der Funke - Ausgabe Nr. 7

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Nr. 7 / September 2009

Die Faust aus dem Sack !

Mobilisierungen in den Betrieben, B端ros und Schulen! Schweiz Die 1:12 Initiative

ArbeiterInnenbewegung Stoppen wir die Angriffe auf unsere Sozialwerke

International

Die Revolution im Iran hat begonnen


inhalt

schweiz 03 Aktuelle Analyse und Perspektive zur Sozialdemokratie 04 Für eine revolutionäre 1:12 Initiative

wirtschaft 06 Kurzarbeit: Notwendiges Übel oder nützliche Massnahme? 08 Arbeitslosigkeit steigt und Banken machen fette Gewinne

arbeiterInnenbewegung 09 Gehämmert und Gesichelt Arbeitskämpfe in der Schweiz 10 Stoppen wir die Angriffe auf unsere Sozialwerke 12 Solidarität mit den kämpferischen GewerkschafterInnent

geschichte 14 Geschichte der schweizer Arbeiterinnenbewegung Teil 2 16 Der Mythos der Nachkriegszeit

international 18 Putsch in Honduras 19 Venezuela: ArbeiterInnenkontrolle und Sozialismus 20 Iran: Die Revolution hat begonnen -Tod dem Regime 22 Wahlen in Afghanistan 23 SchülerInnenstreiks in Deutschland und Österreich Impressum: Kontakt: Der Funke Schweiz, Postfach 1696, 8401 Winterthur, redaktion@derfunke.ch; Druck: Eigenverlag; Auflage: 400 Stück; Abonnement: redaktion@derfunke.ch; Redaktion: Clara Curchod Löi, Jonas Gerber, Samuel Haffner; Layout: Jonas Gerber; Die Zeitschrift behandelt Fragen der Theorie und Praxis der schweizerischen und internationalen ArbeiterInnenbewegung.

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Editorial Die Krise ist angekommen. Tausende ehrliche ArbeiterInnen haben ihren Job verloren oder arbeiten kurz. Entgegen den Lügen der UnternehmerInnen, ist davon auszugehen, dass dies erst der Anfang einer tief greifenden, lang anhaltenden Rezession sein wird. Weitere Entlassungswellen werden folgen. Laut offiziellen Schätzungen wird die Arbeitslosigkeit nächstes Jahr die 6 % Hürde überschreiten, das heisst mehr als 300‘000 Arbeitslose in der Schweiz! Die Jugend trifft es besonders hart: JedeR zehnte Jugendliche wird keinen Job haben. Doch nicht nur mit Entlassungen machen uns die Bosse und Grossaktionäre das Leben schwer. Sie kürzen uns Renten und Arbeitslosengeld - gleichzeitig steigen die Krankenkassenprämien massiv an. Zusätzlich werden Versuche unternommen, die Löhne stark zu senken, wie dies Beispielsweise bei der Alu Menzikon der Fall war. Durch die Entschiedenheit der Belegschaft konnte diese Lohnreduktion jedoch erfolgreich abgewehrt werden. Dies sind die ersten Vorläufer der Angriffe, die in der Zukunft folgen werden. Doch das lassen wir uns nicht gefallen! Jetzt ist die Zeit, um uns auf harte Kämpfe vorzubereiten, um die Angriffe erfolgreich abwehren zu können! Wie kann es sein, dass die Erwerbstätigen bluten müssen, während die Banken und Börsenspekulanten bereits wieder exorbitante Gewinne erwirtschaften und die Banker fette Boni einstreichen? Die Credit Suisse hat im zweiten Quartal bereits wieder einen Gewinn von 1.6 Mia. Franken eingefahren. Sie machen einfach weiter wie bisher, als wäre nichts geschehen. Das ist Sozialismus für die Reichen: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert! Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen, die Demonstration vom 19. September ist eine wichtige Mobilisierung, um uns gegen die Sauereien der Chefs und Politiker zu wehren. Wenn WIR es nicht tun, wird es niemand tun. Zeigen wir ihnen die Faust! Zeigen wir

ihnen, dass sie mit Widerstand zu rechnen haben werden! Diese ArbeiterInnendemonstration setzt nicht nur ein Zeichen gegen aussen, sondern zeigt den KollegInnen, welche noch nicht organisiert sind, dass es auch in der Schweiz eine Bewegung gibt, die nicht länger zuschaut, wie unsere Errungenschaften, die Errungenschaften der Arbeitenden, Angestellten und SchülerInnen dem Erdboden gleich gemacht werden. Zeigen wir ihnen, dass es eine Kraft gibt, die bereit ist zu kämpfen!

Die Faust aus dem Sack – Mobilisierungen in den Betrieben, Büros und Schulen! Die Bedeutung der Demo ist nicht zu unterschätzen. Es liegt nun an uns, den Erfolg der Mobilisierung, den Geist des Kampfes, des Widerstandes gegen die Ausbeuter zurück in jede Fabrik, in jedes Büro und in jede Schule zu tragen. Organisieren wir die Unorganisierten und bilden wir zusammen mit den Gewerkschaften Komitees in jeder Fabrik, in jedem Büro und in jeder Schule. Wenn ihr Unterstützung braucht meldet euch. Wir stehen bedingungslos hinter euch. Die Mobilisierungen müssen weitergehen und verstärkt werden. Nur so kann und wird es uns gelingen, die Angriffe zurückzuschlagen und eine Gesellschaft aufzubauen, welche die ArbeiterInnen nicht bluten lässt, sondern der Wert denen gehört, die ihn erarbeiten. Die Ausbeutung der Lohnabhängigen gehört auf den Mülleimer der Geschichte! Vorwärts Kolleginnen und Kollegen, Vorwärts Genossinnen und Genossen.

Holen wir uns was uns gehört! Her mit dem schönen Leben! Die Redaktion


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Aktuelle Analyse und Perspektive:

Die Sozialdemokratie

Die sozialdemokratische Partei (SPS) ist die traditionelle ArbeiterInnenpartei der Schweiz. Ihre Geschichte wiederspiegelt in grossem Umfang den Kampf der Klasse an sich in diesem Land. Generationen von ArbeiterInnen kämpften für ihren Aufbau und verteidigten ihre Grundsätze. Auch wenn die SPS ihre proletarischen Wurzeln programmatisch zu verwischen versucht und Teile der Partei fleissig mithelfen, soziale Errungenschaften abzubauen oder „Störenfriede“ auszugrenzen, so ist sie noch heute eine nicht zu unterschätzende Referenz unter den bewussten Lohnabhängigen. Ihre historischen Wurzeln wirken bis heute fort. Die Partei hat durch die zunehmend substanzlos werdende klassenkollaborative Politik der vergangenen Jahre immer mehr an Profil verloren. Die Perspektivlosigkeit und das Scheitern des Reformismus werden mit der Verschärfung der Klassenkämpfe immer offensichtlicher. Die Interessen der ArbeiterInnenklasse lassen sich nicht in Zusammenarbeit mit den Kapitalisten schützen, sondern sie müssen gegen diese verteidigt und erkämpft werden. Nicht einmal in der Wirtschaftskrise schafft es die Bürokratie der SPS klar für die Lohnabhängigen Position zu ergreifen. Stattdessen verliert sie sich im Geschwafel über gierige Manager, die „böse“ neoliberale Ideologie und Pseudokeynesianismus. Mit keinem Wort entlarvt sie die bürgerlichen Lügen von einzelnen „fehlgeleiteten“ Individuen, welche für die Krise verantwortlichen seien. Noch schlimmer die SPS verbreitet diese Lügen sogar selbst. Die Antwort der Führung der SPS auf die Krise besteht darin, ein ahistorisches, idealisiertes Zerrbild eines Keynesianismus und des New Deals heraufzubeschwören, welches anscheinend schlicht aus direkten Subventionen für die Privatwirtschaft besteht und von der Notwendigkeit einer solidarischen Wirtschaft spricht, dabei jedoch immer vage bleibt und nie konkret wird. Mit keinem Wort wird der Kapitalismus in Frage gestellt, mit keinem Wort werden die wirklich grossen Profiteure der Zeit vor der Krise, nämlich Kapitaleigner bzw. Aktionäre, angegriffen. Absurderweise scheinen sich grosse Teile der Sozialdemokratie genau in der Zeit in welcher der Kapitalismus völlig versagt hat, gänzlich mit ihm abgefunden zu haben. Es ist wenig verwunderlich, dass die Massenbasis in der ArbeiterInnenklasse ihr völlig zu entgleiten droht. Die SPS Bürokratie macht dafür aber selbstverständlich weder falsche Politik noch fehlende politische In-

halte oder gar ihre Perspektivlosigkeit verantwortlich, sondern, wie es Bürokratien zu pflegen tun, strategische Fehler (natürlich auch ohne, aus ihnen wirkliche Konsequenzen zu ziehen). Die Führung der SPS besteht mittlerweile zu weiten Teilen aus einer gebildeten und kleinbürgerlichen Elite aus der Mittelschicht, welche die Interessen und die Bedürfnisse der Arbeiterinnenklasse weder versteht noch vertritt. Das Hauptinteresse dieser Bürokratie ist der Wahlerfolg zu reinem Selbstzweck, nämlich zur Erhaltung ihrer Positionen. Doch befinden sich in den Apparaten auch Elemente, welche ein deutlich kämpferischeres Verständnis von Politik haben und sich bewusst der ArbeiterInnenklasse zuwenden und deren Interessen und Errungenschaften verteidigen und ausbauen wollen. Diese linksreformistischen Elemente werden in der kommenden Periode, als Konsequenz der sich ändernden objektiven Bedingungen und dem Zuwenden der bewussten Teile der ArbeiterInnenklasse und Jugend zur SPS und der Juso, innerhalb der Partei an Gewicht gewinnen. Die SPS besteht heute grundsätzlich aus zwei Flügeln: einem rechten Flügel und dem Gewerkschaftsflügel, welcher vor allem aus Vertretern der Gewerkschaftsbürokratie besteht. Im letzten Jahr wurde Christian Levrat zum Präsidenten der SPS gewählt, was klar als ein Zeichen des zunehmenden Drucks zu werten ist, welcher die Basis auf die Bürokratie der Partei ausübt. Sie ist Ausdruck des Versagens der bürokratischen Politik des „sozialen Friedens“. Vorerst ist es aber nicht ein Sieg der ArbeiterInnenbewegung, sondern vielmehr einer der gewerkschaftlichen Bürokratie. Diese tritt verbal zwar zumeist klassenkämpferisch auf, aber versteht sich trotzdem vielmehr als Vermittlerin zwischen den Kapitalisten und den ArbeiterInnen und nicht als ehrliche Vertreterin, der Interessen der ArbeiterInnenklas-

se. Programmatisch und realpolitisch sind kaum Veränderungen festzustellen. Einige prominente VertreterInnen der SPS haben sich, teilweise sogar mit Unterstützung der Parteiführung, in sicherheits- und wohnraumpolitischen Fragen, klar auf die Seite der Bürgerlichen gestellt. SPS Vertreter in Stadtregierungen und im Bundesrat schaffen es nicht, eine Politik im Sinne der Lohnabhängigen zu führen, weil sie sich der Klassenkollaboration verschreiben und die Interessen der ArbeiterInnenklasse weder kennen noch verstehen. Die Bürokratie hat es in den aktuellen Kämpfen der ArbeiterInnen unterlassen klar Position zu beziehen und Unterstützung zu bieten. Eine Fortsetzung dieser Politik der Klassenkollaboration und Substanzlosigkeit der Führung hat für die SPS verheerende Konsequenzen, wie auch die letzten Wahlen gezeigt haben. Die Verschärfung des Klassenkampfes während der Krise verstärkt den Druck der Basis auf die Bürokratie. Die Bürokratie der Juso und die der Gewerkschaften sind die Übermittler dieses Drucks aus der Basis. Die Unfähigkeit der bürokratischen Führung auf die Interessen der Lohnabhängigen einzugehen, das Versagen der reformistischen Konzepte und die reaktionäre Rolle der Bürokratie selbst werden entlarvt. Die Regierungsbeteiligung der SPS wird die Frage sein, an der sich die Interessensgegensätze zwischen Bürokratie und Basis manifestieren werden. Es wird Aufgabe der MarxistInnen sein, die bewussten, klassenkämpferischen Elemente der SPS und der JUSO zu organisieren, um zusammen mit den Gewerkschaften wieder eine klare Position gegen die herrschende Klasse einzunehmen und eine marxistische Perspektive zum Programm der SPS zu machen. Nur so können die Klassenkämpfe der Zukunft gewonnen werden.

Die Redaktion Der Funke 3


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Für eine revolutionäre 1:12 Initiative „Was wäre wenn Novartis-Spitzenmanager 12 mal mehr verdienen würden als der Mindestlohn?“ So titelt das INFRAROT, das nationale Publikationsorgan der JungsozialistInnen, im Juni dieses Jahres. Es gibt auch gleich die Antwort mit monumentalen Sätzen wie; „Die 1:12 Initiative fordert endlich wieder das Primat der Politik über die Wirtschaft ein“...“Unsere Initiative trifft mitten ins Herz des Kapitalismus“...“Sie setzt Millionenboni (...)die uns in die Krise gestürzt haben(...) ein Ende“. Sie verpasst dem „Neoliberalismus den endgültigen Todestritt“. Dies sind die Worte des Zentralsekretariats und auch der Geschäftsleitung, welche zur Lancierung dieser Initiative wesentliches beigetragen haben – es klingt nach Revolution. Oberflächlich hört sich diese Wortwahl wie gute Musik an, doch schaut man sich die Komposition, die dahinter steht genauer an, wird ein Unterschied zwischen den gespielten und geschriebenen Noten offensichtlich. Doch selbst die geschriebenen Noten scheinen unvollständig. Die 1:12 Initiative spricht wichtige Punkte an, trifft aber in keinster

nämlich grandioser weise vor, dass die aktuelle Wirtschaftskrise das Resultat von einigen gierigen ManagerInnen ist, d.h. wenn die ManagerInnen also etwas weniger gierig wären, alles okay wäre. So einfach ist das, habt ihr gehört liebe ManagerInnen? Ach ja, die lesen unsere Zeitung ja nicht. Die Boni, oder überrissenen Manager-

