der Funke - Ausgabe Nr. 2

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Schweiz:

International:

Geschichte:

• Arbeitskampf auf dem Bau • Parlamentswahlen

• Venezuela am Wendepunkt • Marokko

• ArbeiterInnenbewegung in der Schweiz Teil 2

Wir verteidigen unseren LMV Angriff ist die beste Verteidigung! Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), mit seinem Präsidenten Messmer, würde uns am liebsten wie Sklaven halten. Schutzlos ihrem Interesse nach mehr Profit ausgeliefert, wollen sie uns ausbeuten, bis sie den letzten Rappen aus uns gepresst haben. Nicht mit uns! Was ist geschehen? Messmer und seine Sozialabbauerclique haben bereits im November 2004 einen massiven Angriff auf den Landesmantelvertrag (LMV) gestartet. Dieser hätte ebenfalls den vollen sozialen Kahlschlag bedeutet: Abschaffung von Mindestlöhnen und vollkommene Deregulierung der Arbeitszeiten sind nur zwei Beispiele. Die Gewerkschaften konnten damals diesen Angriff nur mit Mühe abwehren. Es war uns aber allen klar, dass der nächste Angriff bald folgen würde. Am 23. Mai 2007 wurde nun der LMV unter dem scheinheiligen Argument nach mehr Flexibilisierung gekündigt. Ab dem 30 September sind also rund 100'000 BauarbeiterInnen ohne Vertrag. Sämtliche ArbeiterInnen des Bauhauptgewerbes wären dann schutzlos der Willkür der kapitalistischen Wirtschaftslogik ausgeliefert. Es ist klar, dass dieser vertragslose Zustand zu massiven Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen führen wird. Praktisch alle Errungenschaften, die wir uns hart erkämpfen mussten, sind in Gefahr. Keine Mindestlöhne mehr, Abschaffung des 13. Monatslohnes und weniger Ferien sind nur die Spitze des Eisberges. Zwar sagen die Baumeister, dass die Arbeitsbedingungen auch ohne LMV gleich bleiben sollen, doch das ist eine Lüge. Wieso sollten sie wohl sonst den ganzen Vertrag kündigen? Um was geht es wirklich? Die Forderung nach 80 zusätzlichen Minusstunden, die als Vorbedingungen für neue Verhandlungen genannt wurden, ist lediglich ein Vorwand. „Es gehe ihnen nur um mehr

Arbeitszeitflexibilisierung“, sagen sie. Aber diese Minusstunden sind dem SBV scheissegal. Ihr Ziel ist es, die Gewerkschaften zu schwächen oder am liebsten ganz zu zerschlagen. Einige Hardliner wie der SVP-Ständerat This Jenny gaben das am Schweizer Fernsehen sogar zu. Sie forderten offen die Abschaffung der Gesamtarbeitsverträge und Gewerkschaften als solches. Dies zeigt uns deutlich auf, dass die Baumeister nur an ihrem Profit interessiert sind. Wir sind für sie nur eine Ware die voll und ganz ihrer Willkür ausgesetzt sein soll. Am liebsten würden sie uns für Hungerlöhne zwölf oder mehr Stunden arbeiten lassen. Wieso kommt dieser Angriff jetzt? Dieser Angriff auf den LMV darf nicht isoliert betrachtet werden. In den letzten Jahren hat die herrschende Klasse ihre Angriffe auf uns ArbeiterInnen ständig erhöht. Dies ist nicht ein Schweizer Phänomen, diese Angriffe sehen wir in der ganzen kapitalistischen Welt. Es ist die Krise des Kapitalismus, welche die herrschende Klasse dazu treibt, uns ständig zu …weiter auf Seite 3

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Editorial

Inhalt: Arbeitskampf Bau – Wir verteidigen unseren LMV, Angriff ist die beste Verteidigung. Seite 1 Broschüre Nr. 1: Wie gewinnen wir einen Streik

Seite 4

Buchvorstellung: Aufstand der Vernunft Nr. 6 Von Flammen und Dampfkesseln Seite 4 Buchvorstellung: Aufstand der Vernunft Nr. 7: Sozialismus und Frauenbefreiung Seite 4 Parlamentswahlen 2007

Seite 5

New Generation – Gewerkschaft bekommt Nachwuchs Seite 6 Übergangsforderungen: Ein Weg zur Revolution

Seite 8

Der Kapitalismus in der Krise

Seite 10

Venezuela am Wendepunkt: Fabrikbesetzungen und Arbeiterkontrolle

Seite 12

Marokko: Arbeitsbedingungen bei Rieker

Seite 14

Schweizer ArbeiterInnenbewegung

Seite 15

Veranstaltungen und Konzerte

Seite 16

Du hältst nun die zweite Ausgabe unserer Zeitung in der Hand. Seit dem Erscheinen unserer ersten Zeitung hat sich vieles getan. Wir steckten viel Zeit in den Aufbau unserer Gruppe, in die politische Bildung und in unsere Aktivität. Trotzdem sind unsere Ressourcen bescheiden, was sich hie und da in Rechtschreibfehlern, im Layout oder in der fachlichen Korrektheit der Artikel ausdrückt. Doch das nehmen wir immer noch gerne in Kauf, verfolgen wir doch das ehrgeizige Ziel, den Marxismus wieder massentauglich zu machen. Der Moment des Erscheinens dieser zweiten Ausgabe ist nicht zufällig gewählt, sondern ein „Ausdruck der Notwendigkeit“. Mit der heutigen (22.9.2007) Grossdemonstration der BauarbeiterInnen ist der Startschuss für den entscheidenden Arbeitskampf der Schweizer ArbeiterInnenklasse in der nächste Zeit getan. Zeigen wir den ArbeitgeberInnen, wer wirklich am längeren Hebel sitzt! Die Wahlen stehen an und zeigen beinahe täglich mehr, wie planlos und aggressiv die herrschende Klasse versucht sich Stimmen zu schnappen. Auf Seite fünf geben wir einen Kommentar zu diesem „Kasperlitheater“ ab und versuchen im Ansatz zu zeigen, wie eine allfällige Wahltaktik der ArbeiterInnenklasse aussehen könnte. Der Text auf Seite zehn, der Kapitalismus in der Krise, gibt einen Überblick über die wirtschaftlichen Ursachen und möglichen Auswirkungen der sichtbaren Instabilität weltweit. Auch die anderen Texte liefern einen interessanten Mix aus gesellschaftspolitischer Aktualität und historischer Theorie.

Impressum: Kontakt:

Der Funke Schweiz Postfach 1696 8401 Winterthur derfunke@gmx.ch

Druck:

Eigenverlag

Auflage:

400 Stk.

Abonnement:

derfunke@gmx.ch

Redaktion:

Daniel Flückiger, Jonas Gerber

Korrektur:

Daniel Flückiger

Layout:

Jonas Gerber

Die Geschichte zeigt, dass das Bewusstsein immer dem Sein hinterherhinkt. Mit unserer Zeitung möchten wir versuchen, dem Bewusstsein auf die Sprünge zu helfen und zu zeigen, dass die Welt sehr wohl verändert werden kann. In diesem Sinne:

„Wir haben nichts zu verlieren als die Ketten die uns fesseln. Wir haben eine Welt zu gewinnen!“ Karl Marx Die Redaktion, Winterthur 22. September 2007

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attackieren. Sie versuchen, wie sie es übrigens immer schon versucht haben, sämtliche Einsparungen auf ArbeiterInnen abzuwälzen, um ihre Profite wieder zu steigern. Keine Reallohnerhöhungen mehr, Überstunden, Entlassungen und Arbeitszeiterhöhungen sind nur einige Beispiele. Und genau in diesen Punkten ist ihnen der LMV im Wege. Dieser Vertrag schützt uns vor solchen Angriffen. Die Logische Konsequenz für die Baumeister: Sie kündigen den Vertrag in seiner Gesamtheit. Dieser Angriff auf uns ist aber nur einer von vielen: Vermehrte Sonntagsarbeit, Angriff auf die Invalidenversicherung, degressive Steuermodelle, Teilprivatisierungen des Gesundheitswesens, Bildungsabbau usw. Dies zeigt uns deutlich, dass wir zunehmend auf allen Ebenen, in allen Lebensbereichen, angegriffen werden. Wir schlagen zurück! Schon im Jahr 2002 haben sie versucht, uns das Rentenalter 60 zu vorzuenthalten. Messmer hat damals in letzter Sekunde das bereits beschlossene Rentenalter 60 verweigert. Die Gewerkschaft GBI hat sofort zum Streik ausgerufen und gemeinsam haben wir uns die Frühpensionierung erkämpft. Damals haben wir bewiesen, dass wir siegen können. Gemeinsam werden wir auch diesen Arbeitskampf führen und wir werden auch siegen. Es muss uns gelingen, entschlossene Streiks zu organisieren und dafür zu sorgen, dass auf den Schweizer Baustellen nichts mehr läuft. Wie schon erwähnt, geht es nicht mehr einfach nur um die Verteidigung des LMV. Nein! Es geht um die Frage, ob es zukünftig noch Kollektivverträge geben wird. Ob es noch Gewerkschaften geben wird. Ob wir überhabt noch in irgendeiner Form sozial abgesichert sein werden. Der LMV ist der mit Abstand grösste und wichtigste Gesamtarbeitsvertrag der Schweiz. Wenn wir diesen Arbeitskampf verlieren, werden die Wirtschaftsbosse sofort zu weiteren Offensiven ausholen, was alle Lohnabhängigen zu spüren bekommen werden. Machen wir der herrschenden Klasse klar, dass wir nicht nachgeben werden. Wir werden unseren LMV verteidigen. Was müssen wir tun Es müssen Betriebskomitees organisiert werden, um den Kampf zu koordinieren. Diese Komitees müssen das Rückgrad des ganzen Arbeitskampfs sein. Wenn die Baustellen dicht sind, organisieren die Komitees die Streikposten, um Streikbrecher davon abzuhalten, den Streik zu unterlaufen. Denn nicht die FunktionärInnen sondern die ArbeiterInnen müssen schlussendlich kämpfen. Wir müssen jederzeit wissen wie es um Verhandlungen steht und wer diese führt. Wenn wir merken, dass diese nicht in unserem Sinne geführt werden, sondern um einen scheinheiligen Kompromiss zu erreichen, dann müssen wir neue VerhandlungsführerInnen wählen und massiven Druck auf die Gewerkschaftsspitze ausüben. Denn wir sind die

