DIE PFORTE Nr. 71/2018

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gewährleistet werden, dass die Schule selbst ihre Lehrer wählen könne. Um die Frage der Freiheit drehte sich auch eine längere Diskussion des Punktes 2, die evangelische Grundhaltung, der schließlich bejaht wurde. Sowohl der Spruch auf dem Grundstein (Ubi spiritus domini ibi libertas | Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit), der sich mittlerweile in Schulpforte befindet, als auch die Adresse (Auf der Freiheit) legen von diesem hohen Ideal der Freiheit, unter deren Vorzeichen nicht nur die Schulgründung, sondern dann auch das Leben der Schule selbst stand, Zeugnis ab. Das scheint gerade insofern bemerkenswert, als in einem Internat ja naturgemäß die persönliche Freiheit stark beschränkt wird. Dieser Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer. Christian Hartlich beschrieb 1967 in einem Vortrag vor dem Meinerzhagener Rotary Club das geplante Internat als ein »sich selbst verwaltendes Gemeinwesen«, das »in der Form einer res publica junge Menschen zu politischer und sozialer Verantwortung führen« solle, wozu sie »soweit als irgend vertretbar an der Formung und Ordnung des gemeinschaftlichen Lebens verantwortlich beteiligt werden« sollten. Diese Gemeinschaftsform hatte ihr Urbild in der Ordensgemeinschaft: »Das Individuelle, Persönliche, Private wird bei all dem keineswegs ausgelöscht, sondern ständig gefordert,

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durchpulst und überstrahlt von dem ›Ganzen‹, dem Verpflichtenden des Gemeinwesens«. Eines der ganz wesentlichen Prinzipien stellte dann auch die erzieherfreie Internatserziehung dar. Die Lehrer waren von Anfang an im Internat als Hebdomadare und Tutoren tätig. Als Hebdomadare hatten sie ca. 4 Mal im Schuljahr Dienst im Internat zu tun, wozu sie für je eine Woche in das Internat zogen. Da damit eine einzige erwachsene Person für 150 bis 180 Schüler verantwortlich war, war diese auf Gedeih und Verderb auf die Zusammenarbeit mit den Schülern (Präfekten) angewiesen. Die Schüler wurden mit zunehmendem Alter mit wachsender Verantwortung betraut, wirkten in alle Gremien mit bzw. bildeten selbst – lehrerfreie – Gremien, in denen sie Fragen des Zusammenlebens regelten. Als Tutoren hatten Lehrer die Schutzaufsicht über eine Tutele (Schüler eines Arbeitszimmers), deren Interessen sie im Lehrerkollegium vertraten und Kontakt zu den Eltern hielten. Als Schulstandort Nordrhein-Westfalen zu wählen, war dadurch begründet, dass hier a) ein Schulgesetz galt, das Schulen in freier Trägerschaft großzügig entgegenkam und ihnen große gestalterische Spielräume ließ und b) die Evangelische Kirche von Westfalen zu gleicher Zeit den


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