JUSO-Jahresversammlung in Köniz lanciert am 4. Juli 2009 die 1:12-Initiative Weise „ins Herz des Kapitalismus“, denn das wären die Produktionsverhältnisse, das Privateigentum an Fabriken, Banken, Land usw. Und schliesslich die Tatsache, dass einige Wenige durch ihren Besitz die ganz grosse Mehrheit der Menschheit Tag für Tag in ihrem Bestreben nach Profit ausquetschen und ausbeuten. An alldem ändert die Initiative rein gar nichts. Doch die Fehler in der Komposition scheinen noch tiefer zu liegen. Sie gibt 4 Der Funke

löhne, waren es nämlich nicht, die zu dieser Krise geführt haben. Dies ist einzig und alleine bürgerliche Propaganda, welche leider sowohl von der SPS als auch von Teilen der Juso und Gewerkschaften übernommen wurde. Es sind grundlegende Gesetzmässigkeiten des Kapitalismus welche unweigerlich zu Krisen führen, führen müssen. Die Ware Arbeitskraft hat eine besondere Eigenschaft – sie schafft einen Wert,

der grösser ist als ihr eigener (der Wert der Ware Arbeitskraft drückt sich üblicherweise ungefähr in der Höhe des Lohnes aus). D.h. die Arbeitskraft schafft einen Mehrwert, der sich aus der Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft (des Lohnes) und dem Wert des von ihr erzeugten Produktes ergibt. Der Kapitalist eignet sich also den Mehrwert, einen Teil des erzeugten Wertes, in Form von unbezahlter Mehrarbeit an. Dieser aneignete Wert ist in der Regel höher als der ausbezahlte Lohn. Für die Marktbeziehungen bedeutet dies, dass die ArbeiterInnen nicht das ganze Produkt ihrer Arbeit zurückkaufen können und daher die permanente Gefahr einer Überproduktionskrise besteht. Es entsteht also die paradoxe Situation, dass die Kapitalbesitzer versuchen, die Löhne der Arbeiter zu drücken, um ihre Profite zu erhöhen, dadurch aber den Massenkonsum reduzieren und so wiederum ihren Profit unter dem Strich schmälern. Diese Problemantik wird durch den sogenannten „tendenziellen Fall der Profitrate“ weiter verschärft. In der Produktion unterscheidet man zwischen variablem Kapital (die Arbeitskraft) und konstantem Kapital (Gebäude, Maschinen, Werkzeuge, Geräte, Rohstoffe). Mehrwert wird, wie wir oben gesehen haben, nur durch das variable Kapital erzeugt. Der Kapitalist ist durch den Konkurrenzkampf permanent gezwungen, seine Produktionsanlagen zu erweitern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Infolge des technischen Fortschrittes sinkt der Anteil des variablen Kapitals in Relation zum konstanten. Damit verändert sich


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die organische Zusammensetzung des Kapitals zugunsten des konstanten Kapitals und sorgt so für den tendenziellen Fall der Profitrate. Wichtig ist zu sehen, dass es sich dabei eben nur um eine Tendenz handelt und es daher auch entgegenwirkende Kräfte gibt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Rolle des Kredites. Der Kredit ist dazu da, den Markt über seine natürlichen Grenzen hinweg auszudehnen, also eine künstliche Kaufkraft zu erzeugen. Dies ist nötig, damit die Kapitalisten ihre Produktionsmittel ständig ausbauen können. Im Falle einer Überproduktionskrise sind die dabei zu erwartenden Gewinne aber zu niedrig. Damit wird der Kredit zu einem Antrieb der Spekulation. Dies führt zu Blasen welche, aufgrund ihres fehlenden „realen“ Gegenwerts, schlussendlich platzen. Das neuste Beispiel dafür, welches uns allen bekannt ist, ist die Immobilienblase in den USA. Das Platzen dieser Blase hat die Krise ausgelöst, aber nicht, wie wir oben erklärt haben, verursacht. Zurück zur Initiative; ein chirurgischer Eingriff in die Lohnstruktur der Unternehmen wird am System an sich noch nichts ändern! Die Behauptung, gierige Manager seien verantwortlich - die, nicht zufällig, auch von bürgerlicher Seite getragen und verbreitet wird - unterstellt auch, dass der Kapitalismus „vor der Krise“ funktionierte. Dass es also akzeptabel war, wenn täglich tausende Menschen an Hunger starben und sterben, obwohl genug Nahrung vorhanden ist, dass Menschen in Massen an Krankheiten sterben, welche heilbar sind, dass die Lohnschere in den letzten Jahren auf Kosten der ArbeiterInnen eine noch nie gekannte Dimension erreicht hat, obwohl die Gewinne der Unternehmen stetig gestiegen sind usw. Es wird mit dieser These akzeptiert, dass die Demokratie vor den Fabriktoren endet, dass die freie Marktwirtschaft besser ist als eine, von der Gesellschaft kontrollierten und geplanten, Wirtschaft – es klingt nach Reformismus. Als revolutionäre Sozialisten hören wir aber nicht nur auf den Klang einer Forderung, wir ziehen auch in Betracht in welcher Umgebung die Musik spielt und wie diese die Töne wiedergibt. Wir

betrachten und bewerten also alle Losungen nach ihren konkreten politischen Umständen. Das Bewusstsein der Massen befindet sich in stetiger Entwicklung. Dieser Prozess hat eine Stufe erreicht, in welcher ein Bewusstsein vorhanden ist, das solche perversen Lohnexzesse, wie sie die Initiative bekämpfen will, als falsch erkennt. Dass es nicht zu rechtfertigen ist, dass ein Mensch bis zu 600 mal mehr verdient als ein anderer - dass seine/ihre Arbeit 600 mal weniger Wert sein soll. Wenn wir also unseren Kopf heben und ins Publikum schauen, sehen wir, trotz fehlerhafter Komposition, zum Takt klatschende Hände. An diesem, jeweiligen Bewusstsein müssen wir ansetzen und unsere Ideen daraus erklären: „Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier knie nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien.“ Karl Marx Deshalb ist diese Initiative bedingungslos zu unterstützen, da sie aus einem echten Bedürfnis der ArbeiterInnen entspringt. Bei dieser Unterstützung muss jedoch klar sein, dass diese Initiative ein reformistisches Konzept ist und nur sehr beschränkten revolutionären Charakter hat, da sie die Grenzen des Kapitalismus nicht sprengt. Es gilt also in den öffentlichen Diskussionen über die Lohnfrage hinaus zu gehen, d.h. die wahren Interessen der Besitzenden aufzuzeigen. Dies wird erreicht in dem man/frau konsequent auf die Besitzverhältnisse, welche die Begründung für die momentane Ungleichheit, sind verweist (so ist also nicht der Manager der eigentliche Feind, sondern es ist der Kapitalbesitzer, der hinter ihm steht) und damit verbunden die Initiative in die Betriebe, Büros und Schulen trägt. Es muss weiter darauf verwiesen werden, dass der Neoliberalismus nichts anders ist als ungeschminkter Kapitalismus, dass man den Neoliberalismus nicht bekämpfen kann, ohne das ganze System des Kapitalismus anzugreifen. Dies in den jeweiligen Diskussionen aufzuzeigen, ist die Aufgabe von revolutionären Sozialisten, nur so kann die Initiative den Nährboden für weitergehende Forderungen legen. Die Initiative wird unter diesen Umständen

ohne Zweifel zur politischen Stärkung und zum Wachstum der Juso innerhalb der Jugend beitragen, diesen Prozess gilt es zu unterstützen. Des Weiteren stellt „1:12“ im öffentlichen Diskurs einen massiven Angriff auf die Kapitalisten dar. Falls sie zustande kommt –wovon wir ausgehen- wird die Bourgeoisie versuchen Angst zu schüren, in dem sie androht, dass die Wirtschaft einbrechen würde, Topkader und Kapital abwandern und schlussendlich die Schweiz vor die Hunde gehen würden. Nützen wir diese Initiative um die wahren Interessen des Kapitals zu entlarven; nämlich das rücksichtslose Streben nach Profit, bei welchen weder demokratische Entscheide noch das Wohl der Menschen berücksichtigt werden. Nützen wir diese Initiative, um die Diskussion auf die Strasse zu tragen!

Samuel Haffner

Co-Präsident JUSO Zürcher Unterland

Initiativtext Art. 110a (neu) Lohnpolitik Absatz 1 Der höchste im gleichen Unternehmen bezahlte Lohn darf maximal das Zwölffache des tiefsten im Unternehmen bezahlten Lohnes betragen. Als Lohn gilt die Gesamtsumme aller Zuwendungen (Geld und Wert der Sach- und Dienstleistungen), welche im Zusammenhang mit einer Arbeitstätigkeit entrichtet werden. Absatz 2 Der Bund erlässt die notwendigen Vorschriften. Er regelt insbesondere: a) die Ausnahmen, namentlich betreffend Zuwendungen an Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Menschen mit geschützten Arbeitsplätzen; b) die Anwendung auf Leiharbeits- und Teilzeitarbeitsverhältnisse. Übergangsbestimmung Tritt die Bundesgesetzgebung nicht innerhalb von zwei Jahren nach Annahme von Artikel 110a durch Volk und Stände in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen bis zum Inkrafttreten der Bundesgesetzgebung auf dem Verordnungsweg Der Funke 5


wirtschaft

Notwendiges Übel oder nützliche Massnahme?

Kurzarbeit Im Juni dieses Jahres arbeiteten nach offiziellen Angaben des Bundesamtes für Statistik 58‘749 ArbeiterInnen in 3‘371 Betrieben kurz. Es fielen 3.15 Mio. Arbeitsstunden aus. Diese Zahl dürfte mittlerweile noch gestiegen sein, da einige grössere Betriebe Kurzarbeit angekündigt hatten. Neuere offizielle Zahlen liegen leider nicht vor . Was jedoch jetzt schon feststeht ist, dass die Kurzarbeit ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht. In diesem Artikel möchten wir uns mit dem Sinn und Zweck der Kurzarbeit auseinandersetzten. Schon heute leben knapp 10% der Schweizer Bevölkerung in relativer Armut. Eine Entwicklung welche durch die Krise höchst wahrscheinlich noch drastisch beschleunigt wird. Die Kurzarbeit konnte zwar vorübergehend eine dramatische Entlassungswelle aufschieben, es ist aber offensichtlich, dass Massenentlassungen mittelfristig von den Unternehmen für notwendig erachtet werden.

Unia: Kurzarbeit statt Entlassungen Die Schliessung von Werken und ganzen Unternehmungen wird aus der Sicht der Kapitalisten notwendig sein, um ihre Profite zu retten. Selbst bürgerliche Analysten gehen von Arbeitslosenquoten von knapp 6% (exklusive der abgewanderten ausländischen Arbeitskräfte) im Jahre 2010 aus. Die Lösungsansätze der Kapitalisten wie Kurzarbeit, Massenentlassungen und Betriebsschliessungen verwundern auch nicht weiter. Viel besorgniserregender ist allerdings, dass die aktuellen Führungen der SPS und der Gewerkschaften diesen Lösungsansätzen offenbar keine echte Alternative entgegenstellen kann. Sie wollen die Krise irgendwie durchtauchen.

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Der Binnenkonsum wird mit der Verschlechterung der Arbeitssituation stark zurückgehen und wird sich auch kaum erholen können, wenn sich die wirtschaftliche Situation im EU-Raum nicht stark verbessert. Der Lebensstandard der breiten Massen, welcher durch die minimalen Reallohnerhöhungen der letzten Jahre sowieso gefährdet ist, wird weiter sinken. Insbesondere die wenig qualifizierten Lohnabhängigen werden durch die Krise stark getroffen. Jene also, die ohnehin schon vor der Krise zu den massgeblichen Verlierern der verschärften Arbeitsbedingungen der letzten Periode gehörten. Als wäre das noch nicht genug, arbeiten nun tausende ArbeiterInnen kurz. Das 6 Punkte Programm, welches die Unia als erste Antwort auf die Wirtschaftskrise aufstellte, liest sich wie eine Programmschrift von Keynes (Wirtschaftstheoretiker der den Keynesianismus begründete). Staatliche Investitionsprogramme, über die Arbeitslosenkasse finanzierte Kurzarbeit, ökologischer Umbau, eine Weiterbildungsoffensive und Wirtschaftsdemokratie sind die unzureichenden, reformistischen „Antworten“ der Gewerkschaftsführung auf die Krise. Am Beispiel der Kurzarbeit ist die Problematik die sich hinter solchen reformistischen Forderungen und Krisenlösungsvorschlägen verbirgt, klar ersichtlich. Zwar mag es stimmen, dass so die ArbeiterInnen nicht sofort auf der Strasse stehen. Dies hat, was nicht zu leugnen ist, auch durchaus positive Seiten. Die Negativen müssen aber klar auf den Tisch gebracht werden. So sind

die finanziellen und psychischen Folgen der Kurzarbeit direkt mit den Begleiterscheinungen der Arbeitslosigkeit zu vergleichen. Die Kurzarbeit bedeutet nicht ein wenig mehr Freizeit, sondern Stress. Wenn eine Familie über Monate hin 1‘000 Franken Lohneinbussen hinnehmen muss, kommt sie schnell an eine Grenze, wo es nicht mehr weitergeht. Dies ist Fakt. Zudem ist es den Bossen unter den momentanen Bestimmungen zur Kurzarbeit möglich, weiterhin Stellen abzubauen und finanziell davon zu profitieren. So können die Entlassungen, welche in der kapitalistischen Logik in einer Überproduktionskrise unerlässlich sind, über bis anhin maximal 18 Monate scheibchenweise vollzogen werden, ohne dass es zu offensichtlichen Massenentlassungen kommt. Den ArbeiterInnen bringt dies jedoch nichts, stehen sie früher oder später trotzdem ohne Arbeit da. Solche scheibchenweisen Entlassungen haben für die ArbeiterInnen mindestens zwei sehr grosse Nachteile: Erstens können die Kapitalisten so die ordentlichen Verfahren, wie die Konsultationsfrist bei Massentlassungen, einfach umgehen, können aber doch innert einiger Monaten dutzendende, wenn nicht hunderte Menschen auf die Strasse stellen. Zweitens erlaubt diese Vorgehensweise so den Arbeitgebern, Widerstand der ArbeiterInnen im Keim zu ersticken. Die Entlassungen können als individuelle dargestellt werden und hinter dem Rücken der Belegschaft durchgeführt werden. Die Kapitalisten sehen die ArbeiterInnen nur als Zahl, sie sind ein Kostenfaktor welchen es zu minimieren gilt.


wirtschaft

Tabelle: Kurzarbeit, abgerechnete ausgefallene Arbeitsstunden in 1‘000 Stunden, Quelle Bundesamt für Statatistik Dass die Kurzarbeit ein unwirksames Mittel ist, um eine langanhaltende Wirtschaftskrise zu bekämpfen, ist sowohl den Gewerkschaften wie auch den Unternehmern klar. Der Grund warum die Gewerkschaftsführungen sie zurzeit als Allerheilmittel anbeten und propagieren, ist die Perspektivenlosigkeit, welche diese Krise im Lager der ReformistInnen erzeugt. Was hinzukommt ist, dass die Kurzarbeit zu einem grossen Teil von den Lohnabhängigen selber bezahlt wird. Denn jede ArbeiterIn zahlt einen Prozentsatz ihres Einkommens in die Arbeitslosenkasse ein. Somit geschieht dasselbe wie bei den Bankenrettungspaketen: Die ArbeiterInnen ziehen das private Kapital mit ihrem hart erarbeiteten Geld aus dem Dreck und subventionieren die Firmen, ohne die kleinste Möglichkeit der Mitsprache zu haben. Der Boomerangeffekt, der aus den enormen Staatsausgaben für die Kurzarbeit, der erhöhten Arbeitslosigkeit, den Bankenrettungspaketen und Investitionsprogrammen, wie von den Gewerkschaften gefordert, entsteht, richtet sich früher oder später in Form von Sparmassnahmen und Angriffen auf das Renten-, Gesundheits- und Bildungssystem, gegen die ArbeiterInnenklasse und die

Jugend. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren ist der Leitsatz der gegenwärtigen Epoche.

