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Bier handgemacht. decker craftbier
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decker. genießen.
„Wir glauben nicht an das Prinzip des unendlichen Wachstums.“ Ein Gespräch über Geiz, Heimat und die Demokratisierung des Bieres.
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RAFAEL MUTTER
von benjamin wissing
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Die Craft Bier-Welle rollt. Pale Ales und India Pale Ales sind der Hit unter den Biersorten. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Warum auf exotische Sorten bauen, wenn man aus einer Region kommt, in der seit Jahrhunderten Bier gebraut wird? Genau das dachten sich auch die drei Freiburger David Schneider, Daniel Johari und Markus Gut und gründeten das Unternehmen Decker. Seitdem verkaufen und vermarkten die drei regionales Bier aus Mikrobrauereien. Beim Besuch Ihrer Internetseite springen einem sofort sechs Aussagen ins Auge: „Immer fairer bleiben; Home sweet home; Geiz macht dich nicht geiler; Gut bleibt besser; Teilen macht uns frei; Lieber David als Goliath.“ Welche Gedankengänge stecken hinter diesen Statements? Warum immer fairer bleiben? Warum diese Steigerung des Adjektivs? johari: Wir wollen, aus unternehmensphilosophischer Sicht, mit unseren Partnern auf Augenhöhe arbeiten. Wir wollen unsere Partner unterstützen und nicht nur uns, sondern auch sie voranbringen. Wir sind nicht in erster Linie profitorientiert, sondern haben ein Interesse daran, dass Unternehmen, die kulinarisch und Kultur stiftend sind, eine Chance bekommen zu wachsen. Zum Beispiel haben wir von uns aus vor etwa einem Jahr den Einkaufpreis angehoben. Anfangs haben uns einige Brauer das Bier günstiger überlassen. Irgendwann haben wir aber gesagt, dass wir ihnen einen höheren Preis zahlen, damit sie unsere Kooperation nicht nur als Nebengeschäft sehen, sondern auch das Wachstumspotenzial erkennen. Dieses „fairer“ heißt für uns also, dass wir nachjustieren und auf einen Umgang setzen, der alle zufrieden stellt.
gut: Man kann sagen: Wir sind sie. Wenn es denen nicht gut geht, geht es auch uns nicht gut und umgekehrt. Wie kommt es, dass das Brauen bei Ihnen auf so viele verschiedene Brauereien aufgeteilt ist? Ist das zwangsweise oder steckt eine dezidierte Idee dahinter? johari: Uns geht es eigentlich darum, ein Vermarktungskonzept zu entwickeln, das einen Fingerabdruck der Bierkultur in der Region erfasst. Wir wollen viele kleine Brauereien andocken, weil nur die das Bier in ihrem speziellen Charakter machen können. Für uns hat es keinen Sinn gemacht wie ein Händler aufzutreten, Bier einzukaufen und einfach wieder zu verkaufen. Uns geht es darum, dass regionale Biere, die ihren kulturellen Ursprung hier in der Region haben, wieder von jungen Menschen getrunken werden. Wir finden es schade, dass es einerseits einen solchen Hype um Craft Bier gibt, andererseits aber total vergessen wird, dass wunderbare regionale Biersorten existieren und schon immer existiert haben. Das leitet auch schon zum nächsten Statement über: Home sweet home. Was verstehen Sie darunter? Was bedeutet der Begriff Zuhause für Sie? johari: Ich war eigentlich nie sehr lange von hier weg. Ich habe ein paar Monate in London gelebt, aber im Gegensatz zu anderen bin ich fast immer hier gewesen. Ich bin in Freiburg geboren und ein richtiges Bobbele. schneider: Markus kommt aus dem Kaiserstuhl und ich bin zum Studium hergekommen und habe ein Zuhause gefunden. Es ist eigentlich auch ein ganz persönliches Statement, ein bisschen eine Liebeserklärung, sozusagen eine Ode an die Heimat. baden. zwölf.