Gewerkschaft. Es darf nicht sein, dass über unsere Köpfe hinweg entschieden wird. In diesem Arbeitskampf wird es nicht nur um die Verteidigung des LMV gehen. Nein! Wir verteidigen die Interessen aller Lohnabhängigen, die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse. Wir verteidigen die Errungenschaften der letzten 100 Jahre. Lassen wir uns nicht länger verarschen. Es ist an der Zeit, den Bonzen und Bossen zu zeigen, dass ohne uns nichts läuft. Wir zeigen ihnen, dass wir wieder bereit sind zu kämpfen, um unsere Interessen zu vertreten. In diesem Sinne:

Wenn unser starker Arm das will, steht die gesamte Produktion still! • • • • • • • •

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keinen faulen Kompromisse mit dem Baumeisterverband – Wir haben das letzte Wort! Sofortige und bedingungslose Rückkehr zum LMV 2006 und eine deutliche Lohnerhöhung, die uns in den letzten Jahren vorenthalten wurde. Für einen aktiven Streik des gesamten Gewerbes, bis die Unternehmer nachgeben. Darunter verstehen wir: Mobilisierungs- und Streikkomitees der Baubeschäftigten auf allen Baustellen, Gemeinden, Regionen führen den Streik mit Unterstützung der Unia. Die Angehörigen der Streikenden sollen aktiv beim Streik mitmachen können (Werbung machen, Versorgung sicherstellen,...) Solidaritätskomitees jetzt – an alle ArbeiterInnen überall, solidarisiert euch! Sammlung von Streikgeldern in Fabriken und Unternehmen, auf Plätzen und Einkaufscentern – uns darf der finanzielle Atem nicht ausgehen! Die Ergebnisse der Urabstimmungen sind verbindlich, kein Abschluss mit den Unternehmern ohne unsere Zustimmung – die Baumeister müssen wissen, dass sie mit uns allen rechnen müssen! Wenn die Unternehmer hart bleiben, weiten wir unseren Streik aus, wir blockieren Strassen und Grenzübergänge, wir versuchen den Streik auf andere Branchen auszuweiten Wir stärken unseren UnterhändlerInnen von der UNIA den Rücken indem wir mit dabei sind. Keine Geheimverhandlungen, das nützt nur den Unternehmern! Die Gewerkschaften in den Nachbarländern sollen aufgefordert werden, ihre MitgliederInnen zu informieren und so Streikbruch verhindern. Jonas Gerber, Kampagnenkoordinator FRETECO UNIA-Jugend SH/ZH

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Broschüre Nr. 1, Wie gewinnen wir einen Streik? Mit dieser Broschüre wollen wir einen Beitrag zur Diskussion leisten, wie ein Streik geführt werden muss. Die Hauptaussage dieser Broschüre ist: Ein Streik kann gewonnen werden, wenn er mit den richtigen Mitteln geführt wird. Der Verfasser dieser Broschüre, Harry DeBoer, war ein wichtiger Gewerkschaftsführer bei den harten Arbeitskämpfen in den USA der frühen 30er Jahren. Als leuchtendes Beispiel für einen erfolgreichen Arbeitskampf nimmt er den Transportstreik 1934 in Minneapolis, der bis heute ein perfektes Beispiel ist, wie man kämpfen muss. Die praktischen Fragen, die sich schon damals gestellt haben, stellen sich heute wieder. Diese Broschüre wird uns helfen, auch heute die richtigen Antworten zu geben. Broschüre Nr. 1, „Wie gewinnen wir einen Streik?“ Preis: 2 CHF, Soli-Preis: 4 CHF Zu bestellen unter: derfunke@gmx.ch

Aufstand der Vernunft Nr. 6, „Von Flammen und Dampfkesseln“ Im Oktober 1917 erschütterte die Russische Revolution die Welt. Aus unserer Sicht handelt es sich dabei um das bedeutendste Ereignis der Weltgeschichte, weil es damals in Russland erstmals gelang, den Kapitalismus zu stürzen und die Arbeiterinnenklasse daran ging, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen. Im Zentrum dieses Buches steht ein Beitrag des britischen Marxisten Alan Woods über die Rolle der Bolschewiki im Jahr 1917. Darin zeichnet er die gesellschaftlichen Dynamiken dieser Revolution nach und widerlegt die von bürgerlichen Historikern vielstrapazierte These, die Oktoberrevolution sei in Wirklichkeit ein Staatsstreich gewesen. Am historischen Beispiel stellt er die Ideen und Methoden der Bolschewiki dar und gibt somit eine Antwort auf die Frage nach den Aufgaben einer revolutionären Organisation.

Aufstand der Vernunft Nr. 6, „Von Flammen und Dampfkesseln“ Preis: 15 CHF, Soli-Preis: 20 CHF Zu bestellen unter: derfunke@gmx.ch

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Aufstand der Vernunft Nr. 7, „Sozialismus und Frauenbefreiung“

Im neuen Band unseres Theoriemagazins „Aufstand der Vernunft“ wollen wir eine marxistische Analyse zum Thema Frauenunterdrückung und Geschlechterverhältnisse liefern. Im Zuge der Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahre wurden eine Reihe von Frauenrechten erkämpft und wichtige Fortschritte bei der Bewusstmachung von Sexismus und Frauenunterdrückung gemacht. Von einer Gleichberechtigung der Geschlechter sind wir jedoch noch immer weit entfernt. Ganz zu schweigen von einer Emanzipation der Frau. Ganz im Gegenteil erleben wir vor dem Hintergrund der Krise des Kapitalismus eine konservative Gegenoffensive, die zur Festigung traditioneller Frauenbilder und vieler Unterdrückungsformen führt. Der Kampf gegen Frauenunterdrückung in all seinen Ausdrucksformen ist daher heute so relevant wie eh und je. Entgegen dem Vorwurf „geschlechtsblind“ gewesen zu sein, haben die marxistischen Klassiker sehr wohl einen wichtigen Beitrag zur theoretischen Klärung dieser Frage geliefert. Mit diesem Buch wollen wir eine Analyse der ökonomischen, sozialen, ideologischen oder sexuellen Unterdrückung der Frau darstellen. Anknüpfend an Marx, Engels, Bebel, Zetkin und Trotzki und unter Berücksichtigung der Geschichte der Frauenbewegungen sowie der zentralen Debatten im Feminismus geht es uns nicht zuletzt aber auch um die Ausarbeitung einer revolutionären Perspektive und eines Programms für den Kampf gegen Frauenunterdrückung und für Frauenbefreiung. Dieser Kampf ist untrennbar mit dem Kampf für die allgemeine Emanzipation der Menschheit, für eine Gesellschaft ohne jede Form von Ausbeutung und Unterdrückung verbunden. Oder wie Alexandra Kollontai schrieb: „Kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung! Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus!“

Aufstand der Vernunft Nr. 7, „Sozialismus und Frauenbefreiung“ Preis: 14 CHF, Soli-Preis: 18 CHF Zu bestellen unter: derfunke@gmx.ch


Parlamentswahlen 2007 Aus marxistischer Sicht liefern Wahlen in der bürgerlichen Demokratie eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen. Eine sozialistische Wahltaktik muss daher von der Frage ausgehen, wie die ArbeiterInnenklasse durch die Wahlen gestärkt werden kann. Die Wahlen 2007 sind durch den Wahlkampf der SVP gezeichnet. Mit rassistischer Propaganda, Verschwörungstheorien und täglicher Medienpräsenz versuchen sie WählerInnen auf ihre Seite zu ziehen. Alle anderen Parteien bringen es nicht zu Stande, den WählerInnen eine attraktive Alternative zu bieten. Dass die Politik immer mehr zu einem Affentheater verkommt, sind Anzeichen des gesellschaftlichen Zerfalls. Die WählerInnen stehen vor einer Parteienlandschaft, welche ihnen keinerlei Perspektiven bieten kann. Es ist offensichtlich, dass es in der Schweiz keine Parlamentspartei gibt, welche eine sozialistische Politik betreibt und sich als Führung des Proletariats versteht. Wir haben jedoch zwei Parlamentsparteien, welche ihren Ursprung in der ArbeiterInnenklasse haben, die PdA und die SPS, wobei die PdA in der Deutschschweiz sehr schwach vertreten ist. Die PdA, vormals KPS, ist aus der Spaltung der Sozialdemokratischen Partei entstanden und war eine Zeit lang verboten. Sie orientierte sich, zeit ihres Bestehens, am unmarxistischen und fehlgeleiteten Programm der StalinistInnen. Die Politik der SPS ist seit langem nicht mehr auf die lohnabhängige Klasse ausgerichtet und Sozialismus ist zu einer hohlen Phrase verkommen. Die reformistische und opportunistische Politik widerspiegelt sich bestens im diesjährigen Wahlprogramm der SP, welches jenem der CVP zum Verwechseln ähnlich sieht. In einer Zeit wie dieser, in der sich der Kapitalismus in einer tiefen Krise befindet, bringt es die SP nicht zu Stande, ein klares Programm zu bieten, welches auf den Interessen der ArbeiterInnenklasse aufbaut. Chantal Calladé beispielsweise wirbt auf ihrer Webseite für ihre Wahl in den Ständerat mit der härteren Bestrafung von kriminellen Jugendlichen. Ebenfalls unterstützt sie die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten an Bahnhöfen, was überhaupt nicht im Interesse die ArbeiterInnen liegt. Es ist offensichtlich, dass die Führung der Sozialdemokratie nicht imstande ist, die Massen unter einem klaren sozialistischen Programm zu vereinen und den ArbeiterInnen eine Perspektive zu geben. Es ist die Aufgabe der linken SozialdemokratInnen revolutionäre und reformistische Forderungen zu verbinden und im täglichen

