mei Dahoam 2/2014

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♦♦♦ REGION & LEUTE

WUTBÜRGER AUS

HEIMATLIEBE

Ein freundliches Gesicht mit wachen, neugierigen Augen: Wer dahinter automatisch einen harmoniebedürftigen, vielleicht sogar konfliktscheuen Mann erwartet, irrt.

Denn statt übertriebener Harmonie und falsch verstandener Heimatliebe pflegt der Dietramszeller Autor Peter Probst einen kritischen Geist und eine ordentliche Portion Wut – und damit urbayerische Tugenden

Empörung als Antrieb Dabei ist es nicht so, dass Probst bewusst nach Konflikten suchen würde. Er sucht vielmehr unterbewusst nach Gegebenheiten und Geschehnissen, die ihn bewegen und aufwühlen. Heimat bedeutet für ihn eben nicht, in einer heilen Welt zu leben. „Heimat ist für mich auch immer das, was mich aufregt“, erklärt er mit ruhiger Stimme. „Die Bindung an meine Heimat entsteht vielleicht gerade aus der Entrüstung darüber, dass diese Umgebung nicht so ist, wie ich sie mir erträume.“ Dieser Heimatbegriff ist es auch, der Probst bei seiner Arbeit inspiriert. Seine Romanreihe um den Ermittler Anton Schwarz nährt sich aus Themen, die ihm im Alltag begegnen, und den Fragen, die sich für ihn daraus ergeben. „Als damals herauskam, dass Neonazis einen Anschlag auf die Grundsteinlegung der Synagoge am Jakobsplatz geplant hatten, war ich entsetzt. Darüber, dass das in einer so schönen Stadt wie München möglich ist, darüber, dass die Behörden es fast zu spät bemerken. Das führt dann bei

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mir dazu, dass ich recherchiere, über die Menschen, die so etwas planen, über die Motive dahinter. Um zu verstehen, warum so etwas passieren kann.“ Ergebnis dieser Arbeit: Probsts erster Roman „Blinde Flecken“, in dem es um rechte Gewalt in Deutschland geht. Das Makabre: Vieles von dem, was Probst recherchiert oder auch auf Basis seiner Recherchen erdacht hatte, kam wenige Jahre später noch einmal an anderer Stelle ans Licht – im Rahmen des NSU-Prozesses in München.

„Schreiben ist für mich ein physisches Bedürfnis“ Wie sein politisches Engagement ist auch die Arbeit für Peter Probst kein Job, sondern ein Lebensinhalt. „Schreiben ist für mich ein natürlicher Vorgang, ein physisches Bedürfnis. Ich arbeite jeden Tag, auch am Wochenende und im Urlaub“, erzählt Probst, der mit über 100 verfilmten Drehbüchern als einer der fleißigsten und zugleich angesehensten Drehbuchautoren in Deutschland gilt, und gibt zu: „Meine Familie beschwert sich da oft, und das zu Recht. Aber diese Arbeit ist mir einfach sehr wichtig. Ich kann mir auch nicht vorstellen, irgendwann in Ruhestand zu gehen, wenn ich das nicht unbedingt muss.“ Den Ausgleich zur Arbeit am Schreibtisch findet der Autor in der Natur, beim Spazierengehen oder beim Laufen. „Das muss ich allerdings mittlerweile einschränken, da meine Knie nach 22 Marathons langsam sagen, dass es reicht. Ich sollte aufs Rad umsteigen, aber das fällt mir im Moment noch sehr schwer“, grinst Probst. Die Natur und Ruhe sind es auch, die Peter Probst an seinem Leben in Dietramszell so liebt – das kulturelle Angebot der Großstadt vermisst der Autor aber zugleich. „Wir sind damals aus einem Brutpflegeimpuls aus München weggezogen. Wir wollten, dass unsere Kinder in einer schönen Umgebung aufwachsen.“ Jetzt, da die Kinder aus dem Haus sind, kann er sich auch vorstellen, irgendwann wieder nach München zu ziehen. „Es gibt einfach verschiedene Lebensphasen, und diese geht jetzt langsam vorbei. Wo ich dann letztendlich alt werden will, weiß ich noch nicht.“ Muss er ja auch nicht. Themen zum Aufregen gibt es schließlich sowohl hier als auch dort. Sebastian Klug

FOTO: BERNHARD HASELBECK

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enn Peter Probst ist genau das: Bayer durch und durch. Geboren in München, aufgewachsen in Obermenzing, seit fast einem Vierteljahrhundert wohnhaft in Dietramszell. Doch Probst ist zugleich Querdenker: Als Gründungsmitglied des Münchner Lichterkette e.V. setzt er sich seit mehr als 20 Jahren leidenschaftlich gegen Intoleranz und Fremdenhass ein, als Bürger seiner Heimatgemeinde stellt er sich auch den Teilen der Vergangenheit Dietramszells, die manch einer gerne unter den Teppich gekehrt hätte – so wie jüngst die Frage, ob man den (mittlerweile ehemaligen) Ehrenbürgern Paul von Hindenburg und Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde posthum aberkennen müsse oder nicht. Ein Schlüsselmoment für Probst und seine Frau, die Autorin und Fernsehmoderatorin Amelie Fried. „In dieser Zeit habe ich mich manchmal merkwürdig fremd in meinem Dorf gefühlt. Dass uns dann auch noch alteingesessene Dietramszeller in der Presse als Zugereiste bezeichnen, nach 23 Jahren, die wir bereits hier leben, hat uns dann schon auch getroffen“, erzählt der Schriftsteller.


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