Natur in Berlin, Ausgabe 4/2013

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Natur in Berlin | Spektrum

Der Segelflieger und die Segler Im Einsatz für die Natur - Naturschutz mal nicht Made by NABU Ein Interview mit Klaus Roggel / von Carmen Baden

In diesem Sommer sendete der NABU Berlin Livebilder aus einem Mauerseglerkasten, angebracht direkt an seinem Schlafzimmerfenster. Klaus Roggel beobachtet seit langem regelmäßig Mauersegler in Berlin. Der Wilmersdorfer ist ein wahrer Aktivist für den Naturschutz zu Hause. Mauersegler brechen viele Rekorde, sind Luftakrobaten und Extremsportler – um es einmal mit menschlichen Vokabeln zu beschreiben. Welches Faszinosum hat Ihre Leidenschaft für die Mauersegler entfacht? Ich hatte als Kind schon ein Faible für Vögel. Aus dem einfachen Grund, weil die fliegen können und wir nicht. Später als Segelflieger habe ich es auch geschafft, in die Luft zu gehen. Aber viel wichtiger war es, in der Kindheit zu beobachten, was die Vögel so treiben und wie sie sich am Himmel verhalten. Die Leidenschaft für Mauersegler kam erst, nachdem ich mich beruflich etwas zurückgezogen und mehr Zeit hatte. Ganz wichtig war auch die Kameraentwicklung bis ins Digitale hinein. Die technische Entwicklung förderte mein Hobby ungemein. Erstmals konnte ich viele Bilder machen, sie auf dem PC ansehen und nicht gebrauchte auch wieder verwerfen. Gab es Schlüsselerlebnisse? Ich habe eine Dohle aufgezogen. Das war so das Erste, was ich so mit zehn Jahren gemacht habe. Später baute ich dann Nistkästen – überwiegend für Stare. 16

Mauersegler waren damals noch nicht in meinem Fokus. Aber die Naturliebhaberei war immer schon vorhanden und wurde auch elterlicherseits gefördert. War der NABU für Sie ein Wegbereiter? Bei einem Besuch in der Zitadelle Spandau habe ich eine Broschüre über Artenschutz am Gebäude bekommen. Die Hymenopteren haben mir übrigens zum Erstellen meiner Internetseite verholfen. Auf meiner Dachterrasse wurde eine Meisenbrut von Hummeln beflogen. Irgendwann waren nur noch die Hummeln da. Ich kam mit der NABU-Expertin Dr. Melanie von Orlow ins Gespräch und sie forderte mich auf, doch eine Internetseite zu gestalten. Dass die Mauersegler später einmal eine eigene Seite bekommen würden, hätte ich nicht gedacht. 1999 habe ich die ersten Kästen aufgehängt, 2002 gab es den ersten Bruterfolg. Sie sind Architekt. Für gewöhnlich ist dies eine Berufsgruppe, die nicht besonders viel Verständnis für gebäudebrütende Arten hat und sich eher um Funktionalität und Optik eines Gebäudes beschäftigt. Viele Kollegen sind rein vom Sinn für Ästhetik beflügelt. Viele wollen lieber das Artifizielle und weniger das Natürliche. Den goldenen Mittelweg zu finden, ist oft schwer. Das ist sicher auch in der Ausbildung begründet. Gedankenlosigkeit und Unkenntnis über die Lebensbedingungen der tierischen Mitbewohner gehören dazu. Wenn die Berufsgruppe mehr darüber wissen würde, dann könnte sie auch

intensiver auf Gebäudebrüter eingehen. Sie bieten auf Ihrer Internetseite Rat und Unterstützung bei Renovierungen in der Brutzeit. Wie viele Menschen nehmen Ihr Angebot wahr? Im Jahr 2010, als die vielen Mauersegler aus den Nestern gefallen sind, habe ich viele, viele Anrufe bekommen. Beratungen mache ich schon, aber kaum jemand meldet sich im Vorfeld einer Bebauung in Bezug auf mögliche Gefahrenquellen. Wenn ich meine Website-Statistik ansehe, habe ich im Juni und Juli Spitzenwerte. Im Monat rufen ca. 30 Interessierte an, ich bekomme E-Mails und beantworte Telefonate. Leider auch zu Zeiten, in denen ich nicht mehr gerne bereitstehe. Wenn ich jedoch höre, dass es um Mauersegler geht, dann bin ich hellwach und helfe. Nistkästen und Notfälle sind große Themen. Da bin ich immer der „Notarzt“, der angerufen wird. Fahren Sie in der Zeit von Mai bis August eigentlich in den Urlaub? Selten. Den Mai über kann ich Urlaub machen, nur im Juni nicht. Ende Mai, Anfang Juni ist vielleicht auch schon ein erstes Mauerseglerei da. Und etwa die letzten 42 Tage bis zum Ausflug der Jungen, bin ich natürlich online. Klaus Roggel www.mauersegler.klausroggel.de www.berlin.nabu.de/projekte/ mauerseglerkamera/

Die Einrichtung und Unterhaltung der Mauerseglerwebcam konnte durch die Patenschaftserträge des NABU Bundesverbandes finanziert werden.


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