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crescendo 05 2007 | 21 essay

in Szene zu setzen. Zuweilen mit dem Ergebnis, dass sie dabei selbst Mythologie der Bilder untersucht und die eigentliche Wahrhaftigkeit der zur Ikone wurden. Und während sie die Bilder zum Zwecke der Politik Fälschung argumentiert. instrumentalisierten, etablierten sie parallel die Kunst als Korrektiv eines In Friedrich Kittlers Berliner Vorlesungen zu „Optischen Medien“ optischen Overkills, den sie selbst beschworen haben. aus dem Jahre  (erschienen bei Merve), oder in Bruno Latours Kanzler Schröder lieferte die Ikonographie seiner Regentschaft, als er Aufsatz „Iconoclash“ (ebenfalls Merve), der fragte, ob es eine Welt jenseits des Bilderkrieges gibt, aber auch in Klaus Theweleits . Septemsich Baselitz’ stürzenden Adler hinter den Schreibtisch hängte und am Ende seiner Amtszeit Immendorf zum Porträtber-Sammlung „Der Knall“ (Roter Stern) drehte malen bestellte. Und am liebsten fuhr er öffentsich alles um die Verführbarkeit des Auges, die Das visuelle Zeitalter hat die Augen lichkeitswirksam mit Maler-Freund Bruno Bruni Wirklichkeit der Welt in all ihren Abbildern. Das geöffnet, um zu erkennen, dass Bild wurde bei Denkern wie Rainald Goetz zur in die Toscana. Guido Westerwelle setzte sich wir mit den Ohren vielleicht als Fan von Norbert Bisky in Szene und bewies Brücke zwischen der Kunst, die es hinterfragte, besser sehen können. damit Gespür für liberale Avantgarde jenseits der und einer Öffentlichkeit, die es inzwischen alltäglich in all seiner Indifferenz benutzte. popmodernen Big-Brother-Bilder. Das Politische, das die Bilder profanisierte, erteilte dem Subversiven Mit Blick auf die neuen Medien warnte Slavoj Žižek vor der Vorstellung, dass wir es vor der computer-generierten Virtualisierung der der Kunst das Placet der Exekutive. Und die Kunst versprach dafür auf Realität mit einer direkten, „realen“ Realität zu tun haben würden: „Die kleinem Raum, was in der Postmoderne schmerzlich verloren schien: Erfahrung der virtuellen Realität sollte uns vielmehr dafür sensibilisieren, die Welt auf einen Blick zu greifen. In den Mikrokosmen von Leinwie die ‚Realität’, mit der wir uns befassen, immer schon virtualisiert wänden, in Videos oder Installationen ließen sich die unüberschaubar war.“ Die neue Aufmerksamkeit für das Bild wurde auch zur Form, die gewordenen Mechanismen des Seins am besten komprimieren, und jeder Tradition neu zu ordnen. Guy Debords er Parole, dass die GesellEinzelne konnte seine Position im großen Ganzen bestimmen. schaft sich in das Spektakel des Schauspiels verabschiedet habe, schien Ungefähr zeitgleich begann auch der Siegeszug der Werber und Kreanun ein neues Medium gefunden zu haben: Die Welt hat sich in das Bild tiven, die mit Bildern um Aufmerksamkeit buhlten, die Mechanismen verabschiedet. der Kunst in die Alltäglichkeit übersetzten. Und spätestens mit dem . September wurde die Macht über die Bilder gleichbedeutend mit der Die neue Macht der Bilder griff unaufhaltsam um sich. Besonders in der damals tonangebenden Generation Pop, die mit ihren Werken („DJMacht über die Welt – oder zumindest über die öffentliche Meinung. Bei alldem verlor das allerorten herangezogene Bild durch die neuen Culture“, „Tristesse Royale“ oder „Generation Golf“) die Deutungsmedialen Formen und ihre Manipulationsmöglichkeiten an Glaubwürhoheit über das Lebensgefühl übernommen hatte. Rekurse auf Andy digkeit und Wahrhaftigkeit. Es ist nicht zufällig, dass sich auch in der Warhol, Roy Lichtenstein oder Gerhard Richter bildeten Anknüpfungspunkte, ihre provokant antibürgerliche Emanzipation in eine neue, nun Philosophie plötzlich alles wieder um das Bild und seine Bedeutung kümmerte. Benjamins Debatte vom Kunstwerk im Zeitalter der techplötzlich erstrebte, Bürgerlichkeit zu überführen. In der Kunst fanden nischen Reproduzierbarkeit wurde fortgesetzt, Ikonographie, Aura und sie die populären Merkmale des Ikonenhaften und der mythologischen

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