Ausgabe 88 | März 2020
der Fun k e
2.? Soli: 4.?
M A RXI STI SCH E STRÖ M U N G I N D ER JU SO U N D D EN GEW ERKSCH A FTEN
Gegen Fr au enun ter dr ü ckun g: Für den Sozi al i sm u s! Zur SP-Präsidium swahl
+ + + Corona-Virus: Gegen die Willkür + + +
Energiewende und Sozialism us
2
Inhalt
In hal t Lin k er Au f br u ch in der SP? Die Jahresversammlung der JUSO hat sich mit grosser Mehrheit für die Co-Kandidatur von Meyer und Wermuth für das SP-Präsidium ausgesprochen. Wie positionieren sich Marxisten gegenüber dem Duo, das einen «linken Aufbruch» verspricht? S. 4
Inside M ar xist Ten den cy Wir berichten über den Kongress der IMT in der Schweiz und die Jahresversammlung der JUSO 7 STAF: Vom Kom pr om iss zu r Nieder lage Wie kämpfen gegen die Angriffe der Bourgeoisie, national und kantonal? 8
Fü r Sch u t z, gegen Willk ü r ! Coronavirus ? Isolation ganzer Regionen, Demonstrationsverbot, Annullieren von Fussballspielen. So reagieren die Regierungen auf die Ausbreitung des Coronavirus. Die Kosten schultern die Lohnabhängigen! Wie muss die ArbeiterInnenbewegung reagieren? S. 12
Sozialism u s f ü r die En er giew en de Fossile Energien durch erneuerbare zu ersetzen ist die dringendste Aufgabe zur Rettung unseres Planeten. Technisch ist die Energiewende machbar, im Kapitalismus findet sie jedoch nicht statt. Wir erklären weshalb. S. 14
Geh äm m er t & gesich elt Arbeitskämpfe in der Schweiz 10 Eur opa br en n t Die wichtigsten Kämpfe der Lohnabhängigen Europas 11 (K)ein Tabu br u ch in Th ü r in gen Die Bourgeoisie Deutschlands kollaboriert mit dem ultrarechten Flügel der AfD. Was tun gegen die extreme Rechte? 16 Liban on : am Sch eidew eg der Revolu t ion Die neue libanesische Regierung ist das verhasste Regime in neuem Gewand. Nur wenn die Massen selbst die Macht ergreifen, können ihre Probleme gelöst werden. 18 Der Sozialism u s w ir d im m er beliebt er Gemäss jüngsten Umfragen glauben 56% der Weltbevölkerung, dass der Kapitalismus heute mehr Schaden als Nutzen bringt. Warum? 20 «Sor r y w e m issed you » von Ken Loach Politische Lehren aus dem neues Ken Loach-Film. 21 Über m ein Ar beit als... ... Filialmitarbeiter im Detailhandel
Spen den
Im pr essu m
Diese Zeitschrift wird durch die Verkaufseinnahmen und Spenden finanziert. Unterstützen Sie uns mit einer kleinen Spende oder einem regelmässigen Beitrag auf folgendes Konto: Der Funke Effingerstrasse 8 3011 Bern Kontonummer: 85-637568-1 IBAN: CH39 0900 0000 8563 7568 1
Der Funke erscheint in Zusammenarbeit mit den marxistischen Vereinen der Uni Basel, Bern und Zürich Kontakt: Der Funke Schweiz, Effingerstrasse 8, 3011 Bern, redaktion@derfunke.ch; Redaktion: Martin Kohler, Michael Wepf, Caspar Oertli, Jannick Hayoz, Julian Scherler, Dersu Heri Layout: SD, MK, MW, JR, FL, MB, CT, KM Titelbild: Marco Bouchon Die Zeitschrift behandelt Fragen der Theorie und Praxis der schweizerischen und internationalen ArbeiterInnenbewegung.
22
Editorial
3
Gegen Fr au enun ter dr ü ckun g: für den Sozi al i sm u s! Für die Redaktion Jannick Hayoz
Im Sudan stürzt 2019 eine revolutionäre Massenbewegung das erz- reaktionäre Bashir- Regime. Phasenweise sind mehr als zwei Drittel der Kämpfenden Frauen. Im Libanon stehen Frauen an der Spitze nicht minder revolutionärer Ereignisse. Es gebe keinen anderen Weg als den Sturz der Banken, urteilt eine Libanesin nach viermonatigem Kampf gegen das Regime. Ähnliches in Mexiko, in Spanien, auf der ganzen Welt. Die Krise des Kapitalismus heisst zunehmende Not für die Ausgebeuteten. So nötigt er diese zum Widerstand ? insbesondere arbeitende Frauen, die von der Krise besonders hart getroffen werden. Wir stehen am Beginn einer Periode revolutionärer Kämpfe auf globaler Ebene. Und arbeitende sowie junge Frauen stehen inmitten oder an der Front der Kämpfe.
den sie auf diese verzichten. Der Kampf gegen die Frauenunterdrückung ist ein Kampf gegen das Kapital und die Gesellschaftsform, in der dieses herrscht. Der Kapitalismus erfindet die Frauenunterdrückung nicht. Aber er muss gestürzt werden, um sie zu beenden.
Klassen k am pf Frauen erleiden Gewalt, Sexismus und Unterdrückung durch selber ausgebeutete Männer. Das ist Tatsache. Doch der Kapitalismus in der Krise hat weder lohnabhängigen Frauen noch Männern irgendetwas zu bieten. So haben sie ein gemeinsames Interesse daran, ihn zu stürzen: Der gemeinsame Kampf der ganzen ausgebeuteten Klasse ist möglich. Er ist notwendig, denn nur als vereinte Klasse haben die ArbeiterInnen die Schlagkraft, um den Kapitalismus zu stürzen. In den aktuellen Kämpfen sehen wir, dass die Lohnabhängigen ihre gemeinFr au en st r eik Das Kampfniveau in der Schweiz samen Interessen selbst erkennen «Der Kapi tal i sm u s liegt tiefer. Aber im global verund in Ansätzen das sie spaltende er fi n det di e flochtenen Kapitalismus gibt es Gift des Sexismus Fr au enun ter dr ü ckun g ideologische keine Inseln: Es zeigen sich ähnüberwinden: «United we stand, dini cht. Aber er m u ss liche Entwicklungssprünge. In vided we fall», hiess es vorletzte gestür zt wer den , um si e Woche auf Plakaten protestierender Form des Frauenstreiks trat die breite und tiefe Radikalisierung arIrakerinnen. Nach monatelangen zu been den .» beitender und jugendlicher Frauen landesweiten Protesten wurde gegen ruckartig an die Oberfläche. Er war Beweis des riesiden Versuch, diese entlang des Geschlechts zu spalgen Kampfpotenzials. Doch zwischen diesem und ten, demonstriert. Männer und Frauen schützten die dem tatsächlich Erkämpften klafft ein Abgrund. Demonstration vor Repression. Reformistische Gewerkschaftsführungen und feministische OrganisatorInnen liessen das Potential Sozialism u s verpuffen, indem die Bewegung in die Bahnen eines Der Kapitalismus ist nicht nur Hindernis zur Überwindung der unterdrückerischen Geschlechterverbloss symbolischen «Streiks» ? eine Demonstration, hältnisse. Er hat aus sich auch die Bedingungen kein Streik ? geführt wurde. Die Unterdrückung bleibt geschaffen für eine neue Gesellschaftsform, in der die dieselbe wie davor. Denn Symbole schmerzen die materielle Basis für die Unterdrückung der Frau fällt: Profiteure der Frauenunterdrückung nicht: die Kapiden Sozialismus. talistInnen, gegen die der Kampf für die Befreiung der Im Sozialismus eignen sich die gesellschaftlichen Frau geführt werden muss. ProduzentInnen ihre Produkte kollektiv an und gestalten und planen die mittlerweile hochentwickKapit alism u s u n d Fr au en u n t er dr ü ck u n g Der Kapitalismus erfindet die Frauenunterdrückung elte Produktion demokratisch. Es wird keine manicht. Aber er verankerte sie in seinen Grundfesten: teriellen Interessen mehr geben, den Frauen das Joch den Arbeitsverhältnissen. Die unterdrückende der Hausarbeit aufzuzwingen. Diese wird ? das einzig Hausarbeit wird mehrheitlich den Frauen Rationale vom Standpunkt der arbeitenden Mehrheit aufgezwungen. Gleichzeitig werden sie auch in der ? zur gesellschaftlichen Aufgabe und demokratisch Lohnarbeit ausgebeutet. Die KapitalistInnen holen organisiert werden. Der Lebensstandard wird sich, ganz besonders in der Schweiz, Fünfer wie Weggehoben werden; finanzielle Abhängigkeiten als eine gli. Einerseits schafft die Hausarbeit der Frauen bilunmittelbare Ursache der Unterdrückung verlige ausbeutbare Arbeitskräfte. Andererseits werden schwinden. Indem der Sexismus seine Frauen vom Kapital nochmals doppelt ausgepresst gesellschaftliche Funktion verliert, wird er bewusst durch prekäre Lohnarbeit in «Frauensektoren» oder abgeschafft werden können. durch die Lohnungleichheit. Der Sexismus reproWer dafür kämpft, «alle Verhältnisse umzuwerfen, duziert auf ideologischer Ebene diese doppelbelasin denen der Mensch ein erniedrigtes, ein tende Rolle arbeitender Frauen, mit der eine Menge geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wevon Unterdrückungsphänomenen einhergehen. sen ist» (Marx) ? und nur darum kann es uns gehen ? Die KapitalistInnen profitieren von der Fraumuss für den Sozialismus kämpfen. enunterdrückung in all ihren Formen. Niemals wer-
4
Schweiz
Li n k er Aufbr u ch i n der SP? die Redaktion
Die Jahresversammlung der JUSO hat sich mit grosser Mehrheit für die Co-Kandidatur von Meyer und Wermuth für das SP-Präsidium ausgesprochen. Wie positionieren sich Marxisten gegenüber dem Duo, das einen «linken Aufbruch» verspricht?