Kampf um Reformen die revolutionären Ziele stets im Auge zu behalten. Oft werden bei den Wahlen die Grünen als Alternative zur SPS angesehen. Die Umwelts- und Menschenrechtspolitik ist zum Teil ziemlich fortschrittlich, täuscht jedoch darüber hinweg, dass es sich bei der Grünen Partei um eine bürgerliche Partei handelt, welche keine strukturellen Verbindungen zur ArbeiterInnenklasse hat. Es ist aus unserer Sicht deshalb keine Option, unsere Stimme den Grünen zu geben, da wir auf diese Weise die ArbeiterInnenklasse nicht stärken, sondern bürgerliche PolitikerInnen mit schlechtem Gewissen unterstützen. Die Basis der SPS besteht immer noch zu einem grossen Teil aus Lohnabhängigen. Deswegen empfehlen wir die SPS zu wählen, da durch eine Stärkung der SPS auch der Einfluss der Lohnabhängigen in der bürgerlichen Politik gestärkt wird. Obwohl die gewählten SPS ParlamentarierInnen reformistische Politik betreiben werden, sind sie doch noch dem Druck der Basis ausgesetzt und auf deren Gunst angewiesen. Speziell gilt das für die GewerkschafterInnen in der SPS, welche durch ihre Arbeit direkt mit den Arbeitenden verbunden sind. Sie sind dem Druck der Basis viel stärker ausgesetzt, da sie mit ihr regelmässig im Kontakt stehen. Durch eine starke SPS werden daher auch die Gewerkschaften gestärkt, was wiederum der ArbeiterInnenklasse nützt. Natürlich geben wir der SPS mit unserer Stimme keine bedingungslose Unterstützung, im Gegenteil, unsere Stimme beinhaltet die Forderung nach einem sozialistischen Programm. Eine wachsende SPS bietet uns nämlich die Möglichkeit innerhalb der Partei fortschrittliche Positionen einzunehmen, und so eine sozialistische Fraktion zu schaffen, welche sich auf eine breite Basis von ArbeiterInnen stützen kann. Das ist ein Weg, unseren Forderungen in der bürgerlichen Demokratie Ausdruck zu verleihen. Wie auch immer diese Wahl ausgeht, letztendlich können wir unsere Interessen nur durchsetzen, wenn wir uns organisieren und auf unsere eigene Stärke im Klassenkampf setzen. Florian Eschmann Forderungen: • Rücknahme aller Sparmassnahmen im Sozial-, Pensions-, Gesundheits- und Bildungssystem – Sozialausbau statt Sozialabbau! • Wiederverstaatlichung der Schlüsselbetriebe unter Kontrolle der Beschäftigten und KonsumentInnen, aber auch der Infrastruktur, sowie des Bildungs-, Sozial-, Gesundheits- und Kulturbereichs! • Holen wir uns das Geld für die Umsetzung unseres Programms für die Lohnabhängigen dort wo es auch ist – Gewinne und Geldvermögen besteuern! Keine Steuergeschenke für Konzerne und Reiche! • Für eine ArbeiterInnenregierung, also eine Regierung der Lohnabhängigen!

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New Generation – Gewerkschaft bekommt Nachwuchs „Jung, weiblich sucht: Mitglieder, zwecks Schaffung sozialer Gerechtigkeit“… lautet der Untertitel zur UNIA Vision 2016 im neuen Strategiepapier (Strategie UNIA 2012). Wie steht es bei der UNIA eigentlich mit dem Nachwuchs? Dieser Artikel gibt einen Überblick über die noch junge Geschichte der IG Jugend in der UNIA und über deren Aktivitäten. Zudem soll eine politische Perspektive skizziert werden. Was kann die Gewerkschaftsjugend dazu beitragen, damit die Gewerkschaften wieder zu einer mächtigen gesellschaftlichen Kraft werden können? „Die Jugend ist die Flamme der Revolution“, hat einer der bedeutensten Aktivisten der deutschen Arbeiterbewegung bereits 1917 treffend bemerkt (Karl Liebknecht). In der Gesellschaft nimmt die Jugend immer eine besondere Rolle ein, da sie die Kraft der Erneuerung verkörpert und für die Zukunft steht. In der gegenwärtigen Situation des gesellschaftlichen Zerfalls kommt ihr eine besondere Aufgabe zu. Durch ihre Energie, ihr Tatendrang und ihre unverbrauchte Art, ist sie bestimmt, die grossen Fragen des Lebens und der Gesellschaft immer von neuem zu stellen. Jugendliche suchen ihren Platz in der Gesellschaft und werden in Zeiten, in denen die gesellschaftlichen Widersprüche augenscheinlich an die Oberfläche treten, zu den energischsten und unerbitterlichsten KämpferInnen für eine bessere Welt. Die Krise des sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Überbaus der kapitalistischen Gesellschaft hat der Jugend in der Öffentlichkeit in der letzten Zeit meist negative Schlagzeilen beschert. In der medial hochstilisierten Diskussion über Jugendgewalt, -arbeitslosigkeit, -kriminalität, usw. werden die positiven Entwicklungen ausgeblendet oder vergessen. Die „Anti-Globalisierungsproteste“ oder die „Bewegung gegen den Krieg“ haben beispielhaft gezeigt, dass aus dem diffusen Gefühl heraus, dass „mit dieser Welt etwas nicht in Ordnung ist“, eine neue Generation von AktivistInnen entsteht. Eine Generation, die sehr wohl die Verantwortung über ihr Handeln und das Handeln der Menschheit übernehmen will und aktiv Lösungen sucht, wie aus der weltweiten Misere ausgebrochen werden kann. Geschichte der Unia Jugend Die Geschichte der Interessensgemeinschaft (IG) Jugend der Unia beginnt mit der Fusion der Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen (SMUV), der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI), der Gewerkschaft Verkauf Handel Transport Lebensmittel (VHTL), der Gewerkschaft der Serviceangestellten und der Anstellung eines gemeinsamen Jugendsekretärs 2004. Im Vorfeld des Unia Gründungskongresses wurde zu zwei Vorbereitungssitzungen aufgerufen, um Anträge zu

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formulieren und eine Intervention vorzubereiten. Am Gründungskongress Ende 2004, wo einige Anträge der Jugend durchgebracht wurden, hielt Stephan Bollinger (Sachbearbeiter SMUV, Mitglied und Kongressdelegierter VHTL-Jugend) eine Rede über die Anliegen der Jugend. Er wurde von allen Jugenddelegierten unterstützt, die hinter ihm auf der Bühne standen. Mit dieser symbolischen Aktion zeigte die Jugenddelegation der restlichen Unia, dass sie auf motivierte Jugendliche zählen kann.

Bald einmal wurde klar, dass die Jugendarbeitslosigkeit ein zentraler Punkt der IG Jugend ist. Sie wurde dann auch zum Schwerpunktsthema für die Jahre 2005/2006 bestimmt. Es wurden verschiedene Strassenaktionen durchgeführt, konkrete Hilfe bei der Lehrstellensuche angeboten und als Höhepunkt der Kampagne zu einer nationalen Demonstration gegen Jugendarbeitslosigkeit aufgerufen. Neben dem Schwerpunktsthema gab es von einzelnen Regionen diverse kleinere Aktionen und Initiativen. Beispielsweise wurde dem französischen Botschafter in Bern am europaweiten Aktionstag gegen den CPE (Ersteinstellungsvertrag) eine Protestresolution überreicht, in der man sich mit den Protesten der französischen Jugend und Gewerkschaften solidarisch erklärte. Wichtig zu erwähnen ist auch die Herausgabe einer eigenen Jugendzeitung, der koopera, die bereits dreimal erschienen ist, gratis abgegeben wird und das Sprachrohr der Unia Jugend verkörpert. Unia Jugend konkret In der Region Zürich hat die UNIA gegenwärtig 22'344 MitgliederInnen, wovon ein nicht allzukleiner Teil (13.8%) unter 25 Jahren alt ist und somit als jugendlich eingestuft wird. Dagegen steht eine ziemlich kleine Gruppe mit knapp 10 JugendaktivistInnen, die in der Region ZH/SH aktiv sind, sich mindestens einmal im Monat trifft und zusammen Aktionen plant, sich politisch bildet und politische wie auch kulturelle Anlässe organisiert. Solche Gruppen finden sich über die ganze Schweiz verteilt, wobei die Regionen Bern, Biel, Genf, Luzern, Neuchatel,