Daher fordern wir: • Offenlegung der Geschäftsbücher aller Unternehmen, die Entlassungen oder Kurzarbeit beantragen. • Die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der Manager durch die Belegschaft. Facharbeiterlohn für Manager. • Statt Kurzarbeit und Lohnverzicht: Aufteilung der Arbeit auf alle - bei vollem Lohnausgleich. • Wenn doch Kurzarbeit dann Arbeitsplatzgarantie. • Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf die volle Höhe des Letztbezuges. • Rückerstattung der durch die Kurzarbeit entstandenen Mehrausgaben der Arbeitslosenkasse durch die Unternehmen. • Öffentliche Aufträge nur an Unternehmen, die ihre Geschäftsbücher offen legen. Wir müssen sicherstellen, dass öffentliche Gelder in Investitionen und Arbeitsplätze fliessen. • Statt staatlicher Profitsubvention an Banken und Industrie: Verstaatlichung des Eigentums unter der Kontrolle der Beschäftigten. • Es gibt keine Interessensgleichheit

zwischen Lohnabhängigen und Kapital: Ablehnung aller „Gesprächsangebote“ an Betriebskomissionen und Gewerkschaften, die darauf abzielen die Kosten der Krise auf die Lohnabhängigen abzuwälzen! • Für demokratische und kämpferische Gewerkschaften.

Jonas Gerber

Unia Regiovorstand Zürich-Schaffhausen

Definition Kurzarbeit Kurzarbeit ist die vorübergehende Reduktion oder vollständige Einstellung des Betriebes. Sie muss wirtschaftlich bedingt (fehlende Aufträge) und unvermeidbar sein und braucht die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80 % des anrechenbaren Verdienstausfalles. Es gilt der Höchstbetrag des versicherten Verdienstes, aktuell pro Monat CHF 10 500. Ein Arbeitsausfall muss pro Monat mindestens 10 % der normalerweise vom ganzen Betrieb geleisteten Arbeitsstunden erreichen. Dies ist eine Voraussetzung, damit ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung entsteht. Die Dauer der Kurzarbeit beträgt momentan 18 Monate (bis 2011).

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wirtschaft

Arbeitslosigkeit steigt und die Banken machen fette Gewinne!

Krise oder nicht?

Wir befinden uns in der schwerwiegendsten Weltwirtschaftskrise seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Obwohl noch nicht alle die Krise zu spüren bekommen haben, sind die dramatischen Auswirkungen für die ArbeiterInnenklasse bereits offensichtlich. Die Arbeitslosigkeit schnellt in die Höhe während die Banken munter weiter zocken und bürgerliche Ökonomen von einer Erholung der Wirtschaft labern.

Die Fakten Das reale BIP der Schweiz hat gegenüber dem 2. Quartal 08 2.0% eingebüsst. Die Arbeitslosenquote ist bis und mit August auf 3.8% gestiegen, was eine Zunahme der Arbeitslosen zwischen August 08 und 09 um 60.4% (bei den Jungen zwischen 15 und 24 Jahren sogar 74.8%) bedeutet. Gerade die Jungen zwischen 15 und 24 scheinen durch die Krise stark getroffen zu werden. Im August 09 waren 5.3% dieser Altersgruppe arbeitslos. Für das Jahr 2010 rechnet das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) sogar mit einer Jugendarbeitslosenquote von ca. 10%. Diese Zahlen (Quelle Bundesamt für Statistik) zeigen deutlich, was uns in nächster Zeit noch erwarten wird, die Angriffe auf unsere Sozialwerke, auf die Bildung usw., noch ausgeklammert.

Und was machen die Banken? Die Credit Suisse machte im ersten Quartal 2 Milliarden Franken Gewinn, Goldman Sachs 2,72 Milliarden Dollar im zweiten Quartal und die Deutsche Bank 2,3 Milliarden Euro im ersten Halbjahr. Wie ist das möglich? Stecken wir nicht in der schwersten Wirtschaftskrise seit Menschengedenken? Die Antwort: Die Banken zocken, nach kurzem Unterbruch, munter weiter. Zwar nicht mehr mit Immobilien, sondern halt vermehrt mit Staatsderivaten und anderen unübersichtlichen Konstrukten. Weiter haben die Banken tausende Angestellte entlassen, was natürlicherweise zu weniger Ausgaben führt. Es hat sich also rein gar nichts geändert. Nicht einmal die Probleme der sogenannten Toxischen Papiere konnten behoben werden. Eine neue Studie der Bain & Company prognostiziert folgendes: Zwischen 2007 bis 2010 dürfte sich der Abschreibungsbe8 Der Funke

darf dieser Papiere auf 780 Mia. Franken belaufen und dies wohlgemerkt allein in Europa. Bis jetzt sind aber „erst“ 380 Mia. abgeschrieben worden. Die Frage ist: Wann kommt der Rest?

Aufschwung? In den Medien finden wir in den letzten Wochen dutzende Meldungen, welche uns einen kurz bevorstehenden Aufschwung vorgaukeln. Die Kurzarbeit sinke und die Betriebe würden wieder mehr produzieren, heisst es. Doch bei genauerer Betrachtung werden solche Aussagen als plumpe Propaganda entlarvt. Wenn die Kurzarbeit in den Ferienmonaten sinkt, ist das bloss ein Ausdruck davon, dass die Unternehmer die Kurzarbeit für ein, zwei Monate aussetzen, da die ArbeiterInnen in die Ferien gehen. Hinzu kommt, dass die Betriebe im letz-

ten halben Jahr grösstenteils ihre Lager geleert haben und nun wieder beginnen, diese ein wenig aufzufüllen. Der reale Verkauf jedoch sinkt weiter.

Also doch Krise In den nächsten Monaten und Jahren wird noch so einiges auf uns zukommen. Die Arbeitslosigkeit steigt, unserer Renten werden gekürzt und die Kurzarbeit wird irgendwann auslaufen. Diese Krise wird die ArbeiterInnenklasse noch mit voller Wucht treffen. Und vergessen wir nicht, dass durch die Steuerausfälle massive Einschnitte in Bildung, Gesundheit etc. auf uns zukommen werden. Diese Krise ist noch lange nicht vorbei.

Jonas Gerber

Unia Regiovorstand Zürich-Schaffhausen

Aufstand der Vernunft Nr.8 “Eure Krise zahlen wir nicht!” Das Manifest der Internationalen Marxistischen Strömung zur Wirtschaftskrise Die Krise des Kapitalismus hat drastische Verschlechterungen der Lebensbedingungen von Milliarden von Menschen zur Folge. Damit einher geht die Überzeugung vieler Menschen, dass sich die Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft in diesem System nicht verwirklichen lässt. Das Leben hat mehr zu bieten als dieses Wirtschaftssystem herzugeben vermag. Wir MarxistInnen streben nach einer Welt, in der alle nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten leben und arbeiten können. Das vorliegende Werk analysiert die Ursachen der Krise und präsentiert ein Aktionsprogramm für die internationale ArbeiterInnenbewegung im alltäglichen Kampf für die Durchsetzung ihrer Interessen. Preis: 9 Fr., Soli-Preis: 15 Fr. Zu bestellen unter redaktion@derfunke.ch


arbeiterInnenbewegung

ehämmert Ges chelt

Arbeitskämpfe in der Schweiz

In einer Periode zunehmender Arbeitskämpfe versuchen wir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, diese kurz und überblickend zusammenzufassen.

Protest gegen immer längere Ladenöffnungszeiten Die erneute Verlängerung der samstäglichen Ladenöffnungszeiten in der Zürcher Innenstadt und die neusten Angriffe auf den arbeitsfreien Sonntag brachten das Fass zum Überlaufen: 300 Verkäuferinnen und Verkäufer wehren sich am 22.07.2009 mit einem Protest-Happening gegen die ständige Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. Hintergrund des Konfliktes sind die in immer kürzeren Abständen erfolgenden Verlängerungen der Ladenöffnungszeiten in der Region Zürich. Im Kampf um Marktanteile versuchen sich die einzelnen Shoppingzentren und Einkaufsgebiete mit längeren Öffnungszeiten gegenseitig Kunden abzujagen. Sobald die Konkurrenz nachzieht, ist der Vorteil wieder dahin und die nächste Verlängerung steht bevor. In dieser sich immer schneller drehenden Spirale wurde die wöchentliche Betriebsdauer der Verkaufsgeschäfte in den letzten Jahren um bis zu 20 Prozent ausgedehnt - und dies bei tendenziell sinkenden Personalbeständen.

Alu Menziken Lohnklau abgewehrt Die Beschäftigten der Alu Menziken haben einen skandalösen Lohnklau abgewehrt: Die von der Geschäftsleitung angekündigte 10 prozentige Lohnreduktion ist vom Tisch. Ein wichtiger Teilerfolg. Das Management hat zudem die Zahl der Stellenreduktionen von 70 auf unter 50 reduziert und sich verpflichtet, die Zahl der Entlassungen mit Frühpensionierungen und alternativen Arbeitszeitmodellen möglichst gering zu halten. Die Unia und die Betriebskommission werden hierzu konkrete Vorschläge und Modelle erarbeiten, welche von der Geschäftsleitung berücksichtigt werden müssen. Im Gegenzug haben sich

die ArbeiterInnen ihrerseits verpflichtet, in diesem Jahr auf eine Lohnerhöhung zu verzichten. Falls die bestehende Belegschaft einen allfällig markant steigenden Arbeitsanfall 2010 nicht im Rahmen der ordentlichen Arbeitszeit bewältigen könnte, sind die Unia und die Betriebskommission zudem bereit, im Rahmen der bestehenden gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen (Art. 57 MEM-GAV) über eine allfällige, auf das Jahr 2010 befristete Anpassung der Arbeitszeit- bzw. Überzeitregelungen zu verhandeln.

Streik beim Spar in Thun Zwei Tage lang streikten alle 20 Angestellten des SPAR-Tankstellenshops in Heimberg bei Thun gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen. Diese waren wie folgt: Mit einem Drittel weniger Personal musste der Tankstellenshop in letzter Zeit den gleichen Umsatz erarbeiten, wie zuvor. Die Angestellten wurden zu massiven Überstundenarbeit gezwungen und nicht alle Löhne entsprachen den minimalen kantonalen Richtlinien. Der Streik hat sich gelohnt. Am 2.Mai 2009 hat die Streikversammlung der ausgehandelten Lösung einstimmig zugestimmt. Das Ergebnis: • SPAR schafft zwei zusätzliche Vollstellen im Tankstellenshop Heimberg, was die Arbeitsbelastung deutlich reduzieren wird. • Die bisher aufgelaufenen Überstunden werden mit einem Zuschlag von 25 Prozent ausbezahlt und es wird ein Schutzmechanismus eingeführt, der in Zukunft übermässige Überstunden verhindern soll. • Es wird ein Mindestlohn von 3‘900 Franken für Ungelernte und 4‘200 Franken für Gelernte festgelegt. Dieser liegt um 300 Franken über den kantonalen Richtlinien. SPAR sicherte zudem zu, dass die streikenden Mitarbeitenden keinerlei Nachteile zu befürchten haben und verzichtete auf Strafanzeigen.

Streikaktionen bei der Zuvo! Die Geschäftsleitung der Frühzustellorganisation Zuvo weigert sich weiterhin, die massiven Lohnsenkungen gegenüber den VerträgerInnen zurückzunehmen. Auch geforderte Verhandlungen mit den zwei Gewerkschaften Kommunikation und comedia kommen für die Zuvo nicht in Frage. Die Zuvo ignoriert nicht nur die erfolgreiche Schwerpunktaktion der Gewerkschaften vom 26. August 2009 im Raume Zürich. Sie will darüber hinaus mit der Androhung von juristischen Schritten die VerträgerInnen und die sie unterstützenden Gewerkschaften zum Schweigen bringen. Deshalb kündigen comedia und die Gewerkschaft Kommunikation für die nächsten Tage weitere Streikaktionen an. Der Warnstreik vom 26. August 2009 im Raume Zürich stärkte nicht nur das Selbstbewusstsein der teilnehmenden VerträgerInnen in ihrer Bereitschaft, weiter gegen die von der Zuvo angedrohten massiven Lohnsenkungen zu kämpfen. Auch an anderen Orten des Zustellgebietes der Zuvo wollen VerträgerInnen sich gegen die unsozialen Massnahmen aktiv zur Wehr setzen.

Rentenalarm GewerkschafterInnen haben am 02.Juni 2009 in zwölf grösseren Schweizer Städten lautstark Alarm geschlagen. Mit 100‘000 Flugblättern haben sie die Bevölkerung auf die bevorstehende AHV-Debatte im Ständerat aufmerksam gemacht. Es drohen eine Senkung der AHV-Renten und ein höheres FrauenRentenalter. Darum hat die Gewerkschaft Unia Alarm geschlagen. Über Mittag schlugen die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mit Signalhörnern, Trillerpfeifen und Haushaltsgeräten Alarm. Unverschämt ist der erneute Versuch das Frauen-Rentenalter auf 65 Jahre zu erhöhen, nachdem genau diese Erhöhung bereits 2004 an der Urne deutlich abgelehnt worden ist. Einmal mehr soll unter dem Vorwand der Gleichstellung auf Kosten der Frauen-Renten gespart werden, obwohl klar ist, dass die Gleichstellung von Frau und Mann bis heute weder im Berufsleben noch in der Gesellschaft erreicht ist. Der Funke 9


arbeiterInnenbewegung

Stoppen wir die Angriffe auf unsere Sozialwerke!

Unsere Sozialwerke, die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung, vor allem die AHV und IV, die Krankenversicherungen, die Pensionskassen und die Arbeitslosenversicherung werden seit Jahren zunehmend ausgehöhlt. Diese Massnahmen sind keine Reaktion auf die sich rapide verschlechternde Wirtschaftslage, sondern lange vorbereitete Angriffe auf unseren Lebensstandard und wurden bereits in den Jahren vor der Krise forciert. Mit Verweis auf die Krise werden diese Angriffe nun weiter verschärft. Die sozialen Institutionen stammen vornehmlich aus der Zeit zwischen dem 2. Weltkrieg und Mitte der 70er Jahre. Die Forderung und der Kampf der ArbeiterInnenklasse für diese ist aber zumeist wesentlich älter. Z.B. wurde 1925 die IV durch das Volk in der Verfassung festgeschrieben, tatsächlich eingeführt wurde diese aber erst 1960. Die AHV wurde seit den 1880ern gefordert, aber erst 1948 eingeführt.