«Linker Aufbruch» lautet der Slogan der Kandidatur von Mattea Meyer und Cedric Wermuth. Spätestens nach der historischen Wahlniederlage der SP im vergangenen Herbst ist dieser auch dringend nötig. Entweder schlägt die SP einen klar linken Kurs ein und wird zu einem Kampfinstrument der Lohnabhängigen und der Jugend. Oder die Partei versinkt gänzlich in die Bedeutungslosigkeit. Diese Dringlichkeit haben die JUSO-Delegierten an der Jahresversammlung (JV) Mitte Februar erkannt. Schnell wurde deutlich, dass die Gegenkandidatur von Priska Seiler- Graf und Matthias Reynard zurecht als die klar rechtere identifiziert wurde. Sie sind angetreten, um die linkere Kandidatur von Meyer- Wermuth zu verhindern. Und im Gegensatz zum «linken Aufbruch» stehen klar für ein Weiter-wie-bisher. Dass Reynard einen kämpferischen Ton anschlägt und teilweise einen Klassenstandpunkt vertritt, wird dadurch nichtig, dass er sich mit der Sicherheitspolitikerin Seiler-Graf zusammengeschlossen hat, die am rechten Rand der Partei steht. Auch an der JV machte sie ihre liberalen Positionen zum Frauenrentenalter
und zur EU («ein Friedensprojekt») deutlich. Die JUSO hat erkannt, dass die SP sicherlich kein «komplementäres» Präsidium braucht, das «alle Richtungen der Partei abdeckt». Die SP braucht einen radikalen Linksrutsch! Genau mit dieser ehrlichen Hoffnung stimmten schlussendlich über drei Viertel aller Delegierten für das Duo Meyer-Wermuth. Ihre Kandidatur hat es sich zum Ziel gesetzt, die Löhne zu erhöhen, die Krankenkrassenprämien zu senken und den Finanzplatz zu besteuern und so für die Klimakrise verantwortlich zu machen. Diese Forderungen gehen in die richtige Richtung. Doch können Meyer und Wermuth aufzeigen, wie diese Verbesserungen tatsächlich erkämpft werden können? Är a Levr at u n d die Kr ise des Ref or m ism u s Meyer und Wermuth erklären, dass die SP in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich Verbesserungen für die Lohnabhängigen umgesetzt hat. Das stimmt für die Periode nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Arbeiterklasse auf der Basis des kontinuierlichen Wirtschaftsaufschwungs Verbesserungen
Schweiz
5
haben. Diese angestaute Wut und Energie ist letztes erkämpfen konnte, wie zum Beispiel die AHV. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Der Kapita- Jahr bei Klimastreik und Frauenstreik eindrücklich lismus befindet sich in seiner wohl tiefsten Krise der ausgebrochen. Es ist dieses riesige Verlangen nach Geschichte. Die Kapitalisten haben keinen Ausweg einer wirklichen Veränderung, das einem radikalen Kurswechsel weg von der Kompromisspolitik hin zu aus der Krise ihres eigenen Systems zu bieten. Sie seteinem kämpferischen sozialistischen Programm eine zen alles daran, ihre Profitbedingungen zu retten, indem sie die Lohnabhängigen für ihre Krise bezahlen breite Basis verschaffen würde. Leider zeigen Meyer- Wermuth viel zu wenig auf, lassen. In der Schweiz stagnieren seit 30 Jahren die wie der notwendige «linke Aufbruch» geschehen soll. Lebensbedingungen. So hat auch die reformistische SP- Politik in der Ihr Programm spricht zwar einzelne wichtige Punkte an. Doch es bleibt bei einer abstrakten «Vision», wie aktuellen Periode ihre Grundlage verloren. Die Kapitalisten sind nicht bereit zu irgendwelchen Verbesserungen erzielt und wie die Bewegungen zum Sieg geführt werden sollen. Vage Floskeln wie «sich Zugeständnissen und Verbesserungen für die Lohnabhängigen ? im Gegenteil: Sparmassnahmen und mit den Bewegungen vernetzen» bleiben ohne jeden politischen Inhalt. In ihrem ganzen Programm findet Frontalangriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen sind seit Jahren Realität. Die sich das Wort Krise nur in Zusammenhang mit dem sozialdemokratischen Parteien, die in ihrem politi- Klima. Obwohl die Krise des Kapitalismus den Rahschen Denken noch immer in der Nachkriegszeit men für alle aktuellen politischen Fragen setzt. Es stecken, waren mit ihrer Kompromisspolitik nicht nur wird in keiner Weise aufgezeigt, dass und wie die unfähig, diese Angriffe abzuwehren, sondern haben Lohnabhängigen sich in der Krise verteidigen sollen. sie vielfach direkt mitgetragen. Dass sie europaweit das Vertrauen der Arbeiterklasse verloren haben, ist Kein e Kom pr om isse! Auf der Agenda der nächsten Legislatur (grosse die logische Konsequenz davon. In diesen Zeiten hat linke Politik nur Aussicht auf Analyse in der letzten Funke- Ausgabe Nr. 87) stehen bereits Dutzende kapitalistische Konterreformen: Erfolg, wenn sie bereit ist, in der Verteidigung der InPrivatisierungen, weitere teressen der Lohnabhängigen mit dem Kapital zu Rentenreformen, brechen. Wer die bürgerliche Krisenpolitik mitträgt, Steuersenkungen für Firmen, Abholzung der verliert in den Augen der Massen ? völlig zurecht ? flankierenden Massnahmen und Arbeitszeitflexibilisierungen. Solche Angriffe auf die Lohnabhängigen seine Legitimität. Die letzte Präsidentschaft der SP von Christian fallen nicht vom Himmel. Sie sind für die Kapitalisten Levrat hatte dies ganz eindeutig nicht eingesehen. eine Notwendigkeit, um in der Krise und verschärften Levrat wurde 2008 zum Präsidenten der SP gewählt. Konkurrenz ihre Profite zu sichern. Die Bürgerlichen haben den Lohnabhängigen den Dieses Jahrzehnt war geprägt Kampf angesagt und wir müssen ihn von der bürgerlichen Krisen«Das Ver m ächtni s von erwidern! Die Interessen der lohnabpolitik, von Sozialabbau, StagLevr at i st ei n hängigen Mehrheit stehen den Profitnation und Konterreformen. interessen des Kapitals diametral Ver m ächtni s der Levrats SP konnte dagegen zuwider. In der kapitalistischen Krise nichts ausrichten. Die sogefaul en Kom pr om i sse gibt es keine Basis für soziale nannten Kompromisse, wie un d wur de m i t ei n em Verbesserungen durch Kompromisse der Vorschlag zur RentenreEi nbr u ch von 10%der und Zusammenarbeit mit den form AV2020, die Steuer- AHVSti m m en abgestr aft.» Bürgerlichen. Reform STAF und die AnsteMeyer und Wermuth erklären noch hende BVG- Reform sind dinicht, wie man mit der Kompromissrekte Zugeständnisse an die politik brechen soll. Im Gegenteil tischen sie den Kapitalisten. Das Vermächtnis von Levrat ist ein Vermächtnis der faulen Kompromisse und wurde von tausenden sich radikalisierenden Menschen bürgerden WählerInnen im Herbst 2019 mit einem Einbruch liche Binsenwahrheiten wie «Kompromisse sind das Wesen der Demokratie» auf. An der JV stellten sie an 10% der Stimmen abgestraft. Kompromisse gar als «Teil der SP- DNA» dar und betonen bei jeder Gelegenheit, dass sie sich nicht als «Lin k er Au f br u ch »: Bruch mit der Ära Levrat verstehen. Beide haben Riesiges Pot en zial u n d Not w en digkeit Die grosse Schlussfolgerung daraus muss sein: Will bereits in der Vergangenheit im Nationalrat als Teil die SP nicht gänzlich untergehen, muss sie mit dem der SP- Fraktion der AV2020 (der Erhöhung des Frauenrentenalters) zugestimmt. Solche Politik ist ein Reformismus brechen und der bürgerlichen Krisenpolitik bedingungslos den Kampf ansagen. Statt zu grosser Fehler. Damit gibt es keinen Weg vorwärts! versuchen, die Bürgerlichen zu Zugeständnissen zu Die Erhöhung des Frauenrentenalters ist kein Komüberreden, muss die SP zu einer wirklichen Partei der promiss! Steuererleichterungen für Grosskonzerne sind keine Kompromisse! Es sind Angriffe auf die Lohnabhängigen werden. Die Lohnabhängigen könder lohnabhängigen nen nur mit härteren Kampfmethoden ? heisst: Lebensbedingungen Streiks und Massendemos ? echte Verbesserungen Bevölkerung. Und sie treiben die Arbeiterklasse erkämpfen. Es die Aufgabe der SP, diesen Weg mit der zurecht weiter weg von der SP. Die einzige Art und Weise, diese aggressive Arbeiterklasse einzuschlagen. Meyer- Wermuth sagen in ihrem Programm und Krisenpolitik der Bürgerlichen abzuwehren besteht an der Jahresversammlung der JUSO, dass sie «reale darin, die ArbeiterInnen und die Jugend für diesen Verbesserungen im hier und jetzt» wollen. Das ist der Kampf zu mobilisieren. Nur so kann die SP das Verrichtige Anspruch. Das Duo will die SP auch in den trauen der lohnabhängigen Menschen wiedergewinaktuellen Bewegungen verankern, was völlig korrekt nen. Und nur auf Grundlage dieses Vertrauens kann ist. Die grossen Bewegungen vom letzten Jahr haben tatsächlich gegen die Bürgerlichen mobilisiert und aufgezeigt, dass die Krisenpolitik und die soziale gekämpft werden. Stagnation zu einer Radikalisierungswelle geführt
6
Schweiz
Wie k äm pf en ? Wir Revolutionäre sagen keinesfalls, dass es in Krisenzeiten keine Errungenschaften zu holen gibt. Wir sagen, dass die Kapitalisten regelrecht dazu gezwungen werden müssen, Zugeständnisse zu machen. Dies ist möglich, weil die Arbeiterklasse die stärkste soziale Kraft ist. Unsere Klasse stellt die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft dar. Unsere Klasse schafft alle gesellschaftlichen Reichtümer, indem sie produziert, dienstleistet, pflegt und erzieht. Wenn unsere Klasse den Kapitalisten geeint gegenübersteht, mit Streiks und Massenmobilisierungen, kann sie die Kapitalisten zu grossen Zugeständnissen zwingen. Genau hier wird die Aufgabe der grossen Organisationen wie der SP deutlich: Sie müssen die Arbeiterklasse ihrer eigenen Stärke bewusst werden lassen. Mit Streiks und Massendemos werden die tatsächlichen Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft aufgezeigt. Die Wirtschaft wird stillgelegt, die Kapitalisten sind gezwungen, Konzessionen zu machen. Nur mit diesen Kampfmethoden könnten die Forderungen von Meyer-Wermuth nach Lohnerhöhungen und Besteuerung des Finanzplatzes in der heutigen Krisenperiode auch tatsächlich erkämpft werden. Of f en er Flü gelk am pf Der Bruch mit der bisherigen Politik der SP erfordert einen entschiedenen Kampf gegen den rechten Flügel innerhalb der SP. Es sind die Jositschs, Mario Fehrs und Seiler- Grafs, welche die Interessen der Bürgerlichen innerhalb der Organisationen der Arbeiterklasse vertreten. In der SP bedeutet das seit langer Zeit die Unterordnung der lohnabhängigen Interessen, nämlich in Form von «Kompromissen» und von der SP mitgetragenen Angriffen. Es ist deshalb ein grosser Fehler, dass MeyerWermuth den politischen Flügelkampf in der SP verneinen. Jedes JUSO- und SP- Mitglied sieht diesen Flügelkampf bei der täglichen politischen Arbeit! Meyer erklärte in der Republik und an der JV: «Will ich Mitglied sein einer homogenen, aber dementsprechend kleinen Partei? Wo ich mit fast allem einverstanden sein kann, dafür aber die Wirkungsmacht eingeschränkt ist? Oder will ich Teil einer Volkspartei im positiven Sinne die inhaltlich keine homo«Di e JUSO m u ss das Du o sein, gene Gruppe ist?» so un ter Dr u ck setzen , Doch eine SP der Kompromisse dass si e k l ar e Schr i tte hat in Krisenzeiten nicht nur überhaupt keine «Wirkungsn ach l i n k s m achen .» macht» ? die SP hat seit Jahrzehnten keine Reform mehr erkämpft. Sie ist umgekehrt ihrem unausweichlichen Untergang geweiht, weil sie ? völlig zurecht ? auch noch die letzte Unterstützung unter den Lohnabhängigen verlieren wird! Heute ist ein kämpferisches, sozialistisches Programm das einzige, was der SP wieder massenhaft Unterstützung bringen kann. Corbyns Programm in Grossbritannien hat dies vorgemacht. Auch wenn er keinesfalls den Bruch mit dem Kapitalismus suchte, haben seine unverschleierte Konfrontation mit der Politik der Kapitalisten und seine klaren Worte gegen Sparmassnahmen und Privatisierungen einen Widerhall bei Millionen von ArbeiterInnen gefunden. Ohne einen entschiedenen Kampf gegen den rechten SP- Flügel wird es keinen «linken Aufbruch» geben. Die rechten Elemente in der Partei müssen
klar als solche benannt und von der ganzen Partei unter Druck gesetzt werden. Mit ihnen wollen wir nicht «einverstanden» sein! Sie sind es, die die Interessen der Bürgerlichen direkt in die Partei tragen. Wir sind «einverstanden» mit den Hunderttausenden von Lohnabhängigen, die den immer höheren Druck im Alltag und auf der Arbeit Leid sind und die nicht sehen, was die SP mit ihrer aktuellen Politik ihnen noch bieten sollte. Rolle der JUSO Das Duo Meyer- Wermuth verspricht einen «linken Aufbruch». Die JUSO hat ihnen an der JV ihre Unterstützung zugesichert, weil die Hoffnung besteht, dass sie in der Partei eine Veränderung herbeiführen. Weil wir das angestrebte Ziel teilen, unterstützen wir ihre Kandidatur, wenn auch sehr kritisch. Wir müssen klar sagen, dass Meyer- Wermuth mit ihrem Programm im Moment nicht im Geringsten zeigen, wie der dringend notwendige Kurswechsel möglich sein sollte. In den entscheidenden Fragen betonen sie die Kontinuität zur Ära Levrat. Das muss sich unbedingt ändern, ansonsten ist nicht ersichtlich, wie das Duo durch das SP- Präsidium irgendeine Veränderung bewirken sollten. Die JUSO darf hier keinesfalls einfach passiv daneben stehen, in der Hoffnung, dass die Alt-JUSOs Meyer- Wermuth es schon richten werden. Der JUSO kommt als quasi- linker Flügel der SP eine aktive und entscheidende Rolle zu: Sie muss selbst für einen radikalen Bruch mit der Kompromisspolitik und für ein sozialistisches Programm einstehen und dafür sorgen, dass Meyer- Wermuth diesem grossen Versprechen des «linken Aufbruchs» auch Taten folgen lassen. Die Unterstützung der JUSO für Meyer- Wermuth muss zwingend an die Bedingung geknüpft sein, dass Meyer und Wermuth im Verlauf der Kampagne aufzeigen, dass sie es ernst meinen mit dem linken Aufbruch. Die JUSO muss ab sofort, während und nach der Kampagne, das Duo so unter Druck setzen, dass sie klare Schritte nach links machen. Was wir von ihnen fordern müssen, ist glasklar: - Ein konsequentes Programm, das auf die wichtigsten Fragen der kommenden Legislatur antwortet. Darin das unumstössliche Versprechen, dass die SP auf keinen Fall die Angriffe mittragen und mit einem Feigenblatt «Kompromiss» versehen wird. - Die Kampfansage an die Bürgerlichen: Wir bezahlen eure Krise nicht! Rücknahme aller Sparmassnahmen und Lohnkürzungen! - Ein sozialistisches Programm offensiv in die Klima- und Frauenbewegung tragen, heisst: die Kapitalisten sollen bezahlen, massive Investitionen in erneuerbare Energien und Kitas auf Kosten der Reichen und Konzerne. - Die SP muss sich über dieses kämpferische Programm in den Betrieben und Schulen verankern. Mit dieser Verankerung zu Mobilisierungen aufrufen und eine Streikfähigkeit aufbauen! - Der offene Kampf gegen den rechten Flügel: Diese verkappten Bürgerlichen haben in den Organisationen der Arbeiterklasse nichts verloren! - Der Kampf für den Sozialismus bedeutet den Kampf für eine radikale sozialistische Partei als Kampfinstrument der Lohnabhängigen und die Jugend!
