und vierte Ebene wird lediglich in den Schulen


der 9. bis 13. Schulstufe erreicht, zu denen unter anderem die AHS-Oberstufen und die berufsbildenden Schulen gehören. Hier wählen alle SchülerInnen drei SchulsprecherInnen, die im Schulgemeinschaftsausschuss stimmberechtigt sind und u. a. bei der Versetzung von SchülerInnen in Parallelklassen und bei Disziplinarkonferenzen mitentscheiden dürfen.

Forderungen des Vereins „Coole Schule“ für mehr Mitbestimmung Mitbestimmung und Schuldemokratie beschränken sich ausschließlich auf die Schulen ab der 9. Schulstufe. Als überparteilicher SchülerInnenverein „Coole Schule“ fordern wir daher schon seit 2003 eine Ausweitung derselben auf alle anderen Schulen. Konkret fordern wir folgende Punkte: • Wahl von SchülerInnenvertreterInnen in allen Schulen und durch alle SchülerInnen • Einführung von Schulparlamenten in allen Schulen an Stelle von Schulforum und SGA (dieses würde sich aus allen KlassensprecherInnen und einer gleich hohen Anzahl an LehrerInnen- und ElternvertreterInnen zusammensetzen)

Darüberhinaus fordern wir auch SchülerInnenmitbestimmung im Unterricht, etwa beim Lehrstoff und den Unterrichtsmethoden: • Einführung eines Klassenrats in allen Klassen (Der Klassenrat sollte in jedem Unterrichtsfach vom jeweiligen Fachlehrer/der jeweiligen Fachlehrerin mehrmals pro Semester durchgeführt werden; SchülerInnen sollten ihre Wünsche für den Erweiterungsstoff und die Unterrichtsmethoden einbringen und mitbestimmen können). Natürlich können Klassen- und Schulparlamente nur dann gut funktionieren, wenn parallel zu ihnen Begleitmaßnahmen eingeführt werden, zum Beispiel: • Eine professionelle Schulung aller LehrerInnen im Bereich der Schuldemokratie • Eine jährliche Ausbildung aller SchülerInnenvertreterInnen (Klassen- und SchulsprecherInnen), damit diese ihre Ämter gewissenhaft wahrnehmen können

Schlussfolgerungen: Vier gute Gründe für mehr Mitbestimmung Abschließend möchte ich festhalten, dass gelebte Schuldemokratie und SchülerInnenmitbestimmung nicht nur für uns SchülerInnen, sondern auch für die LehrerInnen sowie die Gesellschaft an sich viele Vorteile bringen: 1. SchülerInnen sind motivierter und leistungsbereiter; das Schulklima wird angenehmer 2. SchülerInnen lernen zu hinterfragen, sich zu artikulieren und zu verhandeln; sie lernen Demokratie kennen, erlernen soziale Kompetenzen und sind besser auf ihr späteres Leben und ihren Beruf vorbereitet 3. SchülerInnen übernehmen Verantwortung für den Unterricht und entlasten damit ihre LehrerInnen

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4. SchülerInnen sind weniger gewaltbereit (vgl. „Mitbestimmung und Gewalt an Schulen – richtungweisende Studien des Instituts für Soziologie der JKU“ von Johann Bacher, Christoph Weber; Linz, 25.02.2008) Seit 2003 arbeiten wir vom Verein „Coole Schule“ an der Demokratisierung unserer Schule. Wir organisieren Kinderkongresse, diskutieren mit BildungsexpertInnen, machen auf Missstände aufmerksam und versuchen unsere Schule für alle Beteiligten zu verbessern. Igor Mitschka, 17 Jahre, Schüler und Schulsprecher einer AHS in Wien; Obmann des überparteilichen SchülerInnenvereins „Coole Schule“ – www.cooleschule.at


