Sozialalmanach 2012 "Schwerpunkt: Nachhaltiges Wohnen"

Page 145

Für Luxemburg scheint, dass sich die Wohnsituation an der finanziellen Situation entscheidet. Dabei gibt es in Luxemburg noch „andere“ Menschen, bei denen nicht vordergründig das Mieten oder Kaufen im Vordergrund steht, sondern überhaupt der Erwerb einer Adresse. Problematische Wohnverhältnisse wie sie an früherer Stelle dargestellt wurden, tangieren meist Menschen in sozialen Notlagen. Besonders alarmierend ist, dass sich eine Negativspirale entwickelt. Soziale Notlagen führen zu prekären Wohnverhältnissen. Wohnen wird dann oft zum monetären Problem, dies verstärkt wiederum soziale Notlagen. Dabei sind vom regulären, konventionellen Wohnungsmarkt viele Menschen ausgegrenzt, resp. der Zugang ist ihnen erschwert. Hier Zugang oder überhaupt ein geregeltes Angebot zu schaffen, scheint notwendig. In der Praxis versucht man diesem Phänomen prekärer Wohnverhältnisse entgegen zu treten. Somit wurde in Luxemburg, wie auch in vielen anderen europäischen Ländern der Fokus stark auf die Problematik der Obdachlosigkeit gerichtet. Ein internationales Netzwerk hat sich gebildet, die FEANTSA. Diese hat Richtlinien zur Bekämpfung prekärer Wohnverhältnisse erarbeitet. Aus dieser Zusammenarbeit hat sich eine, für die Praxis wichtige Auflistung problematischer Wohnverhältnisse entwickelt, mit besonderem Fokus auf die zu unterscheidenden Bereiche: Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung14. „Als obdachlos gelten Menschen, die auf der Straße leben, an öffentlichen Plätzen wohnen, ohne eine Unterkunft, die sich in Verschlägen, Parks oder unter Brücken aufhalten. Obdachlos sind aber auch Menschen in Notunterkünften, die keinen festen Wohnsitz haben (...).“ „Als wohnungslos gelten Menschen, die in Einrichtungen wohnen, in denen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und in denen keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen. (...) [Auch] Menschen, die in Dauereinrichtungen für Wohnungslose wohnen, oder sich in ambulanter Wohnbetreuung in Einzelwohnungen befinden, [gelten] als wohnungslos.“ „Menschen, die temporäre Unterkunft bei Freunden, Bekannten oder Verwandten finden ohne einen Hauptwohnsitz zu haben oder ohne Rechtstitel (also ein vertragliches Mietverhältnis), und die vom guten Willen anderer Menschen abhängig sind, sowie solche, die durch illegale Land- oder Hausbesetzung zu Wohnraum kommen, leben in ungesicher­ ten Wohnverhältnissen. (...) Ungesicherte Wohnverhältnisse gelten auch für Menschen, die in ihren Wohnungen von Gewalt oder von Delogierung bedroht sind (…).“

auch die CECODHAS15 und fordert ein „Housing for all“. Damit wird soziales Wohnen zur absoluten und mehrdimensionalen Bestimmung, die auf unterschiedliche Aspekte aufmerksam macht. Die Visionen, die die CECODHAS beschreibt, sind: Wohnrecht

Das Recht auf angemessenen Wohnraum und adäquate Wohnverhältnisse ist ein Menschenrecht.

Erschwinglichkeit

Der Wohnraum muss für unterschiedliche Gruppen nicht nur zugänglich, sondern auch erschwinglich sein. Zu hohe Wohnpreise fördern soziale Exklusion.

Alter und Wohnen

Den im Alter steigenden Hilfebedarf auffangen und durch ambulante Angebote abdecken. Selbstständiges Wohnen im Alter so lange wie möglich fördern. Durch das sich daraus entwickelnde Netzwerk ambulanter Hilfen, können weitere Gesellschaftsgruppen profitieren.

Behinderung und Wohnen

Behindertengerechtes und barrierefreies Wohnen mit einem ambulanten Hilfs- und Unterstützungsnetzwerk. Förderung der Unabhängigkeit und Erhalt eines normalisierten Tagesablaufes in den eigenen vier Wänden.

Integration von Menschen mit Migrationshintergrund

Den gleichen Zugang zum Wohnungsmarkt für Menschen mit Migrationshintergrund fördern und Stigmatisierung und Diskriminierung vorbeugen/ abbauen.

Soziale Exklusion verhindern

Durch Aufklärung und Sensibilisierung die Exklusion von Menschen durch unangemessene Wohnverhältnisse verhindern. Ein entsprechendes Angebot auf dem Wohnmarkt anbieten.

Daneben scheint es weiterhin interessant sich mit Erfahrung des „sozialen Wohnens“ aus anderen Ländern auseinanderzusetzen. Hier scheint das österreichische Verständnis weitreichender16. Tangiert soziales Wohnen hier nämlich: Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, Betreutes Wohnen und Wohnbeihilfen und -unterstützungen17. Für diese Arbeit wollen wir eine erste Definition geben, in dem die hier dargestellten Elemente in einer einzigen Darstellung integriert werden.

14 ETHOS – Europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung. Nach BAWO – Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe.

15 CECODHAS versteht sich als Europäisches Verbindungskomitee für soziales Wohnen, welches als Netzwerk das Ziel verfolgt, Recht auf ordentliches Wohnen für alle Menschen und Gesellschaftsgruppen zu propagieren. Aus Luxemburg sind die FDL und die SNHBM Mitglied. www.housingeurope.eu. 16 Österreich hat eine lange Tradition in der Auseinandersetzung mit dem Thema „Wohnproblematiken“. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden Sozialreportagen zu den katastrophalen Wohnverhältnissen in Obdachlosenheimen angefertigt und die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisiert. Zeugnisse aus dieser Zeit belegen die Sozialreportagen von Max Winter. In Luxemburg sind ebenfalls die Wohnverhältnisse um die Jahrhundertwende beschrieben worden im Rahmen der „Sozialenquête“ des Luxemburger „Vereins für die Interessen der Frau“. Cf. Goetzinger (1997) sowie Bové (2011), S. 172f. 17 Soziales Wohnen: http://www.wien.gv.at/bauen-wohnen/sozial/ (6.10.2011).

286

287

Dabei richtet die FEANSTA ihren Fokus bei der Arbeit weniger auf die monetären Bedingungen des Wohnens, als vielmehr auf die sozialen Umstände: Wohnen als absolutes Menschenrecht, an dem sich soziale Teilhabe und Exklusion entscheidet. Dieser Logik folgt


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.