Rentenalarm in Basel vom 2. Juni 2009 Es ist kein Zufall, dass diese Forderungen erst nach dem 2. Weltkrieg umgesetzt wurden. Diese Errungenschaften wurden nicht geschenkt sondern über lange Zeit hinweg erkämpft. Wichtigste Faktoren dabei waren der starke Druck der ArbeiterInnenbewegung und die schnell wachsende Wirtschaft, welche es den Besitzenden ermöglichte zur Stabilisierung des Systems Zugeständnisse zu machen. Es sind Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung. Partielle Siege im Klassenkampf, welche wir nun wieder zu verlieren drohen. Grob gesagt gibt es keine soziale Institu-

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tion, die nicht seit Jahren unter starkem Druck der Bürgerlichen steht. Wichtiges Beispiel dafür ist die AHV, welche eigentlich zusammen mit der IV, gemäss Verfassung, das Existenzminimum im Alter gewährleisten sollte. Nun ist es so, dass die AHV-Renten keinesfalls existenzsichernd sind und damit der Verfassung nicht entsprochen wird. Seit Jahren wird nun unter dem Vorwand, die AHV für die sich möglicherweise in ferner Zukunft verschärfende demografische Situation in der Schweiz vorzubereiten, versucht das Rentenalter heraufzusetzen (was nun vorerst teilweise gelang. Frauen müssen nun bis 65 arbeiten, falls kein Referendum gelingt). Das die Frauen meist einer doppel und Dreifachbelastung ausgesetzt sind scheint den KapitalistInnen offensichtlich egal zu sein. Die Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften welche AHV ergänzen sollten, senken die Renten um etwa 10% (Siehe Kasten). Einzige Notwendigkeit darin ist den Profit der Versicherungen auch in der Krise hoch zu halten. Die IV Beiträge, welche niemals wirklich existenzsichernd waren, wurde in den letzten Jahren gekürzt und vor allem der Zugang zu einer IV-Rente stark erschwert. Die Krankenkassenprämien werden ständig massiv erhöht, obwohl keinerlei Kostenexplosion real stattfindet. Der Anteil am BIP für Gesundheitskosten ist in den letzten 10 Jahren sogar

relativ konstant. Probleme haben die Krankenkassen vor allem aufgrund ihrer Finanzspekulation und dem Druck, auch in der Krise weiterhin hohe Profite zu erzielen. Vorwand für die Kürzungen der Leistungen ist in jedem Falle, dass diese sozialen Werke kurz vor dem finanziellen Aus stehen würden. Es wird sogar behauptet, dass wir uns diese so gar nicht mehr leisten können. Falls dem so wäre, wie kann es dann sein, dass dies in einem Land passiert, in dem die Wirtschaft beständig wächst? In einem Land in dem wir theoretisch jedes Jahr reicher sein müssten als im vorhergehenden. Diese Frage wollen uns die Besitzenden aus offensichtlichen Gründen nicht beantworten. Stattdessen versuchen sie mit rassistischen und sinnfreien Kampagnen (ausländische) IV-Bezüger als Simulanten darzustellen und aufgrund dessen die IV-Leistungen zu reduzieren oder sie versuchen Aufgrund höchst fragwürdiger langfristiger Zukunftsszenarien das baldige Aus der AHV zu prophezeien. Wahlweise wird eine langfristige Perspektive oder eine kurzfristige (insbesondere die Wirtschaftskrise) Perspektive eingenommen. Die AHV soll aufgrund langfristiger Prognosen verändert werden, im Kontext der Krise soll aber die Bezugsdauer der Arbeitslosengelder aufgrund der steigenden Arbeitslosenquote verkürzt, die Beiträge um 0.3% des Lohns erhöht und die Renten


arbeiterInnenbewegung

Kampagne zur Unterschriftensammlung gegen den Rentenklau vom Frühling 2009 der Pensionskasse stark gesenkt werden. Diese Einschnitte sind langfristige Projekte und werden ohne massiven Druck nicht rückgängig gemacht werden, auch wenn sich die wirtschaftliche Situation verändert. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass nicht einmal die Bildung vor dem Druck der Besitzenden gewappnet ist. Insbesondere bei den Semestergebühren der Universitäten und den Budgets der Volksschulen ist mit weiteren Angriffen zu rechnen. Um ihre Profitrate zu sichern werden die Besitzenden die

Industrieaktionstag 15.Juni 2009 Privatisierungen, die Aushöhlung der Sozialwerke und des restlichen öffentlichen Sektors um jeden Preis vorantreiben. Leider unterlässt es die SPS allzu oft, zusammen mit den Gewerkschaften, aktiv gegen jeglichen Sozialabbau vorzugehen. Die Sozialdemokratie muss sich kompromisslos gegen jeden dieser Angriffe stellen und darf diese auf keinen Fall als Teil der Regierung mittragen.

In einem hochentwickelten Land wie der Schweiz kann nicht die Frage sein, ob wir uns Sozialwerke, welche ein würdiges Leben ermöglichen, leisten können, sondern nur, ob wir stark genug sind, für diese zu kämpfen, sie zu erhalten und auszubauen. Diese Sozialwerke mögen zwar nur einen Teil der Brutalität des Kapitalismus abfedern, sind aber gerade deshalb um jeden Preis zu verteidigen. Das Geld dazu ist auf jeden Fall da! Wir müssen es nur dort holen wo es ist, bei den Reichen, Grossaktionären und Bänkern. Wir können keinerlei Verschlechterung der Lebensbedingungen akzeptieren. Wir dürfen um keinen Millimeter zurückweichen. Bilden wir Aktionskomitees in den Betrieben, damit wir uns organisiert gegen jegliche Angriffe stellen können. Gehen wir auf die Strasse und zeigen den Besitzenden, dass wir keine Angriffe auf unsere Errungenschaften dulden. Lasst uns für unsere Errungenschaften kämpfen! Holen wir unser Geld aus den Händen der Ausbeuter zurück!

Deshalb fordern wir: • Eine Kapitalgewinnsteuer, damit wir wenigstens einen Teil von dem zurückbekommen, was wir erwirtschaftet haben. • Holen wir das Geld wo es, unrechtmässigerweise, ist! Für eine substanzielle Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer! So finanzieren wir unsere Sozialwerke! • Verstaatlichen wir die Krankenkassen. Räumen wir auf mit dem ineffizienten

Privatversicherungssumpf! • Für eine einheitliche allgemeine Versicherung welche alle Erwerbsausfälle zu 100% deckt und unter Kontrolle der Bevölkerung steht. Für ein Leben in Würde für alle! • Setzen wir den absurden Medikamentenpreisen ein Ende. Verstaatlichen wir die Pharmaindustrie und stellen sie unter ArbeiterInnenkontrolle.

Matthias Gränicher

Juso Sektion Illnau-Effretikon

Kein Rentenklau! Nach der Senkung des Mindestumwandlungssatzes durch den Nationalrat im letzten Jahr ergreifen verschiedene Gewerkschaften (unter anderen die UNIA) das Referendum. Die Senkung des Umwandlungssatzes von 7.2% (sowieso war die Senkung auf 6.8% bis 2014 schon geplant) auf 6.4% ist für die Pensionskassen vollkommen unnötig, da dies kurzfristig keine Rettung für angeschlagene Pensionskassen darstellt. Es profitieren vor allem Versicherungsgesellschaften, welche über Jahre Profitraten von bis zu 15% erreichten und dabei keinerlei Risiken tragen, da diese die Versicherten und der Staat tragen. Die Senkung bedeutet bis zu 10% tiefere Renten für Neu-Rentner. Stoppen wir dieses verbrecherische Treiben!

Der Funke 11


arbeiterInnenbewegung

Solidarität mit den kämpferischen GewerkschafterInnen

Officina Bellinzona

Der beispielhafte und inspirierende Arbeitskampf der ArbeiterInnen der SBB Cargo Werkstätten von Bellinzona im Frühling des letzten Jahres bleibt uns allen in lebhafter Erinnerung. Die rund 430 ArbeiterInnen der Officina konnten die Schliessung ihrer Fabrik und somit den geplanten Abbau von 126 Stellen durch einen konsequenten und kämpferischen Streik erfolgreich verhindern. Dass nicht alle Kräfte im Tessiner Gewerkschaftsapparat darüber erfreut waren, zeigte sich in den Ereignissen der vergangenen Monaten. Der Arbeitskampf der Officina war einer der erfolgreichsten Kämpfe von europäischen ArbeiterInnen zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze seit über zwei Jahrzehnten. Er ging weit über die rein wirtschaftlichen Forderungen hinaus und sprengte punktuell die Grenzen der kapitalistischen Besitzverhältnisse, in denen die ArbeiterInnen lediglich eine Zahl in der Berechnung der Produktionskosten darstellen. Die demokratischen Methoden, die Hartnäckigkeit und die Solidarität, welche den Kampf auszeichneten und durch die er schliesslich gewonnen wurde, liessen durchblicken, dass die ArbeiterInnen das Potenzial haben, die Profitlogik zu überwinden und fähig sind eine gerechte Gesellschaft zu errichten. Dies in einem Land wie der Schweiz, in denen die kapitalistische Ideologie des Gegeneinanders und der Ungleichheit tief im Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse verwurzelt ist. Die Rolle, welche die demokratisch gewählte Führung des Kampfes, das Streikkomitee um den Arbeiterführer Gianni Frizzo, und die kämpferischen GewerkschaftssekretärInnen wie beispielsweise Matteo Pronzini dabei gespielt haben, kann nicht genug betont werden. Lange ist es her, dass sich ein Gewerkschaftsapparat hundertprozentig in den Dienst der ArbeiterInnen gestellt hat, wie es in Bellinzona der Fall war. Dass nun genau Teile dieses Apparats gegen die kämpferischen GewerkschaftsaktivistInnen ins Felde ziehen, ist in der Geschichte nicht neu aber, wie immer in solchen Fällen, höchst bedauernswert.

Bürokratisches Manöver An der Generalversammlung der Unia Sektion Bellinzona, Biasca und Moesa vom 26. Juni 2009 wurden Gianni Frizzo 12 Der Funke

und 4 weitere KollegInnen des Streikkomitees aus dem Sektionsvorstand abgewählt. Dies allein lässt einen bereits aufhorchen, da doch gerade diese GewerkschafterInnen als Symbol des erfolgreichen Arbeitskampfes gelten und darum unter den Tessiner ArbeiterInnen, der Tessiner Bevölkerung und in der ganzen Arbeiterbewegung tiefe Sympathien geniessen. Die Umstände, welche zu dieser Abwahl geführt haben sind im höchsten Masse skandalös. Die Vorgeschichte des Trauerspiels war ein interner Konflikt im Unia Apparat. Die Regio-Leitung um den Sozialdemokraten Saverio Lurati setzte im letzten Winter mit Billigung der nationalen Geschäftsleitung die Versetzung von 3 GewerkschaftssekretärInnen durch. Teresa Guarna, Siro Petruzzella und Matteo Pronzini waren genau die SekretärInnen, welche den Streik in der Officina bedingungslos unterstützten und so unter den ArbeiterInnen das Ansehen als kämpferische GewerkschafterInnen genossen. Vordergründig wurde dafür von der Leitung Mobbing geltend gemacht. Als es nun um die Vorbereitung zur Sektionsgeneralversammlung ging, an der die insgesamt 21 Sitze im Vorstand besetzt werden sollten, wurde von Lurati eine informelle Sitzung einberufen, an welcher willkürlich ein Teil der bisherigen sowie neue KandidatInnen anwesend waren, ohne jedoch den vollzähligen Vorstand und darin enthalten die bisherigen VertreterInnen der Officina einzuladen. Diese Sitzung wurde nun im Nachhinein als Informationsveranstaltung für neue Vorstandsmitglieder erklärt. Dass die an der ominösen Sitzung Anwesenden an der besagten GV auf einer vorgefertigten Wahlliste für den

neuen Vorstand erschienen, obwohl sich die Officina VertreterInnen auch zur Wiederwahl stellten, war der nächste Schritt des Trauerspiels. Die schlussendliche Wahl, deren Resultat die Entfernung der Officina-KollegInnen war, bildete den krönenden Abschluss der Tragödie.

Folgen Als Folge des undurchsichtigen Ablaufs, stellten die Mitglieder des Streikkomitees in einem offenen Brief 10 Fragen an die Tessiner Unia-Leitung, um Klarheit über die Vorgänge zu erhalten, die von der Mitgliederversammlung der Officina, diversen GewerkschafterInnen und solidarischen Personen unterstützt wurden. In der Erklärung zu den Fragen wurde bestimmt darauf hingewiesen, dass es nicht darum gehe, einen demokratischen Entscheid der Sektionsversammlung zu missachten. Die Abgewählten könnten sich sehr wohl mit einer Nichtwahl zufrieden geben, wäre das Ganze in demokratischen Bahnen verlaufen. Hauptpunkte in der Kritik des Streikkomitees waren die oben genannte informelle Sitzung, der undursichtig zustandegekommene Wahlvorschlag (Faksimilie) und die Frage, ob an eine Sektionsversammlung nicht alle Mitglieder der Sektion persönlich eingeladen hätten werden müssen. Kurzum die grundsätzliche Frage nach der statuarischen Form solcher Abläufe in der Unia und die Frage der internen Demokratie. Die Antwort vom Regionalvorstand Tessin und dem neu gewählten Sektionsvorstand von Bellinzona erfolgte schliesslich am 27. Juli, 14 Tage nach Ablauf des gestellten Ultimatums. Darin wird vor allem der im Winter abgesetzte ehemalige Sektionsverantwortliche Matteo Pronzini angeschuldigt, in sei-


arbeiterInnenbewegung

vertritt und dabei seine Privilegien verteidigen will, anstatt ehrlich für die Interessen der ArbeiterInnen zu kämpfen. Die nationale Geschäftsleitung machte dabei auch nicht die beste Figur. Anstatt sich klar auf die Seite der Demokratie zu stellen, versuchte sie irgendwie zwischen den beteiligten Kräften bürokratisch einen Kompromiss zu finden und so wenig wie möglich an die Öffentlichkeit zu bringen.

Gianni Frizzo: wurde mit einem bürokratischen Manöver aus dem Vorstand rausgehauen ner Amtszeit die Vertretung im Vorstand manipuliert, einen zu grossen Vorstand, nämlich 21 statt 13 Sitze, zugelassen und die Vertretung der verschiedenen Sektoren falsch gehandhabt zu haben. Auch die Antworten auf die 10 Fragen erscheinen wie ein im Nachhinein gebasteltes Kartenhaus, ohne die Sache wirklich befriedigend zu lösen. Die Tessiner Unia Leitung betrachtet die ganze Sache mit der Beantwortung der Fragen als abgeschlossen. Ein zusätzliches und interessantes Detail war, dass Gianni Frizzo in der Zwischenzeit angeboten wurde, er könne trotz allem in den Vorstand nachrücken, indem einfach ein anderer Kollege verzichten würde. Etwas ähnliches passierte im Winter Matteo Pronzini, der zwar von seinen Ämtern in der Unia Tessin enthoben wurde, aber von der nationalen Geschäftsleitung weiterhin in der Leitung des Sektors Bau beschäftigt wird und überdies Mitglied des Zentralvorstandes, des führenden demokratisch gewählten Gremiums neben der Geschäftsleitung, bleibt. Die Kollegen des Streikkomitees und Gianni Frizzo haben mittlerweile als Reaktion auf die Antwort rechtliche Schritte eingeleitet. Sie leiteten das Dossier an die Staatsanwaltschaft weiter, welche die Mitgliederversammlung und die Wahl nun untersuchen soll. Dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist, wie von der Tessiner Unia Führung und der nationalen Geschäftsleitung gehofft, sollte somit auch klar sein.