International
In si de Mar xi st Ten den cy
7
Für Kopf und Herz: Jeden Monat empfehlen wir dir auf dieser Seite Lesefutter und zeigen einen Einblick in vergangene Veranstaltungen und Aktivitäten. Möchtest du ein Buch präsentieren oder mehr wissen über unser Aktivitäten? Wir freuen uns auf eine Nachricht von dir: redaktion@derfunke.ch
Kon gr ess der m ar xist isch en St r öm u n g: «Ein e n eu e Är a des Klassen k am pf s» Mitte Februar trafen sich um die 100 junge MarxistInnen in Bern für den jährlichen Kongress des Funke. Der dreitägige Event wurde von Francesco Merli ? Redaktionsmitglied der marxistischen Zeitschrift «In Defence of Marxism» der International Marxist Tendency (IMT) ? mit einem packenden Referat zu den Perspektiven der Weltrevolution eröffnet. Im Referat wie auch in der lebendigen Diskussion danach wurden die revolutionären Bewegungen, die sich im letzten Jahr wie ein Lauffeuer von einem Land zum nächsten verbreiteten, analysiert. Auch im folgenden Plenum zu den Perspektiven des Klassenkampfes in der Schweiz wurden in etlichen Redebeiträge potenzielle Brandherde des Schweizer Kapitalismus hervorgehoben. Die Krise des Kapitalismus macht definitiv nicht vor den Grenzen der Schweiz halt. Der Frauenstreik und die Klimabewegung waren bereits erste mächtige Anzeichen, dass auch in der Schweiz der Unmut und der Wille zur Veränderung steigen. Wir müssen uns auf weitere noch kräftigere Massenbewegungen vorbereiten. Der Enthusiasmus der Anwesenden war ansteckend. Denn allen war bewusst, dass der Marxismus als
Werkzeug uns nicht nur erlaubt, eine messerscharfe Analyse der Gesellschaft aufzustellen. Sondern er zeigt uns auch, wie wir als Organisation effektiv in den Klassenkampf eingreifen und in diesem Prozess die zukünftige revolutionäre Führung aufbauen können. Heute leben wir in einer Epoche der Massenbewegungen und - aufständen und in solchen Zeiten ist die Jugend auf der Suche nach revolutionären Ideen, um die Welt zu verändern. Wann, wenn nicht jetzt, soll der Marxismus aktuell sein?
Der Fu n ke an der Jah r esver sam m lu n g der JUSO Sch w eiz Im Februar fand die Jahresversammlung der JUSO Schweiz in Bern statt. Die marxistische Strömung verteidigte revolutionäre Positionen zu CO2- Gesetz und dem Positionspapier zu Bodenbesitz und Wohnraum. Besonders wichtig war die Diskussion zum neuen SP?Präsidium. Die beiden KandidatInnenduos Meyer/ Wermuth sowie Reynard/ Seiler?Graf präsentierten sich und stellten sich unseren Fragen. Die JUSO identifizierte sich korrekterweise schnell mit Meyer/ Wermuth und nicht der rechteren Kandidatur. Unsere an Mattea und Cédric adressierten Redemeldungen zielten genau darauf ab zu erfahren, wie sie den von ihnen versprochenen «linken Aufbruch» anstreben. Denn wenn die SP die Lohnabhängigen zurückgewinnen will, muss sie deren Interessen verteidigen. Dies bedeutet den Bruch mit der SP- Politik unter Levrat, welche auf faulen Kompromissen mit den Bürgerlichen beruhte. So ein Beispiel ist auch das CO2- Gesetz, welches im Parlament verhandelt wird und die Kosten der Klimapolitik mit Abgaben auf Benzin und Flugtickets auf die Arbeiterklasse abwälzen will, anstatt die wirklichen Verursacher, die kapitalistischen Grosskon-
zerne zur Verantwortung zu ziehen. Die marxistische Strömung reichte eine Resolution ein, welche aufzeigt, dass die JUSO, und die PräsidentschaftskandidatInnen, einen Klassenstandpunkt einnehmen und dieses asoziale Gesetz bekämpfen müssen. Wir werden weiterhin in der JUSO für sozialistische Positionen kämpfen. Dies bedeutet auch dafür einzustehen, dass die JUSO den Aufbau eines linken Flügels in der SP vorantreibt.
8
Schweiz
STAF: Vom Kom pr om i ss zur Ni eder l age Lars Kohlfürst JUSO Thurgau
Die neuesten Umsetzungen der Steuerreform in den Kantonen zeigen das verheerende Ausmass dieser Konterreform und manifestieren die Krise des Reformismus. Wie kämpft man wirklich gegen solche Angriffe?
Am 19. Mai 2019 wurde das Gesetz zur Steuerreform und AHV- Finanzierung (STAF) vom Schweizer Stimmvolk angenommen. Als Nachfolger der versenkten USR III wurde es von bürgerlicher Seite und der Führung der Sozialdemokratie als «vernünftiger Kompromiss» präsentiert. In Wahrheit handelt es sich um einen schlechten Kuhhandel auf Kosten der ArbeiterInnen. Die schweizerische Bourgeoisie stand seit Längerem unter Druck, gewisse Steuerprivilegien für ausländische Firmen abzuschaffen. Diese Notwendigkeit, die international «verpönten» Schlupflöcher zu stopfen, nutzen die Bürgerlichen, um neue Steuerschlupflöcher für alle Unternehmen zu öffnen und die Unternehmenssteuern allgemein zu senken. Die Tak t ik der SP Um die Konterreform diesmal durchzubringen, hat der Bundesrat die Vorlage mit einem AHV- Zustupf versüsst. Auf diesen Lockvogel stieg die SP- Führung unter Christian Levrat auch direkt ein. Um den Deal der Basis zu verkaufen, musste Levrat aber zu ungewöhnlichen Mitteln greifen und zu einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung aufrufen. Während es von links, also der JUSO und den SPFrauen Kritik hagelte, verkündete die Parteileitung
ihre Taktik: Man solle der Vorlage jetzt zustimmen, um die AHV zu retten und dann das Referendum in den Kantonen ergreifen, wenn die Pakete zu «überladen» seien. Die Delegierten liessen sich so von der Parteiführung überzeugen. Diese absurde Taktik war allerdings von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der interkantonale Steuerwettbewerb zwingt alle Kantone, die STAF umzusetzen, weil jeder Kanton seine Unternehmenssteuern senken muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Steuersenkungen führen zu Löchern im Haushalt der Kantone, was wiederum zu Sparmassnahmen und damit zu Angriffen auf den Lebensstandard der einfachen Leute führt. Den Föderalismus nutzen die Bürgerlichen bewusst, um die Kämpfe der Arbeiterklasse zeitlich und räumlich zu spalten. So spielt die SP der herrschenden Klasse direkt in die Hände, indem sie die Kantonalparteien sich selbst überlässt und so die Kämpfe vereinzelt. Ref er en du m im Th u r gau Im Thurgau wurde die kantonale Umsetzung der STAF von einer bürgerlichen Regierung ausgearbeitet. Neben der Einführung von neuen Steuerschlupflöchern soll der Gewinnsteuersatz von 4 auf 2.5% gesenkt werden. Damit spielt der Thurgau neu
Schweiz
9
Klasse bleibt in der Krise keine andere Wahl als neue Wege zu schaffen, ihre Produktionskosten und damit z. B. ihre Steuern niedrig zu halten. Seit Krisenausbruch 2008 steht die Bourgeoisie vermehrt unter Druck, ihre Profite nicht zu verlieren. Die Schweiz ist aufgrund verschiedener Faktoren vorerst vom Schlimmsten verschont geblieben. Trotzdem ist die Krise nicht ohne Weiteres am Schweizer Kapitalismus vorbeigezogen. Dazu kommt, dass die Krise nicht vorbei ist. Im Gegenteil, wir stehen kurz vor einem erneuten weltweiten Einbruch. In dieser Situation ist die Sparpolitik der Bürgerlichen pure Notwendigkeit, um ihre Profite zu retten. Deshalb reicht es auch nicht zu versuchen, Vorlagen und Gesetze, wie die USR III oder die STAF, einfach abzuwehren, auf ihre Unverhältnismässigkeit hinzuweisen und an die Vernunft der Bürgerlichen zu appellieren. Die STAF zeigt uns, dass wir die Angriffe so höchstens verschieben können. Die krassen Sparmassnahmen sind nicht aus Bosheit einer neoliberalen Bande an Bösewichten entstanden. Sie sind ein unerlässlicher Teil der kapitalistischen Krisenpolitik.
in den Top-10 der Kantone mit der geringsten Steuerbelastung für Unternehmen. Das kantonale Referendum steht beispielhaft für die Taktik Levrats. Das Nein- Komitee bestand aus einem breiten Bündnis von linken und bürgerlichen Parteien. Dementsprechend war auch die Kampagne mit dem Slogan «Dieses Päckli zahlt der Mittelstand» brav, lasch und ohne Klassenstandpunkt. Es wurde zwar darauf hingewiesen, wie viel Geld den Gemeinden und dem Kanton fehlen werde. Doch anstatt mit einer kämpferischen Referendumskampagne die Krisen- und Sparpolitik der Bürgerlichen anzuprangern, wurde lediglich die Unvernunft dieser Vorlage kritisiert und auf einen besseren Kompromiss gepocht! Es ist auch herauszustreichen, dass die SP peinlichst die Bezeichnung STAF vermied, weil man ein paar Monate zuvor ja noch für die STAF war. So verlor die SP die kantonale Abstimmung, mit 37% Nein-Anteil, bei einer Stimmbeteiligung von 34%. Damit dürfte allen klar sein, wie sehr die Kampagne des Bündnisses es verfehlte, das Problem aufzuzeigen und die Lohnabhängigen zu mobilisieren. Dem Kanton und den Gemeinden werden im nächsten Jahr infolgedessen etwa 45 Millionen an Steuergeldern fehlen. Die Steuersenkung werden die Lohnabhängigen in Form von drastischer Sparpolitik zu spüren bekommen. Wie im Thurgau sind in vielen anderen Kantonen die Vorlagen zur Umsetzung der STAF bereits angenommen. Vonseiten der SP kam es vereinzelt zu Widerstand, spätestens aber beim zweiten Anlauf lenkte die Sozialdemokratie jeweils auf einen Kompromiss ein. Spar en u m der Kr ise w illen Uns muss klar sein, dass die STAF nicht die letzte dieser Art von Angriffen sein wird. Der herrschenden
Das Ver sagen der SP Spätestens seit Ausbruch der Krise steht die Strategie des Kompromisslertums und der Klassenkollaboration mit dem Rücken zur Wand. Die SP hat bisher in ihrem Kampf gegen die kapitalistische Krisenpolitik auf ganzer Ebene versagt. Statt ihre Rolle als Partei der Schweizer Arbeiterklasse einzunehmen, hat sie mitgeholfen, den Frontalangriff auf die Lohnabhängigen fortzuführen. Deshalb ist der Reformismus am Ende. Wenn die Bourgeoisie zur Offensive gegen das Proletariat bläst, ist ein Kompromiss mit ihnen ein Zugeständnis an den Feind. Das ist, als ob ein Heerführer, statt seine Armee in die Schlacht zu rufen, den Feind überzeugt, weniger Soldaten zu senden, die dann aber fast ungehindert plündern und brandschatzen können. Die SP br au ch t ein e n eu e Rich t u n g Solange wir uns dieser Logik unterordnen, können wir Angriffe höchstens verzögern und bleiben in der Defensive. Erst wenn wir bereit sind, die Profite der KapitalistInnen anzugreifen, ist es möglich, solche Angriffe abzuwehren und in die Offensive zu gehen. Und wenn wir das tun, erkennen wir auch, dass nur der Bruch mit dem System und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft die Probleme der arbeitenden Bevölkerung lösen kann. Der Kampf gegen die STAF und gegen alle anderen direkten und indirekten Angriffe auf die Arbeiterklasse muss also gebraucht werden, um die Notwendigkeit für den Bruch mit dem Kapitalismus bei den Lohnabhängigen aufzuzeigen. Nur eine klassenkämpferische SP, welche den Kapitalismus nicht nur kritisiert, sondern ihn auch bekämpft, ist in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen und sich eine Verankerung in der lohnabhängigen Klasse aufzubauen. Wir brauchen eine Partei, die konsequent sozialistische Politik innerund ausserhalb der Parlamente macht und so den Weg ebnet, den Kapitalismus dahin zu schaffen, wo er hingehört: auf den Müllhaufen der Geschichte!