Florian Knapp/youthphotos.eu

Demokratie, Politik und

Jugendarbeit

Demokratie ist eine historische Errungenschaft, von Menschen „gemacht“ und nicht geschenkt, angeboren oder „von Natur aus vorgesehen“. Demokratie kann gelehrt und erlernt werden. „Demokratie heißt, sich in die eigenen Angelegenheiten einmischen“, sagt Max Frisch. Das Interesse von Jugendlichen, dies zu tun, ist jedoch nicht gerade überbordend: „Jugend will Politik zu ihren Bedingungen und die heißen ‚politics light’ und Wohlfühlpartizipation. Das Paradoxe an dieser Entwicklung des anstrengungsvermeidenden Disengagements ist, dass wahrscheinlich noch keine Generation über so viel kognitive Kompetenz und politische Ressourcenausstattung wie die gegenwärtige verfügt hat, ohne davon gleichzeitig so wenig Gebrauch zu machen“, sagt Elmar Wiesendahl.1

Marcella Zauner, 17 Jahre, Bludenz, Gymnasiastin Ich als Jugendliche denke, dass viele erst im Wahlalter Lebensumstände mit Demokratie verbinden. Die Demokratie im Alltag ist groß. Zum Beispiel bei der Planung einer Klassenfahrt, der Ort, der stimmlich gewonnen hat, wird zum Ziel. Auch wenn man mit Freunden unterwegs ist und den Abend planen will – mit der Masse wird mitgegangen. Demokratie ist sensibel und ihre Entwicklung ein dynamischer Prozess. Sie zeigt sich in unterschiedlichsten Formen. Sie unterscheidet sich von Epoche zu Epoche: Noch nicht so lange her war es unvorstellbar, dass Frauen wählen dürfen. Nun wählen in Österreich 16-jährige Jugendliche. Was bedeutet nun Demokratie? Ursprünglich: Herrschaft des Volkes. Gerhard Häfner beschreibt dies als „Das erste und das letzte Wort haben können“ 2 (gemeint ist das Volk, der Souverän). Entscheidend sei, die Möglichkeit dazu zu haben, ob das Volk es tut oder nicht. Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert wird das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert der Demokratie in die Geschichte eingehen. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wird Demokratie als weltweite „Norm“ anerkannt. Dieser Standard wird zwar fast nirgendwo erreicht und die Demokratie wird


Wiesendahl (2001), online Dokument 2 vgl. Verhulst & Nijeboer (2007), S. 94 3 vgl. Verhulst & Nijeboer (2007), S. 7 4 vgl. Institut für Jugendkulturforschung 2008: „ErstwählerInnen-Analyse zur Nationalratswahl 2008 – Vorwahlbefragung“, rep. für 16- bis 19-Jährige, n=300, Angaben in Prozent. 5 vgl. Großegger/Zentner 2006, S. 8 1

in vielen Teilen der Welt beständig mit Füßen getreten, trotzdem berufen sich alle erdenklichen Regime auf ein demokratisch legitimiertes System.3 Mit Demokratie eng verbunden ist der Begriff „Politik“. Und die umgibt uns alle. Ob Kind, Jugendliche/r oder Erwachsene/r – in einer pluralistischen Gesellschaft sind die Inhalte von Politik von den Mitgliedern dieser Gesellschaft grundsätzlich und zumindest teilweise beeinfluss- und veränderbar. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch, dass die Menschen die Grundregeln von Demokratie und Politik kennen und verstehen – damit eine realistische Einschätzung über Mitgestaltungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten gewonnen werden kann. Nicht „Wegschauen“ ist also angesagt, sondern genaues „Hinschauen“!

Michael Lienher, Bludenz, Leiter Villa K. Wie gestalte ich partizipativ meinen Lebensbereich? Wie löse ich Konflikte in meinem Lebensbereich unter Einbeziehung aller betroffenen Menschen? Wie kann ich selbst mitgestalten? Welche Umgangsformen und welche Wertschätzung bringe ich dabei gegenüber dem Andersdenkenden auf? Welche Kultur des Umganges, des Dialogs besteht? Das sind Fragen, die durchwegs im kleinen überschaubaren Raum, in unserer Heimat, am ehesten eingeübt werden können. Und das ist auch die große Stärke und Überlegenheit, die Kommunalpolitik bietet. Somit ist die Kommune die Wiege der Demokratie und die kommunalpolitische Jugendarbeit der Wegbereiter und Nährboden einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Wie können nun Jugendliche dabei unterstützt werden, sich eigenständig auf die neuen Herausforderungen der durch die Wahlaltersenkung erweiterten Partizipationsmöglichkeit vorzubereiten? Es liegt eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen für den schulischen Bereich vor – wie stellt sich dies jedoch im offenen Handlungsfeld dar? Wie kann Vermittlung gelingen, sodass Politik für die Jugendlichen „mit dem Leben zu tun hat“?