Bedeutung Offensichtlich ist, dass die Verantwortlichen für dieses Manöver, Saverio Lurati und sein Anhang, den ArbeiterInnen und der ganzen Gewerkschaftsbewegung einen Bärendienst erweisen. Die Vorgänge seit dem letzten Winter haben dazu geführt, dass nicht wenige Mitglieder der Unia Bellinzona die Gewerkschaft verlassen haben. Die durch den Arbeitskampf der Officina sensibilisierte Arbeiterklasse versteht das undurchsichtige Ränkespiel und die bürokratischen Manöver vom rechten Flügel des Gewerkschaftsapparates nicht und reagiert darauf mit verständlicher Abneigung. Die Unternehmerklasse und ihr Sprachrohr, die bürgerlichen Medien, nahmen die Geschichte genüsslich auf, um unter den ArbeiterInnen Zwietracht zu säen und die Gewerkschaften anzugreifen. So titelte zum Beispiel die Rheintalische Volkszeitung am 29. Juli: „Hauskrach in der Gewerkschaft Unia“ Dies trifft die ArbeiterInnenbewegung gerade in einer Zeit, in der die ArbeiterInnen noch mehr als zuvor auf die Einheit im Kampf zur Verteidigung ihrer Errungenschaften und gegen die Angriffe der besitzenden Klasse angewiesen wären. Auch wenn dabei noch viele Unklarheiten bestehen, zeigt dieser Fall wiedermal klar auf, dass in der Unia ein rechter, bürokratischer Flügel im Apparat verwurzelt ist, der eher die Interessen der UnternehmerInnen gegenüber den ArbeiterInnen

Die ganze Geschichte stellt einen schweren Schlag für alle kämpferischen Mitglieder und Strömungen innerhalb der Unia dar. Als MarxistInnen überrascht uns ein solches Vorgehen seitens der Bürokratie nicht. In der Geschichte gibt es genügend solche Beispiele. Die demokratischen kämpferischen Methoden der ArbeiterInnen der Officina stehen dem entgegen und sind uns ein leuchtendes Beispiel in unserem Kampf. Von diesen Methoden versuchen wir zu lernen und sie überall, in jedem Gewerkschaftsgremium, an jeder Versammlung und in jeden Arbeitskampf einzubringen. Zudem fordern wir Demokratie und Transparenz von allen Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung und einen ehrlichen Kampf zwischen den unterschiedlichen Ideen und Ideologien. Wenn uns das alle kämpferischen ArbeiterInnen und Strömungen gleich tun, ist das der wirkungsvollste Weg um gegen die Gewerkschaftsbürokratie und für eine kämpferische Bewegung der ArbeiterInnenklasse zu kämpfen. In diesem Sinne erklären wir uns vollkommen solidarisch mit den KollegInnen vom Streikkomitee und den ArbeiterInnen von Bellinzona und ihrem Kampf gegen die inneren und äusseren Feinde der Sache der Arbeitenden. • Für die Annullierung der Wahl und einer Wiederholung der Generalversammlung unter Einhaltung sämtlicher demokratischen Abläufe!

Daniel Flückiger

Unia Sektion Winterthur

Die 10 Fragen des Streikkomitees und die Antwort des Regionalvorstandes Tessin und der Sektion Bellinzona sind auf unserer Homepage abrufbar.

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geschichte

Die Arbeiterinnenbewegung in der Schweiz In der letzten Ausgabe haben wir die Entstehung der Arbeiterinnenbewegung im 19. Jahrhundert bis Ende der 50er Jahre betrachtet. In diesem Artikel werden wir nun die Entwicklung der Arbeiterinnenbewegung von den 60er Jahren bis zur Jahrtausendwende beleuchten. Wir haben gesehen, dass die Frauenund Arbeiterinnenbewegung im Zuge der Weltwirtschaftskrise drastisch an Zugkraft verloren hatte und ihr erneuter Aufschwung bis Anfang der 60er Jahre eher kläglich ausfiel. Die Gründe dafür finden wir im Wiedererstarken des Konservatismus und infolgedessen in der fehlenden Konsequenz der Linken (SP wie Gewerkschaften, in die Defensive gedrängt, beschränkten sich lange nur auf die politische Gleichberechtigung der Frau). Zwar verstärkte der enorme Wirtschaftsaufschwung die industrielle Integration der Frau, jedoch nur in frauenspezifischen Berufszweigen, in welchen Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen (wie Nachtschichten) sehr verbreitet waren. Der Grund dafür lag in der herrschenden bürgerlichen Ideologie, nach der die Frau den Beruf nur als Nebenverdienst beanspruchen konnte, da ihre Hauptaufgabe noch immer in der Hausarbeit und Kindererziehung gesehen wurde. Die sogenannte „zweite Frauenbewegung“ welche ihren Anfang in den 60er Jahre in den USA nahm, entwickelte sich vor dem Hintergrund der antirassistischen Bürgerrechtsbewegung, der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg und der Politisierung an den Universitäten. Dabei kann uns Betty Friedan (Autorin des Bestsellers „Der Weiblichkeitswahn“) als treffendes Beispiel für den Charakter dieser Bewegung dienen. Obwohl sie durch ihre Analyse des weiblichen Identitätsverlusts einer ganzen Generation von Frauen zu einem neuen Selbstbewusstsein verhalf, ging sie den Ursachen desselben nicht auf den Grund. Ohne die herrschenden ökonomischen und sozialen Strukturen als Vorraussetzung der geschlechtlichen Unterdrückung zu betrachten und somit deren Überwindung zu fordern, blieb ihr

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Konzept ein utopisch idealistisches. Ihre wichtigsten Forderungen waren eine in der Verfassung verankerte Gleichberechtigung, die Beseitigung jeder Frauendiskriminierung im Erwerbsleben, Mutterschutz, ganztägige Einrichtungen zur Kinderversorgung, gleiche Ausbildungschancen für Frauen etc. Doch bald schon fand eine enorme Radikalisierung in der bürgerlichen Frauenbewegung statt, welche sich nicht mehr mit Forderungen nach Gleichberechtigung zufrieden stellen wollte. Dies führte zur Spaltung der Bewegung in einen liberalen und einen radikalen Flügel (Women’s Lib(eration)- Bewegung). Parallel dazu entstand in der Schweiz die neue autonome Frauenbewegung im Gefolge der Jugend- und Studentenbewegung von 1968. Sie verstand sich sowohl als Reaktion auf die stagnierende alte Frauenbewegung als auch auf die männerdominierte neue Linke, der sie sich anfänglich zugehörig fühlte. Erstmals schlossen sich Ende 1968 junge linke Frauen in Zürich zusammen und gaben sich Anfang 1969 den Namen «Frauenbefreiungsbewegung» (FBB). Sie teilten die Überzeugung, dass die alltägliche Unterdrückung der Frauen ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Widerspruch ist und nicht einfach ein Nebenproblem, das sich mit der von den Linken angestrebten Aufhebung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft von selbst lösen würde. Stattdessen waren sie der Auffassung, dass das Patriarchat eine parallele Machtstruktur mit eigenen Unterdrückungsmethoden zum kapitalistischen Staat bildete. So kamen sie zur Überzeugung, dass zwei voneinander unabhängige Kämpfe zu führen wären: Der Klassen- und der Geschlechterkampf. Dass das Patriarchat (ähnlich wie der Rassismus und der Imperialismus) von der herrschenden Klasse instrumentalisiert wurde, um die Ar-

beiterInnenklasse unter sich zu Spalten und somit einen vereinten Kampf gegen den Kapitalismus zu verhindern- dafür fehlte es den Feministen am Grundverständnis historischer wie gegenwärtiger Machtstrukturen. Stattdessen waren die oben erwähnte und ähnliche Theorien in der ganzen internationalen feministischen Strömung stark verbreitet und wurden von Kate Millet („Sexus und Herrschaft“), Shulamith Firestone und Juliet Mitchell ausformuliert. Bald formierten sich auch in anderen Schweizer Städten autonome Frauengruppen, die in der Westschweiz als «Mouvement pour la Libération des Femmes» (MLF) und im Tessin als «Movimento Femminista Ticinese» (MFT) auftraten. Gemeinsam war diesen Frauengruppen die Ablehnung hierarchischer Vereinsstrukturen und traditioneller Gremienpolitik. In ihren Analysen der gesellschaftlichen Situation der Frauen orientierten sie sich u.a. an Theoretikerinnen der französischen und amerikanischen Frauenbewegung. Auch hier kam es zwischen Anhängerinnen unterschiedlichen theoretischer Positionen zeitweise zu heftigen Auseinandersetzungen, die auch zu Abspaltungen führten. Dabei spielten die bereits im 19. Jahrhundert aktuellen Strömungen des Egalitarismus und des Dualismus (siehe Artikel 1) wieder eine wichtige Rolle. Anfang der 1970er Jahre bildeten sich auch innerhalb der neuen Linken Frauengruppen. Mit dem Leitspruch «Das Private ist politisch» wies die neue Frauenbewegung auf den engen Zusammenhang zwischen individuellen Erfahrungen der Frauen und gesellschaftlichen Bedingungen hin. Ausgehend von einem neuen, frauenorientierten Selbstbewusstsein, prangerte sie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als Frauendiskriminierung an und


geschichte

Frauenstreik: am 14. Juni 1991 protestierten eine halbe Million Frauen für die volle Gleichberechtigung zeigte auf, dass das ökonomische und gesellschaftliche System ohne die Gratisarbeit der Frauen in Familie und Haushalt zusammenbrechen würde. Sie kritisierte die schlechtere Ausbildung und Entlöhnung von Frauen, brachte Tabuthemen wie Schwangerschaftsabbruch oder Gewalt gegen Frauen in die öffentliche Diskussion ein und forderte das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Die einzelnen Problembereiche wurden in Selbsthilfe- und Arbeitsgruppen angegangen. Mit der Ausbreitung feministischer Ideen entstand eine eigene Infrastruktur mit Frauenzentren, Beratungsstellen, Frauenambulatorien, Frauenbuchhandlungen und -bibliotheken. Auch wurden mit bewusst provokativen und medienwirksamen Aktionen die Forderung nach dem Frauenstimmrecht immer lauter, nachdem sich die Schweiz darin schon zum europäischen Sonderfall entwickelt hatte. Nach jahrelangem Hin und Her führten mehrere parlamentarische Anläufe auf eidgenössischer Ebene letztlich zum Erfolg: Am 7. Februar 1971 stimmten 65,7 Prozent der Wähler für das Frauenwahlrecht (danach kamen nur noch 1974 Portugal und 1984 Liechtenstein). Trotzdem dauerte es noch Jahre bis das Frauenstimmrecht in allen Kantonen umgesetzt wurde (Appenzell Ausseroden erst 1989, Innerrhoden auf Druck des Bundesgerichts sogar erst 1991). Das Verhältnis zwischen bürgerlichen Frauenorganisationen und feministischen Gruppierungen war bis in die erste Hälfte der 1980er Jahre von gegenseitiger Abgrenzung geprägt. Während die neue Frauenbewegung ein grundlegend neues Geschlechterverhältnis

anstrebte und dies teilweise auch mit der Forderung nach einer sozialistischen Revolution verknüpfte, hielt die bürgerliche Frauenbewegung an ihrem traditionellen Frauenbild und kleinbürgerlichem Konservatismus fest. Zu einer teilweisen Annäherung kam es erst in den späten 1980er Jahren, als feministische Themen Eingang in die traditionellen Frauenorganisationen fanden und diese sich neu orientierten. Die FBB und die Radikalfeministinnen verloren so an Bedeutung, während gleichzeitig innerhalb der neuen Frauenbewegung eine verstärkte Professionalisierung (feste Strukturen, bezahlte Arbeit) stattfand. Die Parteien und Gewerkschaften setzten sich zunehmend mit dem Feminismus auseinander und integrierten „frauenspezifische“ Forderungen in ihre Programme. Als bestes Beispiel kann uns natürlich der bekannte Frauenstreik vom 14.Juni 1991 dienen: Unter dem Motto: „Wenn Frau will, steht alles still“ drückten rund eine halbe Million Frauen mit Arbeitsniederlegungen und Aktionen ihren Unmut über die bestehenden Verhältnisse aus. Der grösste landesweite Streik in der Geschichte der Schweiz erhielt deshalb internationale Beachtung. Doch mit dem zunehmenden Engagement in Institutionen entwickelten sich in der neuen Frauenbewegung neue Formen der politischen Arbeit (Vereine, Verbände etc.), während der Charakter einer sozialen Bewegung größtenteils verloren ging. Das letzte Jahrhundert zeigt uns also eine Reihe von Arbeits- und Frauenkämpfen, mit welchen enorme Errungenschaften für die Arbeiterinnenklasse und Frauen

im Allgemeinen erreicht wurden. Und trotzdem ist die Gleichberechtigung der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen noch mangelhaft: Verdienen doch berufstätige Frauen in der Schweiz fast einen Drittel weniger als Männer! Dazu kommt, dass Frauen oft in Branchen mit niedrigen Löhnen arbeiten, und vermehrt in niedrigen Lohngruppen zu finden sind. Außerdem werden sie öfter als Männer in Teilzeitjobs mit schlechten, beziehungsweise „flexibeln“ Arbeitsbedingungen gedrängt. Und ganz grundsätzlich bleibt für Frauen bis heute das Koordinieren von Familie und Beruf ein kaum lösbares Problem. Die heute individuell erledigte Reproduktionsarbeit (Hausarbeit) ist als gesellschaftliche Arbeit gemeinschaftlich mit aller Unterstützung der modernen Wissenschaft und Technik zu organisieren. Dies kann aber nur von einer Gesellschaft geleistet werden, die die Bedürfnisse der Menschen und nicht den Profit als Motiv ihres Handelns hat. Nur der Sozialismus schafft diese Bedingungen! Ergo kann die Frau im kapitalistischen Staat niemals völlig frei sein. Umgekehrt muss eine der ersten Forderungen nach der Revolution die völlige Geschlechtergleichheit sein, da der Sozialismus nur auf Basis einer völlig freien und gleichen Gesellschaft funktionieren kann. Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus- Kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung!