10
Gehäm m er t & gesi chel t
Arbeitskämpfe in der Schweiz: In einer Periode zunehmender Arbeitskämpfe versuchen wir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, diese kurz und überblickend zusammenzufassen.
Bau in du st r ie: Sk an dalöse M assen en t lassu n g bei M ar t y AG
Sozialabbau : St aat sper son al st r eik t gegen Ren t en k lau
BISCHOFSZELL (TG) ? Das Bauunternehmen Marty AG in Bischofszell hat sämtliche Mitarbeitenden entlassen. Laut der Gewerkschaft Unia Ostschweiz Graubünden sind 51 Personen betroffen. Die Angestellten nehmen die Kündigung nicht hin und fordern einen Sozialplan und ein Konsultationsverfahren. Diese Forderung könnte nicht mehr stattgegeben werden, wenn dem inzwischen eingereichten Antrag zur Konkurseröffnung Folge geleistet würde. Inzwischen hat das Thurgauer Amt für Wirtschaft Strafanzeige gegen die Besitzer des Unternehmens eingereicht. 40 Arbeitende wehren sich gemeinsam mit der Unia.
FRIBOURG ? Obwohl die finanzielle Situation der Pensionskasse des kantonalen Personals ausgezeichnet ist, sollen die Renten der Staatsangestellten um 10% bis 30% gesenkt und das Rentenalter um einige Jahre erhöht werden. So zumindest lautet der Plan des Staatsrates und der staatlich subventionierten Föderation der Personalverbände der Staats*angestellten des Kantons Freiburg (FEDE). Um diesen Versuch, die Staatsangestellten noch rücksichtsloser auszubeuten, zu bekämpfen, haben am 22.1. an einer Versammlung der Gewerkschaft VPOD die 250 anwesenden Mitglieder den Beschluss gefasst, ihre Arbeit am 4. März im Rahmen eines Streiktages niederzulegen.
Gr ü t li-Beset zu n g: Solidar it ät m it m in der jäh r igen Asylsu ch en den GENF ? 13 Tage lang hat das Kollektiv «Kampf für unbegleitete minderjährige Asylsuchende» das Kunstzentrum «Grütli» besetzt. Sie forderten menschenwürdige Aufenthaltsbedingungen. Konkret wird dafür gekämpft, dass keine Jugendlichen obdachlos sind, neue Unterkünfte eröffnet und ihnen eine schulische Bildung ermöglicht wird. Diese Aktion führte dazu, dass die Stadt Genf den Asylsuchenden provisorische Unterkünfte zugesichert hat. Der Kampf um eine nachhaltige Lösung geht jedoch weiter. So hat das Kollektiv angekündigt, falls nötig erneut zu mobilisieren.
Nespr esso: Kam pf gegen abar t ige Ar beit szeit en WESTSCHWEIZ ? In den drei Nespresso- Standorten Orbe, Avenches und Romont müssen die Angestellten monatlich eine 58- Stunden- Woche sowie zwei Wochenenden mit zwölf Stunden- Schichten über sich ergehen lassen. So kann das Unternehmen 24/ 7 produzieren. Den Preis dafür bezahlen die Arbeitenden, die unter stark zunehmender Erschöpfung und Stress leiden. Bereits 2018 war Nespresso in die Kritik der Unia geraten, welche nun eine Anpassung der Arbeitszeiten sowie eine externe Untersuchung der Arbeitsbedingungen verlangt.
11
Eur opa br en n t Bildu n gsw esen : Leh r er st r eik en n ich t zu m Spass NIEDERLANDE ? Am 30. und 31. Januar blieben über 4'000 Schulen in den Niederlanden geschlossen. Der Grund dafür waren Streiks der LehrerInnen. Sie traten ein für eine bessere Bezahlung und mehr Lehrkräfte. Die Gewerkschaften sprechen von einer Schulkrise, da aktuell 55?000 Kindern die LehrerInnen fehlen. Seit 2017 ist es bereits der zehnte LehrerInnenstreik. Er entwickelte sich von einem regionalen zu einem nationalen Streik. Seit dem ersten Streik ist schon einiges erreicht worden. Doch die einmalige Zahlung von 895 Millionen Euro in die Grundausbildung reicht nicht aus, um die Probleme zu beheben. Der Kampf muss weitergehen.
Gen er alst r eik : Ar beit , Leben u n d m en sch enw ü r dige Ren t en BASKENLAND ? Hunderttausende haben am 30. Januar im Baskenland für bessere Renten, Löhne und ein würdiges Leben gestreikt. Fabriken, viele Kneipen und Geschäfte blieben geschlossen und im Radio und im Fernsehen lief nur ein Notprogramm. Mit dem Streik wurde die seit fast zwei Jahren andauernde Bewegung der RentnerInnen auf eine neue Stufe gehoben. Der Streik am 30. Januar im Baskenland ist richtungsweisend, denn er ist ein Schritt zur Vereinheitlichung verschiedener grosser Mobilisierungen. Nicht nur RentnerInnen und Arbeiterinnen waren auf der Strasse anzutreffen, auch SchülerInnen und Studierende schlossen sich dem Generalstreik an.
Die wichtigsten Kämpfe der Lohnabhängigen Europas. Ausführliche Artikel in mehreren Sprachen sind auf marxist.com zu finden.
In du st r ie: Er h alt aller Ar beit splät ze! DEUTSCHLAND ? Der ehemals weltmarktführende deutsche Stahlkonzern ThyssenKrupp droht mit Schließung des Grobblechwerks in DuisburgHüttenheim. 2?800 Stellen sollen im Stahlbereich abgebaut werden, konzernweit werden es mindestens 6?000 sein. Trotz positiver Entwicklung ist das Werk nicht konkurrenzfähig. Seit vielen Jahren wurde kaum Geld in neue Technologien und Maschinen investiert, so der Vorwurf der Belegschaft. Als Reaktion auf die Nachricht legten am Abend des 13. Februar rund 300 ArbeiterInnen ihre Arbeit nieder und bestreikten die Spätschicht. Weitere Protestaktionen sind geplant, denn kampflos wolle man den Standort nicht aufgeben.
Flu gver keh r : Au f r u f zu m Gen er alst r eik ITALIEN ? Am 14. Januar sorgte ein Streik an den italienischen Flughäfen für Ausfälle im Luftverkehr. Die Fluglotsen kämpften gegen Arbeitsplatzabbau und für die Einhaltung der Flugsicherheit. Auch die Piloten, Flugbegleiter und Bodenbeschäftigten von Alitalia sind streikbereit und führen einen Kampf gegen die systematische Demontage ihrer Arbeitsplätze. Der ursprünglich für den 25. Februar vorgesehene Generalstreik wurde von den Gewerkschaften auf den 2 April verschoben. Grund sei, dass die Streik?Garantiekommission aufgrund des CoronavirusNotstands einen ?Aufruf zu keinen kollektiven Enthaltungen vom 25. Februar bis zum 31. März 2020? veröffentlicht hatte.
International
Cor on a: Für Schutz, gegen Wi l l kür ! Sinistra Classe Rivolutione
Isolation ganzer Regionen, Demonstrationsverbot, Annullieren von Fussballspielen. So reagieren die Regierungen auf die Ausbreitung des Coronavirus. Die Kosten schultern die Lohnabhängigen! Wie muss die ArbeiterInnenbewegung reagieren?
Der folgende Artikel wurde von der Sinistra Classe Rivoluzione (SCR), der italienischen Sektion der International Marxist Tendency (IMT) am 26. Februar veröffentlicht. Die öffentliche Besorgnis in Bezug auf die Verbreitung des Covid- 19 (Coronavirus) ist durchaus gerechtfertigt, vor allem, weil im jetzigen Stadium der Erforschung des Virus noch nicht mit völliger Sicherheit die Gefährlichkeit dieser Krankheit abgeschätzt werden kann. Angesichts dieses noch nicht ausreichend untersuchten Phänomens sind Vorkehrungen zu treffen, die sowohl auf den Alltag als auch die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen Einfluss haben können. Die bisher seitens der Regierung und anderen Verwaltungsorganen ? und zwar überfallsartig ? getroffenen Massnahmen haben aber nicht das Bewusstsein für die Gefahren und das Verantwortungsbewusstsein gehoben, sondern im Gegenteil die Angst geschürt und die Passivität befördert. Die Folgen dieser Vorkehrungsmassnahmen wurden gleichzeitig zu einem Grossteil auf die Schultern der ArbeiterInnen und generell der normalen Bevölkerung gelegt. Die Widersprüche der veröffentlichten Verordnungen springen einem sofort ins Auge: Man darf arbeiten gehen, man darf im Supermarkt einkaufen und
für den Rest lautet der Ratschlag von oben, dass man sich zu Hause einsperren und «den Behörden Vertrauen entgegenbringen» soll. Dazu kommt die Abschottung von derzeit ca. 50.000 Menschen in den Gemeinden mit dem grössten Risikofaktor. Helfen diese Massnahmen zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr? Ein wenig Vernunft lässt Zweifel aufkommen. Studien zu vergangenen Epidemien (H1N1 oder Schweineinfluenza, SARS) haben gezeigt, dass die flächendeckenden Kontrollen (an den Grenzen, bei Flughäfen, sowie Massenquarantänen) nur eine sehr geringe Wirksamkeit haben. Wertvolle Ressourcen werden somit wenig effizient eingesetzt. Dies gilt umso mehr im aktuellen Fall, wo klar ist, dass die «asymptomatischen» PatientInnen trotzdem den Virus verbreiten können. Die Kontrollen und die Abschottung können zweifelsohne dienlich sein, wenn sie gezielt eingesetzt werden bei Personengruppen, die effektiv einem besonderen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Schlimmer noch ist die von den Massenmedien verbreitete Panikmache. Den Coronavirus mit der «Spanischen Grippe» zu vergleichen, grenzt an bewusste Falschinformation. Die «Spanische Grippe» forderte im vom Ersten Weltkrieg schwer erschütterten Europa Millionen Todesopfer. Damals war die
Bild: flickr/Jeremy Corbyn
12
Italien
Bevölkerung durch Hunger massiv geschwächt. Und es gab kein öffentliches Gesundheitssystem. Das ist mit der heutigen Situation nicht vergleichbar. Die relativ hohe Sterblichkeitsrate (2,3% der Fälle, zirka 20 Mal höher als bei einer normalen Grippe) betrifft nicht nur vor allem ältere PatientInnen und solche mit anderen Leiden, sondern hängt auch damit zusammen, dass wir uns erst in einem Anfangsstadium befinden, wo vieles in Bezug auf den Charakter der Bedrohung und die notwendigen Gegenmassnahmen noch unklar ist. Es ist kein Zufall, dass in China die Sterblichkeitsrate in der Provinz Hubei, wo das Coronavirus zuerst aufgetreten ist, am höchsten war (2,9%), während die Rate in den später betroffenen Provinzen auf 0,4% gesunken ist. Das bedeutet nicht, dass wir die Bedrohung kleinreden oder zu einer abstrakten Statistik banalisieren wollen. Im Gegenteil. Am besten schützt man sich, wenn man genügend Wissen über die reale Gefahr hat. Die Botschaft ist heute jedoch eine ganz andere: Ihr müsst Angst haben und sie selber bewältigen. Du kannst in die Fabrik gehen, bei der Supermarktkasse anstehen oder die Pakete weiterhin in der ganzen Stadt zustellen, aber der Geländelauf vom lokalen Sportverein wird vom Präfekten oder dem Bürgermeister behördlich untersagt. Die verlautbarten Dekrete der letzten Tage beinhalten hunderte solch absurder und oft schikanöser Konsequenzen. Ein Extremfall ist das japanische Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, wo die Quarantäne den Effekt hatte, dass ca. 690 der rund 3700 Personen an Bord erkrankten. Erst nach wochenlangen Polemiken hat man schlussendlich verstanden, dass diese Massnahme nicht auf hoher See, sondern erst an Land
13