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„Wenn man ehrlich ist, hatten wir bezüglich Bier relativ wenig Ahnung. Obergärig, untergärig, diese Begriffe mussten wir nochmal schnell bei Wikipedia nachschauen.“
Entwickeln Sie die Biere gemeinsam mit den Brauern? gut: Man muss sich das so vorstellen. In jeder Brauerei, wenn wir jetzt die Brauer der Ein-Liter-Biere nehmen, gibt es maximal drei verschiedene Biersorten. Die wollen und können auch teilweise einfach nicht mehr Sorten brauen. Für uns wiederum ist eine gewisse Vielfalt wichtig. Fast alle Biere, die wir verkaufen, gab es vorher schon, sie waren aber nur bei den Brauereien direkt erhältlich und sind sozusagen nicht über die Ortsgrenze hinaus gekommen. Wirklich mitentwickelt haben wir diese Biere gar nicht. Das ging erst im zweiten Schritt los, als wir uns dazu entschieden haben, ein kleines handliches Bier zu machen. Wir haben uns dann mit den Brauern hingesetzt und das zusammen entwickelt, verschiedene Varianten probiert, verschiedene Mengenverhältnisse der einzelnen Bestandteile und haben uns so an die Sache herangetastet, bis beide Parteien mit dem Ergebnis zufrieden waren. johari: Wenn man ehrlich ist, hatten wir bezüglich Bier relativ wenig Ahnung. Obergärig, untergärig, diese Begriffe mussten wir nochmal schnell bei Wikipedia nachschauen. Uns ging es eigentlich darum, dass uns das Bier nicht mehr geschmeckt hat. Gut: Wir haben es auch schlicht nicht fassen können, dass dieses Produkt Bier, das eine so lange Tradition hat, unserer Generation plötzlich nicht mehr schmeckt. Durch Probieren haben wir relativ schnell gemerkt, dass Bier eben nicht gleich Bier ist, dass es nicht nur industrielle Massenware gibt, sondern wunderbare regionale Biersorten. Eine weitere Aussage Ihres Unternehmens ist: Geiz macht dich nicht geiler. Warum ist eine derartige Mentalität Ihrer Meinung nach abzulehnen? gut: Wenn der Kleinkonsument nicht bereit dazu ist, den 44
tatsächlichen Preis zu bezahlen, sondern nur einen Preis minus 20 Prozent, dann muss eine Brauerei reagieren und muss das Produkt zu diesem Preis produzieren und das wiederum führt zu Qualitätseinbußen. johari: Es ist ja auch ein gesellschaftliches Statement. Diesen Werbeslogan „Geiz macht geil“ fand ich unfassbar zynisch. Dass es plötzlich eine Tugend sein soll, wenn man geizig ist. So wie dieser Satz gemeint ist, bedeutet er eigentlich: Du trägst deinen (finanziellen) Vorteil auf dem Rücken anderer aus. gut: Geiz ist einfach nicht gut für eine Gesellschaft. Wenn Leute geizig sind, ist das etwas Schlechtes für den Zusammenhalt und die Weiterentwicklung. Das sollte man nicht nur isoliert zwischenmenschlich betrachten, sondern auch unternehmerisch. Was meinen Sie mit dem Statement: Gut bleibt besser? johari: Das heißt für uns, dass wir stetig daran arbeiten, gute Produkte zu machen, und dass für uns der Begriff Qualität einen sehr hohen Stellenwert hat. Es ist immer besser, etwas gut zu machen. schneider: Wir werden oft gefragt: Warum macht ihr kein alkoholfreies Bier? Dazu würde ich persönlich sagen, dass das einfach kein gutes Produkt ist und nichts mit Bier zu tun hat. Deswegen haben wir hier im Laden eine Hopfenlimo. Das finden wir ehrlicher als ein alkoholfreies Bier, das chemisch und physikalisch so verändert wurde, dass es mit Bier nicht mehr viel zu tun hat. Warum denken Sie, dass Teilen uns frei oder zumindest freier macht? schneider: Es gibt ja das Sprichwort „Teilen macht glücklich“. Als wir die ersten Biere in die Bars gebracht haben, in der Ein-Liter-Flasche, waren wir uns nicht sicher, ob das