St. Gallen, Wallis und Zürich/Schaffhausen am Aktivsten sind. Meist werden die Gruppen von eine(r)m Funktionär(in) betreut, der einige, meistens zu wenige, Stellenprozente für Jugendarbeit zur Verfügung hat. Das wichtigste Organ der IG Jugend ist der jährliche Kongress, die politische Hauptstossrichtung bestimmt wird und die Wahlen für verschiedene Gremien durchgeführt werden. An jährlich ca. 4 Sitzungen, der Jugendkomission, treffen sich VertreterInnen der einzelnen Regionen national, um Imformationen auszutauschen, sich zu vernetzen, Arbeitsgruppen zu bilden und schweizweit die Arbeit zu koordinieren. Die Redaktion der koopera steht jede(r)m Aktivist(in)en offen und trifft sich mehr oder weniger regelmässig zu Sitzungen. Perspektive Zur Zeit zwei grosse Schwächen der Unia Jugend sind ihre relativ geringe Zahl AktivistInnen und der schwache politische und organisatorische Zusammenhalt auf nationaler Ebene. Gerade in einer Zeit, wo die politischen Zeichen äusserst günstig stehen für den Aufbau einer starken und kämpferischen Jugendbewegung und die ArbeiterInnenklasse auch in der westlichen Welt wieder anfängt die politische Bühne zu betreten, müssen wir unsere Chancen nutzen. Überall schreit die Linke geradezu nach einer Erneuerung, nach einer klaren inhaltlichen Positionierung und nach neuen Konzepten. Die UNIA Jugend soll der Ort sein, wo sich junge ArbeiterInnen, die genug haben von der Passivität gegenüber schlechter werdenden Lebens- und Arbeitsbedingungen, organisieren und bilden können. Die Gewerkschaft soll wieder zur Schule des Sozialismus werden, wie das Lenin am Anfang des letzten Jahrhunderts gefordert hat. In diesem Sinne muss die politische Bildung in der UNIA Jugend ein stärkeres Gewicht bekommen. Die Kenntnisse und Erfahrungen der Geschichte sind eine Waffe im Kampf für eine bessere Welt. Die Rückbesinnung auf die demokratischen Traditionen der ArbeiterInnenbewegung, wie jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von Delegierten/FunktionärInnen, eine Begrenzung des Lohns auf eine vernünftiges Niveau und der demokratische Zentralismus, sind Voraussetzungen für einen gesunden Apparat. Vielfalt in der Diskussion – Einheit in der Aktion muss zum bestimmenden Grundsatz der Organisierung werden. Die Gewerkschaftsjugend soll in den konkreten Kämpfen, wie z.B. im bevorstehenden Arbeitskampf auf dem Bau, die Spitze der Bewegung sein. Sie soll zeigen, dass sie durch ihren Enthusiasmus und ihre Kampfbereitschaft die anderen ArbeiterInnen mitreissen kann. Unsere politischen Positionen bestimmen wir unabhängig von der Meinung der Geschäftsleitung, solange dies der Unia als Ganzes nicht schadet. Der GL muss zudem klar gemacht werden, dass die Jugend auch finanziell ein Schwerpunkt der UNIA sein muss. Die Unia Jugend braucht ein sozialistisches Programm, dass das gemeinsame politische Fundament bildet, ohne jedoch die

Breite der verschiedenen politischen Ideen und Strömungen zu unterdrücken. Dieses Programm muss ein Gegensteuer zum sogenannten „linken Pragmatismus“ sein. Einem geheuchelten Pragmatismus, der nichts mit Vernunft oder Notwendigkeit zu tun hat, sondern eine Bankrotterklärung des Reformismus gegenüber dem Bürgertum darstellt. Als Jugendliche haben wir die Aufgabe, die verkalkten und selbstgefälligen BürokratInnen aufzuscheuchen und ehrlich die Interessen der ArbeiterInnen, der Jugend und aller Unterdrückten zu vertreten. In Zeiten in der die bürgerliche Gesellschaft offenkundig nicht mehr fähig ist, uns eine Perspektive zu bieten, sind wir wieder genötigt, dass einzig Vernünftige zu tun und unser Schicksal selber in die Hand zu nehmen. Eine Möglichkeit dies zu tun und aktiv für eine bessere Welt zu kämpfen, in der für das Wohl aller und nicht den Reichtum einiger weniger produziert wird, ist bei der UNIA Jugend aktiv zu werden. E-Mail: jugend-zhsh@unia.ch Daniel Flückiger UNIA Jugend SH/ZH

Kampagne An der diesjährigen Konferenz der Unia Jugend Schweiz wurde eine Resolution verabschiedet, die beinhaltet, dass die FRETECO und die Belegschaften der besetzten Betriebe in ihrem Kampf politisch und materiell unterstützt werden. Auch fordern wir darin von der Regierung Chavez die aktive Unterstützung dieser Bewegung und die Verstaatlichung aller besetzten Betriebe, und aller strategischen Industrien sowie des Banken- und Finanzwesens unter ArbeiterInnenkontrolle! Wir werden eine/n VertreterIn der FRETECO in die Schweiz einladen, um hier im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen, Betriebsbesuchen und bei Treffen mit hiesigen Gewerkschaften über den Kampf der besetzten Betriebe berichten zu können. Damit wollen wir einen Beitrag zur internationalen Vernetzung der ArbeiterInnenbewegung der Schweiz und Venezuelas leisten. Im Winter werden wir eine Veranstaltungstour durch verschiedene Schweizer Städte durchführen. Wenn Du dazu Fragen hast oder dabei aktiv werden willst melde dich bei uns!

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Übergangsforderungen: Ein Weg zur Revolution Der Kapitalismus in der Epoche seines Niedergangs ist gekennzeichnet durch einen tiefgehenden ökonomischen und sozialen Krisencharakter. Auf nationaler wie auf internationaler Ebene manifestiert sich diese Krise in einer Verschärfung von Klassenkämpfen. Angriffe der Bourgeoisie auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse gehören zur Tagesordnung. Der aktuelle, hochgejubelte Wirtschaftsboom ist genau betrachtet pure Heuchelei, weil er bloss auf einer erhöhten Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse basiert. Die Profitrate lässt sich nur noch kurzfristig und durch einen erhöhten Druck auf die Beschäftigten steigern. Lohndumping und die Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit sind Zeichen davon. Vorbei sind die goldenen Nachkriegsjahre! Auf politischer Ebene zeigt der permanente Abbau von sozialer Sicherheit und Bildung wie es um diesen sogenannten Wirtschaftsboom steht.

Global betrachtet sind Hunger, Wassermangel, Umweltzerstörung, und imperialistische Kriege Ausdruck dieses krisenhaften Niedergangs. Die Frage ist nicht ob, sondern wie lange sich ein solch überholtes und der menschlichen Entwicklung hinderliches System noch halten kann. Reformistische Utopie Im Gegensatz zum Reformismus der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsführung gehen MarxistInnen davon aus, dass die zentrale Aufgabe der ArbeiterInnenklasse im Sturz des Kapitalismus, in der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates und dem Aufbau einer Arbeiterdemokratie besteht. Diese historischen Aufgaben stellen die Frage der Macht ins Zentrum. Die sozialistische Revolution als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen Gesellschaft ist unmöglich ohne die Machtfrage zu stellen. Die Gewerkschaftsbürokratie ist dieser Blick abhanden gekommen. Die Gewerkschaft kämpft zwar für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne solange sie das kapitalistische System nicht gefährden. Solange diese Forderungen der allgemeinen Profitlogik nicht widersprechen. Sie kämpfen für Reformen in einem System welches mehr und mehr an seine Grenzen stösst. In Phasen relativen Wohlstandes wie beispielsweise zuletzt nach dem 2. Weltkrieg bis in die 70’Jahre, ist die Bourgeoisie durchaus bereit einzelne Gewerkschaftsforderungen zu erfüllen, solange sie ihre Macht nicht in Frage stellen. In Krisenzeiten werden solche erkämpften Zugeständnisse dann nach und nach wieder abgebaut. Übergangsforderungen Wir sehen die Masse der Lohnabhängigen und insbesondere die Jugend als revolutionären Motor. Als Sauerstoff jeder revolutionären Bewegung. Durch eine opportunistische und heuchlerische Haltung ihrer Führung scheint die heutige ArbeiterInnenklasse die revolutionäre Perspektive jedoch weitgehend verloren zu haben. Man kämpft vielleicht um eine Lohnerhöhung oder um mehr Ferien, doch Sozialismus ist bei den meisten zu einem Fremdwort verkommen. Hat die Klasse ihr revolutionäres Bewusstsein verloren? Wir meinen, es liegt an der Führung, der Masse ein solches Bewusstsein zu vermitteln, aufzuzeigen, dass eine sozialistische Perspektive heute mehr denn je ihre Berechtigung hat. Man muss die Masse darin stützen, eine Brücke zu finden zwischen ihren augenblicklichen Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und einer revolutionären Überwindung des bestehenden Systems. Wir sollten bei den Kämpfen um Tagesinteressen der ArbeiterInnenklasse ansetzen, denn sie sind ein Spiegel des Bewusstseins. Doch im Gegensatz zum Gewerkschaftsreformismus müssen wir diesen Kampf weiterführen, müssen weitergehende Perspektiven aufzeigen,

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welche die kapitalistische Produktionsweise grundsätzlich in Frage stellen. Das sozialdemokratische Minimalprogramm, welches sich auf Reformen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft beschränkt muss stets mit einer revolutionären Perspektive verbunden werden. Unsere Losung heisst nicht Reformen jetzt und Sozialismus vielleicht irgendwann, sondern Reformen sind unweigerlich verbunden mit einer klaren Perspektive hin zur Machtübernahme durch die Revolution. Unsere Forderungen bringen das kapitalistische System an seine strukturellen Grenzen, sie stellen im Grunde eine Vorwegnahme der sozialistischen Arbeitsweise dar. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Arbeitslosigkeit und Inflation sind notwendige Ergebnisse der kapitalistischen Produktion. Unsere sich daraus ergebende Forderung nach einer gleitenden Skala der der Löhne und der Arbeitszeit, mit dem Ziel der Vollbeschäftigung sind die notwendigen Antworten. Warum? Weil wir mit der Forderung einer gleitenden Skala erstens am Bedürfnis der gesamten ArbeiterInnenklasse ansetzen, nämlich die Trennung von Beschäftigung und Unterbeschäftigung aufzuheben. Und zweitens sagen wir damit der kapitalistischen Profitlogik den generellen Kampf an, denn Arbeit für alle ist auf Dauer nur möglich, wenn die Produktion der Gesellschaft nach einem einheitlichen gesellschaftlichen Plan organisiert wird, was der kapitalistischen Profitlogik natürlich zutiefst widerstrebt.

