Bruno Manser - Tagebücher aus dem Regenwald

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Mit Fischern auf See. Die Mannschaft auf dem 8–10 Meter langen

liegen die Burschen schlafend, singend, zärtlich ineinander ver-

Boot besteht aus dem älteren Käpten und sechs jungen Bur-

schlungen

schen. Das Zugnetz (Puka Kongko) mit zwei Seitenwänden, die in einen Sack münden, wird an zwei langen Seilen über den Mee-

auf dem Dach des Bootes. – Die Beute wird gleich auf See wei-

resgrund geschleift. Gewichte an der Unterähre sorgen dafür,

tergegeben. Die Fischerjungen nehmen als Lohn einen kleinen

dass das Netz am Boden bleibt. Zwei schwere Holzladen sollen

Teil des Fanges als tägliches Brot für die Familie nach Hause.

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wohl die Seitenwände fächern. Nach zwei Stunden wird in einer ruhigen Bucht eingezogen – und, Morks [Murks], der ge-

Im Baum neben der ‹Waka› ein Gesumm. Die Bienenkönigin hat

füllte Sack mit Hilfe eines daruntergeführten

sich auf einen Ast gesetzt und schnell wächst die kleine lebende

Stricks und viel Geschrei über die Boots-

Traube zu einem grossen Klumpen. ~ Nach einer Weile löst sich

wand hinauf ins Schiff gekippt.

dieses eigenartige lebende Gebilde wieder in seine Einzelteile

Allerlei Meeresgetier kommt da zum

auf. Begleitet von Gesumm ist die Luft einen Moment schwarz.

Vorschein.

Als dunkle Wolke schwebt der Bienenschwarm noch lange sicht-

Neben

Korallenstücken,

Schwämmen, vereinzelten Seesternen

bar über dem Meer.

und Krebsen finden sich Tintenfische, ei-

Unduk-Unduk

genartige flache Plattfische, die mit ihrem

Am Ufer fange ich einen Krebs, der sich unkenähnlich, mit an-

unsymmetrisch-seitlichen Mund, der ‹gfür-

gewinkelten Beinen und Zangen, auf den Rücken legt. Seine

chig› bezahnt ist, im Sand auf Beute lauern.

rechte Schere ist sichtbar viel kräftiger ausgebildet als die linke.

Dem Rochen

Warum?

~6 cm

Auf den Uferblöcken tummeln sich scharenweise grünliche 1/31

wird vorsichtigerweise der Schwanz gekappt, damit sein Stachel

Krebse. Anscheinend leben sie von Plankton und Algen, führen

kein Unheil anrichten kann. Die kleinen Ikan Dikis werden zu-

sie doch hastig die Scheren vom Stein zum Mund, wo es nichts

letzt mit Tellern in einen Sack gefüllt, oder achtlos wieder über

Auffälliges an Nahrung zu sehen gibt. Einer lässt sich’s ne Weile

Bord geschmissen. – Einmal findet sich gar eine Seeschlange –

von einem hingelegten Stück Kokosnuss schmecken.

mit ihrem winzigen Mund – im Netz. Um die grosse gelb-schwarz

Erst im Wasser wird sichtbar, dass die rabenschwarzen Seeigel

gezeichnete Meeres-Schildkröte zu befreien, wird der Sack

schöne leuchtend-blaue Punkte auf ihrem Gehäuse, und einen

gleich aufgeschnitten. Da Moslems kein Schildkrötenfleisch es-

orange-gesäumten, ballonartigen Mund ausgestülpt haben.

sen, werfen wir sie wieder ins nasse Element. Dabei nehme ich mich vor ihrem Schnabel in Acht. – Gewandt wird das Netz wieder geflickt. Das Boot fährt immer in ~Inselnähe. Dreimal wird das Netz eingezogen. Während den langen Arbeitspausen

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