Über die Umkehrung von Kontrollinstanzen Julia Sterr
distanzlos, unnahbar. Kunstverein gegenwart. e.V.
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Manja Ebert (*1983), 2007–2015 Studium Visuelle Kommunikation, Kunst & Medien mit Schwerpunkt Videokunst und Installation, Universität der Künste Berlin, lebt und arbeitet in Berlin
Manja Eberts Videoarbeit Abseits zeigt ein skurriles Szenario auf einem großen Feld: Vier uniformierte Polizisten, zwei Frauen und zwei Männer, spielen neben einer Grünfläche mit einem Stein Fußball. Im Hintergrund steht der Dienstwagen spontan abgestellt mit offener Beifahrertür am Wegrand. Anlass dieses Szenarios war die Eröffnung des Tempelhofer Feldes in Berlin. Der ehemalige Flughafen Tempelhof wurde 2008 endgültig geschlossen und schließlich am 8. Mai 2010 für Besucher wieder geöffnet. Dort befindet sich jetzt eine große innerstädtische Grünfläche, die der Bevölkerung als beliebtes Erholungsgebiet dient. Mit über 200.000 Besuchern war die Eröffnung stark frequentiert und die Polizeipräsenz dementsprechend groß.1 Allerdings konnten sich die vier Beamten aufgrund einer entspannten und friedlichen Stimmung an diesem Tag dem Fußballspielen hingeben. Manja Ebert befand sich währenddessen auf einem der Aussichtstürme des Tempelhofer Feldes, beobachtete das Schauspiel und hielt es filmisch fest. Die Videoinstallation zeigt ausschließlich das Spiel der vier Polizisten, jedoch keine Besucher. Die ‚Spieler‘ verschwinden am Ende des Videos aufgrund der Spielfeldverlagerung aus dem Blickfeld, da sich die Aufnahme nicht
g Abb. 1: Manja Ebert, Abseits, 2010, Filmstills.
mit den handelnden Personen bewegt. Bei genauerer Betrachtung wird in der Mitte des Videos ein weiterer Polizist erkennbar, der aus der Beifahrerseite des Dienstwagens aussteigt, nach kurzer Zeit aber wieder darin verschwindet. Manja Eberts Arbeit versprüht eine gewisse Ironie. Die strenge Ansicht, dass uniformierte Polizisten ihre Autorität zu wahren und während ihres Dienstes den Pflichten als Gesetzeshüter nachzugehen haben, wird in diesem Video aufgebrochen. Abseits der Frage, ob Polizisten die Erlaubnis haben während des Dienstes einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen, wird es viel wichtiger, dass „die Damen und Herren Staatsdiener aus ihrer Rolle fallen und in der Situation mehr Mensch als respektvoller Amtsträger sind“2 Die sonst oft so unnahbaren und in einer Rolle verhafteten Polizeibeamten werden auf einmal greifbar, sympathisch und entwickeln eine individuelle Persönlichkeit. Ihre bisher gefestigte Autorität wird teilweise abgelegt. Es handelt sich hierbei um Menschen, die hinter einem streng anonymisierenden Kostüm hervortreten. Zudem greift der Titel der Arbeit Manja Eberts das Absurde und gleichzeitig Witzige des Geschehens auf und beschreibt im weiteren Sinn die stattfindende Handlung. Der gesamte Ablauf wirkt mitunter