nehmen sie die Produktionsweise derselben in embryonaler Weise vorweg. Unter Vorwegnahme verstehen wir nicht eine sozialistische Insel innerhalb des bestehenden Systems sondern den Prozess des Kampfes um die politische Macht. Wir nehmen jedes Bedürfnis der Massen zum Ausgangspunkt des revolutionären Kampfes, oder etwas plakativ ausgedrückt, stellen wir permanent die Frage nach dem Boss in der Fabrik. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen wir Forderungen stellen, deren Erfüllung ein sofortiges, unaufschiebbares Bedürfnis der ArbeiterInnenklasse bildet. Diese konkreten Bedürfnisse stellen wir in ein System von Forderungen, die in ihrer Gesamtheit das kapitalistische System zersetzen. Andreas Gerber

Übergangsprogramm Die Gründung der Vierten Internationale im Jahr 1938 war die Antwort der MarxistInnen auf die Entartung der Kommunistischen Internationale unter dem Einfluss Stalins. Das Gründungsprogramm, besser bekannt als Übergangsprogramm, wurde von Leo Trotzki persönlich verfasst. Der politische Inhalt der Forderungen des Übergangsprogrammes, besteht in einem System von Losungen, das von den Kämpfen der ArbeiterInnen um ihre Tagesinteressen ausgehend, konsequent zum Kampf um die Macht führt.

Gleitende Lohnskala

Leo Trotzki 1936, Verfasser des Übergangsprogramm Unsere Forderungen formulieren einen bestimmten Kernpunkt der sozialistischen Gesellschaft, und in einem gewissen Sinn

Unter Gleitenden Lohnskala verstehen wir die vertraglich garantierte Anpassung der Löhne an die Teuerung. Der Lohn, mit einem garantierten Minimum, folgt der Bewegung der Preise. GAV’s müssen die automatische Erhöhung der Löhne gleichlaufend mit den Preissteigerungen der Verbrauchsgüter garantieren. Mit der gleitenden Skala der Arbeitszeit fordern wir das Recht auf Arbeit für alle. Auf dieser Basis muss die verfügbare Arbeit unter alle vorhandenen Arbeitskräften aufgeteilt und so die Dauer der Arbeitswoche bestimmt werden. Das Recht auf Arbeit ist das einzig ernsthafte Recht, das die ArbeiterInnen in einer auf Ausbeutung begründeten Gesellschaft besitzen. Die Gewerkschaften müssen diejenigen, die Arbeit haben, und diejenigen, die keine haben, durch die gegenseitige Verpflichtung zur Solidarität verbinden.

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Der Kapitalismus in der Krise Seit nun über 200 Jahren wird die Welt massgeblich vom Kapitalismus und seinen Folgen geprägt. Er hat dabei die entscheidende Rolle im Aufbau der Industrie und in der Entwicklung der Produktivkräfte gespielt. Doch wie sieht der Kapitalismus heute aus? Supermacht USA? Die Weltwirtschaft steuert auf die nächste Krise zu, was sich deutlich an den unruhigen Aktienmärkten zeigt. Es wird zwar versucht, diese als kleinere Erschütterungen abzutun. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich jedoch, dass die Gründe für diese Instabilität schon seit Jahrzehnten in der Weltwirtschaft vorhanden sind. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieben die USA als einzige Supermacht zurück. Alle grossen Wirtschaftsräume wurden endgültig von der Konjunktur der US-Wirtschaft abhängig. Die momentane Schwäche der USA trägt einen wichtigen Teil zur internationalen politischen und wirtschaftlichen Instabilität bei. Und China? Das zur Zeit alles bestimmende Verhältnis in der Weltwirtschaft ist das zwischen den USA und China. Die Wirtschaft Chinas ist mit durchschnittlich 10% Wachstum über das letzte Jahrzehnt der am schnellsten wachsende Wirtschaftsraum der Welt. Dieses Wachstum des Brutto Inland Produkts (BIP) beruht zu 40% auf dem Konsum der USA und Europas. Was im Moment für Chinas Wirtschaft noch aufgeht, kann für sie schnell zum Problem werden, denn die USA importieren mehr als sie exportieren. Wer mehr kauft als verkauft muss sich verschulden. Die chinesische sowie andere Zentralbanken legten über die vergangen Jahre eine grosse Menge der Dollars aus ihrer positiven Handelsbilanz mit den USA in Dollar-Notierte Wertpapiere an. Schwindet nun das Vertrauen in die US-Konjunktur, so verlieren die ausländischen Zentralbanken ihr Vertrauen in den Dollar im Allgemeinen und könnten versuchen, diese Wertpapiere abzustossen, was den Dollar noch stärker abwerten würde. Dies könnte das gesamte Finanzsystem extrem erschüttern. Die von China in die USA exportierten Güter würden für die AmerikanerInnen teurer werden und somit an Attraktivität verlieren. Dies könnte die Chinesischen Exporte und somit die Konjunktur empfindlich schwächen. Der amerikanische (Alp-)Traum Die Strategie der herrschenden Klasse war in den 1990er Jahren gewesen, das Vermögen der AmerikanerInnen anzuzapfen. Ein beispielloser Aktienhype erfasste grosse Teile der Bevölkerung. Das Internet würde alle Probleme lösen, Rezessionen würden der Vergangenheit angehören, hieß es.

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Die US-Haushalte fühlten sich subjektiv reicher und erhöhten seit Mitte der 1990er denjenigen Anteil ihres Einkommens, den sie für den Konsum ausgeben. Seit Ende der 1990er ist die Sparquote sogar negativ – Jahr für Jahr wird mehr Geld ausgegeben als die Haushalte verdienen. Die Börsenkurse stiegen stetig an, bis dann im Jahr 2000 die Internet Aktienblase platzte. Die Folge war, dass Millionen von KleinanlegerInnen ihre Aktien zum schlechtes möglichen Zeitpunkt verkauften, dies zugunsten der grossen AnlegerInnen. Eine Rezession schien unausweichlich, die privaten Haushalte würden ihre Ausgaben stark reduzieren müssen und die US-Wirtschaft würde die exportorientierten Staaten wie China mit nach unten ziehen. Die Direktinvestitionen in die Wirtschaft sanken tatsächlich, doch die Rezession wurde durch verschiedene Massnahmen abgefedert. Zum einen erhöhte die Bush-Regierung ihre Militärausgaben in ungeahntem Umfang und die USZentralbank senkte ihre Zinsen. Kredite für die Privatwirtschaft und für private Haushalte wurden so „billig“ wie noch nie. Dies führte zu einem künstlichen, ungesundem Wachstum, welches die Probleme nicht löste, sondern nur herauszögerte und sogar verstärkten. Die Investitionen in den Produktivitätssektor stiegen wegen den schlechten Profitaussichten nicht an. Das Geld floss in andere Richtungen, zum einen gingen Milliarden von Dollars in die „Private Equity Funds“, welche unprofitable Firmen aufkaufen, diese „sanieren“ (Stellenabbau, höhere Arbeitszeiten, etc.) und sie dann wieder abzustossen. Die Produktivität der Firmen wird dadurch nicht erhöht. Durch Erhöhung der Arbeitsintesität und Schliessung wird der schnelle Profit gesucht.


Auf der anderen Seite stieg der Konsum durch die Niedrigzinspolitik weiter an. Es wurden sogar an Personen, die keine Sicherheiten vorzuweisen hatten, Kredite vergeben. Die Vergabe von solchen Krediten wurde bewusst getan, um den überhöhten Konsum aufrechtzuerhalten. Viele nahmen auf ihre Häuser Hypotheken auf und finanzierten sich so weiterhin die über ihrem Verhältnis liegenden Ausgaben. Die Banken fühlten sich noch immer sicher, hatten sie doch noch die Häuser, welche sie verpfänden könnten. Doch mittlerweile ist der USImmobilienmarkt so gesättigt wie seit 15 Jahren nicht mehr, das Angebot an Häusern liegt deutlich über der Nachfrage. Doch die leichtsinnige Kreditvergabe hat ein Nachspiel wie sich im August 07 an den Börsen zeigte. Viele Kredite entpuppten sich als „faul“, also als solche, die nicht zurückbezahlt werden können. Viele Kreditunternehmen kündigten Probleme an, die Finanzmärkte wurden nervös und InvestorInnen wollen aus den betroffenen Märkten raus. Welche Institute in die Probleme am Kreditmarkt verwickelt sind wusste und weiss niemand so recht. Dies zeigte sich besonders deutlich am so genannten Interbanking Markt – jenem Markt, auf dem sich Banken gegenseitig Geld borgen. Nachdem Anfang August einige bedeutende Institute sowohl in den USA als auch in Europa mögliche Verluste durch Beteiligungen und Spekulationen am Subprime Markt, dem US-Hypothekenkreditmarkt für geringe/keine Kreditwürdigkeit, bekannt gaben, zuckten die Börsen erneut zusammen. Nun verschickten die Zentralbanken über den Interbanking Markt Milliarden von Dollar in die ganze Welt, um die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Solche Geldspritzen lösen jedoch die Probleme nicht, sondern schieben diese nur heraus und bereiten ein noch weit tiefere Krise vor. Erstaunlich ist, dass die Kursverluste von Anfang August nicht Reaktionen auf konkrete Verlustmeldungen, sondern nur die Nervosität und das Misstrauen der AnlegerInnen ausdrücken. Die Kreditinstitute beginnen zu reagieren. Mittlerweile werden beinahe keine Kredite mehr vergeben und erste Konsequenzen sind bereits sichtbar. Ende August meldeten die grossen USEinzelhandelsketten Gewinnrückgänge und ihre Aussichten für das zweite Halbjahr sind pessimistisch. In den letzten Jahren haben sich die Widersprüche der Weltwirtschaft angehäuft und treten nun in verschiedenen Formen an die Oberfläche. Die KapitalistInnen vernichteten diesen August an den Börsen Abermilliarden von Dollar, Euro und Yen. Ihre Strategie, die Konjunktur anzukurbeln indem sie „billige“ Kredite vergeben und die KreditnehmerInnen ihren verschwenderischen Konsumpegel aufrechterhalten, konnte auf lange Sicht nicht aufgehen. Platzt nun die Immobilienblase in den USA endgültig, kann dies eine tiefe Rezession in auslösen. Die Beteiligung Europäischer Banken an den