Was beschäftigt die Jugendlichen? Die Themen „Aufwachsen in der Migrationsgesellschaft“ und „Bildung und Erwerbsarbeit“ sind zentrale Inklusions-/Exklusionsfaktoren. In einer ErstwählerInnenanalyse4 gaben 32,3 % die Themen „AsylantInnen/AusländerInnen“ als die „für mich persönlich wichtigsten politischen Themen“ an. Dicht gefolgt von „Bildung/Ausbildung“ mit 23,7 %. Die Europäische Union fällt in dieser Befragung mit 7,6 % stark ab. „Das Vertrauen der Jugendlichen in die etablierten Institutionen (Parteien, Parlament etc.) ist, wie die Jugendforschung der letzten Jahre zeigt, gering“, so Dr.in Beate Großegger vom Institut für Jugendkulturforschung. Politik gilt bei den Jugendlichen als ein (eher) unmoralisches Metier. Misstrauen, Frustration und Ober-

25 flächlichkeit sind die Begriffe, die Jugendliche am stärksten mit Politik assoziieren.5

Partizipation, Multimedia, Style und Begegnungen! In der Offenen und auch in der Verbandlichen Jugendarbeit, also „überall dort, wo Jugendliche ihre Freizeit verbringen“, ist klassische Wissensvermittlung nicht Erfolg versprechend. Alles, was nur irgendwie nach „Schule“ aussieht, ist bei den Jugendlichen ziemlich unbeliebt. Also bleiben die Dimensionen „Meinungs- und Partizipationsförderung“ und „Verantwortung übernehmen“. Und hier hat die Jugendarbeit viel zu bieten! Oberstes Prinzip ist Freiwilligkeit, denn im Unterschied zum Feld „Schule“ können die Jugendlichen jederzeit und ohne Begründung den Ort verlassen, müssen sich weder anmelden noch binden. Projekte und Konzepte greifen dort erst dann, wenn sie Jugendliche tatsächlich interessieren und ihren Lebenswelten entgegenkommen. Sehr gut läuft es in den Projekten, wenn gestaltet werden kann, zum Beispiel Produkte wie T-Shirts, Buttons usw. Wenn „etwas rausschaut, etwas weitergeht“ – dann sind Jugendliche dabei.


Literatur

Kinder und Jugendliche spüren, erfahren und leben Demokratie, wenn die Inhalte der Gruppentreffen nicht nur präsentiert, sondern gemeinsam überlegt, beschlossen und vorbereitet werden. Gelebte Demokratie im Sinne von Beteiligung und Eigenverantwortung – und das als selbstverständliches Arbeitsprinzip – ganz natürlich! Wichtig ist immer, dass mit verschiedenen Sinnen gearbeitet wird und die Jugendlichen sich in irgendeiner Form „verwirklichen“ und kreativ

werden können. Die Angebote müssen Aufmerksamkeit bei den Jugendlichen erregen und eine direkte Relevanz für ihr Leben haben. Informationsvermittlung funktioniert nur dann, wenn die Informationen selbst recherchiert werden und in ihrem Tempo aufgearbeitet werden – also selbst gefunden und deshalb lebensweltrelevant sind. Und wenn diese Inhalte Jugendliche in ihrer Gruppenzugehörigkeit ansprechen. Style ist ein wichtiger Faktor – oft scheitern gute Projektideen an einer falschen Präsentationsweise, einer „traditionellen Rhetorik“ oder einer „verstaubten“ Darstellung. Interesse bei Jugendlichen entsteht immer dann, wenn sie emotional angesprochen werden – durch Geschichten, durch Bilder oder durch Menschen.