hätte getroffen werden sollen. Die Regierung hat objektiv betrachtet versucht die «Notstandspolitik» der rechten Lega zu übernehmen. Dieser Kurs hat auch einen gewissen Imageerfolg gehabt (das ging so weit, dass Salvini nicht mehr wusste, was er sagen soll, und dann die Schliessung der Grenzen zu Frankreich gefordert hat). Vor lauter Enthusiasmus hat die Regierung alle öffentlichen Veranstaltungen, egal ob unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen, untersagt. Dem hat man noch eine «herzliche Einladung» angehängt, dass allfällige Streiks und politische Demonstrationen bis zum 31. März zu unterlassen seien. Also, liebe ArbeiterInnen bei Whirlpool, deren Werk geschlossen wird und liebe entlassene Beschäftigte bei Air Italy: bleibt ruhig und protestiert nicht! Geht ins Einkaufszentrum, füllt euch die Einkaufswagen voll und dann schliesst euch zu Hause ein und wartet ab. Es ist ein Skandal, dass die Gewerkschaftsführung das akzeptiert und tatsächlich Versammlungen jeder Art in den Betrieben abgesagt hat. Apropos Gewerkschaften und Arbeiterschaft: Auf einmal überbieten sich alle in ihren Lobeshymnen auf die Beschäftigten im Gesundheitssystem und speziell in den Notaufnahmestellen, die sich in Doppelschichten abrackern und sich noch dazu dem Ansteckungsrisiko aussetzen. Aber fast niemand erinnert daran, dass ihr Kollektivvertrag vor 18 Monaten ausgelaufen ist. Seit 30 Jahren wird das staatliche Gesundheitssystem nach betriebswirtschaftlichen Logiken geführt, was systematisch zu Unterfinanzierung und zur Schliessung von Einheiten, zur Streichung von Betten und zur Ausdünnung der Vorsorgemedizin geführt hat. Dies ging auf Kosten der Gesundheitsversorgung und der Arbeitsbedingungen. Die privaten Gesundheitseinrichtungen werden durch diese Politik immer fetter, krümmen aber keinen Finger, wenn es zu einer Epidemie kommt. Anstatt sich der Notstandslogik der Regierung zu unterwerfen, sollte die Gewerkschaft präzise Forderungen zum Schutz der Beschäftigten aufstellen und verhindern, dass die Kosten dieser Notfallsituation auf ihren Schultern abgeladen werden. Besondere Wichtigkeit haben aus unserer Sicht folgende Forderungen: - Soziale Absicherung für alle, die gezwungen sind, der Arbeit fernzubleiben, oder aufgrund anderer Folgen der diversen Massnahmen ihre Kinder, ältere Menschen oder Behinderte persönlich betreuen müssen. - Zugriff auf die privaten Gesundheitseinrichtungen, deren Ressourcen es braucht, um die Überbelastung des öffentlichen Gesundheitssystems abzufedern, ohne Entschädigungszahlungen für die Aktionäre und Eigentümer. - Für einen neuen Kollektivvertrag für die Beschäftigten im Gesundheitswesen. - Die Kosten für Schutzvorrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen müssen zur Gänze von den Unternehmen getragen werden und sollen unter der Kontrolle der Betriebsräte und der gewählten VertreterInnen für Arbeitssicherheit implementiert werden. - Nein zu jeglichem Verbot politischer und gewerkschaftlicher Aktivität.
Energiewende
Für di e En er gi ewen de br au cht es den Sozi al i sm u s Dario Dietsche JUSO Genf
Fossile Energien durch erneuerbare zu ersetzen ist die dringendste Aufgabe zur Rettung unseres Planeten. Technisch ist die Energiewende machbar, im Kapitalismus findet sie jedoch nicht statt. Wir erklären, weshalb.
Die zunehmende Empörung der Klimastreikenden gegenüber Wirtschaft und Politik ist mehr als gerechtfertigt. Fossile Grosskonzerne zerstören unseren Planeten, und das obschon sie rasant überflüssig gemacht werden könnten. Bereits mit den heute existierenden technologischen Mitteln zur erneuerbaren Energiegewinnung könnte der erwartete globale Energieverbrauch 2050 vollständig gedeckt werden. Technisch ist die so dringende Ablösung fossiler Energien durch Erneuerbare also möglich ? eingetreten ist die viel gehypte «Energiewende» jedoch nicht. Im Gegenteil: Seit den 1990ern kam über 50 Mal mehr fossile Energie auf den Markt als erneuerbare. Die Zukunftsenergien Wind und Solar kommen im zunehmend fossilen Kapitalismus (siehe Artikel «Fossiler Kapitalismus», Ausgabe Nr. 87) nicht über eine Nebenrolle hinaus, sie decken nicht mal 5% der gesamten Energieproduktion ab. Ener giew en de: ver m ein t lich er Selbst läu f er Dabei hätte die Energiewende, laut dem Plan der Bürgerlichen, ein Selbstläufer sein sollen. Mit grossen Startschuss- Subventionen wollten Regierungen (vor allem die USA, China und Deutschland) die Herstellungskosten für Solar- und Windtechnologien senken und so die nötigen Anreize für zunehmende Investitionen in erneuerbare Energien schaffen. Die erste Absicht wurde erreicht: Mit zunehmender Massenproduktion von Solarpanels und Windturbinen und der damit einhergehenden Produktivitätssteigerung sind die Preise massiv gefallen; jene von Solarenergie seit 2009 um rund 90 Prozent, jene von Windenergie um rund 70 Prozent. So sind erneuer-
bare Energien heute grössenteils fast oder schon ganz konkurrenzfähig zu fossilen. Doch genau jetzt, wo die Wettbewerbsfähigkeit erreicht wird, steigen die dringend notwendigen Investitionen in Solar- und Windanlagen nicht mehr. Im Gegenteil: Abgesehen vom Spezialfall China sinken sie seit 2011 tendenziell. Ölriese BP, einst zweitgrösster Hersteller von Solarpanels, begründet seinen kompletten Wiederaustritt aus dem Solargeschäft 2013 wie folgt: «Es ist nicht so, dass Solarenergie keine nachhaltige Energiequelle ist, aber wir haben 35 Jahre daran gearbeitet und nie wirklich Geld damit gemacht». Doch warum? Der ü ber sät t igt e Elek t r izit ät sm ar k t Die Antwort liegt in erster Linie in der Übersättigung des Elektrizitätsmarktes und den damit fallenden Strompreisen. Bereits die fossilen Energieträger liefern mehr Strom, als der Markt absorbieren kann. Dieses Überangebot wird durch den neuen «grünen Strom» stark erhöht. Je mehr in erneuerbare Energien investiert und «grüner Strom» ins Netz eingespeist wird, desto mehr fällt auch der Strompreis. Denn im Gegensatz zu fossilen Energieträgern tendieren die sogenannten Grenzkosten erneuerbarer Energien gegen 0 ? ihre Herstellung bedarf kaum menschlicher Arbeitskraft (einmal installiert, laufen Solar- und Windkraftwerke von selbst). So hat das gesteigerte Angebot erneuerbarer Energien nicht nur deren Preise massiv gesenkt, sondern auch die Strompreise insgesamt ? in Europa durchschnittlich von 80 Euro pro Megawattstunde 2008 zu 30 bis 50 Euro heute.
Bild: freepik
14
Energiewende
15
nen braucht es nicht nur fürs Erbauen neuer M ar k t logik ver h in der t Um st ieg mächtiger Solar- und Windanlagen, sondern vor Der anfängliche Erfolg erneuerbarer Energien untergräbt sich damit selbst: Mit vermehrtem Einsatz von allem auch für die Ersetzung der aktuellen Strom«grünem Strom» stürzen die Strompreise ein, somit netze. Denn diese sind für fossile Energien konzipiert, womit sie den Umstieg auf auch die Aussichten auf erneuerbare in mehrerlei Hinsicht Profit und profitable Investiverhindern. Hauptsächlich, indem tionen in der gesamten E«Gehi n der t wi r d di e sie kaum Speicherkapazitäten nergiebranche. Genau diese En er gi ewen de ni cht vorweisen (weil fossile Energien Widersprüchlichkeit des etwa dur ch m an gel n de konstant produziert werden könMarktes macht den Etechni sche Mögl i chk ei ten , nen). Ohne grosse Speicherkapanergieumstieg im Kapitaliszitäten können erneuerbare Enerson der n dur ch mus unmöglich. Je konkurgien die fossilen Energien aber renzfähiger erneuerbare Edi e k api tal i sti schen unmöglich ablösen, weil sie bei nergien werden, desto mehr Pr oduk ti on swenig Wind und Sonne den Enerstürzen die Strompreise. ver häl tni sse.» giebedarf nicht decken können. Damit sinkt die Profitabilität Dies erklärt auch, warum Länder erneuerbarer Energien und wie Deutschland heute genau weweitere Investitionen bleiben gen ihrem hohen Anteil an erneuerbarem Strom auch aus. In Regionen mit relativ viel erneuerbaren Ener- unrentable fossile Energieträger für sonnenPerioden durch Subventionen gien wie z.B. Deutschland oder Kalifornien zeigt sich / windarme bereits, wozu zunehmender «grüner Strom» auf dem aufrechterhalten müssen. Hier wird uns die AbsurMarkt führt: Bei starkem Sonnenschein und/ oder dität der Marktlogik und ihrer Vertreter deutlich vor Wind decken erneuerbare Energien dort bereits mehr Augen geführt: Merkel und Co- wollten Vorreiter der als die gesamte Stromnachfrage ab, womit der Energiewende sein, verkommen dabei aber Strompreis teilweise bis ins Negative abstürzt. In zwangsläufig zu Förderern der dreckigsten Enerdiesen Fällen müssen Anbieter dafür bezahlen (!), giequellen wie Braunkohle. ihren Strom ans Netz bringen zu können. Diese tendenziell stark sinkenden und bis ins Pr of it m ot iv u n d Nat ion alst aat ü ber w in den Negative fluktuierenden Preise machen klar, wieso die Die Klimakrise ist der lebensbedrohlichste Ausdruck auf maximalen kurzfristigen Profit angewiesenen eines insgesamt ausgedienten Systems. Massive InKapitalistInnen ihre Finger von erneuerbaren Ener- vestitionen in erneuerbare Energien sind eine gien lassen. Der Beweis: Bis heute wurde weltweit Notwendigkeit fürs Überleben der menschlichen kein einziges Solarkraftwerk ohne massive öffentliche Zivilisation. Aber weder die KapitalistInnen noch deren Staaten können die Energiewende herGelder installiert. beiführen. Bürgerliche Staaten werden nicht langfristig in etwas investieren, das für ihre KapitaWar u m Deu t schlan d Br au n koh le f ör der t Massive Investitionen sind jedoch dringend nötig, um listInnen nie Profit abwerfen würde. die Energiewende zu bewerkstelligen. Die InternaDabei wäre alles da, um die tionale Energieagentur spricht von rund 20 Billionen Energiewende durchzuführen ? Dollar in den nächsten 20 Jahren, was der jährlichen Technologien, Wissen und Wertschöpfung der USA entspricht. Diese Investitiogesellschaftlicher Reichtum. Doch die Energiewende steckt heute in einer Sackgasse ? einzig weil der Zw ei Ar t en der En er giepr odu k t ion Kapitalismus mit seinem Profitstreben und seinen NationalErneuerbare Energien staaten den weiteren Umbau In ihren neuesten Formen ab den 1970er-Jahren blockieren. entwickelt, werden sie durch die Nutzung natürlicher, Innerhalb dieses Systems hat die zyklisch wiederkehrender Energieströme (v.a. Wasser, Menschheit keine Zukunft. Die Sonne, Wind) gewonnen und decken rund 18% des Überwindung von Privateigentum weltweiten Energiebedarfs. Einmal installiert, stossen und Nationalstaat zu Gunsten sie kein CO2 mehr aus ? womit sie nachhaltig und einer demokratisch geplanten sauber sind. Wasserkraft macht den Grossteil dieser Wirtschaft ist die grundlegende Energien aus, kann aber im Vergleich zu Wind- und Bedingung, um die Menschheit Solarenergie kaum mehr ausgebaut werden. vor der Zerstörung ihrer eigenen Lebensgrundlage zu retten. Fossile Energien Sie bilden die Energiebasis des industriellen Kapitalismus seit dem 19. Jahrhundert. Gewonnen werden sie durch die Verarbeitung von Brennstoffen des Bodens (v.a. Kohle, Erdöl und Erdgas). Heute decken sie rund 80% des weltweiten Energiebedarfs ab. Aufgrund ihres massiven CO2-Ausstosses sind sie hauptverantwortlich für Klimaerwärmung und Umweltkatastrophen.