Kreditverflechtungen über den Interbanking Markt, kann auch die europäische Wirtschaft mit nach unten reissen. Die wechselseitige Abhängigkeit von China und den USA würde, bei dem sich nun abzeichnenden Sinken der Nachfrage in den USA an Konsumgütern, auch China mit seinem riesigen Industrieproletariat in eine Krise ziehen. China, das ohnehin unausweichlich auf eine kapitalistische Überproduktionskrise zusteuert. Der einzige Weg der den KapitalistInnen noch bleibt um ihre Profite zu steigern, ist die erhöhte Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse. Doch genau hier wird die herrschende Klasse ihr eigenes Grab schaufeln. Die Angriffe auf die ArbeiterInnen intensivierten sich in den letzten Jahren bereits. Angriffe von verschiedenen Unternehmerverbänden auf die Arbeitsbedingungen sind wieder an der Tagesordnung. Sie können keine Zugeständnisse mehr machen, sondern fordern nun solche von den Lohnabhängigen, zum Wohle der Konjunktur. Wir sollten das Aufrechterhalten eines Systems, welches sich verhält wie ein sterbendes Monstrum und den von den ArbeiterInnen geschaffenen Mehrwert im spekulativen Sumpf der Finanzmärkte verschlingt, nicht länger stützen und Zugeständnisse an die KapitalistInnen machen, sondern uns endlich von dem chaotischen Handeln der Bourgeoisie befreien. Brechen wir mit der Marktwirtschaft, nehmen wir uns den gesellschaftlichen Reichtum zurück, der bei einem planmässigen Einsatz das Elend, welches grosse Teile der Erde überzieht, beseitigen könnte. Magnus Meister

Immobilienblase Eine Immobilienblase ist eine Spekulationsblase wie sie auch im Börsen- und Rohstofmarkt zu finden ist. Getrieben von Berichten über raschen und mühelosen Reichtum springen immer mehr (auch unerfahrene) AnlegerInnen auf den fahrenden Zug auf, kaufen zu schon überhöhten Preisen und rechnen dennoch mit einer raschen Wertsteigerung ihrer Investition. Die Preise scheinen unbegrenzt weiter zu steigen, bis sich irgendwann die Erkenntnis des realen Wertes des jeweiligen Spekulationsobjektes durchsetzt und KäuferInnen zu höheren Preisen plötzlich ausbleiben. Es kommt zum „Crash“, die Werte verfallen in kurzer Zeit und die zahlreichen SpekulantInnen sehen sich mit dem rapiden Verlust ihrer Investitionen konfrontiert.

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Venezuela am Wendepunkt Fabrikbesetzungen und Arbeiterkontrolle Wir veröffentlichen eine Grundsatzerklärung unserer venezolanischen Schwesterströmung Corriente Marxista Revolucionaria. Die CMR fordert vom Gewerkschaftsdachverband UNT, dass er systematisch Fabrikbesetzungen und ArbeiterInnenkontrolle organisiert, um wirtschaftliche Sabotage und Aussperrungen zu verhindern. (Langfassung unter www.haendewegvonvenezuela.org) Die Nichtverlängerung der Konzession für den rechten Sender RCTV wird von der venezolanischen Oligarchie und dem Imperialismus verwendet, um eine putschistische Kampagne gegen den revolutionären Prozess zu starten. Sie machen nun das, was ihnen nach der Präsidentschaftswahl am 3. Dezember unmöglich war. Die venezolanischen und auch die internationalen Kapitalisten werden aufgrund der Entwicklung der Revolution und ihrer internationalen Ausstrahlung jetzt immer nervöser. Die Verstaatlichung des Telekommunikationsunternehmens CANTV, des Energiekonzerns Electricidad de Caracas und der Erdölfelder am Orinoco, die Vorstöße von Chávez zur Entwicklung sozialistischer Wirtschaftsbetriebe und der Schaffung der PSUV (Vereinigte Sozialistische Partei) sind Signale, die die Revolution voran und nach links treiben. Die Bourgeoisie bereitet sich auf neue Aussperrungen vor Die Erklärungen von José Luís Betancourt, Präsident des Unternehmerverbandes FEDECÁMARAS, der sich offen hinter Sabotageakte stellt, und die Stellungnahme der Bischofskonferenz bestätigen, dass die Bourgeoisie direkt hinter den Mobilisierungen steht. Sie benutzt die Studierendenkundgebungen und die konterrevolutionären Sabotageakte als Testballon, um zu sehen, wie weit sie in der aktuellen Situation gehen kann. Aktuelle Meldungen besagen, dass der Wirtschaftsverband CONSECOMERCIO zur Wirtschaftssabotage bereit sein könnte. Bereits am 29. Mai schlossen 29 Handelsunternehmen, Büros und Fabriken ihre Tore, um sich der konterevolutionären Sabotage anzuschließen. Darunter auch die Lebensmittelkette Polar. Dies geschieht zusätzlich zur „alltäglichen“ Wirtschaftssabotage. Wir dürfen nicht warten, bis diese Strategie an Boden gewinnt. Auch hier muss gelten: Angriff ist die beste Verteidigung. Wir müssen nun in unseren Arbeits- und Ausbildungsstätten sowie in den Stadtvierteln unverzüglich Versammlungen einberufen, in denen wir die aktuelle Situation diskutieren, unsere Unterstützung für die Vorgehensweise der Regierung im Fall RCTV zum Ausdruck bringen und Mobilisierungen gegen die faschistischen Banden starten, die das Land zu

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destabilisieren versuchen. Diese Versammlungen sollen sich auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene vernetzen und sich mit der Regierung zur gemeinsamen Verteidigung der Revolution zusammenschließen. Aktionsplan Die UNT soll gemeinsam mit der Frente Nacional Campesino „Ezequiel Zamora“ (FNCEZ, revolutionäre Bauernfront), der Frente Revolucionario de Trabajadores de Empresas en Cogestión y Ocupadas (FRETECO, revolutionäre Front der besetzten Betriebe und der Betriebe unter Mitverwaltung) und anderen revolutionären Organisationen sich an die Spitze dieses Kampfes gegen die neue putschistische Offensive stellen. In den Betrieben muss sofort zu Betriebsversammlungen aufgerufen werden, bei denen die Belegschaften ihre Zustimmung zur Entscheidung der Regierung erklären, RCTV die Lizenz zu entziehen. Dies muss auch durch Aktionen zum Ausdruck gebracht werden. Wo immer das Kräfteverhältnis dafür günstig ist, sollen Betriebe sofort von der Belegschaft besetzt werden, um so neuerlicher Wirtschaftssabotage durch die Unternehmer zuvorzukommen. Dieser Plan der vorbeugenden Fabrikbesetzungen muss in der Landwirtschaft beginnen. Zu vielen Anlässen hat die FNCEZ bereits betont, dass es eine andauernde Sabotage gibt, die darauf abzielt, die Massenbasis der Revolution auszuhöhlen. So konnten letztes Jahr 5.000 Hektar Zuckerrohr nicht geerntet werden, weil sich die Besitzer der Zuckermühlen weigerten, das Zuckerrohr zu verarbeiten – und dies obwohl am Markt Mangel herrscht. Dieses Jahr könnte es sogar die Ernte aus 15.000 Hektar betreffen. Arbeiterräte zur Verteidigung der Revolution In jedem besetzten Betrieb müssen wir zur Verteidigung der Revolution Arbeiterräte wählen. Die gewählten Delegierten müssen jederzeit wähl- und abwählbar sein. Dort, wo es nicht möglich ist, das Unternehmen zu besetzen und den Betrieb zu leiten, müssen die Arbeiterräte die Kontrolle der Produktion übernehmen. Diese Arbeiterräte erlauben es, in Zusammenarbeit mit den Consejos Comunales („Volksräte“) in jedem Stadtviertel der Konterrevolution massiv und organisiert entgegenzutreten und vereint und koordiniert auf nationaler Ebene alle Pläne der Konterrevolution zu vereiteln. Gleichzeitig aber – und das ist keine Nebensache – könnte dies der Embryo des neuen revolutionären Staates sein, den wir brauchen, um die Aufbauarbeit des Sozialismus zu beginnen: Einen Staat, der den aktuellen (bürgerlichen) ersetzen würde. Zusätzlich zu diesen Vorschlägen halten wir es für notwendig, Versammlungen der neu eingetretenen Parteimitglieder der PSUV zu organisieren und somit „sozialistische Bataillone“ zu bilden. Deren Aufgabe wäre es, gemeinsam mit anderen revolutionären Organisationen, Studierenden und klassenkämpferischen Gewerkschaften diesen Plan zur Verteidigung der Revolution umzusetzen. Dies wäre die beste Art, die neue Partei aufzubauen und zu stärken sowie kampferprobte, sozialistische Kader in ihr heranzubilden.