Begegnungen ermöglichen Einen Begegnungsraum mit PolitikerInnen zu schaffen ist von hohem Nutzen für beide Gruppen. Eine Empfehlung: beide Gruppen müssen die Chance haben, sich auf diese Begegnung vorzubereiten – sowohl die Jugendlichen als auch die PolitikerInnen brauchen Vorinformationen, wie die Begegnung ablaufen soll. Wenn es zu einem Dialog kommt, entsteht die Chance, dass „Gedanken den Kopf wechseln“. Martina Eisendle, Leiterin von invo – service für kinder- und jugendbeteiligung

Cornelius Wohlgenannt, 16 Jahre, Schüler, Katholische Jugend und Jungschar

koje

Carmen Willi, Vorsitzende Landesjugendbeirat

Demokratie ist in unserem Verein ganz selbstverständlich. Das beginnt beim Planungswochenende im Herbst, wenn wir GruppenleiterInnen gemeinsam das Jahresprogramm erarbeiten. Eigentlich läuft unsere Arbeit überhaupt demokratisch: beim monatlichen Leitungskreis, bei der Vorbereitung von Veranstaltungen und beim Planen und Durchführen der Gruppenstunden mit den Kindern.

Filzmaier, Peter (2007): „Politische Bildung: Was ist das?“, http://science.orf. at/science/filzmaier/73825 (Stand: 5. 2. 2009) Großegger, Beate; Zentner, Manfred (2006): „Politik und Engagement“. In: Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (Hrsg.): Schriftenreihe Jugendpolitik: Themenheft Politik und Engagement. Wien: BMSG, S. 7-14 Institut für Jugendkulturforschung (2008): „Politikinteresse und Politikdistanz bei Jugendlichen“, http://www. vmoe.at/rte/upload/pdf/vorbilder-der-jugend_charts.pdf (Stand 20. 3. 2009) Karlhofer, Ferdinand (2007): „Wählen mit 16: Erwartungen und Perspektiven“. In: Forum Politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur Politischen Bildung Nr. 27 [Onlineversion], www.politischebildung.com Verhulst, Jos; Nijeboer, Arjen (2007): Direkte Demokratie. Fakten, Argumente, Erfahrungen. http://www. mehr-demokratie.de/fileadmin/pdfarchiv/di/verhulstnijeboer-direct-democracyde.pdf (Stand: 18. 3. 2009) Wiesendahl, Elmar (2001): Keine Lust mehr auf Parteien. Zur Abwendung Jugendlicher von den Parteien. In: Politik und Zeitgeschichte (B 10/2001), zitiert aus dem onlineDokument: http://www. b p b . d e / p u b l i ka t i o n e n / M1QSK7,7,0,Keine_Lust_ mehr_auf_Par teien_Zur_ Abwendung_Jugendlicher_ vo n _ d e n _ Pa r te i e n . h t m l (Stand 17. 3. 2009)


Kinderrechte

in Europa

Politik für und mit jungen Menschen Alle Mitgliedstaaten der EU haben die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, die völkerrechtlichen Vorgaben aus diesem Übereinkommen umzusetzen. Trotzdem waren die Kinderrechte – damit gemeint sind die Rechte junger Menschen bis 18 Jahre! – lange Zeit in den meisten EU-Verträgen nicht vorhanden.

Erst mit Verabschiedung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 gab es eine erste konkrete Erwähnung der Kinderrechte in Artikel 24.1 Dieser bezieht sich auf die Schutz- und Partizipationsrechte der Kinder. Mit Hinweis auf den direkten Bezug zu Artikel 3 der UNKRK wird hier auch der „Vorrang des Kindeswohls“ (best interest of the child) aufgeführt, der bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen zu berücksichtigen ist sowie der Anspruch des Kindes auf direkten Kontakt mit beiden Elternteilen. Allerdings fehlt weiterhin die Verankerung der Kinderrechte in der EUVerfassung.

strategie2 beschlossen, in der u. a. festgehalten ist, „dass es von grundlegender Bedeutung ist, die Kinderrechte in alle Politikbereiche der Union, die Kinder direkt oder indirekt betreffen, zu integrieren und sie in all diesen Bereichen zu vertreten (Mainstreaming).“ Eine Reihe von Maßnahmen sollen Entwicklungsmöglichkeiten verbessern und insbesondere das Recht auf Schutz vor jeder Form von Gewalt stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar – selbstverständlich auch in Österreich!

