Clicclac Ausgabe 12/2016 + 01/2017

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Titelthema Verwöhnen

Den Alltag neu aufstellen ... ... und warum die Natur uns dabei hilft - und verwöhnt!

Im Interview erzählen die Autorinnen Nicola Schmidt und Julia Dibbern, die übrigens aus Gliesmarode stammt, wie das funktioniert, was es mit Auszeiten auf sich hat und was wir ohne Fehler wären.

CC: Schlafmangel, Freizeitstress, kaum Zeit für sich – Wie kann ein Leben mit Kindern überhaupt einfach sein?

Julia Dibbern: Ein Baby den ganzen Tag alleine zu betreuen ist einfach anstrengend…

Nicola Schmidt: Jetzt mal ehrlich: Seit 2,5 Millionen Jahren etwa gibt es die Gattung Homo. Wenn Kindergroßziehen schon so lange eine extrem stressige Angelegenheit wäre, dann hätte sicher schon einmal jemand einfach damit aufgehört! Aber wir tun es trotz aller Widrigkeiten. Schauen Sie einfach mal Ihrem Kind in die Augen und lassen Sie dieses Gefühl zu, das da kommt - dann wissen Sie, warum.

Nicola Schmidt: Besonders für das Baby! Bei Babys müssen wir natürlich darauf achten, dass die Bindungsbedürfnisse erfüllt bleiben. Bis zum dritten Lebensjahr brauchen Kinder die Nähe einer Bezugsperson, aber schon viel früher fangen sie ja an, friedlich vor sich hin zu spielen. Und wir tun ihrer Konzentrationsfähigkeit einen großen Gefallen, wenn wir sie dabei nicht ständig mit “Guck mal! Der Vogel!” stören.

Julia Dibbern: Wir haben seit über zweitausend Jahren die sehr seltsame Tradition, über unsere Kinder zu jammern. Historisch ist das sicherlich erklärbar - Kinder waren einfach immer Ressourcenvernichter und Kalorienfresser. Für uns heute ist das nicht mehr nötig, wir haben genug Ressourcen. Wir können also ganz rebellisch unsere Kinder einfach gut finden. Etwas anstrengend zu finden oder nicht, hat auch viel mit der eigenen Einstellung zu tun, mit den eigenen Widerständen. Wenn wir Party machen, haben wir auch Schlafmangel, und da heult auch keiner.

Julia Dibbern: Auch bei großen Kindern ist es natürlich wichtig, dass wir immer die Bindung im Blick behalten, auch wenn sie sich da anders zeigt. Trotzdem brauchen die meisten Familienmitglieder auch irgendwann Pause voneinander. Das heißt, “Auszeiten” dürfen keine Strafen sein, in denen das Kind auf sein Zimmer geschickt wird, sondern wenn ein Kind “schwierig” ist, braucht es gerade besonders viel Liebe. Pausen voneinander zu machen, bedeutet nur, jeder entspannt sich auf seine Weise.

Nicola Schmidt: Wir haben schon so viele Fehler gemacht! Fehler sind die Grundlage allen Forschens und Lernens. Das ist ja das Schöne. Fehler zeigen uns den Weg: Daaaaa gehts lang. Oder eben nicht. Wir waren oft gestresst - und sind es noch wir haben uns und die Kinder gehetzt, gedacht, wir müssten mindestens so toll wie die Frauen auf den Zeitschriften sein oder noch mehr Yoga machen oder endlich auch mal selbst gebackene Super-Plätzchen mit zum Adventsfest im Kindergarten mitbringen.

CC: Für das Konzept „Slow family“ hilft die Natur. Warum ist die Nähe zur Natur aus Ihrer Warte dabei so entscheidend?

Julia Dibbern: Als wir feststellten, dass unser Leben nicht besser wird, wenn wir perfekt sein wollen und so von außen gesteuert sind - sind wir einfach umgekehrt. Und jetzt ist es viel schöner!

CC: Der Alltag ist oft festgefahren, durchgetaktet – wie schafft man es da, sich neu aufzustellen? Nicola Schmidt: Jeden Tag einen kleinen Schritt gehen. Im Buch erzählen wir eine schöne Geschichte dazu - von einem alten Mann, der seinen Garten pflegt. Und einen wunderschönen Garten hat. Das kann jeder! Julia Dibbern: Es gibt einen sehr machtvollen Effekt, den man dafür nutzen kann. Er funktioniert und deshalb haben wir uns entschieden, ihn ins Buch mit reinzunehmen und dort ausführlich zu erklären. CC: Wie wichtig sind Auszeiten, sich selbst verwöhnen – sowohl für Kinder als auch ihre Eltern?

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Nicola Schmidt: Natur ist die eine Komponente, die alle anderen automatisch erzeugt. “Mutter Natur” - das stimmt wirklich. Denn in der Natur ergeben sich Zeit, Zauber, Achtsamkeit und Liebe oft von ganz alleine. Es ist dieser Zauber, der Natur so wichtig macht. Und man kann das auch ganz klar an den Bio-Markern der Menschen ablesen: Der Blutdruck sinkt, unser Gehirn beruhigt sich, Eltern und Kinder sind viel entspannter. Julia Dibbern: Und das heißt nicht, dass wir alle in den Wald ziehen müssen. Eine Baumscheibe in der Fußgängerzone tut es oft auch! Oder der Käfer am Wegesrand.

CC: Hand aufs Herz – welche Fehler haben Sie gemacht und wie reifte die Erkenntnis, es doch dringend anders machen zu wollen? Nicola Schmidt: Oh – wie viel Zeit haben Sie? Julia Dibbern: Was wären wir ohne unsere Fehler? Leben ohne Fehler wäre furchtbar langweilig. Wir haben diese komische Kultur, in der wir denken, dass Fehler etwas Schlechtes wären. Sind sie aber gar nicht. Ich möchte keinen meiner Fehler missen.

CC: Es sind sieben Zutaten, die es Ihrer Ansicht braucht – gibt es eine, die dabei besonders wichtig sind? Oder macht es die Mischung? Nicola Schmidt: Die Zutaten sind Liebe, Natur, Achtsamkeit, Gemeinschaft, Ressourcen, Wissen und Zauber. Was das genau im Einzelnen bedeutet und wie wir uns diese schenken können, beschreiben wir in “Slow Family”. Julia Dibbern: Natürlich macht es die Mischung. Liebe muss zum Beispiel auch zu liebevollem Handeln führen, Achtsamkeit


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