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Vereine

© KARAKARA – Hilfe für Kinder in Niger e.V.

Vereine Enge Verbindungen zwischen dem Killesberg und Kara Kara in Niger

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Enge Beziehungen zwischen den Stadtteilen Killesberg und Kara Kara, Provinzhauptstadt Zinder im afrikanischen Land Niger, ermöglichen dortigen Kindern, dem Analphabetismus etwas entgegenzusetzen. Dass der Schulbesuch darüber hinaus positive Folgen in das gesamte Alltagsleben mitbringt, ist zusätzlich positiv – wie auch das Ergebnis beharrlicher Arbeit des Vereins „KARAKARA – Hilfe für Kinder in Niger e.V.“.

Das Schulprojekt „KARAKARA - Hilfe für Kinder in Niger e.V.“ wurde 2005 von Lamin Ousman-Daouda zusammen mit engagierten Freunden ins Leben gerufen. Er stammt aus Niger, hat in Zinder und Stuttgart studiert und arbeitet seit vielen Jahren als Controller. Er ist mit Andrea Ade-Ousman-Daouda verheiratet, hat drei Kinder und lebt mit seiner Familie im Birkendörfle am Killesberg. In Anerkennung seiner Verdienste, die er sich unter anderem mit diesem Schulprojekt in Kara Kara, in der Provinzhauptstadt Zinder, für das Land Niger erworben hat, wurde er vor einigen Jahren zum Honorarkonsul von Niger ernannt. „Anlass für die Gründung des Vereins war eine Hungersnot in Niger, verursacht durch eine Heuschreckenplage, wie sie kürzlich wieder in Ostafrika grauenhafte Schäden angerichtet hat“, erzählt Christoph Engelbrecht, 2. Vorsitzender des Vereins. „Aber statt Geld für Lebensmittel zu sammeln und so nur die kurzfristige Not zu lindern, haben sich die Freunde entschlossen, etwas Nachhaltiges zu initiieren“, erklärt Engelbrecht. Nämlich 50 Kindern aus Kara Kara, dem ärmsten Stadtteil der Provinzhauptstadt Zinder im Osten des Landes, den Besuch einer Schule zu ermöglichen. „Kara Kara“ bedeutet in der Landessprache Haussa „Stroh Stroh“. Schon aus dieser Ortsbezeichnung geht hervor, dass in dieser Gegend besonders viele arme Familien in einfachen Strohhütten wohnten. Niger hatte damals und hat heute immer noch eine Analphabeten-Quote von 80 Prozent. Vor allem auf dem Land fehlen Schulen und qualifizierte Lehrkräfte. So kann kein echter Fortschritt für das Land erzielt werden. Die Finanzierung der ersten Klasse konnte durch die Übernahme von fünfzig Patenschaften gesichert werden: Der Klassenraum war am Anfang eine Strohhütte auf dem sandigen Boden außerhalb des Dorfs. Die Kinder saßen auf der Erde, der Lehrer konnte nur in gebückter Haltung unterrichten. Doch schon bald konnten durch den Einsatz der Gründer des Vereins genug Spenden gesammelt werden, um die für den Bau eines festen Klassenzimmers nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. „Von Anfang an stand fest, dass die Zusammensetzung der Klasse je zur Hälfte aus Mädchen und Jungen bestehen soll“, erläutert Engelbrecht. Denn: „Die Koedukation ist eine der wichtigen Säulen des Projekts.“ In den Folgejahren haben sich die Freunde und Unterstützer*innen des Projekts entschlossen, weitere Schulklassen an den Start zu bringen. Jedes Jahr wurden 50 zumeist Stuttgarter Patinnen und Paten, die mit einem Beitrag von 20 Euro pro Monat weiteren 50 Kindern den Besuch der Schule ermöglichten, und genug großzügige Spender*innen für den Bau weiterer Klassenzimmer gefunden. Dieser Patenbeitrag – im Jahr beläuft er sich also auf 240 Euro je Patin oder Pate – konnte bis heute beibehalten werden. Mit diesem Betrag kann die Schulausbildung der Kinder in Kara Kara finanziert werden. Der Betrag schließt alles ein, was für den Unter-

