CRITICA Issue I/ 2016

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CRITICA I/ 2016

Ad 2: Die Arbeiten, die von Maurer in der Werkstätte entstehen und in denen man keine Spuren von etwaigen Vorlagen finden kann, sind künstlerisch die besten, sind eine Bestätigung dafür, dass wir uns hier nicht in einer Sozialeinrichtung, sondern in einem Künstleratelier befinden. Gerhard Maurers wahre Passion ist die Zeichnung, leider jedoch wird er in der Werkstätte immer wieder dazu „ermutigt“,

Abb. 3

sich mit der Aquarelltechnik auseinanderzusetzen. Aus meiner Sicht sind seine interessantesten Ar-

Behinderung) beeinflussen seine Arbeitsprozesse

beiten die Portraits und die Akte mit Bleistift. Und

sehr stark. Für Maurer ist somit jede Teilnahme an

auch hier meine ich mit Dubuffet: Die Einzigartig-

einem Workshop oder Symposium von größter Be-

keit ist die Stärke des Künstlers und macht auch

deutung. Er wird von den österreichischen Künst-

sein Kunstwerk stark – roh, stark in seiner Wirkung.

lerkollegen, mit denen er auf einem Symposium

Diese Einzigartigkeit als Aussage, als Sichtweise ei-

kooperiert, auch in der Werkstätte der Lebenshilfe

nes Künstlers, und gleichzeitig als eine Bewahrung

besucht. So entstand z.B. das sehr gelungene Port-

der Schwäche kommt in der Zeichnung „Der wahre

rät (2009?) des Salzburger Künstlers Erich Gruber

Mensch“ (Abb.1; 20154; im Besitz der Autorin) zum

in eben diesem von mir bereits erwähnten fragi-

Ausdruck.

len Strich. Aus einem fragilen Strich entstehen in

Ad 3: Als Klient der Lebenshilfe bekommt Gerhard

Vervielfachung auch wunderbare Bleistift-Land-

Maurer die bestmögliche Unterstützung, jedoch als

schaften von Erich Gruber. Hier kommen wir auf

Künstler ist er dort vereinsamt – diese Einsamkeit

die Rechtfertigung einer biografischen Untersu-

und Abgrenzung, seine Abwesenheit in den künst-

chung zu einem Künstler (nicht nur zu einem Art

lerischen Kreisen (rein aufgrund der körperlichen

Brut-Künstler) zu sprechen: Aufgrund der schon

und so kommt das Bild zum Schluss ganz anders heraus, vielleicht hat es sogar ein ganz anderes Thema.“ (Dubuffet 1991, 36-37) 4  Der Titel der Zeichnung stammt von Gerhard Maurer. Auf meine Frage: „Eine Figur, ein Mensch?“, antwortete er: „Ein wahrer Mensch“ (Interview, 20.09.2015; eigene Materialien). Ich bedanke mich bei dem Künstler für die Zusage, dessen Zeichnungen abbilden zu dürfen.

bestehenden Katalogisierung und Beschreibung der Arbeiten von Maurer darf ich feststellen, dass der für ihn charakteristische Strich seine eigene Ausdrucksform ist, nicht eine von Erich Gruber

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