Eine Revolution erlaubt keine Halbheiten. In seiner Geschichte der Russischen Revolution betont Trotzki: „Die Mehrheit wird nicht gezählt, sondern erobert“. Diese Eroberung kann nur über tägliche Mobilisierungen auf der Straße, in den Stadtvierteln, Betrieben und Bildungszentren gelingen. Über solche Maßnahmen können wir zur Offensive übergehen und die Revolution zum Erfolg führen. Die Probleme, die den revolutionären Massen am meisten Sorgen bereiten, müssen unmittelbar und endgültig gelöst werden: Wohnungsnot, prekäre Beschäftigung, Schattenwirtschaft, Preissteigerungen u.a. Die venezolanische Revolution bewegt sich sehr spezifisch, sie bewegt sich sozusagen „im Zeitlupentempo“. Die Schwäche der Konterrevolution ist ihren zahlreichen Niederlagen geschuldet, aber auch der Tatsache, dass die Gewinne aus dem Erdölverkauf eingesetzt werden, um der Wirtschaftssabotage der Bürgerlichen rasch entgegenzuwirken. Dies gab der Idee Auftrieb, dass man nur sehr langsam und in vielen Schritten zum Sozialismus gelangen könnte. Die Politik übt Druck auf Unternehmer aus, droht mit Enteignungen und leitet partielle Maßnahmen gegen sie ein. Sie verstaatlicht einige Unternehmungen mit hohen Entschädigungssummen oder schafft halb-öffentliche, halb-private Gemeinschaftsbetriebe, ohne den privaten Sektor insgesamt anzugehen. Dahinter steht der Gedanke, dass man mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche zum Sozialismus kommen könne. Dies ist aber eine völlig falsche Idee. Alle Druckmittel in der Wirtschaft bringen keine Beruhigung der Situation, sondern führen nur weiter auf den Kriegspfad. Es gibt keinen bequemen „dritten Weg“. Wir müssen die Kapitalisten von den Schalthebeln der Macht entfernen und in der Wirtschaft damit anfangen. Die Armee, Volksbewaffnung und die Verteidigung der Revolution Die Vorstellung, dass die Armee unter Kontrolle sei und alle führenden Militärs auf der Seite des revolutionären Prozesses stünden, birgt ebenfalls eine Reihe von Gefahren für die Revolution. In allen Revolutionen – besonders wenn sich die Massenbewegung im Aufschwung befindet – haben wir bisher gesehen, dass die Mehrheit der Soldaten und auch wichtige Teile des Offiziersapparats der Bewegung mit großer Sympathie begegnen. Gleichzeitig gibt es aber andere Teile des Offiziersapparats, meistens ist dies die Mehrheit, welche die revolutionäre Massenbewegung und die Ideen des Sozialismus fürchten und kategorisch ablehnen. Diese Teile sind von einer klar reaktionären und anti-sozialistischen Ideologie geprägt und über unzählige Fäden mit der Bourgeoisie verbunden. Diese Teile der Armee bleiben solange im Verborgenen, solange die Revolution vorwärts marschiert. Erst wenn alles auf einen kritischen Punkt zusteuert, werden sie die Bühne betreten und ihr wahres Gesicht zeigen. Der chilenische General Pinochet war Generalstabschef unter Allende und gab sich öffentlich bis zum Tag vor dem Putsch 1973 als loyal gegenüber der Volksfrontregierung der Unidad Popular. Trotzdem nahm er

dann im entscheidenden Moment die Rolle des Schlächters der chilenischen Revolution ein. Auch im heutigen Venezuela verfügt der Imperialismus noch immer über eine Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Mechanismen, um diese Schichten auf seine Seite zu ziehen, damit diese die Interessen der herrschenden Klasse verteidigen. Um die Revolution militärisch gegen ihre äußeren und inneren Feinde verteidigen zu können, ist eine Demokratisierung der Armee nötig. Revolutionär gesinnte Soldaten und Offiziere müssen sich politisch organisieren und ideologisch schulen. Dadurch könnten sie auch die konterrevolutionären Kräfte in der Armee zurückdrängen. Andererseits ist eine allgemeine Volksbewaffnung notwendig. Dies muss in erster Linie über die Gründung von Arbeitermilizen in den Betrieben und auf dem Land geschehen. Aus unserer Sicht ist die von Präsident Chávez und anderen FührerInnen der bolivarischen Bewegung vertretene Ansicht, dass die Armee gegenüber dem Volk loyal sei, sich aus der Politik heraushalten solle und dass Offiziere nicht der PSUV beitreten sollten, eine Fehleinschätzung. Wenn die revolutionäre Bewegung nicht versucht, die Armee ideologisch mitzureißen und politisch zu organisieren, wird sich die Konterrevolution um diesen Bereich bemühen. Und in der Tat versucht sie dies, wo es ihr nur möglich ist. In der Armee gibt es bereits jetzt „schlafende“ konterrevolutionäre Zellen. Die aktuellen Bemühungen der CIA gehen nicht zuletzt in Richtung einer Stärkung dieser Kräfte. Perspektiven Die venezolanische Revolution kann nur dann erfolgreich weiter geführt werden, wenn die Schalthebel der Wirtschaft enteignet werden und der gegenwärtige bürgerliche Staat durch einen revolutionären Staat, ein System der sozialistischen Arbeiterdemokratie, ersetzt wird. Das würde die Basis für die sozialistische Umwälzung der Gesellschaft legen. Venezuela würde dann endgültig zum nachahmenswerten Vorbild für revolutionäre Kräfte in Lateinamerika werden und zum Bezugspunkt für die internationale Arbeiterbewegung. Erklärung der CMR

Aufstand der Vernunft Nr 5 Revolution in der Revolution Das Thema der ArbeiterInnenkontrolle und der ArbeiterInnenselbstverwaltung soll in diesem Band von einem marxistischen Standpunkt aus beleuchtet werden. Dabei gehen wir auf die konkrete Situation in Venezuela genauso ein wie auf die Erfahrungen in der frühen Sowjetunion oder in Jugoslawien nach 1945. Zu Bestellen für 14 CHF / 18 CHF unter: derfunke@gmx.ch

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„Wohlgefühl durch richtige Funktionen für ihr Leben im Alltag“

festgehalten bis er dann der Polizei übergeben wurde. Die erste von vielen folgenden politisch motivierten Entlassungen. Angesprochen von der Gewerkschaft meinte ein offizieller Vertreter der Fabrik Riekibier: „Der Generaldirektor von Rieker in der Schweiz hat uns angeordnet alle marxistischen Zellen in der Fabrik von Ksar Kebir auszurotten!“

Die erschreckende Wahrheit über die Produktion der patentierten Antistress Schuhe der Firma RIEKER Die Firma Rieker, mit Firmensitz in Reiden im Kanton Luzern, wirbt mit diesem Slogan. Hergestellt werden Lederschuhe für den gestressten Herrn und die gestresste Dame. Also eine Firma die nicht nur irgendein Schuh verkauft, sondern damit seinen Kunden auch etwas gutes tun will. Dazu hat sie auch eine spezielle Antistress Sohle patentieren lassen. Diese Firmenphilosophie bricht wie ein Kartenhaus ein, wenn man sich die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten dieses Schuhunternehmens ansieht. Wir begeben uns in den Norden von Marokko, in die Hundertausendeinwohner Stadt Ksar Kebir. Für Rieker produziert dort die Firma Riekebir die oben erwähnten Schuhe. Soweit nichts besonderes, doch auch das Folgende gehört zur kapitalistischen Produktionsweise. Um die Produktivität zu erhöhen wird in der marokkanischen Fabrik Methylen Chlorid in die Luft versprüht. Der gewünschte Effekt ist, die ArbeiterInnen in einen rauschähnlichen Zustand zu versetzen und sie so zu erhöhten Leistungen anzutreiben. Die Internetseite von “The Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR)“ ein Teil des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, weist darauf hin, dass diese chemische Substanz das zentrale Nervensystem angreifen kann. Diese Substanz ist eine Chemikalie, der die ArbeitnehmerInnen ausgesetzt sind. Sie bezeichnen ihren Arbeitsplatz als chemische Hölle. Sicherheitsvorkehrungen sind keine vorhanden. Der Grossteil der Beschäftigten leidet an einer oder gleich mehreren Krankheiten, die dem ungeschützten Umgang mit chemischen Substanzen zugeschrieben werden können. Die Vereinigung der Opfer der chemischen Substanzen wollten eine Kommission die Zustände in der Fabrik untersuchen lassen. Das Management verhinderte den Zugang. Um sich ihr Recht auf einen menschenwürdigen Arbeitsplatz zu erkämpfen bauten die ArbeitnehmerInnen eine Gewerkschaft im Betrieb auf. Trotz zunehmender Drohungen gelang es der Belegschaft die Fédération Démocratique de Travail in ihrem Betrieb zu verankern. Dies hatte weitere Aggressionen der Geschäftsleitung auf die ArbeitnehmerInnen zur Folge. Die Palette der Schikanen reichte von einem Verbot in den Pausen zu beten bis hin zu sexuellen Übergriffe auf die weibliche Belegschaft. Auch offizielle Krankschreibungen von Ärzten wurden nicht akzeptiert. Besonders die InitiatorInnen der Gewerkschaft wurden von der Geschäftsleitung gedemütigt und zu noch gefährlicheren Arbeiten gezwungen. Einer von Ihnen, Derkaoui Mohamed, wurde stundenlang im Büro

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Wir fordern: • • • • •

Wiedereinstellung aller Beschäftigten, die wegen Ihrer Gewerkschaftsaktivitäten entlassen wurden Annerkennung der gegründeten Gewerkschaft Sofortige Einstellung der Anreicherung mit Methylen Chlorid Löhne die zum Leben reichen Arbeiten mit gefährlichen Chemikalien nur mit entsprechendem Schutz Lukas Tomaselli

Dieses Bild stammt aus der Fabrik Riekebir.