Politik mit jungen Menschen als Herausforderung Die Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen wurden in den letzten Jahren ausgebaut – auch in der Politik. Allerdings ist die Herabsetzung des Wahlalters alleine zu wenig. Neben politischer Bildung ist die lebensweltnahe Erfahrbarkeit von altersentsprechender Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeit zentral für junge Menschen. Neben Familie und Schule sind Gemeinden und insbesondere Einrichtungen der verbandlichen und offenen Jugendarbeit jene Bereiche, die für junge Menschen besonders relevant sind. Eine umfassende Kinderrechtsstrategie auf EU-Ebene kann wichtige Impulse für die nationalen und auch regionalen Bemühungen darstellen. Michael Rauch, Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt

EU-Kinderrechtsstrategie Im Jänner 2008 wurde eine umfassende Kinderrechts-

Maria Hörl/youthphotos.eu

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2

1 www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P6-TA-20080012&language=DE


Stefan Franke/youthmedia.eu

Von der Hausbesetzung

zum autonomen Kulturzentrum Stationen eines aktiven Sich-Einmischens

Station 1: Die Hausbesetzung

Station 4: Podiumsdiskussion

Im Oktober 2008 hat eine Gruppe von Menschen in Feldkirch ein leer stehendes Haus der ÖBB besetzt. Diese Aktion diente dazu, auf die Notwendigkeit eines autonomen Kulturzentrums in Vorarlberg aufmerksam zu machen.

Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ein autonomes Kulturzentrum in Vorarlberg – Sinn oder Unsinn?“ fand im Spielboden in Dornbirn statt. Die Stimmung war konstruktiv, befürwortend positiv.

Station 2: Gespräche mit der Politik Station 2 a: Gespräch mit dem Bürgermeister und der Vizebürgermeisterin von Feldkirch und der ÖBB Station 2 b: Auszug aus dem besetzten Haus, nachdem ein weiterführendes Gespräch mit Landesstatthalter Wallner vereinbart wurde Station 2 c: Gespräch mit Landesstatthalter und Kulturlandesrat Markus Wallner

Station 3: Arbeitsgruppe Bei insgesamt vier Terminen haben sich VertreterInnen der Initiative, VertreterInnen von IG Kultur, Land und Gemeinden unter der Moderation der koje in einer Arbeitsgruppe getroffen. Das Ziel war die Konzepterstellung bzw. Konzeptreflexion.

Anarchie, Autonomie und Demokratie – wie passt das zusammen? Anarchie und Autonomie passen sehr gut zusammen, da beide von einer Selbstbestimmung und der Emanzipation des Menschen bzw. der Gesellschaft ausgehen. Die vorherrschende Demokratie bietet diese vermeintliche Möglichkeit allerdings nur der Mehrheit, was allerdings nicht heißen soll, dass diese Mehrheit emanzipiert sein muss bzw. ist). Anarchie bedeutet Selbstbestimmung und nicht wie in der Demokratie durch die Volksvertreter Fremdbestimmung. Norbert, Daniel und Mathias Vertreter der Initiative „autonomes Kulturzentrum für Vorarlberg“


m

29 Station 5: Kommunikation und Aktion Station 5 a: aktive parallel zu allen Stationen umgesetzte Öffentlichkeitsarbeit, mit dem Ziel, klar über die Weiterentwicklung zu informieren und nachhaltig auf die Relevanz der Thematik und die Notwendigkeit der Umsetzung aufmerksam zu machen Station 5 b: aktive Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für ein autonomes Kulturzentrum, das einem im Konzept erstellten Anforderungsprofil entspricht Station 5 c: eine parallel zu allen Stationen laufende Unterschriftenaktion Station 5 d: Besuch des autonomen Kulturzentrums Bremgarten in der Schweiz

Station 6: Zwischengespräch mit der Politik Bei einem Treffen mit Landesstatthalter Wallner wird ein Zwischenbericht geliefert und Bilanz gezogen. Die mögliche weitere Vorgehensweise wird diskutiert. Und in (naher) Zukunft?