Olivia Eschmann

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geschichte

Der Mythos der Nachkriegszeit Ratlosigkeit herrscht nicht nur bei den Bürgerlichen wenn man über die aktuelle Krise spricht. In den Gewerkschaften aber auch in der Sozialdemokratie herrscht eine grosse Leere. Die SP, die als Ja-sager-Partei in den letzten Jahren etwa soviel Ecken und Kanten verloren hat wie ihr neues Logo, traut sich kaum mehr, den Neoliberalismus zu kritisieren. Aber auch die globalisierungskritischen Organisationen, die auf dem Papier irgendwelche komischen Theorien über die Aufhebung von Wechselkursabkommen entwickelt haben, die die Wirtschaft entfesselt hätten, drehen sich im Kreis. Eines verbindet sie jedoch alle: der Mythos der Nachkriegszeit als Vollbeschäftigung herrschte und der Kapitalismus noch so wunderbar vernünftig war. Leider vergessen sie, dass der Nachkriegsaufschwung in einer historisch einmaligen Situation entstand. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 stieg die UdSSR zur Weltmacht auf. Die chinesische Revolution von 1949 verstärkte dies und verdrängte den Kapitalismus von einem Drittel der Erdoberfläche. Die Gefahr eines weiten Vordringens des nicht-kapitalistischen Blocks prägte die Wirtschaftspolitik der kapitalistischen Staaten stark. Gerade weil die Grossmächte Frankreich, England und Deutschland, sowie das aufstrebende Japan, massiv geschwächt waren und der Grossteil des Reichtums, wie Goldreserven und Technologie in der Supermacht USA konzentriert waren, lastete auf dem nordamerikanischen Staat eine grosse Verantwortung. Die USA konnten nicht wie frühere imperialistische Staaten nur ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen, sondern mussten auf Grund ihrer wirtschaftlichen Stärke die Verteidigung des kapitalistischen Systems weltweit übernehmen. Bedingt durch die Stärke der Arbeiterorganisationen, die sich in Grossbritannien durch massive Wahlsiege der Labor Partei und im übrigen Europa durch Streiks und sogar Fabrikbesetzungen ausdrückte, waren die USA gezwungen, entgegen allen üblichen imperialistischen Praktiken, den Aufbau von funktionierenden kapitalistischen Staaten voran zu treiben. Gerade auch weil die Gewerkschaften in den USA stark waren, fürchteten sich die Herrschenden vor einem Überschwappen der Streik-

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bewegung ins Herzen des Kapitalismus, sowie vor eine Reihe von revolutionären Bewegungen in Europa und Japan. Auch in der Schweiz war die Burgfriedenspolitik zu Ende und die Arbeiterbewegung im Aufwind. 1943 gewann die SPS die Nationalratswahlen und verzeichnete massiv höhere Mitgliederzahlen. Streiks, vor allem in der Bau- und Textilindustrie, erhöhten den Druck auf die Interessen des Kapitals zusätzlich. Um dieser gefährlichen Situation zu begegnen und eine stabile Nachkriegsordnung herzustellen, waren die USA zu massiven Staatsinterventionen gezwungen. Im Innern aber auch in Westeuropa und Japan wurden Mittel in noch nie dagewesener Höhe bereitgestellt und der Anteil des Staates massiv erhöht. Die Vereinigten Staaten konnten sich eine Wirtschaftskrise wie die von 1929 nicht noch einmal leisten. Sie setzen darum ihre Kriegswirtschaft fort; die Hälfte der Wirtschaft befand sich unter staatlicher Leitung. Ein weiterer wichtiger Punkt der Stabilitätspolitik in Westeuropa und Japan war, dass die USA gezwungen waren, an der Praxis der fixen Wechselkurse (Bretton Woods Abkommen) festzuhalten. Dies bedeutete, dass der Dollar gegenüber dem Yen und der Mark extrem stark war und das Aufholen der beiden Exportwirtschaftsnationen durch das günstige Wechselkursverhältnis gefördert wurde. Dies zum Leidwesen des US-Kapitals,

dass es schwer hatte in die neuen Märkte vor zu dringen und zusehen musste, wie riesige Mengen an Produkten aus der BRD und Japan importiert wurden. Dies hatte auch Einfluss auf die Schweizer Industrie, sie konnte den Export nach Kriegsende wider Erwarten weiter steigern. Die Politik der Eindämmung des Kommunismus trug ihre Früchte. Das Wirtschaftswunder BRD und das enorme wirtschaftliche Wachstum Japans brachten den Besitzenden enorm hohe Profitraten, weil die Lohnkosten massiv tiefer als in den USA waren, der Kapitalstock massiv erneuert wurde und sich somit Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt ergaben. Die Vollbeschäftigung war nur ein Nebeneffekt und nicht ein primäres Ziel der Kapitalisten. Trotzdem konnte die gesellschaftliche Polarisierung dadurch entschärft werden und die Arbeiterorganisationen wurden in vielen Ländern geschickt in die Mechanismen des bürgerlichen Staates integriert. Sie legten damit ihre wichtigsten Waffen nieder und der soziale Frieden wurde durch die Sozialpartnerschaft gesetzlich verankert. Das Missverhältnis von Steigerung der Produktivität und den spärlichen Lohnerhöhungen war in den USA nicht gegeben. Das Lohnniveau lag um ein vielfaches höher als in der BRD und Ja-


geschichte

Nachkriegszeit: Die Schornsteine schloteten und die Produktion lief auf Hochtouren pan und damit waren auch die Profitraten tiefer. Im Gegensatz zu den stark kriegsgeschädigten Ländern herrschte in den USA bereits vor dem Jahre 1950 Vollbeschäftigung. Die starken Wettbewerbsnachteile der US-Industrie auf dem Weltmarkt führten die Wirtschaft in eine Phase der Stagnation. Dies geschah jedoch auf extrem hohem Niveau, die USA waren der grösste Gläubiger der Welt und verfügten über die Hälfte des weltweiten Goldvorkommens, dadurch war auch die Vollbeschäftigung nicht gefährdet. Durch den Krieg in Korea wurde die Kriegsproduktion wieder teilweise aufgenommen und führte zu einem kurzfristigen Aufschwung, dem „Korea-Boom“. Trotzdem setzte sich der allgemeine Abwärts-Trend der US-Wirtschaft fort. Die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus und auch der tendenzielle Fall der Profitraten blieben weiter bestehen. Durch eine Reihe von Streikniederlagen wurde das Kräfteverhältnis weiterhin zu Gunsten der Besitzenden verschoben und es fanden massive Angriffe auf die Löhne

statt, damit die Profitraten wieder gesteigert werden konnten. Die Nachkriegszeit ist kein klar definierter Zeitraum mit Anfangs- und Schlussdatum. Gewisse Historiker sehen das Ende der Epoche erst im Jahr 1989 mit dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in Osteuropa. Ein wichtiger Endpunkt fand der Nachkriegsaufschwung jedoch in der so genannten Ölkrise im Jahr 1973. Sie war der Endpunkt einer wilden Aneinanderreihung von verschiedenen Profitkrisen in allen kapitalistischen Ländern, mit einer Besonderheit: zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es eine Profitkrise, die alle Industriestaaten gemeinsam traf. Wir haben gesehen, dass die einmaligen Bedingungen nach Kriegsende, die durch die Kriseanfälligkeit des Kapitalismus und einer starken Arbeiterbewegung geschaffen wurden, die einzige Möglichkeit war, den Kapitalismus zu retten. Besonders der US-Imperialismus musste stark zurückstecken, um in Europa und Japan

Stabilität zu garantieren und ein Vordringen des nicht-kapitalistischen Blocks einzudämmen. Erst durch das Einbinden der Arbeiterorganisationen, durch Sozialpartnerschaft und Sitze in der Exekutive, konnte eine generelle Stabilität für die Interessen des Kapitals in Europa und Japan installiert werden. Ebenso in der Schweiz. Diese einmaligen Bedingungen sind mit den Bedingungen die zur aktuellen Krise geführt haben nicht vergleichbar. Sie ist einer von vielen Todeskrämpfen des Kapitalismus, der auf zwei Arten behoben werden kann: Durch die massiven Vernichtung der Produktivkräften, also Arbeitsplätze und Produktionsmittel, um die Profitraten der Besitzenden wieder zu steigern oder durch ein erstarken der Arbeiterbewegung, die mit der knechtenden Logik des Kapitalismus brechen wird.

Joachim Lichtenhahn

Präsident der JUSO Winterthur Webtipp: Jenseits von Hejek Keynes auf www.der funke.ch

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Die Konterrevolution schlägt zu!

Putsch in Honduras „Der Staat ist eine Maschine zur Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Klasse über eine andere.“ (W.I.Lenin) Diese grundlegende Feststellung Lenins zeigt sich in den Ereignissen in Honduras der vergangenen zwei Monate wiedermal aufs deutlichste. Am 28. Juni 2009 wird der Honduranische Präsident Manuel Zelaya vom Militär gewaltsam ausser Landes geschafft. Manuel Zelaya war 2005 als Kandidat der konservativen Liberalen Partei zum Präsidenten von Honduras gewählt worden. Er selbst gehört zur reichen Oberschicht des armen zentralamerikanischen Landes. In seiner vierjährigen Amtszeit vollzog er einen politischen Wandel, den man am besten mit einem Zitat von ihm selbst beschreiben kann: „Sehen Sie, ich dachte es wäre möglich, Veränderungen innerhalb des Neoliberalismus durchzuführen. Aber die Rei-

Hundertausende marschieren für Zelaya chen machen keinerlei Zugeständnisse, sie geben nicht einmal einen Penny. Diese Leute haben nicht vor, auch nur einen Teil ihres Geldes herzugeben. Sie wollen alles selbst behalten. Um Änderungen herbeizuführen muss man also offensichtlich die Bevölkerung an Bord holen.“ Unter den Massnahmen, die die Regierung von Präsident Zelaya ergriffen hat, befinden sich eine Reihe fortschrittlicher Reformen, darunter eine Alphabetisierungskampagne nach den Beispielen von Kuba und Venezuela. Auch wurde versucht das Gesundheitssystem für die ärmeren Gesellschaftsschichten zu verbessern und der Mindestlohn wurde um 60% angehoben. Gleichzeitig kürzte sie die eklatanten Privi-

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legien der herrschenden Klasse. Diese Reformen sicherten Zelaya eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Da in Honduras gemäss der Verfassung nur eine Amtszeit von 4 Jahren vorgesehen und eine Wiederwahl ausgeschlossen ist, wollte Zelaya durch eine Volksbefragung eine Verfassungsänderung bewirken, die es ihm erlaubt wiedergewählt zu werden. Dass sowohl die Wiederwahl Zelayas als auch die Einbindung der Bevölkerung in die unmittelbaren politischen Prozesse in Honduras eine Gefahr für die Stellung der Oligarchie darstellt, ist nach dem Putsch offensichtlich. Honduras als eines der ärmsten Länder Zentralamerikas, hat eine Geschichte, die geprägt ist von Militärputschen gegen soziale Reformen und militärischen Interventionen der USA, um die Interessen der Grosskonzerne, namentlich der United Fruit Company, zu bewahren. Es wurde uns wieder einmal vor Augen geführt, dass die lokale Oligarchie in Lateinamerika und ihre imperialistischen Herren selbst noch so harmlose Reformen nicht akzeptieren können. Doch die Ereignisse in Venezuela haben uns gelehrt, dass wenn die Massen reagieren und auf die Strasse gehen, solche Versuche, in die demokratische Souveränität der Bevölkerung einzugreifen, niedergeschlagen werden können. Die Massenproteste in Honduras zeigen dies von neuem. Es ist Zelaya aber dennoch nicht gelungen nach Honduras zurückzukehren. Dies nicht zuletzt, weil die Kommunikation zwischen ihm und der Honduranischen Bevölkerung sehr schwer ist und sämtliche Führer der Gewerkschaften und linken Parteien verhaftet wurden oder in den Untergrund fliehen mussten.

Das Bewusstsein der ArbeiterInnen und der armen Bauern in Honduras hat sich aber verändert. Es ist den Menschen auf brutale Art und Weise klar gemacht worden, dass weder demokratische Entscheide noch Versuche das Land zu demokratisieren von den Mächtigen toleriert werden, wenn sie nicht in ihrem Interesse sind. Sämtliche Institutionen im Land, wie alle traditionellen Parteien, die Führung der Kirchen, die Massenmedien, die Industriebarone, die Landbesitzer, die Justiz und die Führung im Militär, oder, in andern Worten, sämtliche Pfeiler der Macht eines bürgerlichen Staates haben den Putsch unterstützt. Man sieht wieder einmal deutlich, dass der Weg zum Sozialismus nicht über den bürgerlichen Staat laufen kann, da dieser ein Werkzeug der herrschenden Klasse ist, welches sich je nach Kräfteverhältnis früher oder später gegen die ArbeiterInnen wendet. Diese Entmündigung und die Demütigungen des Volks von Honduras wird tiefe Narben im Bewusstsein der Massen hinterlassen und früher oder später in Zorn gegen die Ausbeuter, die sie seit über hundert Jahren beherrschen, ihren Ausdruck finden. • Nieder mit dem Reaktionären Putsch in Honduras! • Soldaten, richtet eure Gewehre gegen die Oligarchie nicht gegen das Volk! • Auf zu Massenmobilisierungen auf der Strasse und zum Generalstreik! Mehr zu Honduras auf www.marxist.com

Florian Eschmann

Vorstand Juso Sektion Winterthur


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ArbeiterInnenkontrolle und Sozialismus

Venezuela

Am 21. Mai 2009 kündigte Präsident Chavez anlässlich einer Versammlung mit IndustriearbeiterInnen aus Guyana die Verstaatlichung mehrerer Unternehmen der Eisen- und Stahlverarbeitung und die Bildung eines öffentlichen metallverarbeitenden Industriekomplexes mit dem Hinweis an: „diese Betriebe müssen unter ArbeiterInnenkontrolle stehen“. Am 31. Mai stimmten 200 Arbeiter der Firma URAPLAST, welche Abwasserleitungen und Kabel herstellt, für die Besetzung und Übernahme des Betriebs. Ein kleiner Einblick in die Geschehnisse in Venezuela. 20 Jahre nach dem Mauerfall und dem Zusammenbruch der Sowjetunion, muss man kritisch betrachten, wie dieser historische Wendepunkt politisch verwendet wurde, um den Sozialismus für tot zu erklären und wie er die Diskussionen über Wirtschaftssysteme seither geprägt hat. Mit der momentanen Wirt-

Chavez verkündet neue Verstaatlichungen schaftskrise hat das Scheitern des Kapitalismus als politisches, ökonomisches und gesellschaftliches System eine neue Ära der Diskussionen über die Frage des Sozialismus weltweit eingeläutet. Besonders in Venezuela wird diese Diskussion sehr intensiv geführt, wobei es längst nicht mehr nur eine Diskussion unter Intelektuellen ist. Sie durchdringt jedes Quartier, jede Fabrik und jede Schule. Die Bolivarische Revolution war anfänglich ein Projekt der nationalen Befreiung. Sie baute auf der Idee auf, dass die Umwandlung der Gesellschaft durch die bürgerliche Demokratie, sprich Wahlen, erreicht werden kann. Der Mythos der