Symptomatik von N-PENTAN: Der Stoff kann inhalativ oder oral aufgenommen werden. Bereits bei einer Temperatur von 20°C kommt es sehr schnell zu einer toxischen Kontamination der Luft. Die Haut wird durch den Stoff ausgetrocknet. Nach einer inhalativen oder oralen Aufnahme zeigt der Patient Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, Schläfrigkeit und Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit. Bei einer oralen Aufnahme besteht die Gefahr der Aspiration (Einatmung) mit einer folgenden Aspirationspneumonie (Lungenentzündung). Bereits nach einer kurzen Einwirkung kann es zu Schädigungen des zentralen Nervensystems kommen. Ein wiederholter oder länger andauernder Kontakt kann eine Dermatitis auslösen.


Die Schweizer ArbeiterInnenbewegung In der letzten Ausgabe haben wir uns mit der Entstehung und Radikalisierung der Schweizer ArbeiterInnenbewegung befasst. Nun fahren wir mit dem Burgfrieden über den Landesgeneralstreik bis hin zur Spaltung der Sozialdemokratie fort. Der erste Teil kann auf unserer Homepage nachgelesen werden. Vom Burgfrieden zum Landesgeneralstreik (1914-1918) Nach einer kurzen Krise der Schweizer Wirtschaft zu Beginn des 1. Weltkriegs erlebten einige Wirtschaftszweige einen enormen Aufschwung. Die boomende Wirtschaft brachte den Kapitalisten grosse Gewinne ein, während die Reallöhne der ArbeiterInnen um 25-30% schrumpften. Alles, was die letzte Jahren hart und zum Teil blutig erkämpft worden war, schien man nun innerhalb von kurzer Zeit zu verlieren. Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges stellte die ArbeiterInnenklasse und ihre politischen Parteien ihre Klasseninteressen mehrheitlich zugunsten der „Solidarität des Volksganzen“(Robert Grimm) zurück, und dies, obwohl auch die SPS sich in der II Internationalen zum „Programm gegen den Krieg“ bekannt hatte. Mit der Begründung, man wolle den Krieg von der Schweiz fernhalten, stimmte die SPS-Fraktion des Nationalrates der militärischen Landesverteidigung und den weit reichenden Vollmachten für den Bundesrat zu. Doch der Bourgeoisie war das „Volksganze“ egal. Während man an die ArbeiterInnen appellierte, die Klasseninteressen zurückzustellen, verfolgte die herrschende Klasse ihre eigenen Ziele. Der Bundesrat setzte sogar Teile des 1877 erkämpften Fabrikgesetzes, dessen wichtigste Errungenschaft der 12Stundentag war, kurzerhand ausser Kraft. Durch diese Einschränkungen und der miserablen materiellen Lage begannen die ArbeiterInnen sich zu radikalisieren. Ein anfänglich religiössozialer Pazifismus schlug um in einen militanten Antimilitarismus. Auf dem Parteitag 1917 beschloss die SPS erneut die Ablehnung der Landesverteidigung, womit die ArbeiterInnenklasse ihren neu erwachten Widerstand gegen den bürgerlichen Staat unterstrich. Als der Bundesrat 1918 versuchte, eine obligatorische Hilfsund Zivildienstpflicht einzuführen, um die männliche Bevölkerung der Befehlsgewalt der Armee zu unterstellen, begriffen die ArbeiterInnen, dass die Zeit gekommen war sich geschlossen zum Widerstand zu formieren. Das Oltener Aktionskomitee (OAK) wurde gegründet. Das Aktionskomitee war die Vereinigung der gewerkschaftlichen und politischen Bewegungen der ArbeiterInnenklasse, also die Zusammenfassung des Klassenkampfes unter einer einheitlichen Führung.

Für die ArbeiterInnen völlig überraschend erliess der Bundesrat am 5. November 1918 ein Truppenaufgebot. Die Reaktion des OAK war die Ausrufung eines 24- stündigen Proteststreiks. Dieser fand am 9. November statt. Die Zürcher ArbeiterInnen wollten aber einen totalen Streik auf unbeschränkte Zeit. An den zwei darauf folgenden Tagen gab es in Zürich einen Generalstreik. Diese Massenaktion übte starken Druck auf das OAK aus, und so wurde beschlossen am 11. November um Mitternacht den Landesgeneralstreik auszurufen. Es zeigte sich jedoch bald, dass die Front der Streikenden nicht geschlossen war. Bereits am 13. November fühlte sich der Bundesrat wieder der Herr der Lage und stellte dem Oltener Aktionskomitee ein Ultimatum auf bedingungslosen Streikabbruch. Unter diesem Druck gaben die ArbeiterführerInnen schliesslich nach und beschlossen, den Streik zu beenden. Das OAK rechtfertigte sich damit, dass eine Fortsetzung des Streiks zum Bürgerkrieg geführt hätte.

Die Generalstreikforderungen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

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Sofortige Neuwahl des Nationalrates auf Grundlage des Proporzes. Aktives und passives Frauenwahlrecht. Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht Einführung der 48-Stundesnwoche in allen öffentlichen und privaten Unternehmungen Reorganisation der Armee im Sinne eines Volksheeres Sicherung der Lebensmittelversorgung im Einvernehmen mit den landwirtschaftlichen Produzenten Alters- und Invalidenversicherung Staatsmonopole für Import und Export. Tilgung aller Staatsschulden durch die Besitzenden

Die Spaltung der ArbeiterInnenbewegung (1919-1929) Das Ende des Krieges brachte nach kurzer Zeit eine nie da gewesene Krise und Arbeitslosigkeit. Erst 1924 verbesserte sich die Wirtschaftslage in Europa unter dem Einfluss eines massiven Zustroms von US-Kapital. Die Arbeitslosigkeit ging in dieser Phase des Aufschwungs zwar stark zurück, verschwand aber nie vollständig. Auch die Löhne stiegen nur langsam, bei einem unverhältnismässig hohen Anstieg der Profite. In der Schweiz dauerte die Periode verschärfter Klassenkämpfe noch über den Generalstreik hinaus an, flaute dann aber Ende 1920 allmählich ab. Auf dem Parteitag 1919 stellte sich die Frage, ob die SPS der Komintern (Kommunistische Internationale) beitreten sollte. Nach heftigsten Diskussionen und einer Urabstimmung kam es zu einer Ablehnung des Beitritts. Worauf der linke Flügel den Parteitag verliess und 1921 die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) gründete.

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Die von der Komintern empfohlene Taktik der Fraktions- und Zellenbildung, die die MarxistInnen dazu aufrief sich in Betrieben und innerhalb der Gewerkschaften als Block zu organisieren, wurde zum Anlass für ein hartes Durchgreifen der Gewerkschaftsführung gegen die KommunistInnen. Viele wurden ausgeschlossen oder es wurden kurzerhand ganze Sektionen aufgelöst. Die Gewerkschaften erwiesen sich seit 1924 als eine Art neuer Ordnungsfaktor. Sie versuchten, das Streikrisiko möglichst klein zu halten und spontane Aktionen der ArbeiterInnenschaft einzudämmen. Diese Wandlung der Gewerkschaften, die schliesslich im institutionalisierten Arbeitsfrieden (z.B. Friedensabkommen von 1937) ihren Ausdruck fand, wurde auch sichtbar, als der Gewerkschaftskongress von 1927 den Teil der Statuten strich, der bestimmte, „die schweizerische Gewerkschaftsbewegung steht auf dem Boden des Klassenkampfs“. Zugleich wurde der Angriff gegen die verbliebenen Zellen und Fraktionen der KommunistInnen erneuert.

In den folgenden 2 Ausgaben werden wir mit der Aufarbeitung der Geschichte der Schweizer ArbeiterInnenbewegung fortfahren: Teil 3: Die ArbeiterInnenbewegung in der Defensive (1929-1943) Die ArbeiterInnenbewegung nach dem zweiten Weltkrieg (1944-1973) Teil 4

Neoliberalismus und Globalisierung (1974-1999) Analyse der heutigen Klassenverhältnisse

Die Spaltung der ArbeiterInnenklasse war zweifelsohne eine Schwächung, doch sie war vorherzusehen und wie es scheint nicht zu vermeiden. Die Niederlage beim Generalstreik 1918 riss tiefe Wunden, was zu einem offenen Konflikt innerhalb der SPS ausartete. Zwar war nicht der Landesgeneralstreik der entscheidende Auslöser, aber sicherlich ein beschleunigender Faktor. Die KPS verfolgte jedoch bald einen sektiererischen Kurs, den wir klar ablehnen, während die SPS sich wieder einmal fast ausschliesslich auf parlamentarische Arbeit konzentrierte. Das sektiererische Verhalten der KPS führte zu einer Isolation, welche die revolutionären Kräfte unter jeder Bedingung vermeiden müssen. Aus dem Verhalten der KPS und natürlich auch anderen stalinistischen oder maoistischen Parteien lehrt uns die Geschichte, dass uns die Entfremdung durch isolationistische Politik nichts bringt. Stattdessen muss man mit und nicht gegen die ArbeiterInnen arbeiten. Man muss sein Programm überall einbringen und verteidigen und nicht einfach das Absolute fordern. Jonas Gerber, Kampagnenkoordinator FRETECO UNIA-Jugend SH/ZH

Veranstaltungen: 90 Jahre Russische Revolution Im Oktober 1917 erschütterte die Russische Revolution die Welt. Erstmals gelang es den Kapitalismus zu stürzen. Es war der erste wirkliche Versuch eine neue Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen. Wir versuchen die gesellschaftliche Dynamiken dieser Revolution nachzuzeichnen und widerlegen die von bürgerlichen „Theoretikern“ vielstrapazierte These, die Oktoberrevolution sei in Wirklichkeit ein Staatsstreich gewesen.

Frauenfeld: Winterthur:

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Donnerstag Mittwoch

11.10.2007 17.10.2007

20 Uhr 20 Uhr

Im Kaff Nord-Südhaus

Zürcherstrasse 185 Steinbergstrasse 18


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