International
(K)ei n Tabubr u ch i n Thür i n gen Elisa Nowak & Jannick Hayoz Linksjugend Konstanz & JUSO Stadt Bern
Die Bourgeoisie Deutschlands bricht ihr scheinheiliges «Tabu». Sie kollaboriert mit dem ultrarechten Flügel der AfD, um eine Regierung zu bilden ? um einen Tag darauf genauso scheinheilig eine entrüstete Kehrtwende zu machen. Warum? Und was tun gegen die extreme Rechte?
Die Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten in Thüringen am 5. Februar 2020 lenkte alle Aufmerksamkeit auf das ostdeutsche Bundesland Thüringen. Mit nur einer Stimme Vorsprung gegenüber Ramelow (Die LINKE) wurde Kemmerich mit den Stimmen der FDP, CDU und der ganzen völkisch-nationalistischen Thüringer Sektion der AfD gewählt. Die Sache war offensichtlich abgesprochen. CDU und FDP kollaborierten mit der extremen Rechten, von der sie sich in Worten immer distanziert hatten. Lange war Kemmerich jedoch nicht Ministerpräsident: Ganze 25 Stunden später wurde das Abenteuer durch die CDU- Spitzen unter Druck der bürgerlichen Presse und spontaner Demonstrationen abgebrochen. Dieser «Tabubruch» der deutschen Bourgeoisie war kein zufälliger Schnitzer, sondern hat System: und zwar kapitalistisches. Ein Blick zurück ist nötig, um zu sehen, wie es dazu kam. Ar beit er k lasse u n t er Besch u ss Die deutsche Arbeiterklasse hat mindestens dreissig Jahre Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen im Nacken. Die deutsche Bourgeoisie erschuf mit der sogenannten Agenda 2010 und den HartzReformen ab den 00ern den grössten Niedriglohnsektor der EU. Es wurden Einsparungen durchgeführt,
Produktion ins Ausland verlagert und Löhne gedrückt. Dass die Krise von 2008 in Deutschland nicht denselben krassen Einschnitt hinsichtlich Konterreformen zur Folge hatte wie in anderen europäischen Ländern, hat nichts mit vermeintlicher Gutmütigkeit der deutschen herrschenden Klasse zu tun, im Gegenteil. Diese hatte die Angriffstaktik bereits antizipiert und konnte gleich weiterfahren. Spätestens mit den Bundestagswahlen von 2017 traten die Konsequenzen davon mit einem Ruck an die Oberfläche. Der Unmut drückte sich auf politischer Ebene aus. Die grossen «Volksparteien» der Nachkriegszeit, welche über Jahrzehnte die Regierungen stellten und die Konterreformen durchpaukten, wurden abgestraft. Die Wähleranteile von SPD und CDU sanken auf rekordtiefe Niveaus. Die AfD füllte das politische Vakuum und trat in den Bundestag ein. Die Wahlen seither zeigten ähnliche Entwicklungen. Af D, Ram m bock gegen das Pr olet ar iat Unter Absenz einer wirklichen linken Alternative konnte die AfD auf demagogische Weise den Unmut bedienen: MigrantInnen wurden zum Sündenbock für die kapitalistische Misere gestempelt. Dass die AfD im Osten Deutschlands überdurchschnittlich
Bild: facebook.com/derfunke.de
16
Frankreich
17
Angriffe auf die Arbeiter- klasse müssen her, um Profitbedingungen und Wettbe- werbsfähigkeit sicherzustellen. Die Spannung steckt in den politischen Mitteln: Weder mit noch ohne AfD ist in Thüringen eine Regierung hinzukriegen, welche die Angriffe durchführt. Die rot?rot?grüne Koalitionsregierung der letzten Periode dient immer weniger als der notwendige Rammbock gegen die Arbeiterklasse. Während die Parteien der Grossbourgeoisie, CDU und FDP, entweder arg an WählerInnen verloren oder auf Tiefniveau stagnieren, nahm die AfD stark an Wähleranteilen zu. Der Niedergang ihrer angestammten politischen Steigbügelhalter einerseits, die Notwendigkeit verschärfter Angriffe auf die Arbeiterklasse andererseits drängen die deutsche Bourgeoisie immer mehr dazu, sich politische «Unterstützung» bei der AfD zu holen. Ein öffentliches Bündnis mit der AfD steht allerdings noch nicht zur Debatte. Aber weder der Rassismus und Nationalismus der AfD noch deren Angriffslust auf die Arbeiterklasse sind der Bourgeoisie ein Dorn im Auge. Vielmehr steckt eiskaltes Kalkül dahinter. Die Grossbourgeoisie ist angewiesen auf die EU: als Absatzmarkt ihrer Exporte und als politischer, ökonomischer, aber auch militärischer Block gegen die grossen imperialistischen Blöcke, die USA und China. Die EU?feindliche und kleinbürgerlichnationalistische Politik der AfD schmeckt der Grossbourgeoisie nicht. Dazu kommt die Angst vor weiterer politischer Instabilität. Die vorläufige Zurückhaltung der Bourgeoisie gegenüber der AfD liegt in der Sorge um die Stabilität des kapitalistischen Systems, in dem sie herrscht und ausbeutet. Der immense Druck von der Strasse war ein Vorgeschmack davon, was passiert, wenn sie auf die AFD setzt. Er zwang die Spitzen der CDU dazu, den bürgerlichen Block in Thüringen zurückzupfeifen.
gewählt wird und ihr rechter Flügel hier stärker ist, ist kein Zufall. Die Lebensbedingungen in Ostdeutschland standen seit Angliederung der DDR nie auf dem Niveau der westdeutschen. Während im Osten das Was zu t u n ist Kapital von den chronisch tieferen Löhnen doppelt Im Kampf gegen die extreme Rechte ist keinerlei Verprofitiert, stellen diese mitsamt höherer Arbeitslass auf die Bourgeoisie. Es sind deren jahrzehntelanlosigkeit und dadurch verschärfter Konkurrenz auf gen Angriffe, die überhaupt den Nährboden für die dem Arbeitsmarkt einen doppelt fruchtbaren extreme Rechte hervorbrachten. Es ist das kapitalisNährboden für den Rassismus und Nationalismus der tische System in der Periode des Niedergangs, wovon AfD dar. Höcke und co. nur ein widerlicher Ausguss darstellen. Der immer stärker werdende völkische NationalDie Bourgeoisie wird auf die extreme Rechte setzen, ismus rund um den Björn Höcke?Flügel (Höcke ist wenn ihr die Mittel im Kampf gegen Arbeiterklasse laut Gerichtsbeschluss ein und Linke ausgehen. Thüringen Faschist) versucht, die harte arhat das einmal mehr bewiesen. beiterfeindliche Politik der AfD zu Wir können nur auf unsere eigeDer Kam pf gegen di e vertuschen. Nicht nur möchte nen Kräfte setzen: die Kräfte der AfD l äuft auf den diese die Macht der Geund der Jugend. Wi der stan d gegen das Arbeiterklasse werkschaften brechen, auch ist ihr Und diese entwickeln sich. Die k api tal i sti sche System Reaktionen in Form von Demonsozialpolitisches Programm frontal gegen die proletarischen Intesel bst hi n au s. strationen in Erfurt und anderen ressen gerichtet. Sie steht für die Städten zeigten eindrucksvoll das Aufkündigung der SozialpartnerWiderstandspotential. Dieses Poschaft und einen Frontalangriff auf die Arbeiterklasse tential muss kanalisiert werden. Es gilt, das politische mit ideologisch schärfstem Rassismus und NationalVakuum, in das die AfD in demagogischer Manier ismus. eintritt, zu füllen ? und die einzige wirkliche Antwort auf die Krise zu geben: Kampf gegen die Ursachen der Bou r geoisie in der Zw ick m ü h le Probleme, nämlich den Kapitalismus. Der Kampf Diese politischen Verschiebungen ritten die Bourgegen die AfD läuft auf den Widerstand gegen das geoisie in eine politische Zwickmühle. Glasklar ist für kapitalistische System selbst hinaus. Nur die Überdie Bourgeoisie nur eines. Die kapitalistische Krise ist windung des Kapitalismus hin zu einer sozialistisnicht gelöst, im Gegenteil. Die deutsche Industrie chen Gesellschaft wird der rechten Barbarei endgültig steckt in einer Rezession und ein globaler synchroner den Boden unter den Füssen entziehen. Abschwung steht bevor. Die herrschende Klasse hat sich darauf vorzubereiten: Weitere und verschärfte
Theorie
Li ban on : Am Schei deweg der Revol uti on Anouk Schnidrig Marxistischer Verein Uni Bern
Die neue libanesische Regierung von Hassan Diab ist das verhasste Regime in neuem Gewand. Nur wenn die Massen selbst die Macht ergreifen, können ihre Probleme gelöst werden. Dazu braucht es aber den organisierten Klassenkampf.
Libanon befindet sich im Ausnahmezustand: Im abgrundtief verschuldeten Land spitzen sich die gesellschaftlichen Widersprüche rasant zu, Menschen traten vereint in den Aufstand gegen die unaushaltbare staatliche Korruption. Nach wochenlangen gigantischen Protesten, die das ganze Land lahmgelegt hatten, trat Regierungschef Hariri am 29. Oktober zurück. Als Ende Januar die neue Regierung vereidigt wurde, war sofort klar, dass die Massen auch in den neuen Kopf ihres Landes kein Vertrauen haben ? denn hinter der Regierung Diab steckt zu 100% das alte, korrupte Regime. Die Zustände an diesem Tag waren enorm aufgeheizt. Die Strassen Beiruts waren gezeichnet vom zugespitzten Klassenkampf. DemonstrantInnen haben den staatlichen Sicherheitsdienst mit Steinen beworfen, und versuchten mit einer Strassenblockade die Militärpolizei zurückzudrängen. Protestierende haben PolitikerInnen angegriffen, Banken in Flammen gesetzt und wurden gleichzeitig gewaltsam von Sicherheitskräften unterjocht. Har ir i geh t , die Kr ise bleibt Der Libanon befindet sich in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg 1975. Er ist mit 74.5 Milliarden Dollar öffentlichen Schulden (140 % des BIP)
einer der meist verschuldeten Staaten weltweit. Dem korrupten Staat bleibt in dieser finanziellen Notlage keine andere Wahl, als den Gürtel bei den Lohnabhängigen enger zu schnallen, um die wenigen, aber sehr reichen Kapitaleigentümer über Wasser zu halten. 1% der Libanesen besitzen ganze 43% des Reichtums. Zwei Drittel der Staatsanleihen werden von reichen libanesischen Privatpersonen gehalten, die tief in die zahlreichen und regelmässigen Korruptionsskandale verstrickt sind. Der Staat verschuldet sich also über die Banken direkt bei den Oligarchen. Daher kommt der Hass und die symbolische Gewalt der DemonstrantInnen gegen die Banken. Die Bevölkerung im Libanon ist hart davon betroffen, dass die Währung weiter an Wert verliert. Dadurch, dass Dinge des täglichen Lebens wie Wasser, Brot oder Elektrizität wöchentlich teurer werden, befinden sich mehr und mehr Menschen am Rand des Existenzminimums. Es ist den DemonstrantInnen scheinbar klar, dass auch die neue Regierung nicht mehr zu bieten hat als die alte. Premierminister Hassan Diab hat am Vereidigungstag seiner neuen Regierung (20. Januar 2020) ein 16Punkte Programm vorgestellt, mit dem er das Land vom Staatsbankrott retten will. Dabei hat Diab unterstrichen, dass «schmerzhafte Massnahmen» dafür
Bild: Nadim Kobeissi, Wikipedia, CC BY-SA 4.0
18
Klimawandel
19
Hizbollah wurden als Teil eines gemeinsamen korrupten Regimes erkannt und verloren ihren Rückhalt unter den Massen. Es gelang den Herrschenden nicht mehr, die Menschen mit (religiöser) Spaltung gegeneinander aufzuhetzen. Stattdessen erkannten jene immer klarer, wo die tatsächliche Wurzel der Ungerechtigkeit zu finden ist ? nicht in Menschen anderer Religionszugehörigkeit oder aus anderen Herkunftsorten, sondern im maroden korrupten Regime. Das Zusammenschliessen des breiten Volkes, das man in den letzten Monaten beobachten konnte, ist ein unanfechtbar richtiger Impuls. Seit Hariris Rücktritt flaute die Bewegung über Neujahr allerdings wieder etwas ab, die verbliebenen Demonstrationen wurden dafür umso radikaler: PolitikerInnen, Sicherheitskräfte und Banken wurden angegriffen. Der Staat und bewaffnete Banden reagierten mit brutaler Repression. Somit ist die Bewegung an einem kritischen Punkt: Kommt sie nicht durch den organisierten Klassenkampf einen Schritt weiter, droht sie, wieder gespalten und unterdrückt zu werden.