Paragraphen-Revolution und der Souveränität der Regierung im Kapitalismus fiel jäh in sich zusammen, als diese Vorgehensweise mit den Interessen der Bourgeoisie kollidierte, welche die Produktionsmittel kontrolliert und stark von internationalem Kapital beeinflusst wird. Der Konflikt um den Besitz der Produktionsmittel ist an einem Punkt angekommen, wo er die parlamentarische Ebene verlassen hat. Er hat die ArbeiterInnenschaft erreicht und manifestiert sich rund um die Kämpfe für ArbeiterInnenkontrolle der Produktion. Unterstützt wird dieser Kampf durch Verstaatlichungen seitens der Regierung Chavez. Am 21.Mai kündigte Chavez die Verstaatlichung mehrerer Unternehmen der Eisen und Stahlverarbeitung und die Bildung eines öffentlichen metallverarbeitenden Industriekomplexes an. Präsident Chavez bestand auf die Notwendigkeit, den Industriesektor unter ArbeiterInnenkontrolle zu stellen. Er wandte sich an die Werktätigen: „Es liegt an euch, diesen Plan umzusetzen! Wir müssen die Produktivität erhöhen, die Effizienz und die Transparenz aller Betriebe. Wie ihr sagt, denn ihr habt Grund es zu sagen, sollt ihr, die ArbeiterInnen des Betriebs, das ganze Unternehmen kennen. Was sind die Projekte? Wie wird der Betrieb verwaltet? Wie werden seine Ressourcen genutzt? An wen und zu welchem Preis werden die Rohstoffe verkauft? All das (…) die Gesamtheit des Produktionspro-

zesses (…) all dass muss unter ArbeiterInnenkontrolle sein! Ich bin einverstanden! So müssen die Dinge laufen!“ Der Präsident drückte es deutlich aus: die Errichtung des Sozialismus erfordert die bewusste Teilnahme der ArbeiterInnenklasse. Doch man muss sofort zu konkreten Taten übergehen. Wir haben zu oft erlebt, dass MinisterInnen und BürokratInnen die Anweisungen von Chavez missachten. Die mächtige ArbeiterInnenklasse muss konkrete Handlungen setzen, damit auf die Rede Chavez Konsequenzen folgen. Man muss konkrete Maßnahmen ergreifen, um voranzukommen, beginnend bei der Wähl- und Abwählbarkeit der Leitungen der Werke durch die Basis. Es müssen gewählte und abwählbare Delegiertenkomitees gebildet werden, die die Organe einer wahrhaften ArbeiterInnenkontrolle in den Unternehmen bilden. Wir müssen die Konten in jeder Fabrik kontrollieren, um der Aneignung des Mehrwerts, den unsere Arbeit erzeugt, durch die Bürokratie ein Ende zu setzen. Präsident Chavez sagte: „Ich verknüpfe mein Schicksal mit dem euren.“ Die ArbeiterInnenklasse muss darauf mit Bestimmtheit antworten. Wenn die Gewerkschaftspitze die Initiative nicht übernehmen will, müssen die betroffenen ArbeiterInnen sie durch andere FunktionärInnen ersetzen, die bereit sind, nach dem Willen und im Interesse der ArbeiterInnenklasse zu handeln.

Florian Eschmann

Vorstand Juso Sektion Winterthur

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Nieder mit dem despotischen Regime im Iran!

Revolution hat begonnen Im Iran konnten wir diesen Sommer miterleben, wie eine der verrottetsten Diktaturen der Welt ums überleben kämpfte. Nicht nur die inneren Widersprüche des Systems traten unverkennbar zum Vorschein, sondern auch der ungebrochene Wille von Millionen von unterdrückten IranerInnen, die Islamische Iranische Republik (IRI) zu stürzen und somit deren Todeskampf zu verkürzen.

1979 – Von der Revolution zur Konterrevolution Der Schah, welcher 1954 mit Hilfe des britischen und amerikanischen Imperialismus einen Putsch gegen eine bürgerlichdemokratische Regierung durchführte, wollte aus dem Iran durch die „weisse Revolution“ eine Grossmacht machen. Er entwickelte zu Beginn der 70er, begünstigt durch die hohen Ölpreise, in halsbrecherischem Tempo die Industrie des Landes. Dies brachte ihn in eine missliche Lage und setzte ihn von zwei Seiten aus unter Druck. Auf der einen Seite verlangte die erstarkende Bourgeoisie eine wichtigere Rolle im Land zu spielen und auf der anderen Seite entstand eine millionenstarke ArbeiterInnenklasse. Diese bemerkte schnell, welche Rolle sie in der Produktion spielte und im Zuge der Wirtschaftskrise, welche das Land gegen Ende der 70er erschütterte, wuchs unter den iranischen Massen die Unzufriedenheit mit der herrschenden Ordnung. Die Lage spitzte sich stetig zu und es kam, immer mit demokratischen Forderungen und derjenigen des Sturzes des Schahs, zu Massendemonstrationen und Generalstreiks. Ein Regime, welches seine Aufrechterhaltung zu weiten Teilen einem enormen Repressionsapparat verdankt, steht am Ende macht- und ratlos dar, wenn sich die Massen in Bewegung setzen und scheinbar ohne Furcht vor dem Tod die herrschende Ordnung angreifen. Genau das geschah 1979 im Iran. Das SchahRegime versuchte noch alles Mögliche, um seine Macht aufrechtzuerhalten, scheiterte dabei jedoch kläglich an den inneren Widersprüchen der iranischen Klassengesellschaft. Die gewonnene Dynamik der Kämpfe übersetzte sich in der Bildung von Shoras (Räten) im ganzen Land. Diese bildeten das Rückgrat der iranischen Revolution und der dahinter steckenden ArbeiterInnenmacht, welche so mäch20 Der Funke

tig war, dass weite Teile der Soldaten zu den Demonstranten und streikenden ArbeiterInnen überliefen. Das Regime des Schahs stürzte, vom Eckpfeiler der Armee getrennt, unter dem Druck der Strasse wie ein Kartenhaus zusammen. Es fehlte jedoch ein entscheidender Faktor in der komplizierten Gleichung der Revolution; die revolutionäre Partei. Es existierte zwar eine von der Moskauer Bürokratie kontrollierte kommunistische Partei (Tudeh Partei). Diese konnte und wollte die Revolution nicht zu Ende führen, da sich ihre (von Moskau diktierte) Politik lediglich auf eine „demokratische Revolution“ orientierte, was gleichbedeutend ist mit der Beibehaltung des Privateigentums, der kapitalistischen Produktionsweise und der Machtergreifung einer „progressiven Bourgeoisie“. Eine solche existierte weder im Iran, noch auf internationaler Ebene. Die Geschichte scheut das Aufklaffen von Lücken genauso wie die Natur. Die Verneinung der eigenen Rolle, welche die Tudeh Partei als Partei der sozialistischen Revolution hätte einnehmen müssen, öffnete eine grosse Lücke, welche nur allzu gerne von den reaktionären Ayatollahs gefüllt wurde. Die Tudeh Partei erklärte die Ayatollahs sogar als „ irgendwie progressiv“. In den Moscheen entstand ein Raum, in welchem sich lautstarke Kritik am Schah breit machen konnte. Gleichzeitig kanalisierten sie die Bewegung in „geordnete“ Bahnen. Letztendlich entsprang so aus der Revolution die Konterrevolution. Alle Errungenschaften der iranischen Revolution wurden durch die aus ihr entspringenden Konterrevolution zunichte gemacht. Die Shora-Bewegung wurde komplett zerstört und mit ihr der Keim einer veritablen Demokratie. Das Erlangen von demokratischen Grundrechten war immer eine zentrale Forderung der iranischen Massen. Während der revolutionären Erhebung gewannen die ArbeiterInnen die Kontrolle über weite

Teile der Produktion und der Verteilung und die Bauern enteigneten die Grossgrundbesitzer und verteilten das Land unter der Dorfbevölkerung. Die Unterdrückung der Massenbewegung und die Wiederherstellung des bürokratischen Staatsapparats schufen rasch die notwendigen Bedingungen, um zur kapitalistischen Ordnung zurückzukehren. Die iranischen ArbeiterInnen bezahlten einen teueren Preis für die damals von der Tudeh-Führung eingenommene Politik. Viele der besten ArbeiterInnen und Jugendlichen verloren ihr Leben in den Gefängnissen der Ayatollahs, in denen sie zuerst gefoltert und dann brutal ermordet wurden. Die gesamte ArbeiterInnenklasse bezahlte den Preis für den Verlust ihrer wahren Organisationen, die während der Revolution entstanden waren. Was als echte Bewegung der Arbeiterklasse, als das Entstehen einer sozialistischen Revolution begonnen hatte, wurde von fundamentalistischen Mullahs instrumentalisiert. Die islamische Republik war und ist weitaus reaktionärer und undemokratischer als ein gewöhnlicher kapitalistischer Staat. Es bildete sich während der Konterrevolution eine neue Kapitalistenklasse heraus, welche innert kürzester Zeit riesigen Reichtum anhäufte. Die Stellung der Frau in der Gesellschaft ist der wohl stärkste Ausdruck des reaktionären Charakters der Islamischen Republik Iran (IRI) damals und heute.

Die heutige Bewegung im Iran – Geht es hier um Wahlen? Das iranische Regime war vor den Wahlen bereits in zwei Lager gespalten, die Hardliner und die sogenannten Reformer. Diese beiden Lager wollen beide die Islamische Republik aufrechterhalten, haben jedoch andere Meinungen darüber, was dafür getan werden muss. Am 12. Juni fanden die Präsidentschaftswahlen statt, bei welchen sich die zwei


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Flügel offen gegenüberstanden. Entfacht durch die offensichtlichen und stümperhaft anmutenden Wahlfälschungen fanden riesige Strassendemonstrationen statt. Millionen von IranerInnen strömten auf die Strassen, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Die Wahl muss als der Faktor gesehen werden, welcher die Proteste auslöste, sie jedoch nicht bestimmte und ihr Wesen charakterisiert. Wie 1979 so wurde auch heute die Forderung „Nieder mit dem Diktator“

Riesendemos: Teheran nach den Wahlen zum eigentlichen Leitspruch der Bewegung. Doch damit ist nicht lediglich die Entfernung Ahmadinejads gemeint und dass Moussavi an die Macht soll. Nein zum Diktator heisst nein zur Diktatur! Der Zorn der Bevölkerung reflektiert die über drei Jahrzehnte lang angestaute Frustration und Wut. Außerdem spiegelt er die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation und den fallenden Lebensstandard wieder. Die Wirtschaft war zentrales Thema der Wahlkampagne und bleibt nach vier Jahren der steigenden Inflation und Arbeitslosigkeit Kern der Sorgen der meisten IranerInnen. Bei der heutigen Bewegung ist (wie schon 79) die Furchtlosigkeit der Massen gegenüber den Drohungen des Regimes, die Demonstrationen aufzulösen, ein zentraler Punkt. Die IranerInnen kämpfen, als hätten sie nichts zu verlieren ausser ihren Ketten. Die Massendemonstrationen der Wochen um die Wahlen haben noch nicht zum Sturz des Regimes geführt. Eine Revolution ist nicht ein gradliniger Prozess, welcher Heute beginnt und Morgen enden muss, sondern kann sich über eine längere Periode hinziehen und durch verschiedene Phasen des Kampfes schreiten. In der Entwicklung im Iran erkennen wir besonders gut, dass eine

Revolution nicht zu ihrem Durchbruch gelangt, solange die ArbeiterInnenklasse nicht in organisierter Form die Bühne betritt. Lenin definierte 4 objektive Bedingungen, welche eine revolutionäre Situation charakterisieren. Erstens muss die herrschende Klasse gespalten sein. Dies ist sie ganz offensichtlich, der Bruch geht mitten durch das Regime hindurch. Zweitens muss die Mittelschicht zwischen Revolution und Konterrevolution schwanken. Dies ist heute im Iran der Fall, wo entscheidende Sektoren der Mittelklasse auf die Seite der Revolution gewechselt haben und in den Straßen demonstrieren. Drittens, die ArbeiterInnen müssen bereit sein zu kämpfen. Sogar vor den Wahlen gab es eine wachsende Welle an Streiks im Iran. Die ArbeiterInnenklasse nimmt zwar an den aktuellen Kämpfen je länger desto stärker teil, sie verleiht ihnen jedoch nicht einen einheitlichen Ausdruck, wie dies nur durch einen Generalstreik getan werden kann. Um es zu stürzen genügen Strassendemonstrationen alleine nicht, sondern das Regime muss dort gepackt werden, wo es empfindlich ist: in der Wirtschaft, in der Produktion. In der kommenden Zeit werden wir mit Bestimmtheit einen weiteren Aufschwung der Arbeitskämpfe im Iran sehen. Diese werden auch einen weitaus politischeren Charakter einnehmen, als noch vor der Bewegung in diesem Sommer. Nur die vierte Bedingung ist noch nicht gegeben: Die Existenz einer revolutionären Partei, einer revolutionären Führung. Auf der einen Seite ist es gerade das Erstaunliche an der hiesigen Bewegung, dass sie führerlos und spontan entstand. Moussavi ist bestimmt nicht der Führer dieser Bewegung, sondern nur durch Zufall an ihre Spitze gesetzt. Die zentrale Aufgabe der kommenden Wochen wird es sein, der Bewegung einen von Moussavi und den Reformern unabhängigen organisierten Charakter, ein Programm und eine Perspektive zu geben. Das Wiederaufbauen von Shoras

in den Fabriken, an den Unis und den Quartieren, sowie deren Vernetzung wird dafür zentral sein. Mit Kompromissen und einer Politik der Klassenkollaboration gibt es keinen Ausweg aus der Sackgasse. Die Grundvoraussetzung ist eine unabhängige Bewegung der ArbeiterInnenklasse, gemeinsam mit ihren Verbündeten. Die grundlegenden demokratischen Forderungen nach Meinungs- und Presse-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sind zwar noch immer von zentraler Bedeutung für die IranerInnen, es geht aber längst nicht mehr darum neuerlich undemokratische Wahlen abzuhalten. Für die Massen stehen heute ein vollständiger politischer Wandel und der Sturz des Regimes auf der Tagesordnung. Die Menschen im Iran brauchen in ihrem Streben nach einem politischen Neuanfang auf der Grundlage einer wahrhaft demokratischen Verfassung die volle Unterstützung der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Die sog. Liberalen und Reformer im Iran selbst, die in den bürgerlichen Medien als Führung der Bewegung gelten, sind absolut unfähig, diesen Kampf für Demokratie erfolgreich zu führen. Sie sind selbst zu sehr mit dem herrschenden Regime verbunden und haben ökonomische Interessen, die einem konsequenten Kampf im Wege stehen. Im Kampf um einen Iran, der frei von religiöser Diktatur, Unterdrückung und Ausbeutung ist, werden sie mit Sicherheit auf der anderen Seite stehen. Die Lohnabhängigen können sich in diesem Kampf nur auf ihre eigene Stärke und die Solidarität der ArbeiterInnenbewegungen im Nahen Osten und weltweit verlassen. Mit dieser Stärke kann es ihnen gelingen, nicht nur die Mullahs zu verjagen, sondern gleich die Ursache der Unterdrückung im Iran in die Geschichtsbücher zu verbannen und somit den Sturz des Kapitalismus in der Region und International entscheidend vorantreiben. • Nieder mit der Tyrannei und der Repression! • Freiheit für die politischen Gefangenen! • Lang lebe die Iranische Revolution! • ArbeiterInnen aller Länder, vereinigt Euch!