RAFAEL MUTTER
daniel johari
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„Ganz konkret planen wir 2018 eine eigene Produktion in Form einer auf besondere Biere spezialisierten Brauerei aufzubauen. Nicht nur um selbst zu brauen, sondern auch um anderen die Möglichkeit dazu zu geben.“ daniel johari
Konzept tatsächlich funktioniert. Was wir aber gemerkt Wir glauben nicht an das Prinzip des unendlichen Wachshaben, ist, dass sich die Leute eine Flasche gekauft, drei Gläser hingestellt und zusammen Bier getrunken haben. gut: Das war ja auch der Gedanke dahinter. Endlich mal Bier zusammen aus einer großen Flasche trinken und darüber reden. johari: Die Idee ist vor dem Hintergrund der Sharing-Economy entstanden. Prinzipiell ist das eine fantastische Idee, dass man versucht, diese wirtschaftlichen Ballungszentren aufzubrechen. Auch weil wir der Überzeugung sind, dass es einer Gesellschaft nicht gut tut, wenn wirtschaftliche Macht so geballt ist. gut: Dieses Unternehmen ist ein Netzwerk. Die Arbeit, die in diesem Netzwerk anfällt, wird aufgeteilt und jeder sucht sich seinen Teil heraus. Es entsteht eine Arbeitsteilung, was wiederum mich persönlich freier macht, da ich Dinge in diesem Netzwerk tun kann, auf die ich einerseits Lust habe, die andererseits das Netzwerk aber auch weiter bringen. Die Motivation ist einfach um ein Vielfaches höher, wenn man nach seinen Ideen, Interessen und Fähigkeiten gehen kann und sich die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt. Weshalb sehen Sie Ihr Unternehmen lieber als David denn als Goliath? Ist Wachstum nicht essentiell für eine erfolgreiche wirtschaftliche Weiterentwicklung? schneider: Wachstum geht nicht über alles. In unserer jetzigen Situation wachsen wir zwar extrem schnell, das haben wir aber so geplant und skaliert. Als wir noch nicht bereit waren, haben wir Wachstum auch aktiv ausgebremst. Wir fangen keine Projekte an, die am Ende ein Stolperstein für uns sind. Wir wägen Neues immer sehr genau und umfassend ab und berücksichtigen auch private Faktoren. johari: Also lieber klein und smart als groß und behäbig.
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tums. Gibt es weitere Ideen und Projekte, die noch auf Umsetzung warten? schneider: Generell gesehen wollen wir unser Netzwerk vergrößern und immer mehr Leute mit an Bord haben. Ein zweiter Punkt ist sozusagen eine Demokratisierung des Bieres. johari: Ganz konkret planen wir 2018 eine eigene Produktion in Form einer auf besondere Biere spezialisierten Brauerei aufzubauen. Nicht nur um selbst zu brauen, sondern auch um anderen die Möglichkeit dazu zu geben. schneider: Es soll eben keine Decker-Brauerei, sondern eine Community-Brauerei werden. In der gesamten Hobby- und Homebrew-Szene steckt ein sehr großes Potential an Ideen und Originalität. Leider bekommen die wenigsten davon die Möglichkeit, mit ihren Bieren in die Öffentlichkeit zu treten und genau das ist unser Ansatzpunkt mit dieser Community-Brauerei. Die Leute können hier ihr Bier unter professionellen Bedingungen brauen und wenn sie Lust dazu haben, vermarkten wir es noch für sie. Die Folge wäre eine enorme Vergrößerung der geschmacklichen Vielfalt von Bier.
finden.
Decker Garage
Haslacherstraße 25 79115 Freiburg
Tel. 0761/15286345 deckerbier.de
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