nötig sein werden. Was das bedeutet, ist den Massen klar: Die Krise wird weiterhin mit Sparpaketen auf die Schultern der Lohnabhängigen abgewälzt. Schliesslich ist diese Politik nichts neues für den Libanon: Es waren genau gleiche Sparmassnahmen, wie Diab sie jetzt proklamiert, die im Oktober zum Sturz Hariris geführt haben. Die von Hariri Di e Whatsappsteu er eingeführte Steuer auf Whatsappbr achte das Fass zum Anrufe war aber nicht der wirkÜber l aufen ! liche Grund, der die Massen in Aufruhr versetzt hat. Diese Steuer ist eher als Tropfen zu sehen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Probleme liegen viel tiefer und haben sich über längere Zeit zugespitzt. Über w in du n g der sek t ier er isch en Spalt u n g Seit dem Ausbruch der Proteste im September 2019 wurde die Bewegung bis zum Sturz Hariris immer grösser: Die Massenbewegung brachte innert weniger Tagen ? der Bevölkerung auf die Strassen Libanons. Die Massen vernetzten sich mehr und mehr gegen Hariri. Religiöse Fraktionen wie etwa die schiitische
«Th aw r a h at t a al n asr ! Revolu t ion bis zu m Siege!» ? aber w ie? Solange die unterdrückten Massen nicht selbst die Macht ergreifen, werden sie immer vom einen oder anderen Flügel der herrschenden Klasse regiert werden. Das kommt daher, dass dem momentanen Staat keine andere Rolle als jener einer Marionette der Oligarchie zukommt. Die libanesischen Massen haben keine Toleranz mehr für das korrupte Regime, weshalb gerade die Jugend verständlicherweise zu gewaltsamen KrawallMassnahmen greift. Dieser Hang zur Gewalt ist zwar nachvollziehbar und zudem ein Indikator steigender Radikalität, aber geht nicht über Symbolpolitik hinaus und bietet keine ernsthafte Perspektive. Der Widerstand gegen das Regime muss auf Klassenbasis organisiert werden: ArbeiterInnen müssen sich in Räten organisieren und Gewerkschaften müssen sich in den Betrieben verankern. So kann breitflächig gestreikt werden, was der einzige Weg ist, wie der korrupten Elite wahrer Druck gemacht werden kann. Dazu braucht es ein soziales und ökonomisches Programm, mit welchem der Lebensstandard der Massen verbessert werden kann. Bspw. sollten die kriminell missbrauchten Energie- und Wassersektoren nationalisiert und demokratisch kontrolliert werden. Ein grundlegender industrieller Plan muss errichtet werden, um die Versorgungseinrichtungen zu modernisieren. Diese laufen bis zum heutigen Tag fast ausschliesslich durch Generatoren, die im Besitz einer Kapitalisten-Mafia stehen. Die Gefahr einer Demoralisierung und Ermüdung der Massen steigt mit jedem Tag, der ohne Perspektive oder Resultat verstreicht. Die Aktionen der Massen müssen notwendigerweise koordiniert werden, damit der libanesische Massenaufstand mit Schlagkraft voranschreiten kann. Nur so können sich die Massen holen, was ihnen zusteht ? und zwar nicht nur im Libanon selbst, sondern in der ganzen Region: Die momentane Lage birgt grosses Potential dafür, dass die libanesische Revolution sich länderübergreifend ausbreitet, und mit einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens ihren Sieg findet.
Schweiz
Der Sozi al i sm u s wi r d i m m er bel i ebter ! Jimena Villar de Onis Unia Waadt
Marxistische Ideen seien tot. Trotzdem glauben gemäss jüngsten Umfragen 56% der Weltbevölkerung, dass der Kapitalismus heute mehr Schaden als Nutzen bringt. Ein wachsendes Interesse an den Ideen des Sozialismus lässt sich ebenfalls nachweisen. Wie lässt sich das erklären?
Zweitens sind die Forderungen, die die aktuellen Die KapitalistInnen und ihre Medien sagen uns imBewegungen auf der ganzen Welt antreiben, zentral mer wieder, dass marxistische Ideen tot und beim Kampf für den Sozialismus: Arbeit und ein mengraben seien. Dies ist aber weit von der Wahrheit entschenwürdiger Lohn für alle, Zugang zu Bildung, fernt. In den USA, einer Bastion antikommunistischer Gesundheitssystemen und öffentlicher Transport für Ideologie, gaben 40% der Befragten (Axios, 2019) an, alle, eine nachhaltige Produktion und Wohnraum für dass sie lieber in einem sozialistischen Land leben alle. Wir können dies an Gilets Jaunes in Frankreich würden. Dieser Wunsch ist bei Gruppen, die unter sehen: eine Bewegung, die sich von einem Protest verschiedenen Unterdrückungen im Kapitalismus gegen die steigenden Benzinpreise rasant in eine allleiden, noch ausgeprägter: Unter anderem sprachen gemeinen Bewegung gegen soziale Ungerechtigkeit sich 70% der Jugendlichen zwischen 23 und 38 Jahren verwandelte. Immer mehr Menschen merken: Der (Cato, 2019) und 55% der Frauen bis 55 Jahre (Axios, Kampf für gute Lebensbedingungen bedeutet den 2019) für den Sozialismus aus oder zogen diesen dem Kampf gegen das kapitalistische System ? und für den kapitalistischen System vor. Der Aufstieg sozialistiSozialismus! scher Ideen ist das Resultat einer langen Periode von Angriffen auf die Lebensbedingungen der ArbeiterInUn gen u t zt es Pot en t ial nen. Seit den Finanzkrisen der 1970er Jahre hat die Das Potenzial ist riesig: Die Massen werden zum Bourgeoisie eine neoliberale Politik durchgeführt, um Kampf gegen ihre Lebensbedingungen gedrängt und die ArbeiterInnen für ihre Krise bezahlen zu lassen. fangen an, Lösungen ausserhalb des kapitalistischen Um in der Krise von 2008 ihre Profite zu retten, hat Systems zu suchen. Dennoch haben sie noch immer die Bourgeoisie die Schrauben gewaltsam angezogen, keine klare Vorstellung davon, was Sozialismus beindem sie eine Reihe von deutet. Denn es fehlt eine wirkliche Sparmassnahmen durchgepolitische Kraft, die die Erfahrunsetzt und diese auf die Ar«Der Sozi al i sm u s i st di e gen der letzten 200 Jahre des beiterInnen abgewälzt hat. An twor t auf di e Klassenkampfes weitergibt und Das hat das Bewusstsein der eine echte Alternative vorschlägt. For der un gen der Lohnabhängigen stark beeSozialismus ist die GesellschaftsBewegun gen , di e sei t der influsst ? die Wut einer form, in der die Produktionsmittel ganzen Generation von ArKr i se von 2008 unter der Kontrolle der Arbeitenbeitenden, die nur Krise en tstan den .» den stehen, um eine Produktion kennt, häuft sich an. Wie der nach ihren Bedürfnissen statt der berühmte chilenische Slogan Profite einiger wenigen zu gewährleisten. Er ist die sagt: «Wir demonstrieren nicht gegen 30 Pesos mehr Antwort auf die Forderungen der Bewegungen, die für die U-Bahn, sondern gegen 30 Jahre eurer Politik!» seit der Krise von 2008 entstanden. Nur die Arbeiter und Arbeiterinnen haben die Kraft, den Kapitalismus Das Syst em w ir d in Fr age gest ellt zu überwinden. Aber wie die Geschichte uns an jeder Diese jahrzehntelangen Angriffe führen dazu, dass Stelle gezeigt hat, brauchen diese Kämpfe eine revodas gegenwärtige System in Frage gestellt wird. lutionäre Organisation, die eine echte sozialistische Welche Schlüsse können aus dieser Entwicklung Alternative vorschlägt! gezogen werden? Erstens zeigt dieser Anstieg, dass der Sozialismus nicht mehr das gleiche Stigma trägt wie in der Nachkriegszeit (1946- 1975). Überall auf der Welt haben die Menschen das Vertrauen in den Kapitalismus und dessen Institutionen verloren: 57% der Weltbevölkerung glauben, dass die Regierungen dazu da sind, den Interessen einer Minderheit zu dienen und 83% glauben nicht, dass das bestehende System in der Lage ist, ihre Arbeitsplätze vor den Widersprüchen des Kapitalismus (Wirtschaftskrise, Automatisierung, Standortverlagerung) zu retten (Edelman, 2020). Das wahre Gesicht des Kapitalismus wird enthüllt, wodurch die Lohnabhängigen dazu gedrängt werden, sich mit den Ideen auseinanderzusetzen, die sie zuvor verworfen hatten.
Bild: flickr/Jeremy Corbyn
20
Kultur
«Sor r y we m i ssed you» von Ken Loach Gaia V. Marxistische Studierende Genf
21
Der Film «Sorry we missed you» von Ken Loach (2019) porträtiert eine britische Arbeiterfamilie, die wie viele andere von der Krise von 2008 schwer getroffen wurde. Welche politischen Lehren können daraus gezogen werden?
Als Ricky, die Hauptfigur, einen Vertrag als freiberuflicher Auslieferungsfahrer bei einer Firma findet, sieht er eine Chance, sich endlich über Wasser zu halten. Doch er und seine Partnerin Abby und ihre beiden Kinder fallen immer tiefer in die Armut. Beide Elternteile haben lange Arbeitstage und wenig Zeit für ihr Privatleben. Abby ist eine Haushaltshilfe, für Menschen, welche Schwierigkeiten haben und muss jene stets als ihre "Kunden" bezeichnen, ohne aber genügend Zeit zu haben, sich angemessen um sie zu kümmern. Ricky auf der anderen Seite muss eine beträchtliche Anzahl von streng getakteten Lieferungen durchführen. «Sorry we missed you» erzählt die Geschichte einer Familie, die für die Krise des kapitalistischen Systems bezahlt. Die realistische Inszenierung mit kaltem Licht und natürlichen Dialogen lässt uns in das Leben einer zunehmend prekären Arbeiterklasse eintauchen. Un er t r äglich e Ar beit sbedin gu ngen "Sie arbeiten nicht für uns, Sie arbeiten mit uns", sagt der Manager zu Ricky, als er ihn einstellt, und verschleiert damit die Kehrseite seines Status als Selbstständiger. Ricky muss deshalb auch seinen eigenen Lieferwagen kaufen und ist so gezwungen, das Auto seiner Frau zu verkaufen. Einmal abwesend, muss er für einen Ersatz bezahlen und als ihm der Inhalt seiner Pakete gewaltsam gestohlen wird, muss er sich selbst entschädigen. Trotz seiner scheinbaren Selbstständigkeit ist er mit extrem harten Managementmethoden konfrontiert, die erheblichen Druck auf ihn als Fahrer ausüben. Wie der Rest der Arbeiterklasse sind sie es die unter den Zwängen des Marktwettbewerbs leiden. Diese Bedingungen zeigen, wie der Trend zur "Uberisierung" den Kapitalisten erlaubt soziale Errungenschaften im Arbeitsrecht zu übergehen. Aggressiver Druck von Oben, der Ricky dazu bringt, seine eigene Gesundheit völlig zu vernachlässigen und bei Verletzungen wieder an die Arbeit zu gehen, wirkt sich auch auf sein Privatleben aus. Tatsächlich hört der Druck nicht mit dem Ende des sehr langen - Arbeitstages für beide Elternteile auf. Der Film veranschaulicht die Auswirkungen der prekären Arbeitsbedingungen und der Angst vor Schulden auf das Leben der gesamten Familie: Die Beziehung zwischen ihren Mitgliedern, insbesondere zwischen Ricky und seinem Sohn, wird immer gewalttätiger. Isolier u n g «Sorry we missed you» unterstreicht die Isolierung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Der Manager nutzt die ständige Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes aus und schafft ein Klima des Wettbewerbs
zwischen den Liefermännern. Er drängt jeden von ihnen sich extremen Arbeitsbedingungen zu unterwerfen. Der Familienvater fühlt sich zunehmend allein auf einem Weg, der keinen Ausweg zu haben scheint. Ricky und seine Familie werden nicht allein aus ihrer Situation herauskommen, damit sind sie keine Ausnahme. Ein Ech o der Sit uat ion ein es gr ossen Teils der Ar beit er k lasse Ken Loach sagt es selbst: Tausende von Menschen kennen diese Geschichte bereits. Mit dieser Darstellung des täglichen Lebens zeigt er die Verschlechterung des Lebensstandards eines Teils der Arbeiterklasse. Er legt die dem gegenwärtigen Produktionssystem innewohnenden Widersprüche offen, die durch die Krise noch verschärft werden. Der Film beschränkt sich jedoch auf einen deskriptiven Aspekt und führt zu einem gewissen Pessimismus. Nicht berücksichtigt wird das Aktionspotenzial der Arbeiterklasse, das gerade daraus entsteht, dass immer mehr Menschen von der Krise betroffen sind und die Nachteile des Kapitalismus sehen. Es ist wichtig die Stärke zu verstehen, die die Lohnabhängigen haben können, wenn sie ihr Potenzial als Klasse ausschöpfen. Das heisst, dass sie sich den Produktionsapparat aneignen und ein unterdrückendes System überwinden, um allen ein menschenwürdiges Leben zu bieten.