Magnus Meister

Regiovorstand Unia Genf

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Das imperialistische Abenteuer schwächelt weiter

Wahlen in Afghanistan

Afghanistan steht vor einer schweren Krise, die das Ende der imperialistischen Einmischung zur Folge haben könnte. Seit Jahren sind unter der Oberfläche Widersprüche in der militärischen und politischen Führung entstanden. Die Unfähigkeit der NATO die Taliban zu zerschlagen ist eine direkte Wiederspiegelung der Korruption, der Vetternwirtschaft und der Inkompetenz der Regierung Karzai. Der von den USA gestützte Karzai unterscheidet sich nicht wesentlich von den Taliban, die er angeblich bekämpft. Trotz des achtjährigen Krieges haben es weder die afghanischen Regierungs- noch die NATO-Truppen geschafft, die Taliban davon abzuhalten, weiter an Stärke zu gewinnen. Die afghanische Bevölkerung sieht keinen Unterschied zwischen den Taliban und der gleichermassen verachtenswerten Karzai-Regierung. Aus diesem Grund ist es den Taliban im Kampf gegen die militärische Stärke der NATO gelungen zu überleben und sogar zu wachsen.

Eine US-Marionette: Hamid Karzai Die Präsidentschaftswahl vom 20. August hat die massiven Widersprüche innerhalb der Regierung und in der Kriegsführung insgesamt unterstrichen. Die Wahlbeteiligung lag offiziellen Angaben zufolge 20 - 30% niedriger als bei den Wahlen 2004. Die schwindende Wahlbeteiligung bei der aktuellen Wahl widerspiegelt den Bankrott der afghanischen Regierung. 2004 waren Wahlen etwas Neues und viele AfghanInnen wollten diese neue Möglichkeit ehrlich nutzen. Nach Jahren andauernder Korruption und Unterdrückung durch die Marionettenregierung Karzai, betrachten die AfghanInnen die Zentralregierung als genauso schlimm (und manchmal noch schlimmer) wie die Taliban. Karzai stützt sich immer mehr auf die Warlords, die Drogenbosse und sogar auf die alten Fundamentalisten, um sein Regime zu erhalten. Ein besonders ab-

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scheuliches Beispiel ist das so genannte „Vergewaltigungsgesetz“, welches schiitischen Männern erlaubt, ihren Frauen Nahrungsmittel und andere lebensnotwendige Dinge vorzuenthalten, wenn diese den sexuellen Bedürfnissen der Männer nicht nachkommen. Karzai und die NATO haben dem afghanischen Volk keinen Zentimeter Fortschritt gebracht, sondern das Land in die gleiche Tyrannei getrieben wie ihre Vorgänger. Das ist der eigentliche Grund für den Rückgang der Wahlbeteiligung. Das erklärt auch die Unfähigkeit des Imperialismus die Aufständischen zu besiegen. Die mangelnde Unterstützung durch die Bevölkerung und die Unverwüstlichkeit der Taliban haben zu einer Krise innerhalb der Regierung geführt. Dies zeigt sich in der aktuellen Wahl. Karzais Hauptgegner sind frühere Mitglieder seines Führungszirkels. Die Durchführung der Wahl selbst war äusserst dubios, so wurde es ausländischen WahlbeobachterInnen nicht gestattet, Wahllokale zu betreten, einige Wahllokale wurden nicht eingerichtet und es kam zu den vorhergesagten Gewalttaten. All das ist jedoch belanglos, verglichen mit dem Drama, das sich entfaltete, als mit der Auszählung der Stimmen begonnen wurde. Umfassende Berichte über Wahlbetrug überschatteten die Wahl. Karzais Hauptrivale Abdullah Abdullah hat mehrfach den Betrug angeprangert und behauptet, Karzai hätte in seiner Position als Präsident „den Staatsapparat benutzt, um die Wahl zu manipulieren“. Die Anschuldigungen wegen des Wahlbetrugs richten sich in erster Linie gegen die von Karzai ernannten Beamten. Es wird u. a. von einem Fall berichtet, in dem das Wahllokal in dem Haus des von Karzai ernannten Kommandeurs der Grenzsicherheit in Spin Boldak in Kandahar eingerichtet wurde. Es wird behauptet, dass dieser Kommandeur die Wahlurne mit Wahlzetteln für Karzai voll-

gestopft haben soll. Der Bezirk, in dem sich dieser Vorfall abgespielt haben soll, hatte am Wahltag eine durchschnittliche Wahlbeteiligung von 10%, aber 40% wurden nach Kabul gemeldet. Die von der UN unterstützte Beschwerdekommission hat insgesamt 225 Eingaben wegen Unregelmässigkeiten beim Wahlablauf erhalten. Jetzt, wo die internen Machtkämpfe innerhalb der Zentralregierung einen weiteren Höhepunkt erreicht haben, gewinnen die Aufständischen an Stärke. Einige Tage nach der Wahl und nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe wurden vier weitere US-Soldaten durch ein Sprengstoffattentat getötet. Damit ist das Jahr 2009 das bisher verlustreichste für die NATO-Soldaten. Der gleichzeitige Ablauf dieser Ereignisse ist kein Zufall. Die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Fragen hängen in Afghanistan eng zusammen. Der Kapitalismus ist unfähig weder Afghanistan noch einem anderen unterentwickelten Land einen Weg nach vorn zu bieten. Die ausländische Besatzung und deren Marionettenregierung sind die besten Rekrutierungsoffiziere für die Taliban. Die Korruption, die Tyrannei des Karzai-Regimes und der unpopuläre und verlustreiche NATO-Krieg geben den Taliban neuen Antrieb. Nur auf der Grundlage einer sozialistischen Föderation in der Region können Friede, Fortschritt und ein wirkliche Demokratie nach Afghanistan gebracht werden. Nur durch eine Zusammenfassung der Ressourcen durch einen demokratischen sozialistischen Plan kann die Anarchie des Kapitalismus (mit seiner blutigen Geschichte in Afghanistan) abgeschafft werden und die Region und deren Völker können in die Lage versetzt werden, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Julian Benson www.marxist.com


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SchülerInnen und StudententInnen wehren sich!

Eure Krise zahlen wir nicht ! Mehrere 100‘000 SchülerInnen und StudentInnen gingen in Deutschland und Österreich auf die Strassen um gegen Kürzungen bei den Bildungsausgaben zu demonstrieren. Diese wurden im Zuge der Krise angekündigt, um Banken und Konzerne mit Finanzspritzen wieder auf die Beine zu helfen. Dank der aktuellen Wirtschaftskrise wird es in näherer Zukunft vermehrt zu Kostenreduzierungsmassnahmen an öffentlichen Schulen und Universitäten kommen. Dies mobilisierte überaschend schnell grosse Massen der SchülerInnenschaft, um gegen die Einschränkungen und Sparmassnahmen zu prostestieren. In Deutschland erhoben sich im Juni 250‘000 Menschen in über 100 Städten, mehr als doppelt so viele Leute als erwartet, um für ein gerechtes Bildungssystem zu kämpfen. Auch in Österreich zog es Ende April 60‘000 Jugendliche auf die Strasse. Dies sind sehr deutliche Signale dafür, dass die Jugend die Krise nicht einfach auf sich abwälzen lässt.

Deutschland Die Proteste in Deutschland wurden von einer breiten Plattform an Organisationen unterstützt. Hauptorganisatoren waren der Jugendverband Linksjugend [‚solid] und der Studierendenverband die Linke.SDS. Die wichtigste Arbeit leisteten aber die an vielen Schulen ins Leben gerufenen Streikkomitees. Viele Uni-Gebäude wurden besetzt und einige DozentInnen solidarisierten sich mittels öffentlichen Vorlesungen. Ausserdem wurden vielerorts Versammlungen mit darauffolgenden Spontandemos abgehalten. Aus den Versammlungen resultierten oft Neuwahlen von Studierendenparlamenten und –vertretungen. Die StudentInnen wollen ein grösseres Mitspracherecht an den Schulen und Universitäten. Sie fordern die Streichung der Semestergebühren und die Abschaffung der neoliberalen Idee der Bachelor/Master-Studiengänge, welche viel weniger Freiräume zur Selbstentfaltung und politischen Aktivitäten zulassen.

Ein wichtiger Punkt ist ausserdem zu verhindern, dass die Universitäten noch stärker unter die Kontrolle der Konzerne geraten. Das deutsche Schulsystem basiert immer noch auf dem preussischen Dreiklassensystem und ist eines der sozial selektivsten aller Industrienationen. Deshalb ist in einigen Gegenden der niedrigste Abschluss gleich einer Fahrkarte für Hartz IV. Der Forderungskatalog ist wegen dem maroden Zustand des Schulsystems sehr breit. Einerseits werden mehr LehrerInnen mit besserer Ausbildung und zu besseren Arbeitsbedingungen, sowie eine Gebührenfreiheit der Bildung gefordert. Zum Umbau des Schulsystems fordern sie die Demokratisierung der Schulen unter Komitees, gemeinsames Lernen bis zum 18. Lebensjahr in einer integrativen Gesamtschule und einen Abschluss, der die polytechnische Berufsausbildung mit Hochschulzugang verbindet.

Österreich Im gleichen Zeitraum protestierten auch in Österreich SchülerInnen gegen die jüngsten Sparmassnahmen. Nach einem kämpferischen SchülerInnenstreik im kleinen Vorarlberg mit 1‘500 Leuten strahlte die Bewegung ins ganze Land aus. Ende April gingen 10‘000 und 4 Tage später bereits über 50‘000 SchülerInnen auf die Strasse. Aus der Bewegung entstand das Sprachrohr, die SchülerInnenzeitung Signal. Einzig die SchülerInnen solidarisierten sich mit den Lehrern, denen allesamt eine Arbeitszeitverlängerung von 2 Stunden aufgebrummt wurde. Des weiteren fordern sie die zusätzliche Anstellung von

jungen LehrerInnen und die Einführung einer demokratischen öffentlichen Gesamtschule. Und als überfälligen Schritt: die Verstaatlichung von Banken und Konzernen unter der demokratischen Kontrolle der Gesellschaft! Die geschilderten Ereignisse zeigen, das junge Menschen nicht stumm zusehen, wenn auf ihrem Buckel zugunsten von Banken und Konzernen gespart wird. Die Schweiz ist von solch rigorosen Sparmassnahmen noch nicht betroffen. Dies ist aber nur noch eine Frage der Zeit. • Für die Bildung von SchülerInnenkomitees welche die Kämpfe der Zukunft vorbereiten!

Moriz Fischer

Vorstand Unia-Jugend SH/ZH

Und in der Schweiz? Auch hierzulande müssen junge Leute um ihre Rechte kämpfen. Als in Dänikon, unter Führung der SVP, ein verfassungwidriges Ausgehverbot für Jugendliche eingeführt wurde, musste die Juso Zürcher Unterland bis vors Verwaltungsgericht gehen um das Verbot mit seiner fadenscheinigen Begründung abzuwehren. Aktuell kämpfen die Jugendlichen aus dem zürcherischen Furttaler um ihr gut besuchtes Jugendhaus welches ersatzlos gestrichen werden soll. Die Reformierte Kirchgemeinde brauche das Gebäude für ihre eigene Jugendarbeit... Die vier verantworlichen Gemeinden hatten anfangs mehrere Alternativen, lehnten allerdings, aus finanziellen (die Krise lässt Grüssen) und anderen fadenscheinigen Gründen, alles ab. Aus diesem Grund wurde eine Protestparty veranstaltet und eine Petition lanciert. Der Kampf geht weiter!

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Aufstand der Vernunft Nr. 6 „Von Flammen und Dampfkesseln“

Aufstand der Vernunft Nr. 7 „Sozialismus und Frauenbefreiung“

Im Oktober 1917 erschütterte die Russische Revolution die Welt. Aus unserer Sicht handelt es sich dabei um das bedeutendste Ereignis der Weltgeschichte, weil es damals in Russland erstmals gelang, den Kapitalismus zu stürzen und die Arbeiterinnenklasse daran ging, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen.

Im neuen Band unseres Theoriemagazins „Aufstand der Vernunft“ wollen wir eine marxistische Analyse zum Thema Frauenunterdrückung und Geschlechterverhältnisse liefern. Im Zuge der Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahre wurden eine Reihe von Frauenrechten erkämpft und wichtige Fortschritte bei der Bewusstmachung von Sexismus und Frauenunterdrückung gemacht. Von einer Gleichberechtigung der Geschlechter sind wir jedoch noch immer weit entfernt. Ganz zu schweigen von einer Emanzipation der Frau. Ganz im Gegenteil erleben wir vor dem Hintergrund der Krise des Kapitalismus eine konservative Gegenoffensive, die zur Festigung traditioneller Frauenbilder und vieler Unterdrückungs-formen führt. Der Kampf gegen Frauenunterdrückung in all seinen Ausdrucksformen ist daher heute so relevant wie eh und je. Entgegen dem Vorwurf „geschlechtsblind“ gewesen zu sein, haben die marxistischen Klassiker sehr wohl einen wichtigen Beitrag zur theoretischen Klärung dieser Frage geliefert. Mit diesem Buch wollen wir eine Analyse der ökonomischen, sozialen, ideologischen oder sexuellen Unterdrückung der Frau darstellen. Wie Alexandra Kollontai schrieb: „Kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung! Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus!“

Im Zentrum dieses Buches steht ein Beitrag des britischen Marxisten Alan Woods über die Rolle der Bolschewiki im Jahr 1917. Darin zeichnet er die gesellschaftlichen Dynamiken dieser Revolution nach und widerlegt die von bürgerlichen Historikern vielstrapazierte These, die Oktoberrevolution sei in Wirklichkeit ein Staatsstreich gewesen. Am historischen Beispiel stellt er die Ideen und Methoden der Bolschewiki dar und gibt somit eine Antwort auf die Frage nach den Aufgaben einer revolutionären Organisation.

Aufstand der Vernunft Nr. 6, „Von Flammen und Dampfkesseln“ Preis: 15 F., Soli-Preis: 20 Fr.

Aufstand der Vernunft Nr. 7, „Sozialismus und Frauenbefreiung“ Preis: 14 Fr., Soli-Preis: 18 Fr.

Ich bestelle: o ein Funke-Abo (15 Franken für 5 Ausgaben) o Theoriereihe “Aufstand der Vernunft” Band _____ (16 Franken + Porto) o Broschüre Nr. 1 “Wie gewinnen wir einen Streik?” (2 Franken + Porto) o Neuerscheinung: „Die Kapitalismusfalle - Fundamente der marxistischen Krisentheorie“ (90 Franken) o das Buch “Leo Trotzki – Sozialismus oder Barbarei” (18 Franken + Porto) Ich will: o eine Liste eurer Materialien o Infos über eure Veranstaltungen und Aktivitäten o aktiv werden ______________________________________________________ Name: ______________________________________________________ Strasse: PLZ & Ort: ______________________________________________________ Telefonnr.: ______________________________________________________ ______________________________________________________ E-Mail:

der Funke Postfach 1696 8401 Winterthur


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