Elf dringliche fragen zur migrationsproblematik – Ein Arbeitspapier in versachlichender Absicht

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Christian Hartmann MdL, Dr. Alexander Löcher, Erik Fritzsche, M.A. Arbeitspapier: 11 dringliche Fragen zur Migrationsproblematik

1. Was sind die Ursachen der Migrationsbewegungen? 1.1 Push-Faktoren 1.1.1 Die Krise der islamischen Religionspraxis Die Krisen in den islamisch geprägten Staaten – ob nun in Afrika oder im Nahen Osten – haben eine enorme Migrationsbewegung in Gang gesetzt. Das Zusammenbrechen der staatlichen Strukturen in Syrien, Afghanistan und dem Irak sowie die wachsende Bedrohung durch neue fundamentalistische islamische Gruppierungen (Salafisten, Dschihadisten), destabilisieren die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens, heizen Konflikte in Schwarzafrika an und drohen auf die Maghreb-Staaten überzugreifen. Die vergangenen Jahre haben zudem gezeigt, dass diese Art der Bedrohung widerstandsfähig ist und wächst. Der Islamische Staat (IS) und seine neuen Verbündeten im Sinai und in Nordafrika, Boko Haram in Nigeria, AlShabaab in Somalia und Kenia, Al-Kaida-Splittergruppen in Südasien, Zentralasien, dem Kaukasus, Jemen und der Sahel-Zone – sie unterminieren Regierungen, töten Zivilisten und radikalisieren die lokale Bevölkerung. Sie stürzen die Staaten, in denen sie aktiv sind, nach und nach in tiefe politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise. Die islamische Religionspraxis befindet sich in einer tiefen Krise, die in gewisser Weise an ebenfalls religiös bedingten Verwerfungen in Europa zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges erinnert. Auch dieser setzte im 17. Jahrhundert längst nicht nur die Heere in Bewegung, sondern auch große Teile der ‚Zivilbevölkerung‘. Der Bewegungsradius reichte vom Schwarzwald bis ans Schwarze Meer und führte zu einer Umwälzung der europäischen Bevölkerung in einem davor allenfalls zu Zeiten der germanischen Ostkolonisation (samt Christianisierung) bzw. der Völkerwanderung gekannten Ausmaß. Die jetzige Migrationsbewegung könnte von ähnlichem Ausmaß sein, denn die Lage in den Herkunftsländern „erwies sich bislang als nicht beherrschbar: Es gelang nicht, die blutigen Konflikte einzudämmen, im Gegenteil, sie mündeten in Blutbädern, die jegliche Vorstellungskraft übertreffen“, wie Jànos Gató in der SZ resümiert.1

1.1.2 Die Krise der Staatlichkeit: Bürgerkriege Doch all diese islamisch-fundamentalistischen Tendenzen wären gar nicht denkbar, wenn sie sich nicht an eine vergleichsweise schwache Tradition von Staatlichkeit anschlössen und sie diese in manchen Regionen komplett ruinieren. „Somalia“ beispielsweise kann heute kaum mehr sein als die Bezeichnung einer geographischen Lage; ein Staat kann damit – trotz solcher völkerrechtlicher Symbolik wie einem UN-Sitz oder etwa einem Regierungseintrag bei Wikipedia – kaum

1

Siehe hierzu Gadó, János, 2015, „Was wollen Moslems bei Ungläubigen“, in: Sächsische Zeitung vom 12.09.2015, online verfügbar unter http://www.sz-online.de/nachrichten/was-wollen-moslems-beiunglaeubigen-3196829.html. 2


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