Station 7: Die Realisierung einer Vision? Es gibt in Vorarlberg ein autonomes Kulturzentrum für (junge) Menschen, die sich an einem ihnen zur Verfügungen gestellten Ort (Freiraum) kulturell einbringen, mitgestalten und sich entfalten wollen? Fazit: Ein Konzept liegt vor, die Weichen sind gestellt, die Kommunikation und Interaktion mit der Politik hat stattgefunden: selbstbewusst, klar, fordernd, aktiv. Junge Menschen haben sich eingemischt und eingefordert. Dies geschah nicht passiv war-

tend und einfach Bestehendes kritisierend, sondern sie haben Platz genommen in einem demokratischen Wechselspiel zwischen dem was ist und dem was sein könnte bzw. sein sollte. Wenn Menschen nicht nur Bedürfnisse artikulieren sondern ihren Teil dazu beitragen, dass das System so verändert werden kann, damit ihre Bedürfnisse und Notwendigkeiten Raum bekommen (in diesem Fall sowohl real als auch im übertragenen Sinne), dann ist das aktives Gestalten eines demokratischen Miteinanders. Es geht darum Ideen zu entwickeln, Ideen zu artikulieren und Ideen zu verwirklichen. Widerstand ist weit mehr als nur NEIN zu sagen – Widerstand ist eine Lernplattform, um politisches und demokratisches Handeln zu erleben und zu erproben, mit dem Ziel, einen Platz in der Gesellschaft aktiv einzufordern und nicht passiv zugewiesen bekommen. Mag.a Sabine Liebentritt

Kratein – herrschen, soll Demos – das Volk Autonome Kulturzentren gibt es viele: alle Kultureinrichtungen, die statuarisch unabhängig sind und deren Mitwirkende sich auch so fühlen, sind autonom. Sie bestimmen ihre Normen, ihre Arbeitsweise und ihr Programm selbst. Nun wird argumentiert, dass eine Einrichtung, die ihre Ausgaben mittels Subventionen bestreitet, nicht autonom sein kann, weil der vorauseilende Gehorsam keine völlige Unabhängigkeit zulässt. Das ist weder ganz richtig noch ganz falsch. Sicher hat ein autonomes Kulturzentrum, das ohne laufende Subvention und ohne Angestellte auskommt, mehr Unabhängigkeit im Denken und Handeln. Die Betreiber/innen können ihre Arbeitsweise selbst entwickeln und dabei demokratische Strukturen aufbauen und ausprobieren. Wenn junge Leute das machen, ist eine solche Erfahrung von unschätzbarem Wert. Wird „Anwesenheitsdemokratie“ praktiziert, zeigt sich schnell, dass Entscheidungen entlang bestimmter Muster fallen: Jene,

die den Mund aufmachen, lenken die Versammlungen. Das sind oft auch jene, die männlich und etwas älter sind (Ausnahmen bestätigen die Regel). Also entwickeln anspruchsvolle junge Demokrat/innen Entscheidungsformen, die solche Muster korrigieren und auch jenen Präsenz verschaffen, die ohne neue demokratische Impulse untergehen würden. Denn das Volk, das sind alle. Dr.in Juliane Alton IG Kultur

VertreterInnen der Initiative „autonomes Kulturzentrum für Vorarlberg“ bieten eine Begriffs-Exkursion an Kulturzentrum: Ein Kulturzentrum in unserem Sinne ist ein Freiraum für Menschen aller Altersund Gesellschaftsschichten zur kulturellen Entfaltung und Selbstverwirklichung sowie ein Raum, in welchem libertäre und emanzipatorische Lebensweisen erprobt werden können. Dieser Ort soll ein Platz für alle Menschen sein, sofern diese durch ihr Denken und Handeln keine anderen Personen unterdrücken, ausbeuten, einschränken oder diskriminieren. Deshalb wollen wir nicht in gesellschaftlich vorgegebene Kategorien wie Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität, Glaube und sexuelle Neigung einteilen. Autonomie: Unter Autonomie verstehen wir den erstrebenswerten Zustand von Selbstbestimmung, Emanzipation und Selbstverwaltung. Anarchie: An die Stelle der heutigen Gesellschaft, die auf Herrschaft und Ausbeutung auf den verschiedensten Ebenen (Kapitalismus, Frauenunterdrückung, Rassismus, Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit ...) beruht, soll eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und Herrschaft von Menschen über Menschen treten – die Anarchie! Dafür ist es notwendig, solidarische Formen des Zusammenlebens zu etablieren und neben der Abschaffung von Staat und Kapitalismus auch die allgegenwärtige Benachteiligung von Frauen in dieser Gesellschaft zu bekämpfen und aufzuheben.


