CIVIS mit Sonde 2019/1

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den Menschen des uns scheinbar fremd werdenden Landes im Alltag wichtig ist.

Lange bejaht das. Ein anderer Blickwinkel sei das; einer, der beim Strukturieren auch komplexer Sachverhalte helfe. In dieser Zeit arbeitet er weiter für Jaffke und lernt das Politikgeschäft auch abseits der Wahlkämpfe kennen.

Die Hauptstadt des wichtigsten Partners der Deutschen, einer der spannendsten Orte der Weltpolitik und überdies idyllisch gelegen am Potomac River. Der Posten des Leiters des Washingtoner KAS-Büros ist ein Traumjob. Wer ihn freiwillig aufgibt, weiß wofür oder für wen er das tut. Lange weiß es – und kehrt zurück nach Deutschland. An die Saar, zu Annegret Kramp-Karrenbauer.

Nach der Bundestagswahl 2002 arbeitet Lange im Bundestag. Ein attraktiver Arbeitsplatz in der Hauptstadt, doch er sehnt sich nach etwas Neuem, nach Abenteuer. Er belädt seinen Kleinwagen und bricht auf nach Sankt Petersburg, wo er für die Robert-Bosch-Stiftung tätig wird. An den Ufern der Newa, an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg bildet er u.a. Nachwuchsjournalisten aus und ist fasziniert von der politischen wie gesellschaftlichen Widersprüchlichkeit Osteuropas.

Kennengelernt haben sie sich schon Jahre vorher während einer Klausurtagung der saarländischen CDU. Analytisch und konzeptionell sind sie auf derselben Wellenlänge, die Atmosphäre stimmt. Lange arbeitet mittlerweile in den USA, aber der Austausch währt fort. Für beide ist klar: Sollten sich in der CDU Dinge bewegen, kann die saarländische Ministerpräsidentin auf Langes Unterstützung zählen. Und die Dinge bewegen sich: Nach der Bundestagswahl 2017 ist die politische Lage schwierig und eine rasche Rückkehr in ruhigeres Fahrwasser ist mit dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen nicht zu erwarten.

Das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew übernimmt er 2006 und wird dort sechs Jahre bleiben. Er dringt tief ins politische Leben der Ukraine ein; sein Netzwerk, darunter Vitali Klitschko, Petro Poroschenko und Julija Tymoschenko, pflegt er bis heute. Doch seine entschiedene Unterstützung für die demokratischen, proeuropäischen Kräfte und die deutliche Kritik an Präsident Janukowytsch stört: Im Juni 2010 wird Lange auf Anweisung des Geheimdienstes festgenommen und verbringt einige Tage in Haft. Nach Intervention der Bundesregierung, allen voran der Bundekanzlerin, kommt Lange frei. „Nicht sonderlich gut überlegt“, nennt er heute die Aktion der damaligen Machthaber und lächelt. Einfacher wurde seine Arbeit danach allerdings nicht.

Als Innovationsbevollmächtigter des Saarlandes mit Sitz in der Staatskanzlei wird Lange zu einem engen Berater der Ministerpräsidentin. Dass er ihr nach ihrer Wahl zur CDU-Generalsekretärin nach Berlin folgt, überrascht niemanden. Das Tempo ist hoch, die ersten Monate stehen ganz im Zeichen der von Lange und seinen Kollegen konzeptionierten Zuhörtour. Darauf aufbauen soll der Grundsatzprogrammprozess. Als Angela Merkel ihren Verzicht auf eine neue Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt, muss es wieder schnell gehen. Lange räumt sein Büro im Konrad-Adenauer-Haus und zieht mit den engsten Mitstreitern in ein Co-Working-Office in Charlottenburg. Gemeinsam mit Kramp-Karrenbauer erarbeiten sie ihr Konzept für den innerparteilichen Wahlkampf, aus dem sie als Siegerin hervorgeht.

Von den Ufern des Dnepr zieht es Lange 2012 zurück an die Spree. In der Zentrale der KAS übernimmt die Funktion des stellvertretenden Hauptabteilungsleiters für Politik und Beratung und Teamleiters für Innenpolitik. Sein Verständnis für die politischen Zusammenhänge helfen ihm auch hier: Strukturen, Bedürfnisse und Möglichkeiten der von ihm beratenen Parteien kennt er nicht nur aus Briefings, sondern aus eigenem Erleben. Die US-Präsidentschaftswahlen im November 2016 lösen ein weltweites politisches Erdbeben aus; Washington D.C. ist das Epizentrum. Genau der richtige Ort für Lange, der kurz darauf die Leitung des dortigen KAS-Büros übernimmt. Er beobachtet scharf und tut das, was er auch in Osteuropa immer getan hat: Mit allen sprechen, ohne Berührungsängste und Vorurteile. Seine im September 2017 veröffentlichte Analyse zu Trumps Amerika wird ein Renner, Lange analysiert darin anschaulich, was

Lange kehrt zurück ins KAH. Formal ist er stellvertretender Bundesgeschäftsführer und Abteilungsleiter, für den Zugang zur neuen Parteivorsitzenden bedarf es gleichwohl keiner Umwege. Die Erwartungen der Partei aufzunehmen, sie zukunftsfest zu machen und strategisch neu zu kalibrieren, das sind drei Aufgaben, die Lange am Herzen liegen. Ist er erfolgreich, wechseln Kramp-Karrenbauer und er irgendwann wohl wieder die Büros.

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