richt der Kinder notwendig ist: die Gehälter der Lehrer, die landesübliche Schulkleidung, das Lehr- und Lernmaterial, täglich zwei Mahlzeiten und eine medizinische Grundversorgung. Die Definition von „Besuch der Schule“ ist dabei eine etwas andere, als es die meisten von uns wohl gewohnt sind. „Die Schule beginnt pünktlich um 8 Uhr mit Händewaschen und dem gemeinsamen Aufstellen auf dem Schulhof“, skizziert Christoph Engelbrecht den Tagesablauf. Nach den ersten beiden Schulstunden gibt es um 10 Uhr ein gemeinsames Frühstück in der Schulkantine. In der dortigen Schulküche arbeiten aktuell fünf festangestellte Köchinnen. „Danach geht der Unterricht weiter. Um 13 Uhr wird in der Schulkantine ein warmes Mittagessen ausgegeben. Für viele Kinder sind das die einzigen Mahlzeiten am Tag und für die Familien ist diese Versorgung gleichzeitig eine große Entlastung. Nach der Mittagspause folgen dann am Nachmittag noch einmal zwei Stunden Unterricht bis um 17 Uhr.“ Zurück zur Geschichte des Projekts: Den Beteiligten war von Anfang an klar, dass ein solches Projekt nicht allein vom Killesberg aus erfolgreich organisiert werden kann. Deshalb hat Lamin Ousman-Daouda durch seine Beziehungen in Niger eine Organisation vor Ort gefunden, die Projekte dieser Art organisieren und strukturieren kann. Es handelt sich dabei um eine NGO (Non Govermental Organisation), bestehend aus mehreren ehrenamtlich arbeitenden Lehrer*innen und Professor*innen und einer bezahlten Halbtagskraft. Heute wird die Schule von mehr als 450 Kindern besucht, da sind es neben zahlreichen Ehrenamtlichen zwei bezahlte Vollzeitkräfte, die in Zinder für das Gelingen des Schulbetriebs arbeiten. Mittlerweile, 16 Jahre nach Gründung der Schule, haben sich die zwei ersten Klassenzimmer zu einem echten, von einer Mauer eingefassten Schulcampus weiterentwickelt. Mit zwölf Klassenzimmern, zwei Schulkantinen und Küche, Sanitäranlagen, Werkstätten, einem Lehrgarten und einer Bibliothek bietet er den räumlichen Rahmen für eine solide Schulausbildung. Die Schule besteht aus der sechsjährigen Grundschule und der vierjährigen Realschule. Jede Klasse hat heute durchschnittlich 40 Plätze. Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit, in einer zweijährigen Berufsschule eine Ausbildung in Schreinerei, Schneiderei, Schlosserei oder Elektrotechnik zu machen und mit einem staatlich anerkannten Abschluss zu beenden. Außerdem lernen alle Kinder den Umgang mit Computern und sie werden in den Grundzügen des Gartenbaus im Schulgarten unterrichtet. Nach zehn Jahren Schulbesuch können die jugendlichen Schulabgänger*innen mit ihrem Realschulabschluss oder dem Berufsschulabschluss in der Tasche entweder eine weitere Ausbildung anschließen oder aber auch sofort arbeiten gehen und mit dem Geld ihre Familien unterstützen. Die Schule bezieht einen Teil des Strombedarfs aus einer ersten Solaranlage, diese wird weiter ausgebaut werden. Außerdem wird seit kurzem das Regenwasser in einer Zisterne gesammelt und für den Schulgarten sowie die Sanitäranlagen verwendet. Neben den etwa 450 Kindern wird auch den Eltern im Rahmen von Abendkursen das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen angeboten. Für die Akzeptanz der Schule ist es wichtig, dass die Eltern beteiligt werden, damit sie die Kinder nicht vom Schulbesuch abhalten und stattdessen auf das Feld oder zum Betteln schicken. Auch deshalb hat der Verein eine Getreidebank gegründet, in der die Eltern unserer Schülerinnen und Schüler Hirse und Mais zum Einkaufspreis kaufen können, wenn die Getreidepreise im Land saisonbedingt steigen. „Unsere KARAKARA-Schule gilt in Niger als das modernste Schulprojekt, das immer wieder von Vertretern des nigrischen Staates oder anderer Organisationen besucht wird und über das auch im dortigen Rundfunk oder Fernsehen äußerst positiv berichtet wird.“ Auch deshalb wurden Lamin Ousman-Daouda und Christoph Engelbrecht, der ebenfalls am Killesberg wohnt, im Juli vom Präsidenten von Niger, Mohamed Bazoum anlässlich seines Besuchs bei Angela Merkel in Berlin empfangen. Auch der deutsche Botschafter in Niger hat die Schule bereits besucht und in einem begeisterten Brief an den Verein seine Anerkennung ausgedrückt. Lamin Ousman-Daouda und Christoph Engelbrecht besuchen das Projekt etwa alle zwei Jahre, immer auch ein bisschen mit Herzklopfen wegen des Risikos für die persönliche Sicherheit. Der Empfang in Zinder und Kara Kara ist jedes Mal so herzlich, dass die Strapazen der Reise aber schnell vergessen sind. Meist werden die Stuttgarter Besucher vom Gouverneur, dem Bürgermeister, dem Sultan und anderen Vertreter*innen des Staats empfangen. Die Schule richtet für die Gäste aus Deutschland ein großes Fest mit Musik und Tanzvorführungen aus, bei dem von allen Rednern die Dankbarkeit für diese großartige Unterstützung ausgedrückt wird. Schwerpunkt der Besuche ist aber immer die Gelegenheit zu Besprechungen mit den Organisatoren vor Ort, für die Planung der nächsten Schritte und die Kontrolle des Einsatzes der gespendeten Gelder. „Besonders wichtig und motivierend für die weitere Arbeit hier in Deutschland ist immer der Besuch auf dem Schulgelände, das Erlebnis des Schulalltags und die Begegnung mit unseren Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern“, ist sich Christoph Engelbrecht sicher. „Für das im Oktober begonnene Schuljahr sucht der Verein noch einige Patinnen und Paten“, wirbt der 2. Vorsitzende für das Projekt. „Noch sind nicht alle Schulplätze durch Patenschaften finanziert.“

Mehr Informationen auf www.karakara-schule.com