Aus der Jugendarbeit Jugendprojektwettbewerb 2009 Gewinnt mit euren Ideen Preisgelder im Gesamtwert von € 4.500,-! Gesucht sind die besten Projekte aus den Bereichen Jugendkulturen, Lebensraumgestaltung, Soziales u. a. Seid dabei! Jugendinitiativen, Freundeskreise, Offene Jugendarbeit, Gemeinden, Jugendorganisationen

Wie könnt ihr teilnehmen? Eure Projekte sollten zwischen Juni 2008 und Juni 2009 realisiert worden sein. Ihr könnt euch schon jetzt unverbindlich anmelden, um genauere Informationen zu erhalten. Alter: 14 bis 25 Jahre Einreichfrist: 30. Juni 2009

Mehr Informationen unter www.jugendprojekte.at oder unter Jugendreferat des Landes Vorarlberg, Römerstraße 15 6900 Bregenz, T: 05574/511-24115

Exkursionsfahrt „Wie lebt es sich mit (K)EINEM Minarett?“ JugendInitiativ und die koje organisieren im Rahmen der am.puls Veranstaltungsreihe die Exkursionsfahrt „Wie lebt es sich mit (K)EINEM Minarett?“ am 5. Juni 2009 nach Telfs und Bludenz. Interessierte aus der verbandlichen und offenen Jugendarbeit bekommen dabei Einblick in die intensive Auseinandersetzung der beiden Orte zu den Themen Migration, Integration und interkulturelle Arbeit.

Termin: Freitag, 5. Juni 2009 Abfahrt ab Bregenz Bahnhof: 7.00 Uhr Rückkehr in Bregenz: ca. 19.00 Uhr Selbstbehalt: € 45,- bzw. 35,- ermäßigt (inkl. Fahrt und Mittagessen) Anmeldung: bis zum 1. Juni 2009 an koje unter T: 05574/45838 oder E: office@koje.at Weitere Infos zum Programm: www.koje.at


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Wissenswertes im www

– eine Linksammlung

www.jugendvertretung.at Die gesetzliche Interessensvertretung von mehr als 40 Kinder- und Jugendorganisationen macht sich für die Anliegen junger Menschen stark. www.fairtrade.at Faire Lebensmittel bedeuten angemessene und faire Löhne für die ProduzentInnen.

VolksBegehren www.demokratiewebstatt.at/ wissen/demokratie-lexikon.html Unter V gibt‘s Infos zu Volksbegehren, unter A–Z noch mehr Erklärungen zu wichtigen Begriffen aus Politik und Demokratie. www.bmi.gv.at/wahlen Infos zum Ablauf von Volksbegehren, Liste mit allen bisherigen Volksbegehren in Österreich

PartEi www.politik-lexikon.at Infos zu den im Nationalrat vertretenen Parteien – klick auf P und Partei! www.politikkabine.at Wo stehen die Parteien und

wo stehst du? Beantworte 25 Fragen und du weißt mehr! Unbedingt die Wichtigkeit der Frage bewerten – liefert ein besseres Ergebnis! Vor Wahlen: Mach auch den Test unter: www.wahlkabine.at

DemokraTea www.polipedia.at Politik-Infos nach dem Wikipedia-Prinzip: eigene Beiträge online stellen und bloggen! Themen: Demokratie, Politik, Partizipation www.help.gv.at/jugendliche Unter „Rechte und Demokratie“ findest du Infos zu „Was ist Demokratie?“, „Warum wählen gehen?“ und „Welche Rechte habe ich?“.

ZivilKuhrage www.zara.or.at Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit www.aktivwerden.at Du willst dich für deine Anliegen engagieren? Hier findest du viele Organisationen, bei denen du dich einbringen kannst, und ihre Angebote für Jugendliche!

Postkartenserie von jugendinfo.cc. Mehr unter www.infoup.at/politik

alle Karten: Foto:Christine Wurnig, Grafik: Eugénie Hadinoto

InterEssen


Ausgabe 10 Mai 2009

DVR 0662321

Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt

Den nächsten Diskurs...

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Sollten Sie keine Zusendung des Jugend-Fachmagazins Diskurs wünschen, melden Sie sich bitte unter abo@jugend-diskurs.at oder im aha unter 05572/52212.

... erhalten Sie im Herbst 2009.

Auf den Punkt gebracht.