22
Bildung
Über m ei n e Ar bei t al s Fi l i al m i tar bei ter i m Detai l han del
Was machst du tagtäglich? Wie sieht dein Tagesablauf aus? Was gefällt dir an deiner Arbeit? Was eher nicht? Wenn du also Lust hast, über deine Arbeit zu schreiben, melde dich bitte bei uns unter redaktion@derfunke.ch. Wir freuen uns auf deinen Beitrag!
Am 15. Juli war die Pride Parade in Zürich. Da ich erst um 13 Uhr mit meiner Schicht zu beginnen hatte, entschied ich mich mit einigen Freunden am Vormittag die Pride Workshops zu besuchen. Kurz bevor ich zur Arbeit musste, fragten mich zwei Teilnehmer der Pride, ob sie mir einen Regenbogen auf die Backe malen dürfen. Ich tauchte also mit bemalter Backe bei meiner Arbeitsstelle auf. Sogleich bemerkte mein Vorgesetzter den Regenbogen und wurde sehr wütend. Er hielt mir einen Vortrag darüber, dass politische Statements am Arbeitsplatz gegen die Firmenpolicy verstossen würden. Gerade als ich meinem Vorgesetzten klar machen wollte, dass mir die Firmenpolicy egal ist, meldeten sich zwei meiner Lieblingskundinnen zu Wort, die unsere Diskussion mit angehört hatten. Als lesbisches Paar, unterstützten sie mich gegen meinen Vorgesetzten, sodass er mich für den Rest der Schicht in Ruhe liess. Wie viele andere Studierende arbeite ich neben der Uni Teilzeit. Ich bin in der Detailshandelsbranche bei einem deutschen Discounter angestellt. Die Arbeiten als Filialmitarbeiter sind in der Regel sehr hart und kräftezehrend. Neben der Instandhaltung des Ladens, was Auffüllen der Produkte, Entsorgung der leeren Kisten oder der Aufbau der Aktionsregale beinhaltet, gibt es noch die Arbeit an der Kasse und die Betreuung der Kundschaft. Meine Tätigkeit beschränkt sich in der Regel auf die Arbeit an der Kasse. Als Aushilfe steht man dort normalerweise den ganzen Tag. Das ist sehr monoton und gleicht der Fliessbandarbeit stark. Eine Tagesschicht dauert 9 Stunden, wobei man 35 Minuten Pause in der Hälfte der Schicht zugesprochen bekommt. Wer schon mal in einer Lidl-Filiale war, weiss, dass Lidl grundsätzlich tiefere Preise für seine Produkte anbietet als andere Detailhändler. Dies bedeutet eine hohe Anzahl an Kunden. Viele Kunden schätzen die Preise von Lidl und die Kundenfreundlichkeit, was sie uns Arbeitern auch mitteilen. Damit Lidl die Preise der Produkte tief
halten kann, setzen sie auf Effizienz. Dies beinhaltet zum einen eine tiefe Produktpalette (eine mittelgrosse Lidl-Filiale vertreibt ca. 2500 verschiedene Produkte an; eine gleichgrosse Coop-Filiale ca. 30000) und zum anderen eine möglichst kleine Anzahl an Mitarbeitenden pro Schicht. Das Ziel dieses Konzepts ist natürlich die Maximierung des Profits. Für die Angestellten jedoch führt dieses Konzept zu einer Reihe von Problemen. Mit einer hohen Kundenzahl pro Tag und wenig Mitarbeitern pro Schicht kommt es unweigerlich zu Stress. Alle Filialmitarbeiter leiden unter der hohen Arbeitslast. Abgesehen davon werden bei Nichterreichen der vorgegebenen Umsatzzahlen weitere Schichten gestrichen, um im Budget bei den Lohnausgaben zu sparen. Zurück zu meiner Haupttätigkeit an der Kasse. Wenn ich am Morgen in den Laden komme, erhalte ich eine Kasse und fange an zu kassieren. Um kassieren zu dürfen, muss ein Kassierer mindestens 32 Produkte pro Minute (!) im Durchschnitt scannen. Mit einem Head-set bin ich mit meinen Arbeitskollegen verbunden und kann so mit jedem im Laden kommunizieren. Der Stress von der Geschäftsleitung auf die Filialleitung wird schlussendlich auf uns Filialmitarbeiter abgewälzt ? per Funk. Sätze wie: «Arbeitet schneller an den Kassen» oder «Seid ihr blind? Schliesst endlich die leere Kasse!» gehören zu jeder Schicht. Unter der Woche sind für jede Schicht 3-4 Mitarbeiter für den ganzen Laden eingeplant. Zum Vergleich: In der Migros-Filiale sind es etwa 15. Ich habe zu meinen Kollegen ein sehr gutes Verhältnis. Zwischen uns FilialmitarbeiterInnen und der Filialleitung kommt es jedoch häufig zu Streitereien. Das führt zu schlechter Stimmung im Laden. Dazu trägt auch das systematische Mobbing und Diskriminierung gegenüber sozial schwachen Mitarbeitern bei. Obwohl die Geschäftsleitung von den Problemen in den Filialen weiss, interessiert sie sich nur für die Umsatzzahlen und die Profite. Viele der Mitarbeiter halten den Druck kaum aus und hassen ihre Arbeit. Sie bleiben, weil sie auf den Lohn angewiesen sind. Meine Situation ist kaum anders. Normalerweise arbeite ich gerne, weil es ein guter Ausgleich zum Studium ist. Doch die Arbeit bei Lidl bringt auch mich an meine psychischen Grenzen. Als Aushilfe ist es üblich, dass man für Schichten in anderen Filialen angefragt wird. Dort konnte ich ein ähnliches Bild feststellen. Diese miesen Arbeitsbedingungen für die ArbeiterInnen und die unrealistische Arbeitslast zugunsten des Profits einiger weniger bestärken meine politischen Überzeugung für die Arbeiterklasse zu kämpfen.
23
? r r i ü Wo f p f en w k äm
ng ü cku r d r e Un t e d er d i es e s i e d ie , W t l e e eW äl t i g n di vi e l f e f g u e a g h af t und ellsc ung s k e c ü !) en G er d r un g t isch Un t rder s o i e l F s a e ie it di es k ap en d f fü r d er geg p n n i m e Ka pf nd us! n si nter l i sm k äm e ! e a ? s r i u t i u i z u a q e o r W m sar b ne S onse t zt . cht exi s t F on S t ! (und k Geschl e dukt i on i ung oh h a f au sgese v c s n l e i o e r fr se l g i er t . vom Rep Ar be n be For m e Ge k u n produz al l e l ei cher bhängi g sl i chen e Fraue c n i n ü e e r g g u a i in er d Fü r pf ge en ! r ?hä n be g, ke i t , un Un t r au Kam her Loh l ter nze ung al l e efrei un F e r n nb aft de ei c oh te E - Gl bezahl esel l sch e Fraue n r g h r ü e o F V s r di e i smu - Fü n Sozi al i er - Ke r Er d e d g r un o t iv Ur sp m o f it m r a P t s st eh . Da h en m us s p i l o a r it st der Kap k at a d es rol l e r. im a t l a e n K s d o i d K e ut z Ob- un che n sw lt sch ante rat i s kt i o w el t e l k u p w m o e d g o m en U n Um un d e Pr t e de d er n am e den isch i rek s o n h d k e c e m r r i i w r d h w an a t un rch d für er sc d de Di e spor en v rde g, du i e. g un n c e n ü r a n u r n H u u i g T e m st r sso un g sor st e i e, w är Fü r ust r zi eh ever i e-) I ndu el che Re gr ö s i e d ! g B t e n r i l I e r lt d we l t i ge n, w " En nerg e de st el Um chha bere n der (E r nehm e t rol l a u e n n a d o s h " c eK un ga nte ne ogi s i sch ge s - Ei öl ker un g der U ! ökol krat n e v o n u e n e i r m B e n d n d de si e e fü r n we zi al i u dl ag - So szenz a l anung ! n u r sol e nel l e P ranche gt di e G le ti o ! tel b - Ra ensm i t i al i smus d Natur b n z e u L r So ensch r de n - Nu schen M Ih n e zwi vo n t ise i ssis en d e ra d h i eb s c e s i un .D en ?In r lich n en ? ab e n i g r n se n Bü d er I k l as un d er e ?Au slän r In n en . n a di n g e e n le t b e i l s i e e a n d h b h au f w äc Lebe e Ar au c un d em e Ziel, d i o zu sch b er l a b s , t o i P r be zu m nd s e SV en P e Ar e Di u r sach t n d a h at p alt en u sser e re d b n E s ga fü r unse ve r ei n o p a n en ? zu g in m pf r r n a g P ü u K n F h ru ch e e r In m en ezi e ze! inie i nsa ! Au slän d eset nd Ei nb ! e m s i n G m r u e e n i sk si sm lle u In n n de en g
2 / 4
24 Zü r ich , Uni UZH Zentrum, Raum KO2-F-172
Mittwoch, 19. Februar Referat und Diskussion
Die Welt im Au f st an d ? On e Solu t ion Revolu t ion ! Basel, Kollegienhaus Universität, Raum 106
Dienstag 25. Februar, 19.00 Uhr Referat und Diskussion
Die Welt in Au f r u h r ? Wie r au s au s der Kr ise? Ber n, Unitobler, Raum F005
Mittwoch, 26. Februar, 19.00 Uhr Referat und Diskussion
r r z , 1 1 Uh am 14. Mä r n i n Be
War u m w ir ein e Revolu t ion br au ch en !
hlplatz, M ensa Bü Strasse 3 oker Gert rud-W
Win t er t h u r , Unia, Lagerhausstrasse 6
Freitag, 28. Februar, 19.00 Uhr Referat und Diskussion
Wie k ön n en w ir die Welt ver än der n ?
I m In ter n et : www.der fun k e.ch Der Fu n k e im Abo! 10x jäh r lich f ü r Fr . 30.-
Ganz zu finden auf www.derfunke.ch/ programm
Ich w ill...
Ich best elle...
Preise inkl. Versandkosten
Ein e Ein ladu n g zu euren Veranstaltungen und Aktivitäten
Ein Fu n k e-Abo
Ein Ver zeich n is eurer Bücher und Broschüren
AdV 10 «St aat u n d Revolu t ion » (Lenin) 14.-
Ak t iv w er den
10 Ausgaben pro Jahr für Fr. 30.-, Solipreis Fr. 60.-) Neu au f lage «Die Dr it t e Fr on t » von Willi Münzenberg (22.-) Br osch ü r e Nr . 37 Flüchtlinge willkommen! (6.-) Br osch ü r e Nr . 33 Geschichte Schweizer Arbeiterbewegung (6.-) NEU: RR40 «Die gesch eit er t e Revolu t ion in It alien » von Martin Kohler (7.-) ? erhältlich ab 1. Oktober
Vorname, Name Adresse
a ch : o ei n f & l h / ab l e k e .c n Sch n u f .d e r www
Der Fun k e
PLZ, Ort E-Mail
Effingerstrasse 8 3011 Bern